Sozialgericht Koblenz Urteil, 02. Nov. 2016 - S 11 KR 163/15

ECLI:ECLI:DE:SGKOBLE:2016:1102.S11KR163.15.0A
bei uns veröffentlicht am02.11.2016

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 29.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2015 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine bariatrische Operation als Sachleistung im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung zu gewähren.

2. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer bariatrischen Operation als Sachleistung im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung.

2

Die am … 1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie ist 1,57 m groß. Bei ihr besteht seit Kindheit eine Adipositas. Eine Vielzahl unterschiedlicher Abnehmversuche und Diäten führten nicht zu einer dauerhaften Gewichtsreduzierung. Im Jahre 1995 wurde eine operative Gastroplastik zu Lasten der Beklagten durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt wog die Klägerin 145 kg. In der Folge dieses Eingriffs konnte die Klägerin bis zum Jahre 1997 ihr Gewicht um 65 kg auf 80 kg verringern. Wegen einer Insuffizienz der Klammernaht konnte dieses Gewicht jedoch nicht gehalten werden. Die Klägerin nahm sukzessive über die Jahre hinweg wieder zu. Derzeit besteht ein Gewicht von 114 kg, was einem BMI von 46,5 entspricht. Eine Nachoperation wegen der insuffizienten Klammernaht wurde seinerzeit von der Beklagten abgelehnt.

3

Am 29.09.2014 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme zur erneuten Durchführung einer bariatrischen Operation. Ihrem Antrag fügte sie bei: Eine Stellungnahme des Chefarztes Dr. S. vom 25.09.2014, einen Fragebogen vom 25.09.2014 mit Anlagen zum Diätverlauf sowie den angestrebten Zielen, ein Arztbericht des Neurologen Dr. B. vom 24.07.2014, ein Attest des Orthopäden Dr. B. vom 09.12.2013, ein Bericht des Kardiologen Dr. W. vom 10.07.2014, ein Attest des Allgemeinmediziners S. vom 08.07.2014, die Teilnahmebescheinigung für eine Ernährungsberatung vom 29.01.2014 bis zum 10.07.2014, die Teilnahmebestätigung zum Besuch der Selbsthilfegruppe Adipositas S., Laborbefunde vom 18.07.2014 sowie ein von der Klägerin erstelltes Bewegungsprotokoll für die Zeit vom 03.12.2013 bis zum 20.07.2014. Mit Schreiben vom 06.10.2014 übersandte die Beklagte die Unterlagen an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Die Klägerin wurde mit Schreiben vom gleichen Tage über die Weiterleitung unterrichtet. In seiner Stellungnahme vom 09.10.2014 empfahl der MDK, die beantragte Operation zur Gewichtsreduzierung nicht auf Kosten der Beklagten durchzuführen. Diese sei medizinisch nicht notwendig. Mit Schreiben vom 31.10.2014 übersandte die Beklagte der Klägerin diese Stellungnahme und bat sie, sich mit ihrem Arzt in Verbindung zu setzen. Mit Schreiben vom 18.11.2014 übersandte die Klägerin der Beklagten die Stellungnahme ihres behandelnden Arztes Dr. S. vom 13.11.2014. Mit Schreiben vom 01.12.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie diese Stellungnahme an den MDK weiterleiten werde. Sobald eine weitere Stellungnahme vorliege, erhalte sie umgehend Bescheid. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurden die Unterlagen dem MDK übersandt. In seiner Stellungnahme vom 12.12.2014 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass eine Operation nicht empfohlen werden könne. Am 23.12.2014 unterrichtete die Beklagte die Klägerin telefonisch über den Inhalt dieser Stellungnahme. Mit Bescheid vom 29.12.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 12.01.2015 Widerspruch ein, der am 14.01.2015 bei der Beklagten einging.

4

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bat die behandelnde Ärztin der Klägerin die Beklagte am 15.01.2015 um Überprüfung ihrer Einschätzung. Die Beklagte bat den MDK erneut um Stellungnahme. In seiner Stellungnahme vom 20.01.2015 verwies der MDK auf seine Vorgutachten. Auf die Vorsprache der Klägerin am 05.02.2015 wurde ihr die Stellungnahme vom 26.01.2015 ausgehändigt. Mit Schreiben vom 11.02.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Widerspruch dem Widerspruchsausschuss vorgelegt werde. Der Widerspruchsausschuss werde voraussichtlich in seiner Sitzung am 30.04.2015 entscheiden.

5

Mit Schriftsatz vom 24.03.2015 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Koblenz. Sie beantragte festzustellen, dass der Antrag der Klägerin vom 29.09.2014 auf Gewährung einer bariatrischen Operation als Sachleistung gem. § 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als genehmigt gelte. Sie trug vor, dass ihr Antrag vom 29.09.2014 erst am 29.12.2014 beschieden worden sei. Die Beklagte habe damit die 5-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 Zweite Alternative SGB V nicht eingehalten. Eine rechtzeitige schriftliche Mitteilung der Beklagten sei nicht erfolgt. Insofern sei Genehmigungsfiktion eingetreten. Durch die Genehmigungsfiktion werde die Leistungsberechtigung wirksam verfügt. Es bestehe deshalb jetzt ein Anspruch auf die Sachleistung.

6

Die Beklagte hat darauf erwidert, dass die erhobene Feststellungsklage unzulässig und unbegründet sei. Die Feststellung eines Anspruchs gegen die Beklagte auf Genehmigung einer Leistung sei nicht möglich. Über die begehrte Genehmigung müsse mittels Verwaltungsakt entschieden werden. Die Rechtsvorschrift des § 13 Abs. 3 a SGB V begründet lediglich einen Anspruch auf Erstattung von Kosten für medizinisch notwendige und bereits selbst beschaffte Leistungen, wenn die Krankenkasse nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist ohne hinreichenden Grund entschieden habe. Eine Bewilligung medizinisch nicht erforderlicher Leistungen resultiere daraus nicht. Im Übrigen liege auch keine Fristversäumnis von Seiten der Beklagten vor. Die Beklagte habe die Klägerin zu jeder Zeit über den Fortlauf des Verfahrens unterrichtet. Die Klägerin habe sich deshalb darauf einstellen können, dass ihr Antrag nicht innerhalb von 5 Wochen ab Antragstellung beschieden werden konnte. Die Beklagte habe sich jedenfalls nicht pflichtwidrig verhalten. Ein zügigerer Verfahrensgang sei nicht möglich gewesen, jedenfalls nicht, wenn man der Beklagte das Recht auf ordnungsgemäße Prüfung des Sachverhalts zugestehen wolle.

7

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2015 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte kam darin zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch auf eine bariatrische Operation für die Klägerin nicht besteht. Sie berief sich auf die Gutachten des MDK vom 09.10.2014, vom 12.12.2014 sowie vom 20.01.2015. Vor einer weiteren Operation müsse nachvollziehbar analysiert und begründet sein, warum die Voroperation nicht ausreichend war. Dies sei bisher nicht erfolgt. Außerdem sei eine durchgeführte konservative Therapie unter ärztlicher Anleitung und Kontrolle im Rahmen eines geforderten multimodalen Therapiekonzeptes über einen Zeitraum von 6 bis 12 Monaten nicht erfolgt. Eine medizinische Notwendigkeit für die Operation sei somit nicht gegeben.

8

Die Klägerin stellte daraufhin ihre Klage in eine Leistungsklage um. Sie beantragt sinngemäß,

9

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2015 zu verurteilen, ihr aufgrund eines Eintritts der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eine bariatrische Operation als Sachleistung zu gewähren.

10

Auf den Hinweis des Gerichts, dass eine Fristversäumnis nicht vorliege, teilte die Klägerin mit, dass die Beklagte mit ihren Schreiben den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht genügt habe. Den Versicherten seien die Fristen sowie die einschlägigen Vorschriften zu benennen. Die Beklagte habe aber weder der Klägerin mitgeteilt, von welcher Frist sie ausgegangen sei noch gehe aus den Schreiben hervor, dass eine Frist nicht eingehalten werden konnte. Dies genüge den Anforderungen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht. Inhaltlich verweist sie auf das Urteil des BSG vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Zur Begründung führt Sie aus, dass im Rahmen der nun umgestellten Leistungsklage aus § 13 Abs. 3a SGB V kein Sachleistungsanspruch geltend gemacht werden könne. Die Vorschrift begründe lediglich einen Kostenerstattungsanspruch für selbstbeschaffte Leistungen, sofern diese medizinisch notwendig gewesen seien. Die Klägerin habe jedoch die Leistung bisher nicht selbst beschafft. Auch gehe aus den Stellungnahmen des MDK hervor, dass diese medizinisch nicht notwendig seien. Die Beklagte verweist darauf, dass zur Frage des § 13 Abs. 3a SGB V ein weiteres Verfahren vor dem Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 3 KR 4/16 R anhängig sei.

14

Mit Schreiben vom 06.07.2015 hat das Gericht seine Auffassung mitgeteilt, dass es sich bei der Regelung des § 13 Abs. 3a SGB V ausschließlich um eine Regelung im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens handelt. Für Fälle, in denen Versicherte eine Versorgung im Sinne einer Sachleistung begehrten, könne § 13 Abs. 3a SGB V keine Anwendung finden. Es wurde vorgeschlagen, die Klage als Sachleistungsklage fortzuführen und ggf. weitere medizinische Ermittlungen durchzuführen. Die Klägerin hat daraufhin mit Schreiben vom 14.07.2016 mitgeteilt, dass für Maßnahmen der gerichtlichen Amtsermittlung kein Raum sei. Die Klägerin werde sich an solchen Maßnahmen nicht beteiligen. Es wurde angeregt, durch Gerichtsbescheid bzw. durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Mit Schreiben vom 22.07.2016 hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sei.

15

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten. Die darin enthaltenen medizinischen Feststellungen sowie das Vorbringen der Beteiligten waren Gegenstand der Beratung und Urteilsfindung.

Entscheidungsgründe

16

Das Gericht konnte vorliegend gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer solchen Entscheidung erklärt.

17

Die nunmehr als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage geführte Klage ist zulässig und auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2015, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist und durch den die Klage nunmehr zulässig geworden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat die Übernahme der Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung der Klägerin zur Durchführung einer bariatrischen Operation zu Unrecht abgelehnt. Der Klägerin steht ein entsprechender Sachleistungsanspruch zu.

