Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 28. Sept. 2016 - 13 L 1014/16.A
Gericht
Tenor
Der Antrag – inklusive des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe – wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 5. April 2016 gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den im Folgenden dargestellten Gründen nicht die nach § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
3Der am 29. März 2016 gestellte Antrag,
4die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 3936/16.A gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. März 2016 anzuordnen,
5ist zulässig, aber unbegründet.
6Die im summarischen Eilverfahren gebotene Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil die Abschiebungsanordnung in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Sie ist weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden.
7Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG in der Fassung des am 6. August 2016 in Kraft getretenen Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) - im Folgenden: AsylG ‑, die mangels einer einschlägigen Übergangsvorschrift gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auch auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Die genannte Vorschrift sieht vor, dass das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
8Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist der angegriffene Bescheid in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
9Zunächst liegt kein Verfahrensfehler im Sinne einer Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dahingehend vor, dass die Entscheidung des Bundesamtes auf eine dem Antragsteller unbekannte Tatsachengrundlage gestützt und ihm somit eine effektive Wahrnehmung seiner Rechte verwehrt worden wäre. Der Antragsteller trägt insoweit vor, dass lediglich eine Mitteilung über den EURODAC-Treffer und nicht der Treffer selbst in der Akte vorliege, sodass nicht überprüft werden könne, ob und wann und wo der Antragsteller einen Asylantrag gestellt habe bzw. erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Das im Wiederaufnahmegesuch genannte Datum der Asylantragstellung in Belgien ergebe sich nicht aus der Akte, sodass das rechtliche Gehör verletzt sei. Der Antragsteller hat jedoch in seiner Befragung vom 18. Januar 2016 selbst angegeben, am 9. Dezember 2013 in Belgien Fingerabdrücke abgenommen bekommen und dort einen Asylantrag gestellt zu haben. Die entscheidungserhebliche Tatsachengrundlage war ihm daher offensichtlich bekannt.
10In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass es die vom Verwaltungsgericht Wiesbaden in der vom Antragsteller zitierten Entscheidung geäußerten Bedenken gegen die Vollständigkeit der elektronischen Akte des Bundesamtes,
11vgl. Verwaltungsgericht Wiesbaden, Urteil vom 28. Februar 2014 – 6 K 152/14.WI.A –, juris, Rn. 22 ff.,
12in dem vorliegenden Verfahren nicht teilt. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwieweit eine etwaige Unvollständigkeit der elektronischen Akte des Bundesamtes sich auf die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides auswirken kann, zumal zumindest die Möglichkeit bestünde, die Dokumentenmappe beizuziehen.
13Soweit der Antragsteller darauf hinweist, er sei entgegen Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) nicht über die Anwendung der Dublin-Verordnung informiert worden, vermag er damit nicht durchzudringen. Zwar entspricht das von der Antragsgegnerin verwendete Merkblatt über das Dublin-Verfahren nicht dem ausführlicheren Merkblatt, das die EU-Kommission in Anlage X ihrer „Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist“ (im Folgenden: Durchführungsverordnung) vorgesehen hat. Der wesentliche Inhalt des Dublin-Verfahrens wird dem Antragsteller aber durch das vom Bundesamt verwendete Merkblatt und die weiteren dem Antragsteller gegebenen Informationen ausreichend näher gebracht. Insofern liegt nach Auffassung des Gerichts bereits kein Verfahrensfehler vor. Aus Artikel 4 Absatz 3 Dublin III-VO folgt insbesondere nicht, dass das Merkblatt der EU-Kommission zur Unterrichtung im Dublin-Verfahren für die Durchführung des Verfahrens von wesentlicher Bedeutung ist. Deshalb spricht auch einiges dafür, dass nach den allgemeinen, in § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsätzen ein diesbezüglicher Verfahrensfehler jedenfalls unbeachtlich wäre. Nach § 46 VwVfG darf ein Verwaltungsakt nicht allein deshalb aufgehoben werden, weil er unter Verletzung von Verfahrens-, Form oder Zuständigkeitsbestimmungen zustande gekommen ist, wenn offensichtlich eine gleichlautende Entscheidung zu treffen wäre.
14VG Schwerin, Beschluss vom 17. März 2015 – 3 B 687/15 As –, juris, Rn. 9; VG Düsseldorf, Beschluss vom 05.06.2015 – 13 L 1253/15.A –, juris; VG Minden, Beschluss vom 24. August 2016 – 1 L 1299/16.A –, juris.
15Anderes folgt im vorliegenden Fall auch nicht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zum harmless error principle. Danach führen wesentliche Verfahrensfehler (vgl. Artikel 263 Absatz 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]) zur Aufhebung der entsprechenden Verwaltungsentscheidung, wenn sie geeignet sind, sich auf die inhaltliche Entscheidung auszuwirken und deshalb ein Kausalzusammenhang zwischen dem Fehler und der Verwaltungsentscheidung besteht.
16Vgl. ausführlich zum Verhältnis von §§ 45, 46 VwVfG zu den vom EuGH entwickelten Verfahrensprinzipien, Kahl, VerwArch 95 (2004), 1 (22 ff.) m. umfassenden Nachweisen; ferner Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 46 Rn. 85a m. § 45 Rn. 158 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 46 Rn. 5a je m.w.N.
17Dass dem Antragsteller keinerlei Informationen bezüglich der Dublin III-VO ausgehändigt worden sind, trägt er nicht vor. Er beruft sich allein darauf, dass dies nicht in der elektronischen Akte des Bundesamtes dokumentiert sei. Jedoch kann aus einer fehlenden oder unzureichenden Information zum Verfahren nach der Dublin III-VO nicht zwingend geschlossen werden, dass der Fehler für die spätere Entscheidung kausal geworden ist. Das Informationsrecht nach Artikel 4 Dublin III-VO zielt darauf ab, die Antragsteller über ihre Rechte zu informieren, damit sie diese wahren können. Der für die Bestimmung des zuständigen Staates maßgebende Sachverhalt wird aber erst in der persönlichen Anhörung nach Art. 5 Dublin III-VO bzw. § 25 AsylG geklärt, worauf auch Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO verweist.
18VG Schwerin, Beschluss vom 17. März 2015 – 3 B 687/15 As –, juris, Rn. 11.
19Dies gilt auch für die vom Antragsteller insbesondere gerügten fehlenden Informationen bezüglich des Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO. Es ist nicht ersichtlich, wie sich – selbst bei unterstelltem Fehlen der Information – dies auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides ausgewirkt hat. Der Antragsteller ist in seiner Befragung vom 18. Januar 2016 dazu angehört worden, ob er das Gebiet der Mitgliedstaaten verlassen hat, was er verneint hat. Dass er diese oder andere Fragen anders beantwortet hätte, wenn er zuvor über die Rechtsfolge der Ausreise oder andere Kriterien belehrt worden wäre, ist nicht ersichtlich. Inwieweit es sich auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides hätte auswirken können, wenn der Antragsteller detailliert dargelegt hätte, wie er über Belgien nach Deutschland eingereist ist, bleibt offen. Soweit mit diesem Vortrag auf systemische Mängel hingedeutet wird, ist darauf hinzuweisen, dass das Bestehen systemischer Mängel nicht von dem individuellen Schicksal des jeweiligen Asylbewerbers, sondern dem objektiven Vorliegen von über den Einzelfall hinausgehenden – eben systemischen – Mängeln abhängt.
20Weiterhin kann auch kein relevanter Verfahrensmangel aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 5 Dublin III-Verordnung festgestellt werden. Zweck dieser Regelung ist ausweislich des Erwägungsgrundes 18 der Dublin III-Verordnung, die Bestimmung des für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats zu erleichtern. Der Antragsteller soll über die Anwendung der Dublin III-Verordnung und über die Möglichkeit informiert werden, bei dem Gespräch Angaben über die Anwesenheit von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung in den Mitgliedstaaten zu machen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu erleichtern. Das Bundesamt hat mit dem Antragsteller am 18. Januar 2016 ein persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens geführt. Es wurden von ihm alle Fragen beantwortet. Das Ziel der Bestimmung des für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats wurde erreicht. Es ist nicht ersichtlich, dass die gerügte Gesprächsdauer dazu geführt hat, dass der Antragsteller wesentliche Angaben nicht machen konnte. Vielmehr diente das erste Gespräch nur der Abklärung, ob überhaupt ein Dublin-Verfahren eingeleitet wird. Dem Antragsteller wurde dann nach der Feststellung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates die Möglichkeit gegeben, in einem zweiten Gespräch hierzu – auch zu der Frage, ob es Gründe gibt, in einen bestimmten Mitgliedstaat nicht überstellt zu werden – Stellung zu nehmen. Der Antragsteller ist zu dieser Zweitbefragung jedoch nicht erschienen. Wie im Weiteren darzulegen sein wird, hat der Antragsteller auch im gerichtlichen Verfahren keine Umstände vorgetragen, die er mangels entsprechender Information im Rahmen der ersten Befragung nicht angebracht hat, bzw. die zu einer anderen Sachentscheidung des Bundesamtes hätten führen müssen oder können.
21Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat das Bundesamt für das Wiederaufnahmegesuch das in Art. 23 Abs. 4 Dublin III-VO vorgeschriebene Standardblatt aus dem Anhang III der Durchführungsverordnung verwendet. Dass die Beantwortung der unter dem Punkt 11. im Standardformular angegebenen Frage vom Bundesamt in der Sektion Bemerkungen vorgenommen wird, steht dem nicht entgegen. Insbesondere wurde Belgien die relevante Information des Datums des Eingangs des Eurodac-Treffers ausdrücklich mitgeteilt.
22Der Antragsteller dringt auch nicht durch mit der Rüge, dass Belgien im Wiederaufnahmegesuch nicht mitgeteilt wurde, dass das vom Bundesamt angegebene Geburtsdatum ein fiktiv festgelegtes Datum ist. Unter Umständen kann der ersuchte Staat, um die Überprüfung der eigenen Zuständigkeit durchzuführen, darauf angewiesen sein, dass der ersuchende Staat ihm entsprechende Informationen, die dieser etwa im persönlichen Gespräch mit dem Asylbewerber (Art. 5 Dublin III-VO) gewonnen hat, zur Verfügung stellt. Derartige Informationspflichten sieht Art. 23 Abs. 4 Dublin III-VO für das Wiederaufnahmegesuch ausdrücklich vor. Ergänzend bestimmt Art. 34 Dublin III-VO als allgemeine Vorschrift über den Informationsaustausch, dass jeder Mitgliedstaat jedem anderen Mitgliedstaat, der dies beantragt, personenbezogene Daten über den Antragsteller, die sachdienlich und relevant sind und nicht über das erforderliche Maß hinausgehen, für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, siehe Abs. 1 Buchst. a), übermittelt. Eine etwaige Fehlinformation oder unterlassene Information kann jedoch nur dann einen relevanten Verstoß gegen die Vorschriften der Dublin III-VO darstellen, wenn der ersuchende Staat dem ersuchten Staat die Möglichkeit nimmt, sich auf seine fehlende Zuständigkeit, beispielsweise aufgrund der Minderjährigkeit eines Antragstellers, zu berufen. Vorliegend kann schon nicht von einer derartigen Fehlinformation ausgegangen werden, da das Bundesamt tatsächlich der Ansicht war, dass der Antragsteller spätestens zu diesem Datum geboren wurde. Der Antragsteller hat dieses Datum im Rahmen seiner formellen Antragstellung am 22. Januar 2016 auch selbst angegeben bzw. durch seine Unterschrift bestätigt. Darüber hinaus lagen den belgischen Behörden eigene Erkenntnisse bezüglich des Geburtsdatums des Antragstellers vor, sodass auch bei der entsprechenden Information des Bundesamtes, dass der Antragsteller in Deutschland zunächst ein anderes Geburtsdatum angegeben hat, nicht von einer anderen Reaktion Belgiens ausgegangen werden kann. Zudem wäre es Belgien, auch wenn man das fiktive Geburtsdatum zugrunde legt, nicht benommen gewesen, sich auf seine fehlende Zuständigkeit zu berufen. Bei der vom Antragsteller vertretenen Ansicht der Versteinerung der Zuständigkeitskriterien nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO wäre der Antragsteller auch bei Zugrundelegung des fiktiven Geburtsdatum bei seiner Antragstellung in Belgien minderjährig gewesen und Deutschland nunmehr zuständig. Darüber hinaus folgt auch aus dem vom Antragsteller bei seiner Einreise in Deutschland angegebenen Geburtsdatum nicht der Übergang der Zuständigkeit auf Deutschland (s. unten). Im Ergebnis wurde Belgien somit nicht die Möglichkeit genommen, sich auf die eigene fehlende Zuständigkeit zu berufen. Darüber hinaus dient die Übermittlung der personenbezogenen Daten im Rahmen des Dublin-Verfahrens der Identifikation des Asylantragstellers. Diesem Zweck wäre auch die Übermittlung des vom Antragsteller in Deutschland angegebenen Geburtsdatums nicht gerecht geworden, da die belgischen Behörden ein anderes Geburtsdatum gespeichert haben.
23Ebenso wenig ergibt sich aus der Verwendung eines fiktiven Geburtsdatums ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG des Antragstellers, das den streitgegenständlichen Bescheid rechtswidrig erscheinen ließe. Zunächst ist schon nicht ersichtlich, welche – über einen Änderungsanspruch und die zuvor genannten Informationspflichten – hinausgehende Rechtsfolge die Speicherung eines falschen Geburtsdatums im Rahmen des Dublin-Verfahrens haben sollte. Darüber hinaus wurde das Geburtsdatum des 00.00.1996 vom Bundesamt zu Recht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylG erhoben und der streitgegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt. Wie bereits dargelegt, hat der Antragsteller bei seiner formellen Asylantragstellung am 22. Januar 2016 selbst das Geburtsdatum 00.00.1996 angegeben bzw. dies durch seine Unterschrift bestätigt. Dass dieses Datum ursprünglich auf der Altersuntersuchung durch das Jugendamt der Stadt Bochum und der Festlegung des Alters durch die Zentrale Ausländerbehörde in Dortmund beruhte, ist für die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides unerheblich. Gemäß § 42f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII hat das Jugendamt im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme einer ausländischen Person gemäß § 42a SGB VIII deren Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen und festzustellen. Aufgrund der Anzeichen, die gegen eine Minderjährigkeit des Antragstellers sprachen, hat das Jugendamt der Stadt Bochum von einer Inobhutnahme abgesehen. Das aus dieser Inaugenscheinnahme resultierende Geburtsdatum war dem Antragsteller spätestens mit Aushändigung der Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender bekannt, sodass es sich nicht um eine dem Antragsteller verheimlichte Speicherung eines abweichenden Geburtsdatums handelt. Der Umstand, dass die vom Jugendamt vorgenommene Altersfeststellung möglicherweise nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien entsprach, ist in Bezug auf die formelle Rechtmäßigkeit des vorliegenden Bescheides nicht relevant. Dass der Antragsteller gemäß § 42f Abs. 2 SGB VIII einen Antrag auf eine ärztliche Untersuchung gestellt hätte oder diese aufgrund von Zweifeln von Amts wegen zu veranlassen gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Überdies ist in der Akte des Bundesamtes weiterhin nachvollziehbar, dass der Antragsteller bei seiner Einreise den 00.00.1997 als Geburtsdatum angegeben hat und dass das Datum des 00.00.1996 ein fiktives Datum darstellt.
24Inwieweit es sich auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides auswirkt, dass das Bundesamt – wie vom Antragsteller gerügt – im Wiederaufnahmegesuch keine Kopie der Anhörung vom 18. Januar 2016 übersandt hat, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist ein Verstoß gegen Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) ersichtlich.
25Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Antragstellers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Antragsgegnerin verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des EuGH hat der an sich nach der Dublin III-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 17 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO selbst prüfen,
26EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 108.
27Zunächst erscheint bereits fraglich, ob diese Vorgaben des EuGH auch auf den zwischen der Meldung als Asylsuchender und der förmlichen Asylantragstellung liegenden Zeitraum anzuwenden sind. Denn die Entscheidung des EuGH bezog sich im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat und damit den Zeitraum ab dem förmlichen Verfahrensbeginn. Jedenfalls ist eine überlange Verfahrensdauer nicht ersichtlich. Dies liegt für den Zeitraum zwischen der förmlichen Asylantragstellung am 22. Januar 2016 und der Bescheidung knappe drei Monate später am 21. März 2016 auf der Hand. Auch für den Zeitraum, der zwischen der Meldung als Asylsuchender und der förmlichen Antragstellung vergangen ist, liegt im Ergebnis keine unangemessen lange Dauer des Verfahrens vor. Es ist zutreffend, dass zwischen der Meldung des Antragstellers als Asylsuchendem vom 6. November 2014 und seiner förmlichen Asylantragstellung am 22. Januar 2016 ein erheblicher Zeitraum von über einem Jahr liegt. Darüber hinaus lässt sich – wie der Antragsteller vorträgt – dem Verwaltungsvorgang des Bundesamtes nicht entnehmen, warum es zu dieser Verzögerung kam. Gleichzeitig ist damit jedoch auch nicht ersichtlich, ob der Antragsteller versucht hat, zu einem früheren Zeitpunkt persönlich beim Bundesamt vorzusprechen. Dies behauptet der Antragsteller nicht.
28Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der EuGH nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (im Folgenden: Richtlinie 2013/32/EU) und die Dublin III-VO nur für bestimmte Verfahrensschritte konkrete Fristen vorsehen, auch wenn sich unter anderem aus den Regelungen von Art. 20 Dublin III-VO und Art. 6 Richtlinie 2013/32/EU sowie Art. 41 Abs. 1 GR-Charta der Grundsatz der Beschleunigung für das Asylverfahren insgesamt ergibt. Es ist jedoch keine ausdrückliche Frist für die Zeit zwischen der Meldung als Asylsuchender und der Stellung eines förmlichen Asylantrags vorgesehen. Aus der vom Antragsteller zu seinen Gunsten angeführten Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU ergibt sich keine Pflicht des Bundesamtes – und korrespondierend damit ein Anspruch des Antragstellers –, den förmlichen Asylantrag unverzüglich bzw. innerhalb einer bestimmten Frist nach Äußerung des Schutzersuchens anzunehmen. Die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 und 2 sowie Abs. 5 Richtlinie 2013/32/EU regeln nach ihrem eindeutigen Wortlaut ausschließlich die Registrierung eines Antragstellers nach Äußerung eines materiellen Schutzersuchens. Die Registrierung eines Antragstellers ist jedoch, wie sich aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift ergibt, zu unterscheiden von der förmlichen Antragstellung. Denn die förmliche Antragstellung ist in den Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2 bis 4 Richtlinie 2013/32/EU gesondert geregelt. Dies belegt, dass nach der Konzeption der Verfahrensrichtlinie die Registrierung einerseits und die förmliche Antragstellung andererseits zwei unterschiedliche Verfahrensschritte sind. Aus den Fristen, die in den vorgenannten Bestimmungen für die Registrierung eines Antragstellers vorgesehen sind, ergibt sich daher nichts für die in Rede stehende förmliche Antragstellung.
29VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Juli 2016 – 6 L 2019/16.A –, juris.
30Der Antragsteller kann einen Anspruch, unverzüglich oder zumindest innerhalb einer bestimmten Frist einen förmlichen Schutzantrag beim Bundesamt als zuständiger Asylbehörde (vgl. Art. 2 Buchst. f) und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU) stellen zu können, insbesondere auch nicht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 der Richtlinie 2013/32/EU ableiten. Nach dieser Bestimmung stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass eine Person, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, tatsächlich die Möglichkeit hat, diesen sobald wie möglich förmlich zu stellen.
31Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Juli 2016 – 6 L 2019/16.A –, juris.
32Unabhängig davon, ob der Antragsteller sich auf diese Richtlinie unmittelbar berufen kann, ist jedenfalls aber ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU nicht ersichtlich. Denn die Vorschrift bestimmt – wie dargelegt – lediglich, dass ein Antragsteller tatsächlich die Möglichkeit hat, den Antrag "sobald wie möglich" förmlich zu stellen. Mit dieser Wendung wird gerade die Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse in der Praxis ermöglicht, die der Einhaltung bestimmter Fristen zur förmlichen Antragstellung ggf. entgegenstehen können, wie z.B. eine starke Zunahme von Schutzersuchen und die damit einhergehenden Kapazitätsauslastungen der zuständigen Asylbehörde. Angesichts der allgemein bekannten Entwicklung der Asylantragstellerzahlen seit dem Jahr 2015 und der damit einhergehenden erheblichen Arbeitsüberlastung des Bundesamtes ist es diesem bei objektiver Betrachtung derzeit rein faktisch nicht möglich, eine zeitnahe Terminvergabe zur förmlichen Asylantragstellung zu gewährleisten.
33Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Juli 2016 – 6 L 2019/16.A –, juris.
34Der Antragsteller, der – laut der Übernahmeerklärung Belgiens nach Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin III-VO und seinen eigenen Angaben – in Belgien bereits ein abgeschlossenes Asylverfahren durchlaufen hat, ist auch nicht durch den bloßen Zeitablauf zwischen der Meldung als Asylsuchendem und der förmlichen Asylantragstellung derart erheblich in seinen Verfahrensrechten verletzt, dass ihm eine Überstellung nach Belgien allein aus diesem Grunde unzumutbar wäre.
35Darüber hinaus ist anzumerken, dass auch wenn Verfahrensfehler grundsätzlich von der gerichtlichen Überprüfung erfasst sind und nach der Rechtsprechung des EuGH,
36Urteile vom 7. Juni 2016 – C-63/15 – und – C-155/15 –, juris,
37zumindest die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III der Dublin III-VO festgelegten Zuständigkeitskriteriums subjektive Rechte begründet, dies nur für den Fall der Ergebnisrelevanz des jeweiligen Verfahrensfehlers gelten kann. Diese ist jedoch – wie zuvor dargelegt – jeweils nicht ersichtlich.
38Entgegen der Ansicht des Antragstellers war in Bezug auf mögliche Verfahrensfehler auch nicht das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Dies gilt vorliegend bereits, da in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich keine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht.
39Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 19. Oktober 2006 – 2 BvR 2023/06 – und vom 29. November 1991 – 2 BvR 1642/91 –,juris.
40Art. 267 Abs. 3 AEUV (früher Art. 177 Abs. 3 EWGV) ist nach der Rechtsprechung des EuGH dahin auszulegen, dass ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, nicht verpflichtet ist, dem Gerichtshof eine Auslegungsfrage im Sinne von Absatz 1 dieses Artikels vorzulegen, wenn sich die Frage in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung stellt und die zu erlassende Entscheidung das Gericht, dem der Rechtsstreit danach in einem Hauptsacheverfahren vorgelegt wird, nicht bindet, sofern es jeder Partei unbenommen bleibt, - auch vor den Gerichten eines anderen Gerichtszweigs – ein Hauptverfahren, in dem jede in summarischen Verfahren vorläufig entschiedene Frage des Gemeinschaftsrechts erneut geprüft werden und den Gegenstand einer Vorlage nach Art. 267 AEUV bilden kann, entweder selbst einzuleiten oder dessen Einleitung zu verlangen.
41EuGH, Urteile vom 24. Mai 1977, Rs. 107/76, Hoffmann-La Roche/Centrafarm, Slg. 1977 und vom 27. Oktober 1982, verbundene Rs. 35 und 36/82, Morson und Jhanjan/Niederländischer Staat, Slg. 1982, juris.
42Die Abschiebungsanordnung ist überdies materiell rechtmäßig. § 34a AsylG sieht vor, dass das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG).
43Nach den Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO ist Belgien der zuständige Staat für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers.
44Der Antragsteller hat sich nach seinen eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt vor der Einreise nach Deutschland am 30. Oktober 2014 und Asylantragstellung am 22. Januar 2016 ca. ein Jahr in Belgien aufgehalten und dort auch einen Asylantrag gestellt. Dies wird durch den am 27. Januar 2016 beim Bundesamt eingegangenen Eurodac-Treffer (BE1870103074291) bestätigt. Die Antragsgegnerin hat am 1. Februar 2016, und damit innerhalb der von Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO vorgesehenen Frist, Belgien um Wiederaufnahme des Antragstellers ersucht. Belgien hat auf dieses Ersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin III-VO ausdrücklich am 2. Februar 2016 seine Zuständigkeit erklärt.
45Belgien ist daher gemäß Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO grundsätzlich verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Entscheidung über den vorliegenden Eilantrag wieder aufzunehmen.
46BVerwG, EuGH-Vorlage vom 27. April 2016 – 1 C 22/15 –, juris.
