Sozialgericht München Endurteil, 24. Jan. 2018 - S 46 AS 1426/15

published on 24/01/2018 00:00
Sozialgericht München Endurteil, 24. Jan. 2018 - S 46 AS 1426/15
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Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid 08.12.2015 und den Erstattungsbescheid vom 08.12.2015 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II, insbesondere die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten von Unterkunft und Heizung (KdUH) in der Zeit von März 2015 bis einschließlich August 2015.

Die 1965 geborene Klägerin bezieht seit 2005 zusammen mit ihrer Tochter (geboren 1999, Klägerin zu 2) und ihrem Sohn (geboren 2001, Kläger zu 3) durchgehend Leistungen nach SGB II vom Beklagten.

Bereits im Bewilligungsbescheid vom 27.07.2005 wies der Beklagte darauf hin, dass die tatsächliche Miete zu hoch sei und diese auf die Angemessenheitsgrenze von 413,- € Grundmiete für drei Personen abgesenkt werde. Ab Juli 2007 senkte der Beklagte den berücksichtigten Bedarf für KdUH auf insgesamt 553,74 € pro Monat ab, bestehend aus 413,- € Grundmiete und 156,- € an Betriebskosten abzüglich der Warmwasserpauschalen für die Kläger. Die Kläger wohnen seit Anfang 2012 zur Miete in einer Wohnung, für die sie durchgehend monatlich 850,- € (davon 680,- € Grundmiete, 50,- € Nebenkosten und 120,- € Heizkosten) zu zahlen hatten. Eine Jahresabrechnung der Betriebskosten erfolgte nicht. Die abgesenkten Bewilligungen führten zu mehreren Klagen, die für die Zeit bis einschließlich August 2014 durch Vergleiche auf der Basis von § 8 bzw. § 12 WoGG zuzüglich 10% und der Heizkosten beendet wurden.

Im Weitergewährungsantrag für die Zeit ab März 2015 machten die Kläger tatsächliche Unterkunftskosten in Höhe von 850,- € monatlich geltend. Für die Kinder wurde jeweils Kindergeld von 184,- € und jeweils 100,- € Unterhalt pro Monat bezahlt. Die Klägerin war in einem Arbeitsverhältnis für monatlich ca. brutto 2.120,- € bzw. netto ca. 1.500,- € erwerbstätig; der Lohn wurde im laufenden Monat ausgezahlt.

Mit Bewilligungsbescheid vom 16.02.2015 wurde den Klägern für die Zeit von März 2015 bis einschließlich August 2015 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt rund 175,- € bewilligt. Die Bewilligung erfolgte vorläufig, weil der Lohn etwas schwanke. Als Bedarf für KdUH wurden monatlich 730,- € berücksichtigt. Die Kläger erhoben dagegen Widerspruch unter Hinweis auf die tatsächliche Miethöhe von 850,- €.

Mit Änderungsbescheid vom 24.03.2015 wurde die Bewilligung für die strittige Zeit erneut vorläufig auf monatlich insgesamt etwa 190,- € erhöht unter Berücksichtigung der Einkommensabzüge für die Riesterrente (monatlich 9,- €), die Fahrtstrecke zur Arbeit (Fünftagewoche, 5 km einfach) und der Kfz-Haftpflicht von 43,83 € pro Monat.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.2015 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Als Bedarf seien KdUH nach dem neuen Konzept des Beklagten von 2014 anzusetzen. Dieses Konzept sei schlüssig.

Die Kläger erhoben am 29.06.2015 Klage zum Sozialgericht München. Der Bewilligung seien die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zugrunde zu legen in Höhe von monatlich 850,- €.

Nachdem die Klägerin die Lohnabrechnungen für die strittige Zeit eingereicht hatte, erfolgte mit Bescheid vom 08.12.2015 die endgültige Entscheidung zur strittigen Zeit. Für März bis Mai wurden monatlich insgesamt 183,20 € bewilligt, für Juni 190,19 €, für Juli 189,48 € und 136,96 € für August 2015. Zur Berechnung und Verteilung auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft wird auf diesen Bescheid verwiesen. Mit Bescheid ebenfalls vom 08.12.2015 wurde unterteilt nach Bewilligungsmonaten die Erstattung von Leistungen gefordert, von der Klägerin 54,51 €, von der Tochter 18,73 € und vom Sohn 90,95 €.

