Sozialgericht Koblenz Urteil, 14. Sept. 2011 - S 6 AS 722/11
Gericht
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die vollständige Übernahme von Reisekosten, die dem Kläger anlässlich einer zum Besuch seines in den USA lebenden Sohnes in der Zeit vom 09.06. bis 19.06.2011 durchgeführten Reise entstanden waren.
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Der 1965 geborene Kläger ist Vater des 2004 geborenen Sohnes C-D C. Mit der Mutter des Kindes war der Kläger bis 2005 verheiratet. Nach der Scheidung wurde das Sorgerecht über den Sohn der Mutter zugesprochen.
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Zum Besuch seines Sohnes in den USA führte der Kläger Reisen vom 26.11.2010 bis 08.12.2010 sowie vom 25.02.2011 bis zum 05.03.2011 durch. Die entsprechenden Reisekosten sowie Übernachtungskosten waren seitens des Beklagten letztlich aufgrund eines Beschlusses des LSG Rheinland-Pfalz vom 24.11.2010 - L 1 SO 133/10 B ER - übernommen worden. Ausweislich dieses Beschlusses war der Beklagte verpflichtet worden, in der Zeit bis zum 24.05.2011 vorläufig zweimal die notwendigen Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts mit dem Sohn für einen jeweils 5-tägigen Aufenthalt zu übernehmen.
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Die diesem Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Hauptsache wird beim Sozialgericht Koblenz unter dem Aktenzeichen S 12 SO 96/10 geführt.
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Nachdem dem Kläger auch weiter Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden waren, teilte der Beklagte dem Kläger aufgrund seiner Antragstellungen vom 17. bzw. 18.03.2011 hinsichtlich der Übernahme der Reisekosten für die Zeit vom 09.06.2011 bis 20.06.2011 in die USA mit Bescheid vom 22.03.2011 mit, dass ausweislich des Beschlusses des LSG vom 24.11.2010 er verpflichtet worden sei, in der Zeit bis zum 24.05.2011 vorläufig zweimal die notwendigen Kosten für einen jeweils 5-tägigen Aufenthalt zu übernehmen. Da die Kosten für die Aufenthalte vom 26.11.2010 bis 08.12.2010 sowie vom 25.02.2011 bis 05.03.2011 bereits übernommen worden seien, komme derzeit keine weitere Kostenübernahme in Betracht.
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Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, ausweislich des Urteils des LSG Rheinland-Pfalz sei der Beklagte verpflichtet, vier Flüge im Jahr zu übernehmen, auch wenn tatsächlich nur die ersten beiden explizit benannt worden seien. Er legte des Weiteren eine Buchungsbestätigung über die Flugreise in die USA in der Zeit vom 09.06.2011 bis 20.06.2011 über einen Gesamtpreis in Höhe von 769,90 € vor.
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Mit Bescheid vom 27.05.2011 nahm der Beklagte eine Änderung des Bescheides vom 22.03.2011 dahingehend vor, dass er dem Kläger Flugkosten in Höhe von 389,45 €, Bahnkosten in Höhe von 19,00 € sowie Übernachtungskosten in Höhe von 171,44 € gewährte. Im Übrigen wies er den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, mit der Einreichung der Rechnung für die Flugtickets habe der Kläger konkludent die Zustimmung zu einer Ortsabwesenheit vom 09.06.2011 bis 20.06.2011 beantragt. Die Zustimmung zur Ortsabwesenheit sei durch ihn nur teilweise erteilt worden. Der Kläger sei in der Zeit vom 01.01.2011 bis 08.01.2011 in P gewesen und in der Zeit vom 25.02.2011 bis 05.03.2011 sei er bei seinem Sohn in den USA gewesen. Mithin sei er bereits 17 Tage ortsabwesend gewesen. In Kenntnis des § 3 der Erreichbarkeitsanordnung habe dem Kläger lediglich bis zum 13.06.2011 die Ortsabwesenheit genehmigt werden können. Nach Ablauf des 12.06.2011 sei die Obergrenze von 21 Tagen der Ortsabwesenheit erreicht worden. Da ein wichtiger Grund im Sinne von § 3 Abs. 2 der Erreichbarkeitsanordnung nicht gegeben sei, komme keine weitere Kostenerstattung in Betracht. Hätte sich der Kläger an die Vorgaben des LSG gehalten und wäre er am 25.02.2011 lediglich für fünf Tage in die USA geflogen, so wären noch ausreichend Tage übrig geblieben, um die Kosten für Hin- und Rückflug sowie sämtliche Übernachtungskosten zu übernehmen.