47Entgegen der Ansicht des Antragstellers ergibt sich die Zuständigkeit Deutschlands auch nicht aus der Regelung von Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO. Im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen ist danach der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem der unbegleitete Minderjährige seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist diese Vorschrift so zu verstehen, dass der Mitgliedstaat zuständig ist, in dem sich der Minderjährige gerade aufhält, auch wenn er bereits in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten einen Asylantrag gestellt hat.
48Vgl. EuGH, Urteil vom 6. Juni 2013 – C-648/11 –, juris.
49Der Antragsteller war jedoch im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der formalen Asylantragstellung in Deutschland kein Minderjähriger im Sinne der Art. 8 Abs. 4 und 2 lit. i) Dublin III-VO. Minderjähriger im Sinne der Legaldefinition von Art. 2 lit. i) Dublin III-VO ist ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser unter 18 Jahren.
50Zunächst ist festzuhalten, dass der Antragsteller schon nicht plausibel dargelegt hat, dass er im Zeitpunkt der Antragstellung in Belgien bzw. der Einreise nach Deutschland minderjährig war. Aus der Übernahmeerklärung Belgiens vom 2. Februar 2016 ergibt sich, dass er dort als Geburtsdatum den 00.00.1993 angegeben hat und somit im Zeitpunkt der dortigen Antragstellung am 9. Dezember 2013 bereits volljährig war. Bei der Einreise nach Deutschland am 30. Oktober 2014 gab der Antragsteller nunmehr als Geburtsdatum den 00.00.1997 an. Danach wäre er im Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland und der Antragstellung in Belgien noch minderjährig gewesen. Die in Belgien gespeicherten Angaben des Monats und des Tages entsprechen den Angaben des Antragstellers bei der Einreise in Deutschland. Nur das Jahr wurde dort vom Antragsteller abweichend angegeben. Dies spricht dafür, dass es sich bei dem in Belgien gespeicherten Datum um ein tatsächlich vom Antragsteller angegebenes Geburtsdatum und nicht um eine Schätzung – wie beispielsweise beim 1. Januar eines Jahres – handelt. Die unterschiedlichen Angaben in Bezug auf das Geburtsjahr hat der Antragsteller im vorliegenden Verfahren nicht plausibilisiert. Dem Gericht liegen überdies keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller in Belgien veranlasst gewesen wäre, sich älter erscheinen zu lassen, als er tatsächlich war. Bei seiner Einreise nach Deutschland spricht jedoch vieles dafür, dass er, um die Vorteile einer Antragstellung als Minderjähriger im Dublin-Verfahren in Anspruch nehmen zu können, sein Alter nunmehr jünger angegeben hat. Darüber hinaus spricht für die Richtigkeit seines in Belgien angegebenen Geburtsdatums die Stellungnahme durch das Jugendamt der Stadt C. vom 3. November 2014. Auch wenn diese nicht den Untersuchungsanforderungen an eine konkrete Altersfeststellung genügt, lässt sie sich dennoch als weiteres Indiz hinzuziehen. Danach sprachen die Bewertung der Stimmlage, der Gesichtszüge, des Körperbaus sowie der Gesamteindruck, den der Antragsteller auf den Mitarbeiter des Jugendamtes machte, für seine Volljährigkeit im Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland. Gegen diese Einschätzung spricht im Ergebnis auch nicht die erst im Gerichtsverfahren und ausschließlich in französischer Sprache vorgelegte Kopie der Geburtsurkunde des Antragstellers, die als Geburtsdatum den 00.00.1997 ausweist. Unabhängig davon, ob dieses französisch-sprachige Dokument zu Beweiszwecken im vorliegenden Verfahren geeignet ist, kann ihm keine erhebliche Bedeutung beigemessen werden. Denn nach den Angaben des Auswärtigen Amtes ist das amtliche Urkundswesen Guineas chronisch unzuverlässig. Es gebe eine Vielzahl gefälschter Urkunden und es existiere ein reger Dokumentenschwarzmarkt für Stempel und Urkundsmuster,
51Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea vom 21. November 2015, Seite 13.
52Darüber hinaus ist auch das vom Antragsteller im Rahmen des förmlichen Asylantrags vom 22. Januar 2016 angegebene Geburtsdatum des 00.00.1996 ein Indiz dafür, dass er nicht zwingend an seiner vorherigen Angabe des 00.00.1997 festhalten wolle. Dies spricht ebenfalls für die Fehlerhaftigkeit dieses Datums.
53Überdies kann es dahinstehen, ob der Antragsteller bereits im Zeitpunkt seiner Antragstellung in Belgien volljährig war. Denn für die Zuständigkeitsbestimmung ist im Rahmen des Kriteriums der Minderjährigkeit auf den aktuellen förmlichen Asylantrag im jeweiligen Mitgliedstaat abzustellen. Selbst wenn man das vom Antragsteller bei seiner Einreise angegebene – und damit das für ihn im Zweifelsfall günstigste – Alter unterstellt, war er demnach im entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits volljährig.
54Das Kriterium der Minderjährigkeit unterfällt zunächst nicht der „Versteinerungsregel“ in Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO. Vielmehr ist das jeweils aktuelle Alter des Asylbewerbers bei Antragstellung für seine Einordnung und die Anwendung von Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO relevant. Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO wird bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Zwar spricht der Wortlaut dieser Regelung dafür, dass alle im Kapitel III der Dublin III-VO genannten Kriterien der „Versteinerung“ unterfallen.
55Für die Anwendung der „Versteinerung“ VG Aachen, Beschluss vom 22. April 2015 – 5 L 15/15.A, juris und VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. August 2016 – 12 L 2387/16.A n.V.; aA VG Minden, Beschluss vom 27. Januar 2015 – 10 L 820/14.A, juris; offen gelassen durch BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 – 1 C 4/15 – und VG Würzburg, Beschluss vom 7. Januar 2016 – W 3 S 15.50392 –, juris.
56Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind jedoch bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.
57EuGH, Urteile vom 6. Juni 2013 – C-648/11 –, vom 29. Januar 2009 – C-19/08 – und vom 23. Dezember 2009 – C-403/09 –, jeweils juris.
58Der Zusammenhang bzw. die Gesetzessystematik und die Ziele bzw. der Sinn und Zweck der verschiedenen Zuständigkeitskriterien sprechen vorliegend dafür, dass das Kriterium der Minderjährigkeit nicht unter die in Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO genannten Kriterien zu subsumieren ist. Das Kapitel III der Dublin III-VO enthält verschiedene Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats, wie die Minderjährigkeit (Art. 8 Dublin III-VO), das Vorhandensein von Familienangehörigen (Art. 9 bis 11 Dublin III-VO), die Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa (Art. 12 Dublin III-VO) und die Modalitäten der Einreise (Art. 12 bis 15 Dublin III-VO). Diese Kriterien lassen sich systematisch in Kriterien einteilen, die an den jeweiligen Mitgliedstaat oder die Person des Antragstellers anknüpfen. Erstere Kriterien dienen der Entscheidung über die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens aufgrund der Sachnähe des jeweiligen Mitgliedstaates. Die an die Person des Antragstellers anknüpfenden Merkmale – wie die Minderjährigkeit – dienen hingegen dem Schutz des Antragstellers. Bei der weiteren Auslegung ist in systematischer Hinsicht auf die in Kapitel II „Allgemeine Grundsätze und Schutzgarantien“, insbesondere in Art. 6 Dublin III-VO enthaltenen Garantien für Minderjährige abzustellen. Aus der Position dieses Artikels unter den allgemeinen Grundsätzen erschließt sich dessen Bedeutung auch für die Auslegung der folgenden Artikel. Art. 6 Dublin III-VO lassen sich verschiedene Verfahrensgarantien insbesondere für unbegleitete Minderjährige entnehmen, wie die Bestellung eines Vertreters (Abs. 2) und die Beschäftigung von geeignet geschultem Personal für die besonderen Bedürfnisse Minderjähriger (Abs. 4 Unterabsatz 3). Auch aus Art. 12 Abs. 3 der Durchführungsverordnung ergeben sich besondere Verfahrensgarantien für Minderjährige, wie der Umstand, dass das persönliche Gespräch nach Art. 5 Dublin III-VO im Beisein des in Art. 6 Abs. 2 Dublin III-VO genannten Vertreters zu führen ist. Sämtliche zuvor genannte Vorschriften implizieren, dass die Bearbeitung des Antrages eines unbegleiteten Minderjährigen besonderer Schutzvorkehrungen und Hilfestellungen bedarf, die jedoch auch mit Rücksicht auf die nicht gewünschte Bevormundung eines erwachsenen Antragstellers nur dann Anwendung finden können, wenn dem Mitarbeiter des jeweiligen Mitgliedstaates auch tatsächlich ein minderjähriger Antragsteller gegenüber sitzt. Die sich in systematischer Hinsicht ergebende Orientierung an der tatsächlichen Notwendigkeit des Schutzes eines Minderjährigen lässt sich auch auf die Kriterien der Zuständigkeitsbestimmung übertragen. So verweist Art. 6 Abs. 4 Unterabsatz 1 Dublin III-VO ausdrücklich im Rahmen der Ermittlung von Familienangehörigen auf den Zweck der Durchführung des Art. 8 Dublin III-VO und verdeutlicht damit eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Schutz des tatsächlich Minderjährigen und dem Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung.