Der Beklagte übermittelte dem Gericht das Konzept zur Herleitung der Mietobergrenzen vom 28.08.2014 (S. 71 ff der Gerichtsakte zu S 46 AS 2440/15). Das Gericht forderte von der Beratungsfirma, die dieses Konzept erstellt hatte, eine umfassende Stellungnahme an. Auf die Fragen vom 24.05.2017 (S. 62 ff der Gerichtsakte) und die Stellungnahme der Firma (S. 72 ff der Gerichtsakte) wird verwiesen.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 08.12.2015 und des Erstattungsbescheids vom 08.12.2015 zu verurteilen, den Klägern für die Zeit von 01.03.2015 bis 31.08.2015 Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ausdrücklich erklärt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil die angegriffenen Bescheide dem Gesetz entsprechen und die Kläger dadurch nicht in ihren Rechten verletzt sind. Die vom Beklagten anerkannten KdUH beruhen auf einem schlüssigen Konzept. Die Leistung wurde auch im Übrigen richtig berechnet.

Streitgegenstand ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II für die Zeit von März 2015 bis einschließlich August 2015.

1. Die abschließende Entscheidung über die vorläufig bewilligten Leistungen durch Bescheid vom 08.12.2015 hat die vorläufige ursprüngliche Bewilligung (Bescheid vom 16.02.2015) und den vorläufigen Änderungsbescheid vom 24.03.2015 nebst Widerspruchsbescheid vom 28.05.2015 auf andere Weise nach § 39 Abs. 2 SGB X erledigt und wurde - ebenso der Erstattungsbescheid vom 08.12.2015 - gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens (BSG, Urteil vom 22.08.2015, B 14 AS 13/12 R, Rn. 12). Die abschließende Entscheidung und die Erstattung beruhen auf § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III. Vertrauensschutz besteht hier nicht.

2. Die Berechnung des Leistungsanspruchs jedes Klägers für jeden Monat setzt unter anderem voraus, dass der anzuerkennende Bedarf nach § 22 Abs. 1 SGB II für KdUH bestimmt wird.

Der Beklagte bestimmt die Höhe der angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Konzept vom 28.08.2014.

a) Das Konzept beschreibt sich wie folgt:

„Die Angemessenheitsgrenzen von Nettokaltmiete und Nebenkosten (kalte Betriebskosten) wurden auf getrennten Wegen ermittelt und anschließend zu einer einheitlichen Angemessenheitsgrenze für die Bruttokaltmiete zusammengezählt.“

aa) Nettokaltmiete

Datenbasis ist eine Preisdatenbank der Beratungsfirma. In dieser werden seit Jahren bundesweit online erscheinende Mietangebote für Wohnungen (Angebotsmieten) erfasst. Ausgewertet werden die gängigen Immobilienportale und Online-Seiten von Zeitungen einschließlich von Kleinanzeigenblättern. Die Datenbank enthält Daten zum Objekt (u.a. Wohnfläche, Miethöhe, Höhe der Betriebskosten, Ausstattungsmerkmale der Wohnung) und zur Lage der Wohnung (Gemeinde oder Postleitzahlbezirk).

Aus dieser Datenbank wurden die Daten für den Landkreis des Beklagten herangezogen. Mietwohnungsangebote, die nicht online erschienen, wurden für den Landkreis nicht erfasst. Die Daten wurden um Doppelerfassungen, unplausible Angebote (viel zu groß/viel zu klein/extrem hohe Mieten) und untypische Mietverhältnisse (Wohngemeinschaften, Wohnen auf Zeit, Warmmieten) bereinigt.

In dem ländlich geprägten Landkreis wurden anhand der Mietstruktur und der tatsächlichen geografischen Verhältnisse fünf Vergleichsräume (VR) gebildet. Der Landkreis wurde anhand des Mietpreisgefälles, entsprechend der mittleren Quadratmetermiete aller Kaltmieten der einzelnen Gemeinden, die im Rahmen der Erstauswertung 2011 (mit Daten von Januar 2009 bis einschließlich Dezember 2010) erhoben wurde, aufgeteilt. Dies bildet zugleich die tatsächliche Struktur des Landkreises ab: Die hochpreisige Vorzugslage am A-See (VR A-See), der Einzugsbereich für Münchenpendler entlang der Autobahn A 96 (VR A 96), die städtisch geprägte große Kreisstadt L. plus die Gemeinde K. (VR Zentrum) und die ländlich geprägten südlichen und nördlichen Teile des Landkreises (VR Süd und VR Nord).