18

Dieser Anspruch ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin allerdings nicht bereits aus § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V. Dieser stellt zur Überzeugung der Kammer lediglich einen Kostenerstattungsanspruch dar. Dies ergibt sich für die Kammer unzweifelhaft aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V, ohne den § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V nicht gelesen werden kann, sowie aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Rahmen des Kostenerstattungsregelung des § 13 Abs. 3 SGB V. Insofern ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass sich die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V nur dann zugunsten des Versicherten auswirkt, wenn sich dieser die Leistung selbst beschafft und anschließend von der Krankenkasse die Erstattung seiner Kosten verlangt. Entsprechend hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 08.03.2016 (Az. B 1 KR 25/15 R, abgedruckt in SozR 4-2500 § 13 Nr. 33) zu Recht § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V auf einen Fall angewandt, in dem sich der Versicherte eine psychotherapeutische Behandlung zunächst selbst beschafft und anschließend auf Erstattung der aufgewandten Kosten geklagt hat. Soweit das Bundessozialgericht in dieser Entscheidung in einem sog. obiter dictum allerdings darauf hingewiesen hat, dass die Genehmigungsfiktion zugunsten des Leistungsberechtigten nicht nur einen Kostenerstattungsanspruch, sondern auch einen Naturalleistungsanspruch begründet, so ist dem nicht zu folgen. Eine Entscheidung des Bundessozialgerichts in dem anhängigen Verfahren B 3 KR 4/16 R liegt noch nicht vor, muss allerdings auch nicht abgewartet werden. Zur Überzeugung der Kammer soll die Vorschrift des § 13 Abs. 3a SGB V nicht dazu dienen, auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl. so aber BSG in seinem Urteil vom 08.03.2015, RdNr. 25). Eine solche Auslegung überspannt zur Überzeugung der Kammer den Sanktionscharakter der Norm, der lediglich darauf abzielt, der Krankenkasse im Falle einer Selbstbeschaffung sich auf die fehlende Kausalität (sog. falscher Beschaffungsweg) zu berufen. Dies lässt sich im Rahmen der historischen Auslegung jedenfalls der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit vom 28.11.2012 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (BT-Drs. 17/11710, Seite 30 zu § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V) entnehmen, wenn es dort heißt: „Eine zusätzliche eigene Fristsetzung durch den Versicherten wird nicht mehr als Voraussetzung für eine Selbstbeschaffung der Leistung mit der Folge einer Kostenerstattungspflicht der Krankkasse vorgesehen. Dies erleichtert es dem Versicherten, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen“.

19

Da sich die Klägerin die von ihr begehrte Leistung (noch) nicht selbst beschafft hat, scheidet nach der hier vertretenen Auffassung ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a SGB V vorliegend aus. Insofern kann offen bleiben, ob hier eine Fristversäumnis vorgelegen hat und ob die Beklagte im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V überhaupt verpflichtet war, die Klägerin auf das Bestehen der Frist als solche, den genauen Fristlauf sowie die weiteren Gründe einer sich verzögernden Entscheidung hinzuweisen. Insgesamt kann jedoch auch die Frage der Rechtsfolgenwirkung des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V dahinstehen. Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung der beantragten Maßnahme ergibt sich jedenfalls als Sachleistungsanspruch aus §§ 27, 29, 12 SGB V.

20

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung auch eine Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 5 SGB V). Im Hinblick auf den Antrag der Klägerin vom 29.09.2014 liegen die Voraussetzungen für einen solchen Sachleistungsanspruch vor.

21

Bei dem Krankenhaus in T. handelt es sich um ein zugelassenes Krankenhaus, und die begehrte Maßnahme muss stationär durchgeführt werden. Bei der Klägerin liegt auch eine Krankheit vor. Krankheit ist dabei ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit ärztlicher Heilbehandlung oder zugleich bzw. allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig wird ein Zustand angesehen, der von der Norm, also vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht. Die bei der Klägerin vorliegende Adipositas permagna mit einem BMI von über 40 stellt eine Krankheit in diesem Sinne dar (vgl. zu den Voraussetzungen BSG, Urteil vom 19.02.2003 – B 1 KR 1/02 R = BSGE 90, 289). Grundsätzlich können auch die Kosten für Maßnahmen einer Gewichtsreduktion in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung fallen. Da das Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, ist allerdings zu prüfen, ob eine vollstationäre chirurgische Behandlung unter Berücksichtigung aller Behandlungsalternativen (wie z. B. diätische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie und Psychotherapie) notwendig und wirtschaftlich ist. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der bariatrischen Operation um eine mittelbare Krankenbehandlung handelt, da an einem funktionell intakten Organ die Behandlung einer anderweitigen krankhaften Funktionsstörung erfolgt. Nach den hier vorliegenden Unterlagen geht die Kammer davon aus, dass Ursache für das Übergewicht der Klägerin letztlich ihr krankhaftes Essverhalten ist. Der chirurgische Eingriff an ihrem funktionell intakten Magen soll die Nahrungsaufnahme begrenzen. Dies bedarf einer speziellen Rechtfertigung, denn eine mittelbare Krankenbehandlung ist nur dann ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 SGB V, wenn sie nach Art und Schwere der Erkrankung, Dringlichkeit der Intervention sowie nach Abwägung der Risiken und des zu erwartenden Nutzens der Therapie sowie etwaiger Folgekosten für die Krankenversicherung gerechtfertigt ist (vgl. BSG a.a.O., ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.10.2011 – L 5 KR 12/11, abgedruckt in juris). Die Maßnahme muss ultima ratio sein.

22

Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Viszeral-Chirurgie – Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie ist eine Operation am Magen zur Behandlung einer Adipositas grundsätzlich nur indiziert, wenn alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und eine Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllt werden. Diese Leitlinien stellen eine für die Beurteilung des Gerichts sachgerechte Entscheidungshilfe dar. Voraussetzungen sind nach diesen Leitlinien insbesondere: Ein BMI über 40 bzw. ein BMI über 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen, die Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten, ein tolerables Operationsrisiko, keine manifeste psychiatrische Erkrankung sowie die Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachsorge. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten sind dann erschöpft, wenn durch eine multimodale konservative Therapie innerhalb von mindestens 6 Monaten das Therapieziel nicht erreicht und gehalten wurde. Die Möglichkeiten zur Ernährungstherapie sind dann ausgeschöpft, wenn mittels einer energiereduzierten Mischkost und weiteren ernährungsmedizinischen Maßnahmen das Therapieziel nicht erreicht wurde. Zusätzlich ist nachzuweisen, dass ausreichend Bewegung vorhanden war und keine manifeste psychische Erkrankung vorliegt. Lassen Art und Schwere der Krankheit bzw. psychosoziale Gegebenheiten annehmen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist, kann in Ausnahmefällen auch eine chirurgische Therapie als primäre Operationsindikation durchgeführt werden.

23

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt die vorliegend begehrte bariatrische Operation ultima ratio zur Behandlung der bei der Klägerin vorliegenden Adipositas dar. Konservative Behandlungsmöglichkeiten, die eine relevante und vor allen Dingen dauerhafte Gewichtsreduzierung ermöglichen, sind nach Auffassung des Gerichts unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Behandlungsunterlagen nicht mehr gegeben. Bei der Klägerin besteht seit ihrer Kindheit ein erhebliches Übergewicht. Sie hat glaubhaft eine Vielzahl ernsthafter Abnehmversuche unternommen, die zu keiner erheblichen Reduzierung des Gewichts geführt haben. Demgegenüber hat die im Jahr 1995 durchgeführte Gastroplastik zu einer Gewichtsreduktion innerhalb von 2 Jahren um 65 kg geführt. Die Klägerin konnte von 145 kg auf 80 kg abnehmen. Allein daraus ergibt sich schon, dass bei der Klägerin die begehrte Maßnahme Gewähr dafür bietet, das von ihr beantragte Ziel zu erreichen. Die Nahtinsuffizienz der Gastroplastik führte zu einer erneuten Zunahme des Gewichts auf jetzt 114 kg. Die Klägerin hat einen BMI von 46,5 erreicht. Es liegen mittlerweile zahlreiche Begleiterkrankungen vor. Die Klägerin hat glaubhaft nachgewiesen, dass sie jedenfalls 6 Monate an einer ambulanten Ernährungstherapie teilgenommen hat. Auch eine Bereitschaft zur Mitarbeit und eine hohe Motivation wurden von ihr glaubhaft gemacht. Aus den Unterlagen ergibt sich, dass bei der Klägerin keine psychiatrische Erkrankung vorliegt, die einer Operation entgegensteht. Bei der Klägerin ist die Adipositas vor allen Dingen damit zu erklären, dass es ihr nicht gelingt, die Portionsgrößen einzuhalten und ihr Essverhalten umzustellen. Die Klägerin hat mit dem vorgelegten Bewegungsprotokoll nachgewiesen, dass sie sich bemüht hat, über Monate hinweg ihre Bewegung zu steigern. Dies hatte jedoch keine erheblichen Auswirkungen.

24

Das Gericht ist der Überzeugung, dass es der Klägerin nicht gelingen kann, unter einer Fortführung der multimodalen Therapie weiter wesentlich an Gewicht zu verlieren. Zur Besserung der Situation müssten zunächst jedenfalls 35 kg abgenommen werden, um den Zustand von 1997 wieder zu erreichen. Damit allein wäre jedoch noch kein zufriedenstellender BMI hergestellt bzw. das Gewicht gehalten. Für die Kammer ist aus den vorliegenden Unterlagen deutlich, dass es der Klägerin nur mithilfe der beantragten Operation gelingen kann, das Gewicht zu reduzieren bzw. weiter zu reduzieren und zu halten. Insoweit hätte eine zügige Operation nach Auftreten der Nahtinsuffizienz einen früheren Erfolg gezeitigt. Diese wurde jedoch von der Beklagten nicht bewilligt. Aus Sicht der Kammer liegt kein intolerables Operationsrisiko vor. Außerdem ist eine medizinische Nachbetreuung in der von ihr gewählten Vertragsklinik gewährleistet.

25

Der Klage war daher stattzugeben und die Beklagte zur Gewährung der bariatrischen Operation als Sachleistung im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung zu verurteilen.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Koblenz Urteil, 02. Nov. 2016 - S 11 KR 163/15

Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Koblenz Urteil, 02. Nov. 2016 - S 11 KR 163/15

Referenzen - Gesetze

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 13 Kostenerstattung


(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B
Sozialgericht Koblenz Urteil, 02. Nov. 2016 - S 11 KR 163/15 zitiert 9 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 13 Kostenerstattung


(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

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(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27 Krankenbehandlung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 96


(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. (2) Eine Abschrift des neuen Ver

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 12 Wirtschaftlichkeitsgebot


(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 29 Kieferorthopädische Behandlung


(1) Versicherte haben Anspruch auf kieferorthopädische Versorgung in medizinisch begründeten Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeint

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(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Psychotherapie.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger beantragte befundgestützt eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeittherapie (16.12.2013). Die Beklagte beauftragte Dr. D mit der Begutachtung, ohne den Kläger hierüber zu informieren (17.12.2013). Dr. D hielt die aktuell wirksame Psychodynamik der Erkrankung für nicht erkennbar und erwartete keinen hinreichenden Behandlungserfolg. Die Beklagte lehnte es ab, die Therapie zu bewilligen (Bescheid vom 27.1.2014, Widerspruchsbescheid vom 5.5.2014). Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Gerichtsbescheid vom 11.8.2014). Der Kläger hat sich 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie selbst beschafft und danach sein Klagebegehren auf Erstattung der von ihm hierfür aufgewandten Kosten in Höhe von 2200 Euro gerichtet. Das LSG hat unter Anpassung des Tenors die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Ihr Schweigen auf den Leistungsantrag habe dessen Bewilligung fingiert (Urteil vom 17.6.2015).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3a S 6 und 7 SGB V. Die Regelung begründe allein einen Kostenerstattungsanspruch für "erforderliche" Leistungen. Hieran habe es gefehlt.