59Ebenso ist nach dem Sinn und Zweck der Zuständigkeitskriterien davon auszugehen, dass nur solche Kriterien von der Versteinerungsklausel erfasst sind, die an die Mitgliedstaaten anknüpfen, wie beispielsweise die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Visums bzw. die Grenzüberschreitung, da hiervon unmittelbar die Sachnähe zur Durchführung des Asylverfahrens abgeleitet werden kann. Das Kriterium der Minderjährigkeit hingegen dient allein dem Schutz des Minderjährigen und kann deswegen auch nur so lange von Relevanz sein, wie es tatsächlich erfüllt ist. So ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 Dublin III-VO, dass das Wohl des Kindes in allen Verfahren, die in dieser Verordnung vorgesehen sind, eine vorrangige Erwägung der Mitgliedstaaten ist. Darüber hinaus lässt sich dem Erwägungsgrund 13 der Dublin III-VO entnehmen, dass für unbegleitete Minderjährige gerade aufgrund ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit spezielle Verfahrensgarantien festgelegt werden. Zu diesen Verfahrensgarantien gehört auch der Umstand, dass der Mitgliedstaat für das Asylverfahren des Minderjährigen zuständig ist, in dem er sich gerade aufhält, unabhängig von der Zahl bzw. dem Status der bereits gestellten Anträge in anderen Mitgliedstaaten. Denn das Wohl des Minderjährigen steht insoweit über dem Gesichtspunkt, dass die einmal festgelegte Zuständigkeit grundsätzlich nicht mehr geändert werden soll. So hat der EuGH in seiner Entscheidung zur Auslegung des Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO in seinem Urteil
60vom 6. Juni 2013 – C-648/11 –, juris,
61maßgeblich auf das Ziel des Schutzes der unbegleiteten Minderjährigen abgestellt, die zu einer Kategorie besonders gefährdeter Personen gehörten und deswegen von der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat auszunehmen seien. Vorliegend greifen diese am Schutzziel orientierten Auslegungsgründe jedoch nicht mehr. Denn ab dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller nicht mehr in diese schutzbedürftige Gruppe hineinfällt, besteht kein Grund mehr dafür, ihn gesondert zu behandeln und von dem Überstellungsverfahren auszunehmen. Vor dem Hintergrund, dass die Dublin III-VO grundsätzlich dem Zweck dient, den Asylantrag nur in einem einzigen Staat zu prüfen, Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO,
62vgl. EuGH, Urteil vom 6. Juni 2013 – C-648/11 –, juris,
63kann die Möglichkeit, Folgeanträge oder sonstige weitere Anträge in allen Mitgliedstaaten zu stellen und den Mitgliedstaat auf die inhaltliche Prüfung der Voraussetzungen des Wiederaufgreifens eines Verfahrens zu verweisen, nur für den Fall der tatsächlich noch bestehenden Minderjährigkeit von Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO erfasst sein.
64Auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten im Sinne von Art. 21 GR-Charta erscheint die Versteinerung des Kriteriums der Minderjährigkeit und damit einer Ungleichbehandlung von zwei volljährigen Asylbewerbern, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist sind, nicht sachgerecht. Es liegt jedenfalls nicht auf der Hand, dass ein 18-jähriger Asylantragsteller als weniger schutzwürdig zu behandeln ist als ein 25-jähriger, der mit 17 Jahren seinen ersten Antrag in einem Mitgliedstaat gestellt hat.
65Allein die Tatsache, dass ein Asylbewerber als Minderjähriger eingereist ist, spricht nicht maßgeblich für seine besondere Schutzbedürftigkeit auch im Erwachsenenalter, zumal gerade die Schutzvorkehrungen für unbegleitete Minderjährige, wie die Inobhutnahme durch das Jugendamt, einen Ausgleich dieser erhöhten Verletzlichkeit darstellen sollen.
66Für die Feststellung der Minderjährigkeit kommt es auf den Zeitpunkt der förmlichen Asylantragstellung in Deutschland an. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist demgegenüber nicht auf den Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland bzw. seine Meldung als Asylsuchender abzustellen.
67Vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 7. Januar 2016 – W 3 S 15.50392 –, juris.
68Gemäß dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem der unbegleitete Minderjährige seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Gemäß der Legaldefinition in Art. 2 lit. b) bezeichnet der Ausdruck „Antrag auf internationalen Schutz“ einen Antrag im Sinne des Art. 2 lit. h) der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011. Danach ist ein Antrag auf internationalen Schutz das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt, und wenn er nicht ausdrücklich um eine andere, gesondert zu beantragende Form des Schutzes außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie ersucht. Der Wortlaut ist nicht eindeutig dahin gehend, ob mit dem dort genannten Antrag der materielle Asylantrag bei gleich welcher Behörde oder der formelle Asylantrag bei der für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Behörde gemeint ist. Wie bereits dargelegt, sind für die Auslegung der europäischen Normen neben dem Wortlaut auch deren Systematik und Ziele heranzuziehen.
69Grundsätzlich ist der Regelung des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU zu entnehmen, dass auch die Richtlinien zwischen dem materiellen Antrag auf internationalen Schutz und dem förmlichen Antrag auf internationalen Schutz unterscheiden (s. oben). Aus Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU ergibt sich jedoch ebenfalls, dass unbeschadet des Absatzes 2 die Mitgliedstaaten verlangen können, dass Anträge auf internationalen Schutz persönlich und an einem bestimmten Ort gestellt werden. Von dieser Möglichkeit hat die Antragsgegnerin in §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 23 Abs. 1 AsylG Gebrauch gemacht. Von einer Antragstellung im Sinne einer verfahrenseinleitenden Maßnahme im Sinne des Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO ist damit erst im Zeitpunkt der persönlichen Antragstellung beim Bundesamt auszugehen.
70Darüber hinaus zeigt die Legaldefinition des Begriffs „Antrag auf internationalen Schutz“, dass bei der Beurteilung, ob ein „Antrag auf internationalen Schutz“ in diesem Sinne vorliegt, das inhaltliche Begehren des Antragstellers zu berücksichtigen ist; dies wird jedoch nicht schon dann im Einzelnen benannt und seitens der Antragsgegnerin in rechtlicher Hinsicht zur Kenntnis genommen und entsprechend eingeordnet, wenn sich ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser erstmals – gleich bei welcher Behörde oder Institution – als Asylsuchender meldet. Vielmehr wird dieses Begehren erst bei der Antragstellung i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 AsylG bei der Außenstelle des Bundesamtes aufgenommen und konkretisiert, die der für die Aufnahme des Ausländers zuständigen Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist (vgl. hierzu auch § 23 Abs. 1 und § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
71Vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 7. Januar 2016 – W 3 S 15.50392 –, juris.
72Auch dem Sinn und Zweck der Verfahrensgarantien zum Schutz des Minderjährigen lässt sich entnehmen, dass sie ab dem Zeitpunkt eingreifen, in dem das förmliche Verfahren von der zuständigen Behörde, dem Bundesamt, aufgenommen wird. Sonstige, dem Schutz des Minderjährigen dienende Vorkehrungen, wie die Inobhutnahme durch das Jugendamt, sind von diesem Zeitpunkt unabhängig, sodass der Schutz des Minderjährigen hinreichend gewahrt ist. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Mitgliedstaat den Asylbewerber rechtsmissbräuchlich in die Volljährigkeit hat herein wachsen lassen. Davon ist jedoch vorliegend nicht auszugehen, da die Altersuntersuchung des Antragstellers bereits im Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland durchgeführt wurde und das Jugendamt der Stadt C. und die Zentrale Ausländerbehörde der Stadt E. davon ausgingen, dass der Antragsteller bereits zu diesem Zeitpunkt volljährig war. Eine gesonderte Behandlung des Antragstellers dahingehend, dass seine formelle Asylantragstellung beim Bundesamt bevorzugt vorzunehmen war, musste daher nicht erfolgen.