- 9
Am 01.06.2011 ist die Klage bei Gericht eingegangen. Der Kläger macht geltend, bei der Reise nach P bis zum 08.01.2011 habe es sich um keine Lustreise gehandelt. Vielmehr habe es sich hierbei um den jährlich stattfindenden Besuch seiner Eltern in P gehandelt. Diese hätten ihm auch die Reise finanziert. Bei der Reise nach Kalifornien in der Zeit vom 25.02.2011 bis 05.03.2011 habe es sich um den ersten Umgangstermin mit dem Sohn in 2011 gehandelt. Diese Reise habe auch nur sechs Werktage ohne Samstag gedauert. Am 03.03.2011 sei eine Anhörung vor dem zuständigen Familiengericht im Rahmen des dort anhängigen familienrechtlichen Verfahrens durchgeführt worden. Insofern falle dieser Tag aus der Umgangszeit heraus. Der Umgang mit dem eigenen Kind sei keine Urlaubszeit oder keine private Lustveranstaltung, sondern Ausprägung der Elternpflicht gemäß § 1684 BGB.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid vom 22.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die vollständigen Kosten der USA-Reise vom 09.06.2011 bis 19.06.2011 zu übernehmen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist auf seinen bisherigen Standpunkt.
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Mit Beschluss vom 07.06.2011 - S 6 AS 725/11 ER - hat das Sozialgericht Koblenz einen vom Kläger gleichzeitig zur Klageerhebung gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Übernahme der vollständigen Reisekosten für die Wahrnehmung des seiner Umgangspflicht in der Zeit vom 09.06.2011 bis 19.06.2011 abgelehnt.
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Wegen den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakte sowie den der Verwaltungsakte. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist erfolglos.
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Entgegen der Auffassung des Klägers hat dieser keinen Anspruch auf Übernahme der vollständigen Reisekosten anlässlich des in der Zeit vom 09.06. bis 19.06.2011 durchgeführten Besuches seines Sohnes in den USA.
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Die Voraussetzungen der insofern alleinigen Anspruchsgrundlage des § 21 Abs. 6 SGB II sind nicht gegeben. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
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Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/1465, S. 8 f) soll der Anspruch angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen auf wenige Fälle begrenzt sein. Ein Anspruch auf Übernahme eines individuellen Mehrbedarfs könne nämlich nur dann entstehen, wenn es sich um einen regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen, unabweisbaren, atypischen oder um einen ausnahmsweise überdurchschnittlichen Bedarf handele. Für die Beurteilung der Regelmäßigkeit ist hierbei auf den Bewilligungsabschnitt abzustellen. Die Gesetzesbegründung nennt als Anwendungsfälle der Härtefallklausel gemäß § 21 Abs. 6 SGB II beispielhaft dauerhaft benötigte Hygienemittel bei bestimmten Erkrankungen, Putz- bzw. Haushaltshilfe für Rollstuhlfahrer und Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern. Gründend auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - wurde durch das Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27.05.2010 (Bundesgesetzblatt I, 671, Art. 3a und Art. 4 Abs. 2), diese Vorschrift des § 21 Abs. 6 SGB II in Kraft gesetzt. In der Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass ein pauschaler Regelleistungsbetrag nach seiner Konzeption nur den durchschnittlichen Bedarf decken kann. Ein in Sonderfällen auftretender Bedarf nicht erfasster Art oder atypischen Umfangs werde von der Statistik nicht aussagekräftig ausgewiesen. Mithin könne sich die Regelleistung folglich auch nicht hierauf erstrecken. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gebiete jedoch, auch einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf zu decken, wenn dies im Einzelfall für ein menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich sei.