4

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 11. August 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

                 
        

hilfsweise,

                 
        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten KK ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Kläger 2200 Euro zu zahlen. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruchs gemäß § 13 Abs 3a S 7 SGB V(in der seit 26.2.2013 geltenden Fassung des Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten sind erfüllt. Der Anwendungsbereich der Regelung ist eröffnet (dazu 1.). Die vom Kläger beantragten - hier nur noch streitigen - 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie gelten als von der Beklagten genehmigt (dazu 2.). Der Kläger beschaffte sich daraufhin die erforderliche Leistung selbst. Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu 3.).

8

1. Der Kläger kann sich für die Erstattung der Kosten auf den Anspruch aus § 13 Abs 3a S 7 SGB V nach dessen zeitlichem und sachlichem Anwendungsbereich berufen.

9

a) Die Regelung ist nach ihrem Geltungszeitraum anzuwenden. Nach dem maßgeblichen intertemporalen Recht (vgl hierzu zB BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 13 f mwN)greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Berechtigte ab dem 26.2.2013 stellen. Der Kläger stellte nach dem 25.2.2013, am 16.12.2013, bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung einer künftig zu leistenden Psychotherapie.

10

b) Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn der Kläger verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha), sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung.

11

Die Regelung findet keine Anwendung auf Ansprüche gegen KKn, die unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind. Das sind andere Ansprüche der Versicherten wegen sachleistungsersetzender Kostenerstattung etwa nach § 13 Abs 2 und 3 SGB V und wegen Geldleistungen mit Unterhaltsersatzfunktion. Der gesetzliche Erstattungsanspruch für die selbstbeschaffte erforderliche Leistung passt hierauf nicht (vgl zu Wortlaut und Regelungssystem aa). Versicherte können sich jederzeit Kredite zur Überbrückung von Zeiten verschaffen, in denen bei ihnen ein Bedarf entsteht, weil KKn den Versicherten zustehende Geldleistungsansprüche nicht auszahlen. Es bedarf hierfür keines besonderen Rechtsmechanismus, die gesetzliche Verzinsungsregelung greift (vgl § 44 SGB I). Der Gesetzgeber ging für die Regelung dementsprechend von einer "Ausnahme vom Sachleistungsprinzip" aus (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Die späteren Änderungen des Gesetzentwurfs (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 11) geben keinen Anlass zu einer hiervon abweichenden Auslegung.

12

Der Erstattungsanspruch bei Genehmigungsfiktion ist auch für Leistungen zur medizinischen Reha nicht gegeben. Das folgt aus Wortlaut und Binnensystem der Norm (dazu aa), Entstehungsgeschichte (dazu bb) und Regelungszweck im Gesamtsystem (dazu cc). Die vom Kläger begehrte und selbstbeschaffte Psychotherapie ist nicht Gegenstand der medizinischen Reha, sondern der Krankenbehandlung (dazu dd).

13

aa) Nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V hat die KK über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die KK eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs 3a S 3 SGB V). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (§ 13 Abs 3a S 4 SGB V). Kann die KK die Fristen nach S 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen(§ 13 Abs 3a S 9 SGB V).

14

bb) Nach den Gesetzesmaterialien gelten für Leistungen zur medizinischen Reha die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen. Das Gesetz stellt dies ausdrücklich klar (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1).

15

cc) Auch der Regelungszweck im Gesamtsystem verdeutlicht, dass das Gesetz Kostenerstattung wegen Genehmigungsfiktion für Leistungen zur medizinischen Reha nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat bewusst Leistungen zur medizinischen Reha aus dem Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a SGB V ausgeklammert. Schon die Vorgaben für die Zuständigkeitsklärung bei Leistungen zur medizinischen Reha (§ 14 SGB IX)würden zur gesetzlichen Regelung der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)nicht passen. Sie wären mit dem aufgezeigten Fristenregime des § 13 Abs 3a SGB V nicht kompatibel. Leitete der erstangegangene Träger einen Antrag innerhalb von zwei Wochen nach seinem Eingang weiter (§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX),könnte dennoch innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang beim erstangegangenen Träger bereits die Genehmigungsfiktion eintreten (§ 13 Abs 3a S 1 und S 6 SGB V). Vergleichbares gilt für die unterschiedlichen Erstattungsregelungen (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V und § 15 SGB IX).

16

dd) Der Begriff der Leistungen zur medizinischen Reha ist funktionsadäquat auszulegen: Einerseits umfasst er in einem weiten Sinne Leistungen, die eine KK als erstangegangener Reha-Träger nach dem Recht des eigentlich zuständigen Trägers zu erbringen hat, wenn sie den Antrag nicht weiterleitet und deshalb im Außenverhältnis zum zuständigen Träger wird. Die in § 14 Abs 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich in diesem Falle im Außenver-hältnis (behinderter Mensch/Reha-Träger) auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind(vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4 RdNr 14 mwN). Einbezogen sind zB Adaptionsmaßnahmen, die eine KK allein nach dem Recht des SGB V nicht leisten müsste (vgl zB BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 16 ff). Dieser Schutzmechanismus darf nicht durch ein zu enges Begriffsverständnis der "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" ausgehebelt werden. Der Entscheidungszeitpunkt der KK spielt hierbei keine Rolle.

17

Andererseits erstreckt sich dieser Leistungsbegriff in der Regelung des § 13 Abs 3a S 9 SGB V - bei einem Antrag auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in einem engeren Sinne - nur auf die Leistungen zur medizinischen Reha im Sinne des SGB V. Das sind insbesondere die dort als solche bezeichneten Leistungen (§ 40 SGB V), aber auch zB teilweise Arbeitstherapie (vgl zB BSGE 109, 122 = SozR 4-2500 § 42 Nr 1, RdNr 21 ff, 26 mwN). Versicherte der GKV - wie der Kläger - haben gemäß § 11 Abs 2 S 1 SGB V ua Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Reha, die "notwendig sind, um eine Behinderung (…) abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern". Diese Leistungen werden unter Beachtung des SGB IX erbracht, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist (§ 11 Abs 2 S 3 SGB V). Die KKn - gemäß § 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX mögliche Träger von Leistungen zur medizinischen Reha - sind nach den Vorschriften des SGB V zur Erbringung medizinischer Reha-Leistungen indes nur unter den dort genannten Voraussetzungen verpflichtet(vgl § 11 Abs 2, § 40 SGB V; BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 18).

18

Speziell für Psychotherapie unterscheidet das SGB V zwischen ärztlicher Behandlung einschließlich Psychotherapie (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V)als einem Teilbereich ambulanter Krankenbehandlung einerseits (vgl zu diesem Begriff in Abgrenzung zur ambulanten Reha § 40 Abs 1 S 1 SGB V) und Leistungen zur medizinischen Reha, zu deren Bestandteilen auch Psychotherapie gehören kann, und ergänzenden Leistungen andererseits (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V). Im Regelungsbereich ambulanter ärztlicher Behandlung im Rechtssinne wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien (RL) nach § 92 SGB V durchgeführt(vgl § 28 Abs 3 S 1 SGB V idF durch Art 2 Nr 2 Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.6.1998, BGBl I 1311; vgl BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 20 RdNr 10). Um eine solche Leistung psychotherapeutischer Krankenbehandlung ging es dem Kläger.

19

2. Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V)ist, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V; dazu a). Das folgt aus dem oben aufgezeigten Wortlaut und dem Binnensystem der Norm (vgl oben, II. 1. b aa), Entstehungsgeschichte und Regelungszweck. Die vom Kläger beantragte Leistung galt in diesem Sinne als genehmigt (dazu b).

20

a) Der Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)ist in der Erstattungsregelung (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V) verkürzend mit den Worten "nach Ablauf der Frist" vorausgesetzt. Gemeint ist nicht jeder Fall des Ablaufs der Fristen nach § 13 Abs 3a S 1 oder S 4 SGB V. Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V)und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)vielmehr voraus, dass die KK keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilte. Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung von der KK verlangen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 29 f). Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der KKn zu beschleunigen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, aaO S 29), zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die KK zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggf wiederholt - mitteilen. Erst wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der letzten, hinreichend begründeten Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

21

b) Die vom Kläger beantragte Psychotherapie galt wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn der leistungsberechtigte Kläger (dazu aa) stellte bei der Beklagten einen hinreichend bestimmten Antrag (dazu bb) auf Leistung von 25 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeitpsychotherapie, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt (dazu cc). Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 3a S 1 SGB V, ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen(dazu dd).

22

aa) Der Kläger ist als bei der Beklagten Versicherter leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen in der GKV Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen KK.

23

bb) Der Kläger beantragte hinreichend bestimmt die Gewährung einer Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen. Damit die Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Entsprechend den allgemeinen, in § 42a VwVfG(Verwaltungsverfahrensgesetz idF durch Art 1 Nr 5 des Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften - 4. VwVfÄndG - vom 11.12.2008, BGBl I 2418 mWv 18.12.2008) normierten Grundsätzen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 15) gilt "eine beantragte Genehmigung (…) nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (…), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist". Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 16). Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist(zu § 13 SGB V: Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 73; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; s auch Gemeinsames Rundschreiben des Spitzenverbandes Bund der KKn und der Verbände der KKn auf Bundesebene zur leistungsrechtlichen Vorschrift des § 13 Abs 3a SGB V vom 15.5.2013, S 20; zu § 42a VwVfG: U Stelkens in P Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 42a RdNr 35 mwN).

24

So lag es hier. Der Klägerantrag auf Gewährung von Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen war im Rechtssinne hinreichend bestimmt und fiktionsfähig.

25

cc) Der Antrag des Klägers betraf eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 7 mwN). Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl zur Kostenfreistellung zB BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 16 mwN und Leitsatz 2). Auch der Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion setzt voraus, dass sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine "erforderliche" Leistung (entsprechend der fingierten Genehmigung; dazu II. 3. a) selbst beschaffen.