73Von der Vorlage der vorgenannten Auslegungsfragen an den EuGH wurde im Rahmen des Eilverfahrens aus den bereits im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit ausgeführten Erwägungen und zur Beschleunigung des Eilverfahrens verzichtet.
74Die Antragsgegnerin ist auch nicht deswegen an der Überstellung des Antragstellers nach Belgien gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, weil das belgische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist,
75EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
76Die Voraussetzungen, unter denen das nach der zitierten Rechtsprechung,
77EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413,
78und der Regelung des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO der Fall wäre, liegen nicht vor. Danach ist die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder entwürdigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der GR-Charta implizieren,
79EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 86.
80Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 Gr-Charta bzw. Art. 3 der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
81EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris Rn. 94.
82Diese Voraussetzungen sind für Belgien nicht erfüllt. Auch nach Auswertung der vom Antragsteller angeführten Erkenntnismittel liegen keine Umstände vor, aus denen sich systemische Mängel im Asylverfahren oder den Aufnahmebedingungen Belgiens ergeben. Für den Antragsteller ist dabei – wie sich sowohl aus der Übernahmeerklärung Belgiens als auch seinen eigenen Ausführungen ergibt – auf die Situation eines in Belgien bereits abgelehnten Asylbewerbers im Dublin-Verfahren abzustellen.
83Grundsätzlich kann der Umstand, dass ein Antragsteller ohne Schutzstatus vollständig auf sich gestellt ist und überhaupt keine Unterkunft, medizinische Versorgung, Zugang zu Nahrungsmitteln etc. erhält, eine unmenschliche Behandlung darstellen,
84vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 1. März 2012 - 1 B 234/12.A -, juris.
85Im Fall des Antragstellers als abgelehntem Asylbewerber handelt es sich hierbei aber nicht um systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen im oben geschilderten Sinne. Denn anders als vom hauptsächlichen Anwendungsbereich der Dublin-Verordnungen erfasst, ist das Asylverfahren des Antragstellers in Belgien bereits abgeschlossen, wenn auch erkennbar mit einem vom Antragsteller nicht erwünschten Ergebnis. Ist der Asylantrag des Antragstellers aber abgelehnt worden, folgt daraus für den Antragsteller die Ausreisepflicht,
86vgl. Generalkommissariat für Flüchtlinge und Staatenlose, Asyl in Belgien, 2010, S. 11.; Asylum Information Database (aida) Country Report: Belgium, Stand Dezember 2015, S. 58 ff.
87Die "Einstellung der Versorgung" stellt sich in einem solchen Fall nicht als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar,
88vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 23. Juli 2013 - 25 L 1342/13.A -, n.v. und vom 26. Februar 2014 – 13 L 254/14.A –, juris.
89Dies gilt mit Blick auf Belgien umso mehr, als abgelehnten Asylbewerbern in der Regel nach der Ablehnung des Asylantrags eine Rückkehrbegleitung angeboten wird und im Rahmen des Konzepts des sogenannten „return tracks“ die freiwillige Ausreise vor der Zwangsabschiebung gefördert wird,
90vgl. auch aida, a.a.O. S. 59.
91Den Antragstellern steht auch die Möglichkeit zu, binnen 30 Tagen „Berufung“ gegen die ablehnende Bescheidung ihres Asylantrags einzulegen, der aufschiebende Wirkung zukommt.
92aida, a.a.O. S. 23; Generalkommissariat für Flüchtlinge und Staatenlose a.a.O. S. 11.
93Aus dem vorzitierten aida Bericht ergibt sich zudem, dass zwar grundsätzlich abgelehnten Asylbewerbern keine Unterstützungsleistungen mehr gewährt werden. Dieser Grundsatz erfährt jedoch zahlreiche Ausnahmen. Das Recht auf Unterstützungsleistungen besteht zunächst bis zum Ablauf der Ausreisefrist, unabhängig davon, ob der abgelehnte Asylbewerber sich an der Möglichkeit der freiwilligen Ausreise beteiligt oder nicht. Für den Fall des eingelegten Rechtsmittels verlängert sich die Leistungsgewährung, wenn die Berufung vom Rat für Ausländersachen als zulässig erklärt wird. Darüber hinaus wird aus humanitären und anderen Gründen, beispielsweise, wenn es einem abgelehnten Asylbewerber krankheitsbeding oder aus sonstigen, nicht auf bloßem Unwillen beruhenden Gründen unmöglich ist, in sein Heimatland zurück zu reisen, die Leistungsgewährung verlängert. Warum dem Antragsteller eine Rückkehr nach Guinea – als Folge des abgelehnten Asylantrags – nicht möglich ist, trägt der Antragsteller nicht vor und ist auch sonst nicht ersichtlich. Dies kann jedoch auch dahinstehen, da sich aus dem zuvor Gesagten ergibt, dass im Falle der begründeten Unmöglichkeit der Rückreise auch in Belgien weiterhin Leistungen gewährt werden.
94Zwar ist es zutreffend, dass im Fall eines Folgeantrags zunächst kein Anspruch auf Leistungen besteht. Jedoch gilt dies nur solange, bis die zuständige belgische Verwaltungsbehörde den Antrag wieder in Betracht zieht oder ohnehin ein Antrag auf Verlängerung der Aufnahme des Antragstellers anhängig ist. Dies nimmt nach der vorliegenden Auskunft nur eine sehr kurze Zeit in Anspruch,
95vgl. aida, a.a.O. S. 60,
96und kann für sich genommen noch keinen systemischen Mangel des belgischen Asylsystems begründen.
97Entgegen der Ansicht des Antragstellers besteht für den Umfang der aus Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK abgeleiteten Verantwortung eines aufnehmenden Staates gegenüber einem Asylbewerber auch durchaus ein Unterschied, ob sich dieser berechtigt während des Asylverfahrens im Land aufhält, oder ob dieser ausreisepflichtig und ihm die Ausreise auch möglich ist.
98Der Antragsteller gehört darüber hinaus als in Belgien bereits registrierter und abgelehnter Asylbewerber nicht mehr zu der Gruppe von Asylbewerbern, die aufgrund der erhöhten Ankunftszahlen von Flüchtlingen in Belgien auf eine Registrierung warten und zeitweise obdachlos sind. Die diesbezüglichen Berichte,
99vgl. Pro Asyl, Fachpolitischer Newsletter Nr. 221 „Belgien: Eingeschränkter Zugang zu Schutz und Obdachlosigkeit von Asylsuchenden vom 31. Januar 2016 und Ecre’s Weekly Bulletin zu den Entwicklungen in Belgien vom 4. Dezember 2015,
100dass Asylbewerbern der Zugang zur Registrierung und damit zum Asylverfahren aufgrund von Kapazitätsengpässen zeitweise verwehrt werde und diese – unter anderem unbegleitete Minderjährige und Familien – einige Tage auf der Straße leben mussten, betreffen den Antragsteller in seiner Situation nicht mehr. Unabhängig von der Tatsache, dass der Antragsteller von dieser Situation nicht mehr betroffen ist, kann auch nicht aus dem in den zuvor zitierten Berichten gerügten Verstoß gegen die zeitlichen Vorgaben der Registrierung aus Art. 6 Richtlinie 2013/32/EU auf das Vorliegen systemischer Mängel geschlossen werden. Denn nicht jeder Rechtsverstoß gegen europäische Rechtsvorschriften stellt eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar.
101Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2015 - 14 A 134/15.A -, juris, Rz. 15.
102Der Antragsteller ist grundsätzlich gehalten, seine bestehenden Rechte selbstständig wahrzunehmen und – ggf. mit anwaltlicher Hilfe oder der Unterstützung durch in Belgien tätige Flüchtlingsorganisationen – durchzusetzen. Dass der Antragsteller über entsprechende Handlungskompetenzen verfügt, hat er während seines bisherigen Aufenthalts in Deutschland bewiesen.
103Ebenso wenig liegt ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK vor. Hiernach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Sie ist dann aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn sie unzumutbar in eine durch Art. 8 EMRK geschützte Beziehung eingreift. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Soweit sich der Antragsteller auf seine Integration in Deutschland beruft, kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Belgien im Rahmen des Dublin Verfahrens einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK darstellt.