Für das Konzept wurden die ca. 4.800 Mietangebote aus der Zeit von 01.07.2010 bis 30.06.2013 herangezogen.

Die Mietangebote wurden in Wohnungsgrößenklassen von plus/minus 10 qm Wohnfläche um die durch die Bayerischen Wohnraumförderungsbestimmungen vorgegebenen angemessenen Wohnflächen von 50 qm für einen 1-Personen-Haushalt (PH), 65 qm für einen 2-PH, 75 qm für einen 3-PH (usw.) aufgeteilt.

In jedem Vergleichsraum wurden die Kaltmieten der Wohnungen in jeder Wohnungsgrößenklasse der Miethöhe nach von links (niedrige Miete) nach rechts (höchste Miete) sortiert. Die Angemessenheitsgrenze wurde bei der Kaltmiete der Wohnung gezogen, die von links aus bei 33% aller sortierten Wohnungen lag (Kappungsgrenze). Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Miethöhe bei ungefähr gleich großen Wohnungen den Standard der Wohnungen widerspiegelt, sprich sich die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen Wohnungen im unteren Mietendrittel aller Wohnungen befinden.

Für 3-PH (Wohnungen um 75 qm, mithin Wohnungsgrößenklasse von 65 bis 85 qm) im Vergleichsraum Zentrum ergab sich die Angemessenheitsgrenze von 500,- € Kaltmiete.

Zusätzlich wurde zu den gefundenen Ergebnissen im August 2014 eine Online-Stichprobe auf allgemein zugänglichen Internetportalen durchgeführt, ob es in den einzelnen Vergleichsräumen und Wohnungsgrößenklassen angemessene Wohnungen gab. Dies wurde bestätigt, z.B. mit sechs angemessenen Wohnungen im Landkreis an einem Stichtag für 3-PH in einem einzelnen Immobilienportal.

bb) Nebenkosten (kalte Betriebskosten)

Die Nebenkosten wurden aus den Daten der SGB II-Leistungsbezieher des Beklagten ermittelt. Es handelt sich um Daten des Monats Juni 2014 zu 847 Mietwohnungen. In diese Daten sind auch die Betriebskostennachzahlungen enthalten, die vom Beklagten im Monat Juni 2014 übernommen wurden.

Eine Aufteilung in Vergleichsräume erfolgte nicht. Die Nebenkosten wurden aber nach den vorgenannten Wohnungsgrößenklassen (angemessene Fläche plus/minus 10 qm) aufgeteilt und dann der Höhe nach von links (niedrige Nebenkosten) nach rechts sortiert. Anschließend wurde der Median bestimmt, sprich die Nebenkosten der in der Mitte der Reihe befindlichen Wohnung in der jeweiligen Wohnungsgrößenklasse. Für den strittigen Fall eines 3-PH mit einer Wohnfläche um 75 qm (mithin 65 bis 85 qm) wurde der Median mit 76,- € Nebenkosten für diese Wohnung bestimmt.

Abschließend wurde der Median mit 1,5 multipliziert und das Ergebnis auf 10,- € gerundet. Im strittigen Fall ergab sich 76,- € mal 1,5 = 114,- €. Dies wurde auf 110,- € angemessene Nebenkosten abgerundet.

cc) Gesamtangemessenheitsgrenze

Die Angemessenheitsgrenzen für die Kaltmieten und die jeweils zugehörigen Obergrenzen für die Nebenkosten wurden addiert. Für den strittigen Fall ergab sich eine Gesamtangemessenheitsgrenze für einen 3-PH im Vergleichsraum Zentrum von 500,- € Kaltmiete plus 110,- € an Nebenkosten, mithin von 610,- € für die Bruttokaltmiete.

b) Dieses Konzept ist nach den Kriterien des BSG ein schlüssiges Konzept, sprich die Angemessenheitsgrenze wurde mit 610,- € Bruttokaltmiete zutreffend bestimmt.