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Vorliegend kann es dahingestellt bleiben, ob es sich bei den vom Antragsteller geltend gemachten Reisekosten bezüglich seines Umgangsrechts mit seinem Sohn in den USA - bezogen auf den Leistungsbewilligungszeitraum - überhaupt um einen laufenden Bedarf handeln kann. Zu beachten ist hierbei, dass es sich bei der von dem Kläger in der Zeit vom 09.06.2011 bis 19.06.2011 durchgeführten Reise in die USA um den zweiten Aufenthalt und insofern um den zweiten Besuch seines Sohnes im Jahr 2011 handelt. Auch wenn die Kosten des Umgangsrechts in der dem Kläger gewährten Regelleistung nicht enthalten sind (vgl. BSG in BSGE 97, 242), bewegen sich jedenfalls die vom Kläger geltend gemachten Kosten bezüglich der Wahrnehmung seines Umgangsrechtes mit dem in den USA lebenden Sohn in einem unangemessen hohen Bereich. Aufgrund der Entfernung zum aktuellen Wohnort des Sohnes und den dabei bezüglich der Reisewege anfallenden Flugkosten ist nach Überzeugung des Gerichts - losgelöst von der Frage, warum sich der Sohn mit seiner Mutter in den USA aufhält - trotz der Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vom 24.11.2010 - L 1 SO 133/10 B ER - eine Rechtfertigungskontrolle anhand des Maßstabes der Sozialüblichkeit angezeigt. Gerade in den Fällen, in denen die Ausübung des Umgangsrechts durch eine große Entfernung erschwert wird, ist nach Überzeugung des Gerichts nach dieser Sozialüblichkeit zu fragen. Insofern ist zu prüfen, wie oft ein im Arbeitsleben stehender umgangsberechtigter Elternteil bei vollschichtiger Ausübung einer Tätigkeit bei einer solchen Entfernung unter Berücksichtigung seiner finanziellen Möglichkeiten sein Umgangsrecht ausüben würde (vgl. Beschluss des Thüringer LSG vom 12.11.2007 - L 8 SO 90/07 R). Gerade in Kenntnis der Entfernung der bislang angefallenen, von dem Beklagten erstatteten und der für den vom Kläger zuletzt durchgeführten Flug in die USA anfallenden reinen Flugkosten in Höhe von 769,90 € ist das Gericht davon überzeugt, dass ein im Arbeitsleben stehender umgangsberechtigter Elternteil allenfalls einmal pro Kalenderjahr unter normalen Umständen sein Umgangsrecht wahrnehmen würde. Entgegen der Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vom 24.11.2010 ist das Gericht davon überzeugt, dass ein solcher im Arbeitsleben stehender umgangsberechtigter Elternteil bei vollschichtiger Ausübung einer Tätigkeit unter Berücksichtigung seiner finanziellen Möglichkeiten gerade nicht viermal im Jahr die entsprechenden Kosten für Flüge in die USA aufbringen würde und könnte. Trotz des grundrechtlich geschützten Umgangsrechts ist gerade unter Berücksichtigung der Sozialüblichkeit insofern davon auszugehen, dass aufgrund des vom Kläger in der Zeit vom 25.02.2011 bis 05.03.2011 durchgeführten Besuches seines Sohnes in den USA infolge der hierbei nicht unerheblich anfallenden Kosten ein vollschichtig Erwerbstätiger unter Berücksichtigung der Sozialüblichkeit in der Regel im selben Kalenderjahr 2011 keinen weiteren Umgang mit dem Sohn wahrnehmen würde bzw. finanziell könnte. Wieso dann aber ein Bezieher von Leistungen nach dem SGB II auch unter Berücksichtigung des so genannten Abstandsgebots in die Lage versetzt werden soll, durch Finanzierung des Beklagten häufiger in die USA reisen zu können, erschließt sich dem Gericht nicht. Hierbei kann es im Übrigen auch keine Rolle spielen, ob ggf. hinsichtlich der elterlichen Sorge bzw. der praktischen Durchführung des Umgangsrechts in den USA ein Rechtsstreit geführt wird.