26

Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Gesetzesmaterialien sprechen beispielhaft den Fall an, dass die KK auch im Fall der selbstbeschafften Leistung, zum Beispiel bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30; im Ergebnis ähnlich etwa LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 9; Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 20.1.2016 - L 5 KR 238/15 B ER - Juris RdNr 23 ff; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; Vogl, NZS 2014, 210, 211; Werner, SGb 2015, 323, 325; aA etwa LSG NRW Beschluss vom 26.5.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KRL 16 KR 155/14 B - Juris RdNr 26 ff; Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 74; Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 13 RdNr 29; Knispel, SGb 2014, 374, 376; Rieker, NZS 2015, 294, 297; Preis/Schneider, NZS 2013, 281, 288; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 43).

27

Die beantragte Psychotherapie unterfällt ihrer Art nach dem Leistungskatalog der GKV, wie oben dargelegt. Der Kläger konnte auch aufgrund der fachlichen Befürwortung seines Antrags durch die Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin T die Behandlung für geeignet und erforderlich halten. Der Gedanke an einen Rechtsmissbrauch liegt fern.

28

dd) Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen (§ 13 Abs 3a S 1 SGB V), ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen: Sie teilte ihm keinerlei Gründe mit. Die Frist von drei Wochen ist maßgeblich, weil die Beklagte den Kläger nicht über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme unterrichtete (vgl zur Pflicht § 13 Abs 3a S 2 SGB V). Ohne diese gebotene Information kann der Leistungsberechtigte nach Ablauf von drei Wochen annehmen, dass sein Antrag als genehmigt gilt (aA Rieker, NZS 2015, 294, 296). Die Frist begann am Dienstag, dem 17.12.2013 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 BGB). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG)ging der Antrag des Klägers am 16.12.2013 der Beklagten zu. Die Frist endete am Montag, dem 6.1.2014 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Die Beklagte entschied erst später, am 27.1.2014, über den Antrag des Klägers.

29

3. Der Kläger beschaffte sich die erforderliche Leistung von 24 Sitzungen Psychotherapie selbst, nachdem sie als genehmigt galt (dazu a). Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu b).

30

a) Die genehmigte Leistung, die sich der Kläger beschaffte, war auch noch im Zeitpunkt der Beschaffung erforderlich. Der Kläger beachtete nämlich Art und Umfang der fingierten Genehmigung von 25 Sitzungen Psychotherapie. Er beschaffte sich die Leistung zeitnah nach Eingreifen der Genehmigungsfiktion. Die fingierte Genehmigung hatte sich bei der Beschaffung auch nicht erledigt. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die Leistung nicht mehr (subjektiv) erforderlich gewesen wäre.

31

Auch eine fingierte Genehmigung - wie jene des Klägers - bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl § 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu bei nicht fingierter Genehmigung zB BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 24; rechtsähnlich BVerwGE 48, 87, 90, 92 ff zu § 19 Abs 4 S 3 BBauG vom 23.6.1960, BGBl I 341). So kann etwa - für den Versicherten erkennbar - eine "Erledigung auf andere Weise" einer fingierten Genehmigung einer beantragten Krankenbehandlung eintreten, wenn die ursprünglich behandlungsbedürftige Krankheit nach ärztlicher, dem Betroffenen bekannter Einschätzung vollständig geheilt ist: Es verbleibt durch diese Änderung der Sachlage für die getroffene Regelung kein Anwendungsbereich mehr. Sie kann nach ihrem Inhalt und Zweck keine Geltung für den Fall derart veränderter Umstände beanspruchen. Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (BSG SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 14 mwN; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 24). In diesem Sinne ist die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers nach Fristablauf nicht mit allen Einwendungen gegen die fingierte Genehmigung ausgeschlossen. Geänderte Umstände, die die Genehmigung im Zeitpunkt der Beschaffung entfallen ließen, hat indes weder das LSG festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

32

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, der Kläger sei deshalb nicht "schutzbedürftig", weil ihm vor Selbstverschaffung der genehmigten Therapiemaßnahmen die ablehnende Entscheidung der Beklagten zugegangen und seine Therapeutin Kenntnis vom Begutachtungsergebnis erlangt habe. Die fingierte Genehmigung schützt den Adressaten dadurch, dass sie ihre Wirksamkeit ausschließlich nach den allgemeinen Grundsätzen über Erledigung, Widerruf und Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts verliert. Ihre Rechtmäßigkeit beurteilt sich nach der Erfüllung der oben aufgezeigten Voraussetzungen (§ 13 Abs 3a SGB V), nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs. Die spätere Mitteilung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und die Information der Therapeutin über das Gutachten lassen die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion unberührt; die Ablehnung der Leistung regelt weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf der fingierten Genehmigung (vgl hierzu §§ 45, 47 SGB X).

33

b) Dem Kläger entstanden nach den unangegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dadurch Kosten in Höhe von 2200 Euro, dass er sich die erforderliche genehmigte Leistung selbst beschaffte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger ohne Selbstbeschaffung der Leistung einen Eigenanteil der Therapiekosten zu tragen gehabt hätte (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30).

34

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht der Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Therapiedreirad.

2

Der 1960 geborene, bei der Beklagten im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner versicherte Kläger leidet als Folge eines im Jahr 1992 erlittenen Hirntumors ua an einer symptomatischen Epilepsie mit fokal-motorischen Anfällen, einer Beeinträchtigung der linken Körperhälfte mit reduzierter Motorik und Gleichgewichtsstörungen, an einer organisch bedingten Antriebsstörung, rezidivierenden depressiven Störungen sowie einer Anpassungsstörung. Daneben besteht ein Diabetes mellitus mit beginnender Polyneuropathie. Aufgrund der Diagnose eines "hirnorganischen Psychosyndroms" steht der Kläger unter der Betreuung seiner Ehefrau. Er bezieht Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, zuletzt nach der Pflegestufe II aF seit Januar 2012. Bei dem Kläger ist ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen H, B und G anerkannt.

3

Am 13.11.2013 beantragte die Ehefrau des Klägers bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für das Therapiedreirad "Easy Rider 2" (Sesseldreirad mit Rückenlehne und niedrigem Einstieg, s Hilfsmittelverzeichnis Nr 22.51.02.0048) unter Vorlage der ärztlichen Verordnung vom 4.11.2013. Die Beklagte teilte dem Kläger am selben Tag mit, sie werde weitere medizinische Informationen anfordern. Mit Schreiben vom 3.1.2014 reichte der Kläger die ärztliche Verordnung bei der Beklagten erneut ein, worauf die Beklagte am 6.1.2014 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Begutachtung der Hilfsmittelversorgung beauftragte. Der MDK kam zu dem Ergebnis, dass die Versorgung des Klägers mit dem Therapiedreirad "Easy Rider 2" nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) umfasst sei. Im Übrigen sei das Sesseldreirad ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (Sozialmedizinisches Gutachten vom 16.1.2014).

4

Der Antrag blieb bei der Beklagten (Bescheid vom 21.1.2014; Widerspruchsbescheid vom 10.4.2014) und in erster Instanz erfolglos (Gerichtsbescheid vom 21.11.2014). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für das Therapiedreirad "Easy Rider 2". Zwar liege eine Fristüberschreitung nach § 13 Abs 3a SGB V vor. Die Genehmigungsfiktion greife aber nach dem Wortlaut von § 13 Abs 3a S 7 SGB V nur ein, wenn sich der Versicherte die begehrte Leistung bereits selbst beschafft habe (bzw eine entsprechende schuldrechtliche Verpflichtung eingegangen sei) und Kostenerstattung bzw -freistellung geltend gemacht werde. Das sei hier nicht der Fall. § 13 Abs 3a S 6 SGB V räume dem Versicherten keinen Sachleistungsanspruch ein. Selbst dann wäre dieser durch das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) und das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) begrenzt. Denn die Genehmigungsfiktion von § 13 Abs 3a SGB V könne nicht weiter reichen als der zugrunde liegende Sachleistungsanspruch. Dem Kläger stehe auch kein Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit einem Therapiedreirad gemäß § 33 Abs 1 S 1 SGB V zu. Das Hilfsmittel diene weder dem Behinderungsausgleich noch zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung. Die Verwendung des Therapiedreirads sei beim Kläger ausschließlich auf gesundheitsfördernde Zwecke gerichtet, wie die allgemeine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit. Ein anderes Ergebnis folge nicht daraus, dass der behandelnde Neurologe den Einsatz des Therapiedreirads zur Verbesserung der selbstständigen Teilnahme am sozialen Leben und der allgemeinen Lebensqualität empfohlen habe (Urteil vom 10.12.2015).

5

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Ansicht des LSG ergebe sich schon aus dem Wortlaut von § 13 Abs 3a S 6 SGB V ein Sachleistungsanspruch. Wäre der Geltungsbereich der Genehmigungsfiktion lediglich auf einen Kostenerstattungsanspruch beschränkt, käme § 13 Abs 3a S 6 SGB V kein eigener Regelungsgehalt zu. Zudem schließe eine solche Auslegung mittellose Versicherte, die nach Ablauf der Frist nicht in der Lage seien, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, praktisch aus dem Schutzbereich des § 13 Abs 3a SGB V aus. Dies sei eine ungerechtfertigte Benachteiligung solcher Versicherter (Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG), die finanziell nicht in Vorleistung treten könnten. Die Genehmigungsfiktion sei eingeführt worden, um Prüfungsverfahren für Hilfsmittel zu beschleunigen bzw überlange Prüfungsverfahren zu sanktionieren. Zu hinterfragen sei auch die Begrenzung des Anspruchs nach § 13 Abs 3a S 6 und 7 SGB V durch das Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot. Darüber hinaus bestehe ein Anspruch auf Versorgung mit dem Hilfsmittel aus § 33 Abs 1 S 1 Alt 1 SGB V zur Sicherung des Erfolgs der Heilbehandlung.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. November 2014 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2014 zu verurteilen, ihn mit dem Therapiedreirad Easy Rider 2 zu versorgen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2015 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Therapiedreirad sei im Übrigen eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation, sodass der Anwendungsbereich von § 13 Abs 3a SGB V nicht eröffnet sei. Ein Sachleistungsanspruch aus § 33 SGB V bestehe nach zutreffender Ansicht des LSG nicht.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 S 2 SGG) begründet.

10

Die Versorgung des Klägers mit einem Therapiedreirad "Easy Rider 2" lässt sich nicht mit Erfolg auf die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V stützen, weil S 9 dieser Vorschrift Leistungen zur medizinischen Rehabilitation dem Regelungssystem des SGB IX zuweist und diese Leistungen daher insgesamt nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Genehmigungsfiktion sowie der Regelungen aus § 13 Abs 3a SGB V erfasst werden(hierzu 1.).

11

Ansprüche auf Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 33 SGB V, für die der 3. Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG in Revisionsverfahren allein zuständig ist, fallen nur dann unter den Begriff der "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation", wenn das Hilfsmittel dem Ausgleich oder der Vorbeugung einer Behinderung dienen soll (§ 33 Abs 1 S 1 Var 2 und 3 SGB V). Der sachliche Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a SGB V ist deshalb lediglich für Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung iS von § 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V eröffnet. Bei dem hier im Streit stehenden Therapiedreirad "Easy Rider 2" kann es sich jedoch nur um ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich handeln, sodass § 13 Abs 3a SGB V für eine darauf gerichtete Leistungsgewährung keine Anwendung findet(hierzu 2.).