Das BSG fordert, zunächst den örtlichen Vergleichsraum und die angemessene Wohnfläche festzulegen und dann die angemessene Miete im einschlägigen Vergleichsraum für den unteren Wohnungsstandard in einem schlüssigen Konzept zu ermitteln (vgl. etwa BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R). Das Ergebnis ist die Angemessenheitsgrenze.

aa) Vergleichsraum

Nach der Rechtsprechung des BSG sind bei der Bestimmung des Vergleichsraumes ausreichend große Räume der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit festzulegen. Der Vergleichsraum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R, Rn. 16).

Aufgrund der Erhebung von Kaltmieten in den Jahren 2009 und 2010 und der unterschiedlichen tatsächlichen Struktur wurde der ländlich geprägte Landkreis in fünf Vergleichsräume aufgeteilt, die die tatsächliche Wohnstruktur abbilden. Ländliche Räume wurden von städtisch geprägten Regionen getrennt, die hochpreisigen Lagen am Ammersee und mit Autobahnanbindung getrennt erfasst. Der Vergleichsraum „Zentrum“, in dem die Kläger wohnten, wurde zutreffend gebildet. Er hat eine überwiegend städtische Prägung und ist per Straße und Eisenbahn eng verbunden. In diesem Vergleichsraum leben knapp 40.000 Einwohner der ca. 120.000 Einwohner des gesamten Landkreises.

bb) Angemessene Wohnfläche

Die angemessene Wohnfläche ist nach den Wohnraumförderungsbestimmungen der Länder zu bestimmen. In Bayern ergeben sich die angemessenen Wohnflächen aus den Bayerischen Wohnraumförderungsbestimmungen (WFB, dort Ziffer 22.2) vom 11.01.2012 (Allgemeines Ministerialblatt 2012, Seite 20 ff) mit 50 qm für einen 1-Personen-Haushalt (PH), 65 qm für einen 2-PH, 75 qm für einen 3-PH, usw. Der Ansatz des Beklagten, hier mit 75 qm Wohnfläche für einen Dreipersonenhaushalt, ist also zutreffend.

cc) Schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze

Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSG, a.a.O., Rn. 13). Diese Angemessenheitsgrenze soll die tatsächlichen Verhältnisse auf dem einschlägigen Wohnungsmarkt abbilden.

dd) Schlüssiges Konzept Kaltmiete

Ein schlüssiges Konzept muss folgende Mindestvoraussetzungen erfüllen (BSG, a.a.O. Rn. 20):

(1) Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen;

(2) Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (Art von Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete/ Vergleichbarkeit, Differenzierung nach Wohnungsgröße);

(3) Angaben über den Beobachtungszeitraum;

(4) Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel);

(5) Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten;

(6) Validität der Datenerhebung;

(7) Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung;

(8) Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Zu (1) Datenerhebung im Vergleichsraum

Für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze bei den Kaltmieten wurden ausschließlich Daten aus dem gesamten Vergleichsraum Zentrum herangezogen.

Zu (2) Definition der Wohnungen

Es wurden alle Angebotsmieten in der Preisdatenbank betrachtet, die in den gängigen Immobilienportalen und Online-Seiten von Zeitungen und Wochenblättern für den Vergleichsraum angeboten wurden. Es wurde dabei nicht nach dem Standard der Wohnungen differenziert und es wurden auch keine Wohnungen des allereinfachsten Standards (Feststoffeinzelöfen und/oder kein Bad in der Wohnung, BSG, 19.10.2010, B 14 AS 65/09 R, Rn. 31) bestimmt.

Von den insgesamt 4.783 Wohnungsangeboten entfielen 503 Angebote auf die Wohnungsgrößenklasse um 75 qm im VR Zentrum, lagen also zwischen 65 qm und 85 qm Wohnfläche und im einschlägigen Vergleichsraum (vgl. Konzept, Abbildungen 3 und 15).

Zu (3) Beobachtungszeitraum

Es wurden die Mietangebote aus der Zeit zwischen 01.07.2010 und 30.06.2013 ausgewertet.