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Insofern kann es sich bei der vom Kläger im Juni 2011 durchgeführten Reise in die USA um keinen unabweisbaren Bedarf handeln, sodass ihm jedenfalls keine höheren Kosten zu erstatten sind, als sie letztlich durch den Widerspruchsbescheid vom 27.05.2011 bewilligt wurden.
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Für das Gericht ist bei dieser Entscheidung auch von Bedeutung, dass der Beklagte den Kläger in zutreffender Anwendung der Erreichbarkeitsanordnung auf weitere Gesichtspunkte hingewiesen hat. Ausgehend von der Tatsache, dass der Kläger sich in der Zeit vom 01.01.2011 bis 08.01.2011 - genehmigt - in P bei seinen Eltern aufgehalten und sich in der Zeit vom 25.02.2011 bis 05.03.2011 bei seinem Sohn in den USA aufgehalten hat, war er mithin im Kalenderjahr 2011 bereits 17 Tage ortsabwesend. In Kenntnis des § 7 Abs. 4a SGB II i.V.m. § 3 Erreichbarkeitsanordnung sind die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Verfügbarkeit während eines Urlaubs nur dann gewährleistet, wenn der Urlaub 3 Wochen pro Kalenderjahr nicht übersteigt. Hierbei kommt es entgegen der Auffassung des Klägers sehr wohl auf das Kalenderjahr an und im Übrigen auch - ausgehend vom Wortlaut des § 3 der Erreichbarkeitsanordnung - ist sehr wohl jeder Wochentag für die Berechnung der 3 Wochen heranzuziehen. Der Kläger war mithin im Jahr 2011 bereits - genehmigt - 17 Tage ortsabwesend. Da es im Übrigen auch für diese Beurteilung keine Rolle spielt, aus welchen Gründen der Kläger - genehmigt - ortsabwesend war, ist jedenfalls in Übereinstimmung mit der Auffassung des Beklagten nach Ablauf des 12.06.2011 und somit von vier weiteren Tagen die Obergrenze von 21 Tagen der Ortsabwesenheit erreicht. Da auch seitens des Gerichts in Übereinstimmung mit der Auffassung des Beklagten nicht zu erkennen ist, dass ein wichtiger Grund im Sinne von § 3 Abs. 3 der Erreichbarkeitsanordnung gegeben ist, konnte eine längere Ortsabwesenheit nicht genehmigt werden.
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Mithin kann dem Begehren des Klägers auf Übernahme der vollständigen Reisekosten für die Wahrnehmung seines Umgangsrechts in der Zeit vom 09.06. bis 19.06.2011 nicht entsprochen werden.
- 25
Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
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(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.
(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet.
(3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten. Wird die Pflicht nach Absatz 2 dauerhaft oder wiederholt erheblich verletzt, kann das Familiengericht auch eine Pflegschaft für die Durchführung des Umgangs anordnen (Umgangspflegschaft). Die Umgangspflegschaft umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen. Die Anordnung ist zu befristen. Für den Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Umgangspflegers gilt § 277 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.
(4) Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist. Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt.
(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen
- 1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder - 2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.
(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils
- 1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4, - 2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr, - 3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder - 4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.