12

Es fehlen aber ausreichende Feststellungen des LSG, ob dem Kläger ein Anspruch auf Versorgung mit dem Therapiedreirad "Easy Rider 2" nach § 33 Abs 1 S 1 Var 3 SGB V gegen die Beklagte als originärer Leistungsträger zusteht, oder ob ein Anspruch auf Versorgung mit dem Hilfsmittel aus dem Bereich eines anderen Rehabilitationsträgers(vgl § 6 Abs 1 SGB IX), für den die Beklagte als erstangegangener Rehabilitationsträger (§ 14 SGB IX idF des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.4.2004, BGBl I 606, gültig bis 31.12.2017 ) mangels Weiterleitung des Antrags im Verhältnis zum Kläger umfassend zuständig geworden ist. Daher kann der Senat nicht abschließend in der Sache entscheiden (hierzu 3.).

13

1. Die Genehmigungsfiktion sowie die Regelungen aus § 13 Abs 3a SGB V insgesamt sind auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht anwendbar. Denn § 13 Abs 3a S 9 SGB V(hier heranzuziehen in der seit 26.2.2013 geltenden Fassung von Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013, BGBl I 277, gültig bis 31.12.2017 ) verweist für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auf das Rehabilitations- und Teilhaberecht, das in §§ 14 und 15 SGB IX(in der seit 1.7.2001 geltenden Fassung durch Art 1 und 68 des Sozialgesetzbuches - Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046, gültig bis 31.12.2017 , sowie in §§ 14 bis 24 SGB IX idF von Art 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23.12.2016, BGBl I 3234, mWv 1.1.2018 ) ein eigenständiges, in sich geschlossenes System bei Überschreitung von Entscheidungsfristen mit entsprechenden Sanktionen vorhält. Eine Kombination dieser Regelungssysteme ist nicht möglich (hierzu im Folgenden a). Die Systemzuweisung nach § 13 Abs 3a S 9 SGB V knüpft an den allgemeinen und schon vor Inkrafttreten von § 13 Abs 3a SGB V bestehenden Begriff der medizinischen Rehabilitation an(hierzu b). Maßgeblich für die Systemabgrenzung ist insoweit allein das objektive Recht, nicht dagegen, ob der Versicherte die Leistung (als nichtrehabilitative Leistung) iS von § 13 Abs 3a S 7 SGB V für erforderlich halten durfte(hierzu c).

14

a) Die Regelungssysteme von § 13 Abs 3a SGB V einerseits und von §§ 14, 15 SGB IX aF andererseits kollidieren miteinander und lassen sich daher weder miteinander kombinieren noch gleichzeitig anwenden(so auch BSG <1. Senat> Urteil vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R - BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 15). Sie schließen sich vielmehr gegenseitig aus. Daher findet § 13 Abs 3a SGB V insgesamt auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation keine Anwendung(so auch vgl Knispel, GesR 2017, 749, 756; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, K § 13 RdNr 58q; Helbig in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 76; Hahn, SGb 2015, 144, 147 f). Nicht zu folgen ist demgegenüber der teilweise vertretenen Ansicht, dass die Zuweisungsnorm von § 13 Abs 3a S 9 SGB V aF nur bezüglich der Zuständigkeitsklärung und der Erstattung selbst beschaffter Leistungen auf die Regelungen des SGB IX verweise, sich aber der aus der Genehmigungsfiktion resultierende Sachleistungsanspruch nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V(vgl dazu ua BSG <1. Senat> Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr 12 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 13 Nr 36 vorgesehen) auch für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ergeben könne (so aber ua Bayerisches LSG Urteil vom 31.1.2017 - L 5 KR 471/15 - Juris RdNr 57 f; SG Speyer Urteil vom 18.11.2016 - S 19 KR 329/16 - Juris LS 2 und RdNr 27 f). Dieser Ansicht stehen sonst nicht auflösbare Normkonflikte entgegen.

15

Während nach § 13 Abs 3a S 6 iVm S 1 SGB V die Leistung bereits drei Wochen nach Antragseingang als genehmigt gilt, falls die Krankenkasse ohne Mitteilung eines hinreichenden Grundes und ohne Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme nicht darüber entschieden hat, tritt nach dem bis zum 31.12.2017 geltenden Recht der Rehabilitation und Teilhabe bei Überschreitung der vorgesehenen Fristen keine Genehmigungsfiktion ein. Vielmehr kann sich ein Leistungsberechtigter nach § 15 Abs 1 S 2 und 3 SGB IX aF die Leistung nur dann gegen Kostenerstattung selbst beschaffen, wenn er dem Rehabilitationsträger zuvor eine angemessene Frist unter Androhung der Selbstbeschaffung nach Fristablauf gesetzt hat. Diese Regelung liefe bei Eintritt einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V leer. Wird eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt, gilt nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V grundsätzlich eine Fünf-Wochenfrist ab Antragseingang, während der Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 2 S 4 SGB IX aF innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens entscheiden muss. Bei paralleler Anwendung beider Normsysteme könnte in diesen Fällen die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V selbst dann eintreten, wenn sich der Rehabilitationsträger noch im Rahmen der nach § 14 Abs 2 S 4 SGB IX aF vorgegebenen Fristen hält. Schließlich könnte es zum Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V auch dann kommen, wenn die Krankenkasse einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe rechtmäßig nach § 14 Abs 1 S 1 und 2 SGB IX aF innerhalb von zwei Wochen an den zuständigen Rehabilitationsträger weiterleiten, dies dem Versicherten aber nicht innerhalb der Drei-Wochenfrist des § 13 Abs 3a SGB V mitteilen würde.

16

Die vorstehenden Erwägungen schließen ein Nebeneinander beider Normkomplexe ersichtlich aus und fordern eine klare Systemabgrenzung, die nach den Vorschriften zur Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V nicht notwendig war und ist. Zwar verweist auch § 13 Abs 3 S 2 SGB V(idF von Art 5 Nr 7 Buchst b nach Maßgabe des Art 67 SGB IX, aaO, mWv 1.7.2001) hinsichtlich der Kosten für selbst beschaffte "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem SGB IX" auf die Erstattungsregelung von § 15 SGB IX aF(bzw seit 1.1.2018 Verweisung auf § 18 SGB IX idF des BTHG), allerdings ist insoweit aufgrund der Parallelität der Ansprüche und ihrer Voraussetzungen eine kollidierende Systemabgrenzung nicht erforderlich (vgl BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 42).

17

b) Den mit der Schaffung von § 13 Abs 3a SGB V entstandenen Konflikt kollidierender Systeme löst § 13 Abs 3a S 9 SGB V durch eine generelle Zuweisung in das System des SGB IX auf. Dies hat zur Folge, dass Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des SGB V und des SGB IX von vornherein nicht vom sachlichen Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a S 6 und S 7 SGB V erfasst werden(bzw sind sie hiervon "ausgeklammert", so bereits BSG Urteil vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R - BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 15). Derartige Leistungen sind vielmehr allein dem Regelungsgefüge des Teilhaberechts (§§ 14, 15 SGB IX aF bzw seit 1.1.2018 §§ 14 bis 24 SGB IX idF des BTHG) unterstellt. Es handelt sich um eine Systemabgrenzung, wie sie für die nach dem SGB V zu gewährenden Leistungen der GKV schon vor Inkrafttreten von § 13 Abs 3a SGB V bestand, und an die § 13 Abs 3a S 9 SGB V anknüpft. Denn die Regelungen des SGB IX gelten für alle Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, und zwar auch, soweit es sich dabei um Leistungen der GKV nach dem SGB V handelt. Die SGB IX-Regelungen gelten hingegen ausschließlich für Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, dh nicht für die sonstigen Leistungen der GKV (vgl § 11 SGB V), insbesondere nicht für solche zur kurativen (Akut-)Behandlung einer Krankheit (zur Abgrenzung allgemein vgl zB Noftz in Hauck/Noftz, aaO, K § 11 RdNr 48 ff).

18

Während das für Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen geschaffene SGB IX eigenständig Gegenstände, Umfang und Ausführungen von Teilhabeleistungen regelt, wird hinsichtlich der Zuständigkeit und der Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach § 7 S 2 SGB IX aF ausschließlich auf die für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetze verwiesen. Die Vorschriften des SGB IX sind maßgebend, soweit etwa im SGB V nichts Abweichendes vorgesehen ist (vgl § 7 S 1 SGB IX aF). Die Krankenkassen sind in ihrer Eigenschaft als Träger von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (vgl § 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX) nach den Vorschriften des SGB V zur Erbringung solcher Rehabilitationsleistungen unter den dort genannten Voraussetzungen verpflichtet (vgl § 11 Abs 2, § 40 SGB V; stRspr; vgl nur BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 18). Deshalb verliert die GKV ihre originäre Leistungszuständigkeit für Hilfsmittel nach § 33 SGB V nicht, selbst wenn die Hilfsmittel im Einzelfall als Folge der hier vorzunehmenden Systemzuordnung als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu qualifizieren sind.

19

Die in § 13 Abs 3a SGB V eingefügte Genehmigungsfiktion für selbst beschaffte Leistungen hat die aufgezeigten Systemgrenzen im Grundsatz unberührt gelassen. Dies belegen die Gesetzesmaterialien zu dieser Regelung, die ausdrücklich (bloß) klarstellen, dass für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation die §§ 14, 15 SGB IX aF zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbst beschaffter Leistungen gelten und dass Spezialregelungen im SGB V wie zB § 32 Abs 1a (Genehmigungsfiktion bei Heilmitteln) vorrangig anzuwenden sind(vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32 zu Art 2 Nr 1). Überdies bestätigt auch die Neuregelung des § 13 Abs 3a S 9 SGB V(idF des BTHG), dass für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation die im SGB IX neu geregelten Vorschriften der §§ 14 bis 24 SGB IX(idF des BTHG) zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen gelten. Hierzu enthalten die Gesetzesmaterialien den Hinweis, dass es sich um eine rein redaktionelle Folgeänderung aufgrund der Neufassung der vorgenannten Vorschriften handele (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BTHG, BT-Drucks 18/9522 S 322 zu Art 6 Nr 5 Buchst b).