Mit Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R, hat sich das BSG zu der Frage geäußert, wie aktuell die Daten sein müssen, die für einen bestimmten Bewilligungszeitraum herangezogen werden. Unter Berücksichtigung der Satzungsregelung in § 22c Abs. 2 SGB II sei es jedenfalls innerhalb eines Zwei-Jahres-Zeitraums nach Datenerhebung und -auswertung nicht erforderlich, dass eine Überprüfung und Fortschreibung schlüssiger Konzepte erfolgt. Nach Ablauf dieser Zweijahresfrist könne entsprechend § 558d Abs. 2 BGB anhand des Verbraucherpreisindex für weitere zwei Jahre fortgeschrieben werden.

Die Daten wurden bis 30.06.2013 erfasst und bis August 2014 ausgewertet. Beim strittigen Zeitraum von März 2015 bis einschließlich August 2015 ist eine Aktualisierung der Daten nicht veranlasst.

Zu (4) Art und Weise der Datenerhebung

Die Daten wurden aus den allgemein zugänglichen Online-Angeboten von Mietportalen, gängigen Immobilienportalen und Online-Seiten von Zeitungen einschließlich von Kleinanzeigenblättern erhoben.

Zu (5) Repräsentativität der Daten

Erhobene Daten einer Teilmenge sind dann repräsentativ, wenn sie eine Aussage über die Gesamtheit der Daten erlauben, also „typisch“ für die Gesamtheit sind.

Das tatsächliche Mietangebot wurde vollständig erfasst, soweit es mit der Erhebungsmethode der Erfassung von allgemein zugänglichen Angeboten im Internet möglich ist. Anhaltspunkte, dass daneben ein nicht unerhebliches Angebot besteht, das höhere Mieten beinhaltet, sprich eine höhere Angemessenheitsgrenze bewirken könnte, bestehen nicht. Wohnungsangebote in Kleinanzeigenblättern, die nicht zugleich online veröffentlicht werden, und Wohnungsangebote, die im nächsten Bekanntenkreis weitergegeben werden bevor sie zu Veröffentlichung gelangen, haben regelmäßig nicht höhere Mieten.

Die erhobenen Daten sind repräsentativ für die Mietangebote im Vergleichsraum.

Zu (6) Validität der Daten

Valide sind Daten, die gültig und belastbar sind, sprich tatsächlich das messen, was gemessen werden soll. Die Daten wurden um Doppelerfassungen, unplausible Angebote (viel zu groß/viel zu klein/extrem hohe Mieten) und untypische Mietverhältnisse (Wohngemeinschaften, Wohnen auf Zeit, Warmmieten) bereinigt. Die verbleibenden Daten entsprechen dem, was gemessen werden sollte, sind also valide.

Zu (7) Methodisch saubere Datenauswertung

Methodische Fehler sind nicht ersichtlich.

Zu (8) Angaben über die gezogenen Schlüsse und Bewertung des Konzepts (Kaltmiete)

Das schlüssige Konzept soll sicherstellen, dass Leistungsempfänger für ihre Wohnung Leistungen erhalten, mit denen sie eine angemessene Miete bezahlen können. Angemessen ist eine Wohnung dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Es geht also darum, ob das Konzept realitätsgerecht eine Miete abbildet, die in dem Vergleichsraum für eine einfache Wohnung angemessener Größe bezahlt wird.

Die Kaltmieten der Wohnungen in jeder Wohnungsgrößenklasse wurden der Miethöhe nach von links (niedrige Miete) nach rechts (höchste Miete) sortiert. Die Angemessenheitsgrenze wurde bei der Kaltmiete der Wohnung gezogen, die von links aus bei 33% aller sortierten Wohnungen lag (Kappungsgrenze). Die Annahme, dass die Miethöhe bei ungefähr gleich großen Wohnungen den Standard der Wohnungen widerspiegelt, sprich sich die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen Wohnungen im unteren Mietendrittel aller Wohnungen befinden, ist schlüssig.

Für 3-PH (Wohnungen um 75 qm, mithin Wohnungsgrößenklasse von 65 bis 85 qm) im Vergleichsraum Zentrum ergab sich die Angemessenheitsgrenze von 500,- € Kaltmiete.