104Das Recht auf Achtung des Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK ist weit zu verstehen und umfasst seinem Schutzbereich nach unter anderem das Recht auf Entwicklung der Person und das Recht darauf, Beziehungen zu anderen Personen und der Außenwelt anzuknüpfen und zu entwickeln,
105vgl. EGMR (Große Kammer), Urteil vom 13. Februar 2003 – 42326/98 –, NJW 2003, 2145; OVG NRW, Beschluss vom 21. Juli 2005 – 19 B 939/05 –, juris,
106und damit auch die Gesamtheit der im Land des Aufenthalts gewachsenen Bindungen.
107Ein Eingriff in das von Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben durch Versagung des Aufenthalts für einen Ausländer setzt jedoch zunächst voraus, dass sein Privat- oder Familienleben in dem betreffenden Land fest verankert ist und sich nicht auf eine lose Verbindung beschränkt.
108BVerwG, Urteil vom 03. Juni 1997 – 1 C 18/96 –, juris.
109Dass dies bei dem Antragsteller, der sich seit Ende Oktober 2014 – also noch keine zwei Jahre – in Deutschland aufhält, aufgrund des Beginns einer Bäckerausbildung im März diesen Jahres der Fall ist, ist nicht hinreichend ersichtlich. Überdies hatte sich der Antragsteller auch in Belgien bereits fast ein Jahr aufgehalten.
110Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylG.
111Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
112Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder im Bundesgebiet ein Verfahren mit dem Ziel der Anerkennung als ausländischer Flüchtling, auf Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 oder ein Asylverfahren eingeleitet oder durchgeführt ist.
(2) Der Ausländer hat alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.
(3) Ein späteres Vorbringen des Ausländers kann unberücksichtigt bleiben, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Der Ausländer ist hierauf und auf § 36 Absatz 4 Satz 3 hinzuweisen.
(4) Bei einem Ausländer, der verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, soll die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Asylantragstellung erfolgen. Einer besonderen Ladung des Ausländers und seines Bevollmächtigten bedarf es nicht. Entsprechendes gilt, wenn dem Ausländer bei oder innerhalb einer Woche nach der Antragstellung der Termin für die Anhörung mitgeteilt wird. Kann die Anhörung nicht an demselben Tag stattfinden, sind der Ausländer und sein Bevollmächtigter von dem Anhörungstermin unverzüglich zu verständigen.
(5) Bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann von der persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folgt. In diesem Falle ist dem Ausländer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben.
(6) Die Anhörung ist nicht öffentlich. An ihr können Personen, die sich als Vertreter des Bundes, eines Landes oder des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ausweisen, teilnehmen. Der Ausländer kann sich bei der Anhörung von einem Bevollmächtigten oder Beistand im Sinne des § 14 des Verwaltungsverfahrensgesetzes begleiten lassen. Das Bundesamt kann die Anhörung auch dann durchführen, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand trotz einer mit angemessener Frist erfolgten Ladung nicht an ihr teilnimmt. Satz 4 gilt nicht, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand seine Nichtteilnahme vor Beginn der Anhörung genügend entschuldigt. Anderen Personen kann der Leiter des Bundesamtes oder die von ihm beauftragte Person die Anwesenheit gestatten.
(7) Die Anhörung kann in geeigneten Fällen ausnahmsweise im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.
(8) Über die Anhörung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die die wesentlichen Angaben des Ausländers enthält. Dem Ausländer ist eine Kopie der Niederschrift auszuhändigen oder mit der Entscheidung des Bundesamtes zuzustellen.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Die mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden dürfen zum Zwecke der Ausführung dieses Gesetzes personenbezogene Daten erheben, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Personenbezogene Daten, deren Verarbeitung nach Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung untersagt ist, dürfen erhoben werden, soweit dies im Einzelfall zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist.
(2) Die Daten sind bei der betroffenen Person zu erheben. Sie dürfen auch ohne Mitwirkung der betroffenen Person bei anderen öffentlichen Stellen, ausländischen Behörden und nichtöffentlichen Stellen erhoben werden, wenn
- 1.
dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift es vorsieht oder zwingend voraussetzt, - 2.
es offensichtlich ist, dass es im Interesse der betroffenen Person liegt und kein Grund zu der Annahme besteht, dass sie in Kenntnis der Erhebung ihre Einwilligung verweigern würde, - 3.
die Mitwirkung der betroffenen Person nicht ausreicht oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, - 4.
die zu erfüllende Aufgabe ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich macht oder - 5.
es zur Überprüfung der Angaben der betroffenen Person erforderlich ist.
(3) Die Asylverfahrensakten des Bundesamtes sind spätestens zehn Jahre nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu vernichten sowie in den Datenverarbeitungssystemen des Bundesamtes zu löschen. Die Fristen zur Vernichtung und Löschung aufgrund anderer Vorschriften bleiben davon unberührt.
(1) Das Jugendamt hat im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der ausländischen Person gemäß § 42a deren Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen und festzustellen. § 8 Absatz 1 und § 42 Absatz 2 Satz 2 sind entsprechend anzuwenden.
(2) Auf Antrag des Betroffenen oder seines Vertreters oder von Amts wegen hat das Jugendamt in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen. Ist eine ärztliche Untersuchung durchzuführen, ist die betroffene Person durch das Jugendamt umfassend über die Untersuchungsmethode und über die möglichen Folgen der Altersbestimmung aufzuklären. Ist die ärztliche Untersuchung von Amts wegen durchzuführen, ist die betroffene Person zusätzlich über die Folgen einer Weigerung, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, aufzuklären; die Untersuchung darf nur mit Einwilligung der betroffenen Person und ihres Vertreters durchgeführt werden. Die §§ 60, 62 und 65 bis 67 des Ersten Buches sind entsprechend anzuwenden.
(3) Widerspruch und Klage gegen die Entscheidung des Jugendamts, aufgrund der Altersfeststellung nach dieser Vorschrift die vorläufige Inobhutnahme nach § 42a oder die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 abzulehnen oder zu beenden, haben keine aufschiebende Wirkung. Landesrecht kann bestimmen, dass gegen diese Entscheidung Klage ohne Nachprüfung in einem Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung erhoben werden kann.
(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen vorläufig in Obhut zu nehmen, sobald dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher ist grundsätzlich dann als unbegleitet zu betrachten, wenn die Einreise nicht in Begleitung eines Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten erfolgt; dies gilt auch, wenn das Kind oder der Jugendliche verheiratet ist. § 42 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 2 und 3, Absatz 5 sowie 6 gilt entsprechend.
(2) Das Jugendamt hat während der vorläufigen Inobhutnahme zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen einzuschätzen,
- 1.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet würde, - 2.
ob sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland aufhält, - 3.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder anderen unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen erfordert und - 4.
ob der Gesundheitszustand des Kindes oder des Jugendlichen die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Werktagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme ausschließt; hierzu soll eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden.
(3) Das Jugendamt ist während der vorläufigen Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen notwendig sind. Dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen und der mutmaßliche Wille der Personen- oder der Erziehungsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.
(3a) Das Jugendamt hat dafür Sorge zu tragen, dass für die in Absatz 1 genannten Kinder oder Jugendlichen unverzüglich erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 49 Absatz 8 und 9 des Aufenthaltsgesetzes durchgeführt werden, wenn Zweifel über die Identität bestehen.
(4) Das Jugendamt hat der nach Landesrecht für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen zuständigen Stelle die vorläufige Inobhutnahme des Kindes oder des Jugendlichen innerhalb von sieben Werktagen nach Beginn der Maßnahme zur Erfüllung der in § 42b genannten Aufgaben mitzuteilen. Zu diesem Zweck sind auch die Ergebnisse der Einschätzung nach Absatz 2 Satz 1 mitzuteilen. Die nach Landesrecht zuständige Stelle hat gegenüber dem Bundesverwaltungsamt innerhalb von drei Werktagen das Kind oder den Jugendlichen zur Verteilung anzumelden oder den Ausschluss der Verteilung anzuzeigen.
(5) Soll das Kind oder der Jugendliche im Rahmen eines Verteilungsverfahrens untergebracht werden, so umfasst die vorläufige Inobhutnahme auch die Pflicht,
- 1.
die Begleitung des Kindes oder des Jugendlichen und dessen Übergabe durch eine insofern geeignete Person an das für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständige Jugendamt sicherzustellen sowie - 2.
dem für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständigen Jugendamt unverzüglich die personenbezogenen Daten zu übermitteln, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach § 42 erforderlich sind.