20

Nach dieser Systemzuweisung gelten die Vorschriften des SGB IX für die GKV grundsätzlich nur, soweit die Krankenkasse als Rehabilitationsträgerin für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen (§ 6 Abs 1 Nr 1, § 5 Nr 1 SGB IX) originär zuständig ist (vgl § 11 Abs 2 S 1 und 3 SGB V, § 27 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V, § 40 SGB V)oder soweit die Krankenkasse im Außenverhältnis zum Leistungsberechtigten für Teilhabeleistungen nach § 14 Abs 2 SGB IX zuständig geworden ist. Für Leistungen zur Teilhabe nach den in § 5 SGB IX aufgeführten Leistungsgruppen, für welche originär ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist, kann der erstangegangene Rehabilitationsträger zuständig werden, wenn er den Antrag nicht innerhalb von zwei Wochen an den zuständigen Rehabilitationsträger weiterleitet(§ 14 Abs 2 S 1 SGB IX). Außerdem kann ein originär unzuständiger Rehabilitationsträger für eine Leistung (bindend) zuständig werden, wenn ein Antrag trotz seiner Unzuständigkeit an ihn weitergeleitet wurde (§ 14 Abs 1 S 3 und 5 SGB IX aF bzw § 14 Abs 2 S 4 iVm Abs 3 SGB IX idF des BTHG). In diesen Fällen gelten die Vorschriften zur Koordinierung der raschen Zuständigkeitsklärung und zur Kostenerstattung nach §§ 14, 15 SGB IX aF(bzw seit 1.1.2018 §§ 14 bis 24 SGB IX idF des BTHG), an die die Krankenkasse als Rehabilitationsträgerin nach dem SGB IX gebunden ist, nicht aber § 13 Abs 3a SGB V.

21

c) Maßstab für die Systemabgrenzung ist bei alledem allein das objektive Recht. Denn eine Systemabgrenzung lässt sich aus Gründen der gebotenen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht anhand subjektiver (Rechts-)Vorstellungen der Betroffenen vornehmen. Die damit ggf (allein) für die Leistungsberechtigten verbundene Unsicherheit bezüglich des Eintritts einer Genehmigungsfiktion und eines möglichen Anspruchs auf Kostenerstattung bei Selbstbeschaffung ist hinzunehmen. Dies gilt ungeachtet der Rechtsprechung sowohl des 1. Senats (BSG Urteil vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R - BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 25 f) als auch des 3. Senats des BSG (vgl Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 30/15 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 13 Nr 34 vorgesehen - Kopforthese), nach der es für den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V und den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3a S 7 SGB V grundsätzlich nicht auf die objektive Erforderlichkeit der Leistung, sondern lediglich darauf ankommt, ob der Versicherte sie subjektiv für erforderlich halten durfte(vgl Werner, SGb 2015, 323, 325; aA Knispel, SGb 2014, 374, 376; von Koppenfels-Spies, NZS 2016, 601, 604). Der Ausschluss des Anwendungsbereichs von § 13 Abs 3a SGB V für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation(§ 13 Abs 3a S 9 SGB V) ist gegenüber diesem Grundsatz vorrangig und schließt eine Leistungsgewährung über § 13 Abs 3a SGB V aus, unabhängig davon, ob sie der Versicherte für eine nichtrehabilitative Leistung halten durfte und sie iS von § 13 Abs 3a S 7 SGB V als erforderlich ansehen durfte.

22

2. Zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem SGB V kann zwar nach ständiger Rechtsprechung auch die Versorgung mit sächlichen Hilfsmitteln der GKV nach § 33 SGB V gehören(vgl zuletzt BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 21 mwN - Hörgerät). Gleichwohl wird die Versorgung mit Hilfsmitteln der GKV systematisch der Krankenbehandlung zugeordnet (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V). Daraus ergeben sich zwangsläufig bei der Auslegung des § 13 Abs 3a SGB V Abgrenzungsfragen. Mit Rücksicht auf die schon in § 33 Abs 1 S 1 SGB V angelegte unterschiedliche Zielrichtung von Hilfsmitteln sind allerdings nicht sämtliche Hilfsmittel der GKV gleichermaßen vom Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a SGB V erfasst bzw ausgeklammert. Für eine systemgerechte Zuordnung des jeweils zu beurteilenden Hilfsmittels bedarf es vielmehr einer Differenzierung nach dessen Funktionalität und Zwecksetzung (hierzu im Folgenden a), die im Wesentlichen auf die Unterscheidung zwischen den Begriffen "Krankheit" und "Behinderung" zurückzuführen ist (hierzu b). Nach dieser Abgrenzung finden die Regelungen des § 13 Abs 3a SGB V allein auf Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung(§ 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V) Anwendung, denn als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind alle anderen Hilfsmittel vom Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a SGB V ausgenommen(hierzu c). Diese Unterscheidung wird durch das Richtlinienrecht des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) bestätigt (hierzu d) und ist sachlich gerechtfertigt und daher nicht gleichheitswidrig (hierzu e). Das im vorliegend zu entscheidenden Fall von dem Kläger begehrte Therapiedreirad ist auf den Zweck des Behinderungsausgleichs und nicht auf Krankenbehandlung gerichtet, sodass § 13 Abs 3a SGB V keine Anwendung findet(hierzu f).

23

a) Hilfsmittel können nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V drei unterschiedlichen Zielrichtungen dienen: der "Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung"(Var 1), dem "Vorbeugen vor Behinderung" (Var 2) oder dem "Behinderungsausgleich" (Var 3). Der 3. Senat hat in seiner Rechtsprechung hierzu bereits ausgeführt, dass es sich bei der Versorgung mit einem sächlichen Hilfsmittel nicht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation iS von § 13 Abs 3a S 9 SGB V handelt, wenn der Einsatz des Hilfsmittels der "Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" dient(vgl BSG Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 30/15 R - Juris RdNr 35 ff, auch für BSGE und SozR 4-2500 § 13 Nr 34 vorgesehen - Kopforthese). Hieran hält der Senat fest. Hilfsmittel dienen dann der "Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung", wenn sie im Rahmen einer Krankenbehandlung, dh zu einer medizinisch-therapeutischen Behandlung einer Erkrankung als der Kernaufgabe der GKV nach dem SGB V eingesetzt werden. Krankenbehandlung umfasst dabei nach der Definition des § 27 Abs 1 S 1 SGB V die notwendigen Maßnahmen, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Das umschreibt die kurative Therapie einer Krankheit, wozu auch medizinische Untersuchungs- und Diagnostikverfahren gehören. Insoweit unterliegt auch das Hilfsmittel selbst den Vorschriften zur Qualitätssicherung vertragsärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, insbesondere dem Erfordernis der positiven Empfehlung durch den GBA, soweit die Verwendung des Hilfsmittels untrennbar mit einer neuen Methode verbunden ist (vgl nur BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 47 LS und RdNr 26 ff - CGMS-Gerät).

24

Dem steht nicht entgegen, dass nach dem SGB IX Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs einer Heilbehandlung zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gehören (§ 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX iVm § 31 Abs 1 Nr 2 SGB IX aF, bzw § 42 Abs 2 Nr 6 SGB IX iVm § 47 Abs 1 Nr 2 SGB IX idF des BTHG). Denn nach dem insoweit unterschiedlichen Wortlaut erfasst § 31 Abs 1 Nr 2 SGB IX aF (bzw § 47 Abs 1 Nr 2 SGB IX idF des BTHG) gerade nicht die kurative Krankenbehandlung iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V, sondern die "Heilbehandlung", die als Leistung zur medizinischen Rehabilitation zB im Rahmen einer stationären oder ambulanten medizinischen Rehabilitation nach § 40 Abs 1 und 2 SGB V von der GKV erbracht wird. Solche Rehabilitationsmaßnahmen werden durch Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen erbracht, in denen nach § 107 Abs 2 Nr 2 SGB V die Anwendung von Heilmitteln(§ 32 SGB V) im Vordergrund des ärztlichen Behandlungsplans steht. Durch den vorrangig auf den Teilhabeausgleich gerichteten Zweck der durch eine Rehabilitationseinrichtung erbrachten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme wird auch das zur Sicherung dieser Behandlung eingesetzte Hilfsmittel eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation.

25

Ein Hilfsmittel wird aber auch losgelöst von einem kurativen Untersuchungs- oder Behandlungskonzept als Mittel der medizinischen Rehabilitation eingesetzt, wenn es der Vorbeugung vor oder dem Ausgleich von Behinderung dient. Es zielt in solchen Fällen nicht primär auf das Erkennen, Heilen, Verhüten oder Lindern von "Krankheit" iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V, sondern in erster Linie darauf, eine "Behinderung" oder "Pflegebedürftigkeit" abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre "Folgen" zu mildern(vgl § 11 Abs 2 SGB V; § 4 Abs 1 Nr 1, § 26 Abs 1 Nr 1 SGB IX aF). Als Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist das Hilfsmittel dann unter Beachtung der Regelungen des SGB IX zu erbringen (§ 11 Abs 2 S 3 SGB V). Maßgeblich ist demnach - vereinfacht gesagt -, ob entweder mit dem Hilfsmittel positiv auf eine Krankheit eingewirkt werden soll oder ob vielmehr eine Behinderung ausgeglichen oder sonst günstig beeinflusst oder ihr Eintritt verhindert werden soll. Diese Differenzierung basiert im Wesentlichen auf der Unterscheidung zwischen Krankheit und Behinderung (vgl zB Noftz in Hauck/Noftz, aaO, K § 11 SGB V RdNr 50 f; Welti, Rehabilitation 2010, 537 ff; ders, Sozialrecht aktuell, Sonderheft 2013, 1 ff).

26

b) Der Begriff der Krankheit ist im SGB V nicht näher definiert. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist Krankheit ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand, der behandlungsbedürftig ist oder den Versicherten arbeitsunfähig macht (so schon BSGE 26, 240, 242 = SozR Nr 23 zu § 182 RVO; BSGE 30, 151, 152 f = SozR Nr 37 zu § 182 RVO). Dies hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Laufe der Zeit dahingehend präzisiert, dass nicht schon jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert zukommt. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich, dass der Versicherte dadurch in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder die Abweichung vom Regelzustand entstellende Wirkung hat (stRspr; vgl nur BSG <3. Senat> Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 30/15 R - Juris RdNr 22, auch für BSGE und SozR 4-2500 § 13 Nr 34 vorgesehen - Kopforthese; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 28 RdNr 10; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 11; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5 f; BSGE 93, 94 = SozR 4-2500 § 13 Nr 4, RdNr 16; vgl auch Hauck, NJW 2016, 2695, 2696 f; zur Unterscheidung zwischen Krankheit und Behinderung ferner bereits BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 19, 29 f).

27

Nach § 2 Abs 1 SGB IX aF(idF bis 31.12.2017, Fundstelle s oben unter 1. vor a) sind demgegenüber Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist. Seit 1.1.2018 erfasst § 2 Abs 1 S 1 SGB IX(idF des BTHG) als Menschen mit Behinderungen solche, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (§ 2 Abs 1 S 2 SGB IX idF des BTHG). Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung zu erwarten ist (§ 2 Abs 1 S 3 SGB IX idF des BTHG).