Das BSG hat ein Intervall von plus/minus 10 qm für sachgerecht angesehen (BSG, 13.04.2011, B 14 AS 85/09 R, Rn. 25). Je nach Größe des Intervalls der Wohnungsgrößenklasse (hier 20 qm) ist aber denkbar, dass sich im unteren Drittel der gereihten Mieten die kleineren Wohnungen des Intervalls sammeln. Dadurch würde sich für dieses Drittel durchschnittlich eine kleinere Wohnfläche als 75 qm ergeben. Deshalb hat das Gericht auch die Vergleichszahlen für ein halbiertes Intervall von 70 qm bis 80 qm angefordert. Hierfür ergab sich bei 33% der sortierten Mieten ebenfalls eine angemessene Kaltmiete von 500,- €. Die Angemessenheitsgrenze ändert sich durch Halbierung der Wohnungsgrößenklasse nicht, die oben beschriebene Annahme wurde also nicht bestätigt.

Die Wohnungen vom allereinfachsten Standard wurden nicht gesondert erfasst. Laut Zensus 2011 befinden sich im Landkreis des Beklagten maximal 1% Mietwohnungen ohne Bad/WC oder ohne Heizung. 10,4% aller Mietwohnungen im Landkreis haben laut Zensus 2011 nur Einzel- oder Mehrraumöfen, darunter auch Nachspeicheröfen. Das Gericht geht davon aus, dass es im ländlichen Bereich des Landkreises deutlich mehr Einzel- oder Mehrraumöfen gibt als im Vergleichsraum „Zentrum“ und insgesamt nur ein Teil davon Feststofföfen sind. Außerdem verringern Sanierungsmaßnahmen laufend die Zahl der Wohnungen des allereinfachsten Standards. Maximal 11,4% der Wohnungen erfüllen die Kriterien des allereinfachsten Standards, vermutlich weit weniger. Dann bleiben immer noch mindestens 88,6% Wohnungen, die einem höheren Standard angehören. Bei einer Kappungsgrenze bei 33% der sortierten Wohnungen ist davon auszugehen, dass mindestens 25% der sortierten Wohnungen einem höheren Standard angehören. Das ist ausreichend.

Hinzu kommt, dass ausschließlich Angebotsmieten erfasst wurden. Bestandsmieten sind tendenziell niedriger, so dass die Beschränkung auf Angebotsmieten nicht zulasten der Leistungsempfänger geht.

Insgesamt beruht die Bestimmung der angemessenen Kaltmiete auf einem schlüssigen Konzept.

ee) Ermittlung angemessener Nebenkosten (kalte Betriebskosten)

Nach den Vorgaben des BSG ist die Angemessenheitsgrenze für die Bruttokaltmiete festzulegen. Zu der angemessenen Kaltmiete kommen die angemessenen Nebenkosten hinzu (BSG, 19.10.2010, B 14 AS 65/09 R, Rn. 36). Die abstrakt angemessenen Nebenkosten sollen die tatsächlichen Gegebenheiten im Vergleichsraum abbilden. Es können statistische Daten gerade aus dem unteren Wohnungssegment herangezogen werden oder Durchschnittswerte aus Betriebskostenübersichten für alle Wohnungssegmente, vorrangig örtliche Übersichten, herangezogen werden (BSG, 22.08.2012, B 14 AS 13/12 R, Rn. 27).

Der Beklagte hat auch die angemessenen Nebenkosten schlüssig ermittelt. Es handelt sich um Daten aus dem unteren Wohnungssegment, deren Mittelwert (Median) mit einem Faktor 1,5 hochgerechnet wurde. Damit ist sichergestellt, dass angemessene Nebenkosten als Bedarf berücksichtigt werden.