(6) Die vorläufige Inobhutnahme endet mit der Übergabe des Kindes oder des Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten oder an das aufgrund der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde nach § 88a Absatz 2 Satz 1 zuständige Jugendamt oder mit der Anzeige nach Absatz 4 Satz 3 über den Ausschluss des Verteilungsverfahrens nach § 42b Absatz 4.
(1) Das Jugendamt hat im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der ausländischen Person gemäß § 42a deren Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen und festzustellen. § 8 Absatz 1 und § 42 Absatz 2 Satz 2 sind entsprechend anzuwenden.
(2) Auf Antrag des Betroffenen oder seines Vertreters oder von Amts wegen hat das Jugendamt in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen. Ist eine ärztliche Untersuchung durchzuführen, ist die betroffene Person durch das Jugendamt umfassend über die Untersuchungsmethode und über die möglichen Folgen der Altersbestimmung aufzuklären. Ist die ärztliche Untersuchung von Amts wegen durchzuführen, ist die betroffene Person zusätzlich über die Folgen einer Weigerung, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, aufzuklären; die Untersuchung darf nur mit Einwilligung der betroffenen Person und ihres Vertreters durchgeführt werden. Die §§ 60, 62 und 65 bis 67 des Ersten Buches sind entsprechend anzuwenden.
(3) Widerspruch und Klage gegen die Entscheidung des Jugendamts, aufgrund der Altersfeststellung nach dieser Vorschrift die vorläufige Inobhutnahme nach § 42a oder die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 abzulehnen oder zu beenden, haben keine aufschiebende Wirkung. Landesrecht kann bestimmen, dass gegen diese Entscheidung Klage ohne Nachprüfung in einem Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung erhoben werden kann.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Der Asylantrag ist bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der für die Aufnahme des Ausländers zuständigen Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist. Das Bundesamt kann den Ausländer in Abstimmung mit der von der obersten Landesbehörde bestimmten Stelle verpflichten, seinen Asylantrag bei einer anderen Außenstelle zu stellen. Der Ausländer ist vor der Antragstellung schriftlich und gegen Empfangsbestätigung darauf hinzuweisen, dass nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines Asylantrages die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 10 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes Beschränkungen unterliegt. In Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 ist der Hinweis unverzüglich nachzuholen.
(2) Der Asylantrag ist beim Bundesamt zu stellen, wenn der Ausländer
- 1.
einen Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten besitzt, - 2.
sich in Haft oder sonstigem öffentlichem Gewahrsam, in einem Krankenhaus, einer Heil- oder Pflegeanstalt oder in einer Jugendhilfeeinrichtung befindet, oder - 3.
minderjährig ist und sein gesetzlicher Vertreter nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
(3) Befindet sich der Ausländer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 in
- 1.
Untersuchungshaft, - 2.
Strafhaft, - 3.
Vorbereitungshaft nach § 62 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes, - 4.
Sicherungshaft nach § 62 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Aufenthaltsgesetzes, weil er sich nach der unerlaubten Einreise länger als einen Monat ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten hat, - 5.
Sicherungshaft nach § 62 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 3 des Aufenthaltsgesetzes, - 6.
Mitwirkungshaft nach § 62 Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes, - 7.
Ausreisegewahrsam nach § 62b des Aufenthaltsgesetzes,
(1) Der Ausländer, der in der Aufnahmeeinrichtung aufgenommen ist, ist verpflichtet, unverzüglich oder zu dem von der Aufnahmeeinrichtung genannten Termin bei der Außenstelle des Bundesamtes zur Stellung des Asylantrags persönlich zu erscheinen.
(2) Kommt der Ausländer der Verpflichtung nach Absatz 1 nicht nach, so findet § 33 Absatz 1, 5 und 6 entsprechend Anwendung. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Auf diese Rechtsfolgen ist der Ausländer von der Aufnahmeeinrichtung schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen. Die Aufnahmeeinrichtung unterrichtet unverzüglich die ihr zugeordnete Außenstelle des Bundesamtes über die Aufnahme des Ausländers in der Aufnahmeeinrichtung und den erfolgten Hinweis nach Satz 3.
(1) Das Bundesamt klärt den Sachverhalt und erhebt die erforderlichen Beweise. Das Bundesamt unterrichtet den Ausländer frühzeitig in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den Ablauf des Verfahrens, über seine Rechte und Pflichten im Verfahren, insbesondere über Fristen und die Folgen einer Fristversäumung, sowie über freiwillige Rückkehrmöglichkeiten. Der Ausländer ist persönlich anzuhören. Von einer Anhörung kann abgesehen werden, wenn das Bundesamt
- 1.
dem Asylantrag vollständig stattgeben will oder - 2.
der Auffassung ist, dass der Ausländer aufgrund dauerhafter Umstände, die sich seinem Einfluss entziehen, nicht zu einer Anhörung in der Lage ist. Im Zweifelsfall ist für die Feststellung der Dauerhaftigkeit der Umstände eine ärztliche Bestätigung erforderlich. Wird von einer Anhörung abgesehen, unternimmt das Bundesamt angemessene Bemühungen, damit der Ausländer weitere Informationen unterbreiten kann.
(1a) Sucht eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig um Asyl nach und wird es dem Bundesamt dadurch unmöglich, die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Antragstellung durchzuführen, so kann das Bundesamt die Anhörung vorübergehend von einer anderen Behörde, die Aufgaben nach diesem Gesetz oder dem Aufenthaltsgesetz wahrnimmt, durchführen lassen. Die Anhörung darf nur von einem dafür geschulten Bediensteten durchgeführt werden. Die Bediensteten dürfen bei der Anhörung keine Uniform tragen. § 5 Absatz 4 gilt entsprechend.
(2) Nach Stellung eines Asylantrags obliegt dem Bundesamt auch die Entscheidung, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.
(3) Das Bundesamt unterrichtet die Ausländerbehörde unverzüglich über
- 1.
die getroffene Entscheidung und - 2.
von dem Ausländer vorgetragene oder sonst erkennbare Gründe - a)
für eine Aussetzung der Abschiebung, insbesondere über die Notwendigkeit, die für eine Rückführung erforderlichen Dokumente zu beschaffen, oder - b)
die nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Nummer 1 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehen könnten.
(4) Eine Entscheidung über den Asylantrag ergeht innerhalb von sechs Monaten. Das Bundesamt kann die Frist auf höchstens 15 Monate verlängern, wenn
- 1.
sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht komplexe Fragen ergeben, - 2.
eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig Anträge stellt, weshalb es in der Praxis besonders schwierig ist, das Verfahren innerhalb der Frist nach Satz 1 abzuschließen oder - 3.
die Verzögerung eindeutig darauf zurückzuführen ist, dass der Ausländer seinen Pflichten nach § 15 nicht nachgekommen ist.
(5) Besteht aller Voraussicht nach im Herkunftsstaat eine vorübergehend ungewisse Lage, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, kann die Entscheidung abweichend von den in Absatz 4 genannten Fristen aufgeschoben werden. In diesen Fällen überprüft das Bundesamt mindestens alle sechs Monate die Lage in dem Herkunftsstaat. Das Bundesamt unterrichtet innerhalb einer angemessenen Frist die betroffenen Ausländer über die Gründe des Aufschubs der Entscheidung sowie die Europäische Kommission über den Aufschub der Entscheidungen.
(6) Die Frist nach Absatz 4 Satz 1 beginnt mit der Stellung des Asylantrags nach § 14 Absatz 1 und 2. Ist ein Antrag gemäß dem Verfahren nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) zu behandeln, so beginnt die Frist nach Absatz 4 Satz 1, wenn die Bundesrepublik Deutschland als für die Prüfung zuständiger Mitgliedstaat bestimmt ist. Hält sich der Ausländer zu diesem Zeitpunkt nicht im Bundesgebiet auf, so beginnt die Frist mit seiner Überstellung in das Bundesgebiet.
(7) Das Bundesamt entscheidet spätestens 21 Monate nach der Antragstellung nach § 14 Absatz 1 und 2.
(8) Das Bundesamt informiert den Ausländer für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung ergehen kann, über die Verzögerung und unterrichtet ihn auf sein Verlangen über die Gründe für die Verzögerung und den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung zu rechnen ist.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.