28

Erschwert wird eine Abgrenzung zwischen Krankheit und Behinderung durch die Parallelen beider Begriffe, insbesondere die Maßgeblichkeit einer (Funktions-)Abweichung vom Regelzustand als dem für das Lebensalter typischen Zustand. Bei chronischen Krankheiten besteht Parallelität auch bezüglich der Dauerhaftigkeit, weshalb auch dieses Kriterium zur Abgrenzung ausscheidet. Als maßgebliches Unterscheidungskriterium ist deshalb in erster Linie die auf der (Funktions-)Abweichung beruhende Teilhabebeeinträchtigung heranzuziehen, die sich aus der Wechselwirkung des Gesundheitsproblems mit inneren und äußeren Kontextfaktoren ergibt. Denn die Teilhabebeeinträchtigung gehört ausschließlich zur Charakteristik der Behinderung, nicht der Krankheit. Der 3. Senat des BSG hat bereits in seinem Urteil vom 30.9.2015 die besondere Bedeutung der Teilhabebeeinträchtigung für den Begriff der Behinderung nach dem SGB IX mit Rücksicht auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und insbesondere den sich aus Art 1 Abs 2 UN-BRK ergebenden Begriff der Behinderung betont (SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 19 - Fingerendgliedprothese). Danach zählen zu den "Menschen mit Behinderungen" Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. An diesem Begriff orientiert sich auch die Rechtsprechung des EuGH (vgl Urteil vom 18.12.2014 - C-354/13 - RdNr 59 - Kaltoft - Kündigung wegen Adipositas). Danach wird Behinderung nicht als ein fest definiertes Konzept verstanden, sondern ist dynamisch und von den jeweiligen Wechselbeziehungen mit umweltbezogenen und personenbedingten Kontextfaktoren abhängig (Präambel lit e und Art 1 Abs 2 UN-BRK). Der Behinderungsbegriff entwickelt sich somit fortlaufend weiter und passt sich an die jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen an. Daher ist jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob eine Beeinträchtigung der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe vorliegt. Schließlich ist zwar die Regelwidrigkeit und die Funktionsstörung nach medizinischen Maßstäben zu beurteilen, die Beeinträchtigung der Teilhabe kann jedoch auch nach soziologischen und pädagogischen Maßstäben bestimmt werden (vgl hierzu auch Papadopoulou, Anmerkung zu EuGH, aaO, Forum B, Beitrag B9-2015 unter www.reha-recht.de, 10.7.2015; zum Begriff der Behinderung vgl auch Löbner, Behindertenrecht 2015, 1 ff sowie BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 45 RdNr 21, 28 - Perücke).

29

Leistungen zur Rehabilitation werden deshalb nach dem SGB IX auch als Leistungen zur Teilhabe bezeichnet. Sie zielen auf die Förderung der Selbstbestimmung und der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 1 SGB IX). Wegen der fließenden Übergänge und Überschneidungsbereiche zwischen Krankenbehandlung und Rehabilitation ist auf den Schwerpunkt und die Zielrichtung der jeweiligen Maßnahme abzustellen.

30

c) Im Bereich der Hilfsmittel gehören vor diesem Hintergrund - neben den Hilfsmitteln zur Sicherung einer Heilbehandlung iS von § 31 Abs 1 Nr 2 SGB IX aF(bzw § 47 Abs 1 Nr 2 SGB IX idF des BTHG, vgl hierzu oben 2.a) - sowohl Hilfsmittel zur Vorbeugung vor Behinderung iS von § 33 Abs 1 S 1 Var 2 SGB V als auch Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich iS von § 33 Abs 1 S 1 Var 3 SGB V zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zwar unabhängig davon, ob sie dem unmittelbaren oder dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienen.

31

Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich und zur Vorbeugung vor Behinderung werden nicht mit dem vorrangigen Ziel eingesetzt, auf die Krankheit, dh auf den regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand als solchen, kurativ-therapeutisch einzuwirken. Sie sollen vielmehr in erster Linie die mit diesem regelwidrigen Zustand bzw mit der Funktionsbeeinträchtigung verbundene (oder im Falle der Vorbeugung zu erwartende) Teilhabestörung ausgleichen, mildern, abwenden oder in sonstiger Weise günstig beeinflussen, um die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern und Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken (vgl § 1 SGB IX). Bei der Beurteilung eines Anspruchs auf Versorgung mit einem Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich und zur Vorbeugung einer Behinderung ist daher dem Teilhabeaspekt die nach dem SGB IX vorgesehene Bedeutung zuzumessen. Ein Einsatz im Rahmen einer ambulanten oder stationären Rehabilitationsmaßnahme in einer entsprechenden Rehabilitationseinrichtung ist nicht erforderlich.

32

An dieser Stelle bedarf es im Übrigen keiner weiteren Differenzierung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich eines Hilfsmittels nach § 33 SGB V(vgl dazu bereits näher BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 18 - Fingerendgliedprothese). Denn auch beim unmittelbaren Behinderungsausgleich steht nicht die Krankheitsbehandlung iS von § 27 Abs 1, § 28 Abs 1 S 1 SGB V im Vordergrund(vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 10), sondern der Bezug zur Behinderung und seiner teilhabeorientierten Begriffsbestimmung nach dem SGB IX.

33

Zwar ersetzt das Hilfsmittel beim unmittelbaren Behinderungsausgleich die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion unmittelbar selbst, während es beim mittelbaren Behinderungsausgleich nur die direkten und indirekten Behinderungsfolgen ausgleicht (stRspr; vgl nur zuletzt BSGE 116, 120 = SozR 4-2500 § 33 Nr 42, RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 44 RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 18). Das Funktionsdefizit wird aber auch bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich (im Schwerpunkt) nicht kurativ behandelt, sondern lediglich möglichst weitreichend kompensiert. Denn es wird mit dem Hilfsmittel nicht in erster Linie auf den regelwidrigen bzw funktional beeinträchtigten Körperzustand mit dem Ziel der Heilung oder Besserung in einem kurativ-therapeutischen Sinne eingewirkt. Vielmehr bleibt der vom Regelfall abweichende Körper- oder Geisteszustand als solcher trotz Einsatzes des Hilfsmittels im Wesentlichen unverändert. Das Vorgehen beim Einsatz von Hilfsmitteln gleicht vielmehr hauptsächlich die Funktionsbeeinträchtigung aus oder ersetzt die beeinträchtigte Funktion, um dem Versicherten wieder eine vollständige oder zumindest weniger beeinträchtigte Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen. Es setzt mithin - selbst wenn es dem unmittelbaren Behinderungsausgleich zuzurechnen ist - vorrangig erst an den Folgen des medizinisch dann häufig schon austherapierten regelwidrigen Körper- oder Geisteszustands an und dient nicht (mehr) dessen Behandlung oder gar Wiederherstellung.

34

d) Diese systematische Abgrenzung und teilweise Zuordnung der Hilfsmittel zum Bereich der medizinischen Rehabilitation wird bestätigt durch die - auf § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V beruhende - Reha-RL des GBA vom 16.3.2004 (BAnz Nr 63 S 6769, in Kraft getreten am 1.4.2004, zuletzt geändert durch Beschluss vom 16.3.2017, BAnz AT 8.6.2017 B1, in Kraft getreten am 9.6.2017) sowie die - durch § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V ermächtigte - Richtlinie des GBA über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung(HilfsM-RL vom 21.12.2011/15.3.2012, BAnz AT 10.4.2012 B2, in Kraft getreten am 1.4.2012, zuletzt geändert durch Beschluss des GBA vom 24.11.2016, BAnz AT 16.2.2017 B3, in Kraft getreten am 17.2.2017).

35

Die Reha-RL bezieht sich nur auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 11 Abs 2 SGB V iVm §§ 40, 41 SGB V, die in oder durch Einrichtungen erbracht werden, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht(vgl § 2 Abs 2 und 3 Reha-RL) und nimmt andere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation - zB solche, die in den Zuständigkeitsbereich anderer Rehabilitationsträger fallen, oder die Früh- und Anschlussrehabilitation - ausdrücklich von ihrem Geltungsbereich aus (vgl § 3 Reha-RL). Es handelt sich daher insoweit um die Bestimmung des Geltungsbereichs der Richtlinie, nicht um eine Begriffsbestimmung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Soweit nach § 4 Abs 3 Reha-RL "einzelne Leistungen der kurativen Versorgung (z.B. Heil- oder Hilfsmittel) oder deren Kombination … für sich allein noch keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne dieser Richtlinie" darstellen, entspricht die darin enthaltene Unterscheidung zwischen Leistungen der kurativen Versorgung und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der hier vorgenommenen Abgrenzung.

36

Auch bei Erlass der HilfsM-RL ging der GBA ersichtlich davon aus, dass es sich bei der Verordnung eines Hilfsmittels in der vertragsärztlichen Versorgung durchaus auch um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation handeln kann. Nach § 3 Abs 1 S 2 HilfsM-RL sind bei der Verordnung von Hilfsmitteln die in § 26 Abs 1 SGB IX aF genannten Rehabilitationsziele zu beachten, soweit eine Zuständigkeit der GKV besteht. § 10 Abs 2 HilfsM-RL normiert ausdrücklich eine Beratungspflicht der Vertragsärzte und Krankenkassen über Leistungen zur Teilhabe und die Möglichkeit einer trägerübergreifenden Beratung, wenn Hilfsmittel als Leistung zur medizinischen Rehabilitation verordnet werden sollen. Schließlich ergibt sich die Notwendigkeit für die Verordnung von Hilfsmitteln (konkrete Indikation) nach § 6 Abs 3 HilfsM-RL nicht allein aus der Diagnose. Vielmehr sind unter Gesamtbetrachtung der funktionellen/strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigungen der Aktivitäten (Fähigkeitsstörungen), der noch verbliebenen Aktivitäten und einer störungsbildabhängigen Diagnostik der Bedarf, die Fähigkeit zur Nutzung, die Prognose und das Ziel einer Hilfsmittelversorgung auf der Grundlage realistischer, für die Versicherten alltagsrelevanter Anforderungen zu ermitteln. Dabei sind die individuellen Kontextfaktoren in Bezug auf Person und Umwelt als Voraussetzung für das angestrebte Behandlungsziel (§ 3 Abs 1 HilfsM-RL iVm § 26 SGB IX aF) zu berücksichtigen.

37

e) Die damit nach alledem erfolgende Zuordnung von Hilfsmitteln, die der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dienen, zum Fristen- und Rechtsfolgenregime des § 13 Abs 3a SGB V unter Ausschluss aller übrigen Hilfsmittel von dessen Anwendungsbereich ist nicht gleichheitswidrig, sondern im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung des Regelungssystems der §§ 14, 15 SGB IX aF(bzw §§ 14 bis 24 SGB IX idF des BTHG) sachlich gerechtfertigt. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG scheidet daher aus.