Die Nebenkosten wurden aus den Daten der SGB II-Leistungsbezieher des Beklagten für den Monat Juni 2014 (einschließlich Betriebskostennachzahlungen) ermittelt. Es handelt sich um Daten zu 847 Mietwohnungen. Eine Aufteilung in Vergleichsräume erfolgte nicht. Die Nebenkosten wurden aber nach den vorgenannten Wohnungsgrößenklassen (angemessene Fläche plus/minus 10 qm) aufgeteilt und dann der Höhe nach von links (niedrige Nebenkosten) nach rechts sortiert. Für die Wohnungsgrößenklasse um 75 qm ergab das 227 Datensätze. Anschließend wurde der Median bestimmt, sprich die Nebenkosten der in der Mitte der Reihe befindlichen Wohnung in der jeweiligen Wohnungsgrößenklasse. Für den strittigen Fall eines 3-PH mit einer Wohnfläche um 75 qm (mithin 65 bis 85 qm) wurde der Median mit 76,- € Nebenkosten dieser mittleren Wohnung bestimmt.

Abschließend wurde der Median mit 1,5 multipliziert und das Ergebnis auf 10,- € Beträge gerundet. Im strittigen Fall ergab sich 76,- € mal 1,5 = 114,- €. Dies wurde auf 110,- € angemessene Nebenkosten abgerundet.

Diese Berechnung ist nicht zu beanstanden. Es wurden realitätsbezogen die Daten der Nebenkosten der Leistungsbezieher als Daten von Wohnungen des unteren Standards angesehen. Weil es nicht um Wohnungen aller verschiedenen Standards geht, wurde nicht der Durchschnitt als angemessen betrachtet, sondern der Median-Wert für die „mittlerste Wohnung“ von 76,- € um 50% erhöht und gerundet.

Im Ergebnis werden mit dem gerundeten Betrag von 110,- € alle Nebenkosten der Leistungsbezieher in der Wohnungsgrößenklasse um 75 qm bis zum 85. Perzentil als angemessen eingestuft. Das heißt, dass 85% der ausgewerteten 227 Wohnungen angemessene Nebenkosten haben. Der Abbildung 47 des Konzeptes ist zu entnehmen, dass die Nebenkosten ab etwa dem 95. Perzentil steil nach oben gehen. Dies ist dadurch zu erklären, dass es sich dabei vor allem um Wohnungen handelt, bei denen es zu einer außerordentlich hohen Nachzahlung nach der Jahresabrechnung kam. Diese Nebenkosten können aber nicht zum Maßstab angemessener monatlicher Nebenkosten genommen werden. Damit bildet der Wert bis zum 85. Perzentil mit 110,- € eine schlüssige Angemessenheitsgrenze für Nebenkosten eines 3-PH.

ff) Bei der konkreten Angemessenheit ist nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu prüfen, ob eine subjektive Unmöglichkeit bestand, die KdUH zu senken. Diese ist bei Kenntnis der Mietobergrenze und der Obliegenheit zur Kostensenkung regelmäßig zu verneinen.

Die Schonfrist von sechs Monaten ist längst abgelaufen. Die Kläger wurden schon mit Bescheid vom 27.07.2005 darauf hingewiesen, dass ihre damalige Wohnung zu teuer war. Bis Oktober 2010 war auch ein Hinweis auf eine Kaltmiete als Angemessenheitsgrenze nicht zu beanstanden (BSG, 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 43). Die Kläger sind gleichwohl zum 01.01.2012 in eine noch etwas teurere Wohnung umgezogen.

Soweit teilweise vertreten wird, dass unter konkreter Angemessenheit die konkrete Möglichkeit für den Leistungsempfänger zu verstehen ist, eine kostenangemessene Wohnung zu mieten, ist darauf hinzuweisen, dass das Konzept auf Angebotsmieten beruht und eine Stichprobe im August 2014 auch zum Abschluss der Auswertung das Vorhandensein kostenangemessener Wohnungen im Vergleichsraum bestätigte. Damit liegt auch nach dieser Ansicht eine konkrete Angemessenheit vor.

gg) Gesamtbewertung

Der Beklagte hat ein schlüssiges Konzept für die Kaltmiete vorgelegt und die angemessenen Nebenkosten zutreffend ermittelt.

Als Bedarf für die aus drei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft der Kläger im Vergleichsraum Zentrum ist deshalb eine Kaltmiete von 500,- € und angemessene Nebenkosten von 110,- € zu addieren. Für die Bruttokaltmiete sind demnach 610,- € monatlich als Bedarf anzusetzen.

