Sozialgericht München Beschluss, 21. Juni 2017 - S 2 KR 2284/16

published on 21/06/2017 00:00
Sozialgericht München Beschluss, 21. Juni 2017 - S 2 KR 2284/16
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

I. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist unzulässig.

II. Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Rockenhausen verwiesen.

Gründe

I.

Gegenstand der Klage ist, ob die Beklagte Auskunfts- und Leistungspflichtig gegenüber der Klägerin ist. Die Klägerin ist eine private Versicherungsgesellschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft mit Sitz in A-Stadt. Sie hat mit Frau D. einen privaten Auslandskrankenschutzversicherungsvertrag abgeschlossen und aus diesem Vertrag u.a. Arztrechnungen an die Versicherte erstattet, die im Ausland entstanden sind, in dem das Recht der Europäischen Union oder eine völkerrechtliches Abkommen Geltung entfaltet. Die Klägerin begehrt von der Beklagten, die gesetzliche Krankenkasse in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist und bei der die Mitgliedschaft der Frau D. behauptet wird, Auskunft über die gewährten Leistungen und den sich aus der Auskunftserteilung ergebenden Betrag nebst gesetzlicher Zinsen seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu bezahlen.

II.

Der Sozialrechtsweg ist unzulässig. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet und der Rechtsstreit an das für die Beklagte zuständige Amtsgericht Rockenhausen zu verweisen.

Ausgangspunkt ist der Versicherungsvertrag zwischen der Klägerin und Frau D.. Dieser stellt ein privatrechtliches Rechtsverhältnis dar. Aufgrund der Versicherungsbedingungen für die Auslandsreise-Krankenversicherung (AVB - AKV Gold Kreditkarte 2012), die Gegenstand des Vertrages geworden sind, könnte gemäß § 13 Nr. 4 ein Dritter leistungspflichtig sein. Die Frage dieser Leistungspflicht ist eine originär zivilrechtliche Rechtsfrage, da allein als Rechtsgrundlage der abgeschlossene Versicherungsvertrag der Klägerin in Betracht kommt.

Im Kern geht es um die Rechtsfolgen einer eventuell vorhandenen Subsidiaritätsklausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin.

Zu kollidierenden Subsidiaritätsklauseln hat der Bundesgerichtshof am 19.2.2014 Az IV ZR 389/12 entschieden, dass im Falle von Mehrfachversicherungen, wenn die von den beteiligten Versicherern für den Innenausgleich geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen kollidierende Subsidiaritätsklauseln enthalten, es dem Willen der Beteiligten entspricht, den Versicherungsnehmer nicht schutzlos zu stellen. Gleichwertige Subsidiaritätsklausel sind ergänzend dahingehend auszulegen, dass sie sich gegenseitig aufheben mit der Folge, dass bei einer Überversicherung § 78 Versicherungsvertragsgesetz -VVG- Anwendung findet.

Hinsichtlich des Rechtswegs, in dem der Streit, ob die private Auslandskrankenversicherung oder die gesetzliche Krankenversicherung jeweils im Rahmen ihrer einschlägigen Leistungskataloge zuständig und damit erstattungspflichtig ist, ausgetragen wird, ist zu entscheiden, ob es sich um einen öffentlich-rechtlichen oder bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreit handelt.

Richtschnur für diese Entscheidung ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird.

Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG als auch von

§ 51 Abs. 1 SGG.

Öffentlich - rechtliche Streitigkeiten sind solche, die aus einem hoheitlichen Verhältnis der Über- oder Unterordnung entstehen. Letztlich ist entscheidend die wahre Natur des Anspruchs, wie sie sich nach dem Sachvortrag der Klägerseite darstellt, und nicht, ob sich diese auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich - rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (so Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 10.7.1989, Az. GemS-OGB 1/88, Rd.Nr. 3).

Im vorliegenden Fall stehen sich die Beteiligten im Gleichordnungsverhältnis gegenüber. Solche Rechtsverhältnisse werden als öffentlich-rechtlich angesehen, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen überwiegend den Interessen der Allgemeinheit dienen und wenn sie sich nur an Hoheitsträger wenden oder wenn der Sachverhalt einem Sonderrecht der Träger öffentlicher Aufgaben unterworfen ist und nicht den Rechtsätzen, die für jedermann gelten, folgt (GemS-OGB a. a. O. Rd.Nr. 9).

Für den vorliegenden Rechtsstreit bedeutet das, dass der private Versicherungsvertrag das Rechtsverhältnis des Auslandskrankenschutzes bestimmt und nicht das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den einschlägigen völkervertragsrechtlichen Grundlagen für eine Leistungspflicht. Letzteres ist ein Sonderrecht, dem lediglich die Beklagte als Träger öffentlicher Aufgaben hier der gesetzlichen Krankenversicherung unterworfen ist. Die Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch über Erstattungsansprüche betreffen nur Körperschaften des öffentlichen Rechts, wenn Sie Sozialleistungsträger sind. Die private Auslandskrankenversicherung ist kein Sozialleistungsträger.

Nachdem die private Auslandskrankenversicherung kein obligatorisch abzuschließender Versicherungsschutz (im Gegensatz dazu die Kfz-Haftpflichtversicherung) ist, dienen dessen Normen nicht überwiegend den Interessen der Allgemeinheit. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin deshalb auf die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes und des Versicherungsvertrages mit der Versicherten zu verweisen, um ihre behaupteten Ansprüche gegebenenfalls gegen die Beklagte durchzusetzen (so auch SG A-Stadt Beschluss vom 30.03.2016 -S 2 KR 1912/15-, juris - rechtskräftig).

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 03.04.2014 -B 2 U 21/12.R- betrifft einen anderen Sachverhalt und ist hinsichtlich der Rechtswegfrage nicht einschlägig. In diesem Fall ging es um den rechtlich anders zu beurteilenden Bereich des gesetzlichen Unfallversicherungsrechts. Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung werden Leistungen von Amts wegen und nicht auf Antrag (wie in der gesetzlichen Krankenversicherung) gewährt. Im dort entschiedenen Fall lag vor allem eine Abtretung der Ansprüche und eine ablehnende Entscheidung durch Verwaltungsakt des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung vor, woraufhin die private Versicherung auf Antrag leistete. Die ablehnende Entscheidung des gesetzlichen Unfallversicherungsträgers wurde in der Folge wiederum durch Verwaltungsakt korrigiert.

Da der Versicherte das Wahlrecht hat, ob er die private oder die gesetzliche Krankenkasse im Versicherungsfall in Anspruch nimmt und sich der Versicherte für die private Auslandskrankenversicherung entschieden hat, ist der Sozialrechtsweg für einen Streit zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung für unzulässig zu erklären und der Rechtsstreit an das zuständige C. zu verweisen. Die Beklagte hat ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich dieses Amtsgerichts und der Streitwert wurde von der Klägerin mit Euro 28,11 berechnet.

Die Beteiligten hatten die Gelegenheit zur Äußerung.

Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

2 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 30/03/2016 00:00

Tenor I. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist unzulässig. II. Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Bielefeld verwiesen. Gründe I. Mit Schriftsatz vom 28.12.2015, eingegangen bei Gericht am 30.
published on 19/02/2014 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR389/12 Verkündet am: 19. Februar 2014 Schick Justizangestellte als Urkundsbeamt der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja VVG § 78 Abs. 2 S
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

Vor die ordentlichen Gerichte gehören die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.