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Wohnort der Kläger in die Mietenstufe 5 nach § 12 WoGG, anwendbar ab 01.01.2009, eingeordnet ist und sich aus der Tabelle zu § 12 WoGG für drei Haushaltsmitglieder ein Wert von 556,- € ergibt. Zuzüglich 10% Zuschlag ergäbe das 611,60 €. Dieser „Notnagel“ für die angemessene Bruttokaltmiete (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 87/12 R, Rn. 27, 28) liegt also sehr nahe an dem ermittelten Ergebnis.

Hinzu kommen die tatsächlichen Heizkosten in Höhe von monatlich 120,- €, die der Beklagte als Bedarf anerkannt hat.

3. Die Berechnung der individuellen monatlichen Leistungsansprüche ist korrekt erfolgt. Es wurden alle Regelbedarfe und der Mehrbedarf Alleinerziehen (36% des Regelbedarfs der Klägerin) berücksichtigt. Das Einkommen der Kinder (Kindergeld und Unterhalt) wurde diesen zugerechnet, das Erwerbseinkommen der Klägerin wurde zutreffend bereinigt und horizontal verteilt. Insoweit wird auf den Bescheid vom 08.12.2015 zur abschließenden Entscheidung über den Bewilligungszeitraum und den Erstattungsbescheid vom 08.10.2015 verwiesen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Frage, ob das Konzept für die Kosten der Unterkunft schlüssig ist, bedarf obergerichtlicher Prüfung. Am Sozialgericht München sind zahlreiche Fälle des Beklagten anhängig, in denen es um diese Frage geht.

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Annotations

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Über die Erbringung von Geldleistungen kann vorläufig entschieden werden, wenn

1.
die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist,
2.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim Bundessozialgericht ist oder
3.
zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat.
Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 ist auf Antrag vorläufig zu entscheiden.

(2) Eine vorläufige Entscheidung ist nur auf Antrag der berechtigten Person für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist.

(3) Auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen sind auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten; auf Grund einer vorläufigen Entscheidung erbrachtes Kurzarbeitergeld und Wintergeld ist vom Arbeitgeber zurückzuzahlen.

(4) Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 und 3, Absatz 2 sowie Absatz 3 Satz 1 und 2 sind für die Erstattung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung entsprechend anwendbar.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sollen die Kreise und kreisfreien Städte insbesondere

1.
Mietspiegel, qualifizierte Mietspiegel und Mietdatenbanken und
2.
geeignete eigene statistische Datenerhebungen und -auswertungen oder Erhebungen Dritter
einzeln oder kombiniert berücksichtigen. Hilfsweise können auch die monatlichen Höchstbeträge nach § 12 Absatz 1 des Wohngeldgesetzes berücksichtigt werden. In die Auswertung sollen sowohl Neuvertrags- als auch Bestandsmieten einfließen. Die Methodik der Datenerhebung und -auswertung ist in der Begründung der Satzung darzulegen.

(2) Die Kreise und kreisfreien Städte müssen die durch Satzung bestimmten Werte für die Unterkunft mindestens alle zwei Jahre und die durch Satzung bestimmten Werte für die Heizung mindestens jährlich überprüfen und gegebenenfalls neu festsetzen.

(1) Ein qualifizierter Mietspiegel ist ein Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der nach Landesrecht zuständigen Behörde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist. Entspricht ein Mietspiegel den Anforderungen, die eine nach § 558c Absatz 5 erlassene Rechtsverordnung an qualifizierte Mietspiegel richtet, wird vermutet, dass er nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde. Haben die nach Landesrecht zuständige Behörde und Interessenvertreter der Vermieter und der Mieter den Mietspiegel als qualifizierten Mietspiegel anerkannt, so wird vermutet, dass der Mietspiegel anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen entspricht.

(2) Der qualifizierte Mietspiegel ist im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung anzupassen. Dabei kann eine Stichprobe oder die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland zugrunde gelegt werden. Nach vier Jahren ist der qualifizierte Mietspiegel neu zu erstellen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Anpassung nach Satz 1 und für die Neuerstellung nach Satz 3 ist der Stichtag, zu dem die Daten für den Mietspiegel erhoben wurden. Satz 4 gilt entsprechend für die Veröffentlichung des Mietspiegels.

(3) Ist die Vorschrift des Absatzes 2 eingehalten, so wird vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.