38

Die im Vergleich zu § 13 Abs 3a SGB V grundsätzlich längeren Fristen nach §§ 14, 15 SGB IX aF(bzw der §§ 14 bis 24 SGB IX idF des BTHG) halten sich in einem Rahmen, der der Koordinierung der Teilhabeleistungen als Komplexleistungen zwischen mehreren Rehabilitationsträgern Rechnung trägt - auch soweit es (lediglich) um die Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich oder zur Vorbeugung vor Behinderung geht. Allein die Vielzahl der Akteure des gegliederten Systems und die Komplexität der Aufgabe macht auch die Versorgung mit Hilfsmitteln außerhalb von Einrichtungen zu einer Komplexmaßnahme, für welche ausschließlich die Anwendung des Regelungs- und Fristenregimes nach §§ 14, 15 SGB IX aF(bzw nach §§ 14 bis 24 SGB IX idF des BTHG) angemessen ist (vgl zum Ganzen auch Schütze, SGb 2013, 147 ff; Welti, Rehabilitation 2010, 537 ff; ders, Sozialrecht aktuell, Sonderheft 2013, 1 ff). Hilfsmittel können Bestandteil der Krankenbehandlung sein (vgl § 33 SGB V; § 31 SGB VII; § 48 SGB XII; § 13 BVG), aber ebenso der Pflege (vgl § 44 SGB VII; § 61 SGB XII; § 26c BVG; § 40 SGB XI), der medizinischen Rehabilitation (vgl § 31 SGB IX aF; § 33 SGB V; § 15 SGB VI; § 54 SGB XII; § 35a SGB VIII; § 13 BVG), der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl § 33 SGB IX; § 16 SGB VI; § 35 SGB VII; § 112 SGB III; § 16 SGB II; § 54 SGB XII; § 35a SGB VIII; § 26 BVG) und der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (vgl § 55 SGB IX aF; § 39 SGB VII; § 54 SGB XII; § 35a SGB VIII; § 27d BVG). Hierfür kommen allgemein Leistungsträger aus acht unterschiedlichen Sozialleistungsbereichen in Betracht (vgl auch § 6 SGB IX). Dem soll durch die Anwendung der Vorschriften des SGB IX (hier §§ 14, 15 SGB IX aF bzw §§ 14 bis 24 SGB IX idF des BTHG) zur möglichst umfassenden Feststellung verschiedener, individueller Teilhabebedarfe und zügigen Zuständigkeitsklärung durch die Träger ohne Nachteile für die Leistungsberechtigten Rechnung getragen werden. Überdies ist die seit 1.1.2018 geltende Vorschrift des § 18 SGB IX idF des BTHG, die § 15 SGB IX aF abgelöst hat, im Hinblick auf die Selbstbeschaffung von Teilhabeleistungen zugunsten der Leistungsberechtigten gesetzlich weiterentwickelt worden(vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BTHG, BT-Drucks 18/9522 S 238 zu § 18). Die in § 18 Abs 1 und 3 SGB IX idF des BTHG vorgesehene Zwei-Monatsfrist, die abgelaufen sein muss, bevor im Teilhaberecht eine gesetzliche Genehmigungsfiktion und bei Selbstbeschaffung der Leistung ein Kostenerstattungsanspruch eingreifen können, trägt - im Vergleich zur weit kürzeren Drei-Wochenfrist nach § 13 Abs 3a SGB V - dem Umstand Rechnung, dass Teilhabeleistungen nach dem SGB IX zwar in der Regel umfangreicher und langfristiger Planungen verschiedener Träger bedürfen(vgl §§ 19 ff SGB IX idF des BTHG), typischerweise aber weniger eilbedürftig sind, als Maßnahmen der kurativen (Akut-) Behandlung nach dem SGB V.

39

f) Ein Anspruch des Klägers kann vor dem aufgezeigten Hintergrund nicht auf § 13 Abs 3a SGB V gestützt werden. Das von ihm begehrte Therapiedreirad dient keiner (kurativen) Krankenbehandlung, es kann allein dem Behinderungsausgleich dienen und hat daher medizinisch-rehabilitativen Charakter.

40

3. Der Senat kann zwar nach den bindenden Feststellungen des LSG einen Anspruch nach § 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V ausschließen(hierzu im Folgenden a); er kann mangels hinreichender Feststellungen des LSG allerdings nicht abschließend entscheiden, ob sich der geltend gemachte Versorgungsanspruch des Klägers aus § 33 Abs 1 S 1 Var 3 SGB V(hierzu im Folgenden b) oder - was ebenso in Betracht kommt - mangels Weiterleitung des Antrags seitens der Beklagten als erstangegangener Rehabilitationsträger aus § 14 Abs 2 S 1 SGB IX aF iVm einem Sachleistungsanspruch aus dem Bereich eines anderen Rehabilitationsträgers(hierzu im Folgenden c) ergibt. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG.

41

a) Die Versorgung mit einem Therapiedreirad als originäre Leistung der GKV kommt nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V(in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 17 Buchst a des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBI I 378) in Betracht. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um die - hier ausgeschlossene - Krankenbehandlung zu sichern(Var 1, aa), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (Var 2) oder eine Behinderung auszugleichen (Var 3, vgl dazu unten bb).

42

aa) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat das LSG den Anspruch des Klägers auf Versorgung mit dem Therapiedreirad "Easy Rider 2" aus dem Grund "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" iS von § 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V zu Recht abgelehnt. Der sachliche Anwendungsbereich der Genehmigungsfiktion von § 13 Abs 3a SGB V ist entgegen der Ansicht des LSG daher mit Blick auf dessen S 9 nicht eröffnet worden, ungeachtet der Frage, ob aus dieser Norm nur ein bloßer Kostenerstattungsanspruch wegen selbst beschaffter Leistungen folgt(vgl ausführlich unter 1.), der hier auch nicht im Streit steht. Der Kläger hat sich das Hilfsmittel bislang nicht selbst beschafft.

43

bb) Bewegliche sächliche Mittel zur Förderung oder Ermöglichung der Mobilisation können nur in besonders gelagerten Fällen Hilfsmittel "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" iS von § 33 Abs 1 S 1 SGB V sein(stRspr; vgl nur BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 21 ff - Therapiedreirad II). Der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient ein bewegliches sächliches Mittel nach der Rechtsprechung des BSG dann, wenn es spezifisch im Rahmen ärztlich verantworteter Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen (vgl BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 11; BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 11). Jedoch ist nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung als "spezifischer Einsatz im Rahmen der ärztlich verordneten Krankenbehandlung" anzusehen. Einen fehlenden engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung weisen gesundheitsförderliche Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen. Andernfalls bedürfte es nicht der besonderen Leistungstatbestände ua der §§ 20 ff SGB V sowie des § 44 Abs 1 Nr 3 und 4 SGB IX aF(bzw § 64 Abs 1 Nr 3 und Nr 4 SGB IX idF des BTHG), mit denen die Leistungspflicht der GKV unter den jeweils dort genannten Voraussetzungen über die gezielte Krankheitsbekämpfung als Kernaufgabe hinaus (BSGE 81, 240, 243 = SozR 3-2500 § 27 Nr 9 S 29 - Diät- oder Krankenkost) auf Aufgaben im Rahmen der gesundheitlichen Prävention und Rehabilitation ausgedehnt worden ist. Ein weitergehender spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung kommt daher nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation zu, die in engem Zusammenhang mit einer andauernden, auf einen ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27 Abs 1 S 1 SGB V als erforderlich anzusehen sind. Davon ist auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere seiner körperlichen Beeinträchtigung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat, die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung entweder wesentlich fördert oder die therapeutische Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeit des Versicherten (vgl § 33 SGB I und § 8 Abs 1 SGB IX) als wirtschaftlich darstellt (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 11 - Sportrollstuhl für Minderjährige).

44

cc) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat die Versorgung des Klägers mit einem Therapiedreirad hier keinen solch engen Bezug zur Krankenbehandlung. Das LSG hat unter Würdigung der medizinischen Berichte festgestellt, dass dem Kläger das Hilfsmittel zu Trainingszwecken verordnet wurde, um die Ausdauer und koordinativen Fähigkeiten des Klägers zu verbessern. Daraus hat das LSG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise geschlossen, dass das Hilfsmittel insoweit gesundheitsförderlichen Zwecken dient, die nur allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung der Restfunktion des Klägers, die Erhöhung seiner Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie der Hilfe bei der Krankenbewältigung dient, ohne aber den Einsatz von Heilmitteln bzw die Ergotherapie zu reduzieren oder die Koordination im Wesentlichen verbessern.

45

b) Allerdings haben die Vorinstanzen nicht hinreichend geprüft, ob das Therapiedreirad zum Behinderungsausgleich in dem von der GKV abzudeckenden Bereich der medizinischen Rehabilitation erforderlich ist (§ 33 Abs 1 S 1 Var 3 SGB V).

46

aa) Im Bereich des von der GKV zu erfüllenden Behinderungsausgleiches bemisst sich die originäre Leistungszuständigkeit der GKV nach dem Zweck des Hilfsmittels, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des Gehens und Stehens, der Erschließung des Nahbereichs und einem möglichst selbstbestimmten Leben und selbstständigen Leben befriedigt (vgl allgemein zu den Grundbedürfnissen stRspr; zB BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 12 - Lichtsignalanlage; BSGE 116, 120 = SozR 4-2500 § 33 Nr 42, RdNr 18 - Rauchwarnmelder; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 18 - Fingerendgliedprothese, jeweils mwN). Für den Versorgungsumfang, insbesondere die Qualität, Quantität und Diversität der Hilfsmittelausstattung kommt es aber sowohl beim unmittelbaren als auch beim mittelbaren Behinderungsausgleich allein auf den Umfang der mit dem begehrten Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 248 ff - C-Leg). Ohne Wertungsunterschiede besteht in beiden Bereichen Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist. Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (stRspr; vgl zum Ganzen BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 - C-Leg; BSGE 116, 120 = SozR 4-2500 § 33 Nr 42, RdNr 16 ff - Rauchwarnmelder; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 44 RdNr 19 ff - Autoschwenksitz; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 48 RdNr 18 - Fingerendgliedprothese, jeweils mwN). Speziellen Wünschen im Hinblick auf Komfort oder Ästhetik ist nur nachzukommen, wenn der Versicherte die Mehrkosten trägt (§ 33 Abs 1 S 6 SGB V iVm § 47 Abs 3 SGB IX idF des BTHG).

47

bb) Als ein solches allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens ist in Bezug auf Bewegungsmöglichkeiten die Erschließung des Nahbereichs der Wohnung von Versicherten anerkannt, nicht aber das darüber hinausreichende Interesse an Fortbewegung oder an der Erweiterung des Aktionsraums. Maßgebend für den von der GKV insoweit zu gewährleistenden Behinderungsausgleich ist der Bewegungsradius, den ein nicht behinderter Mensch üblicherweise noch zu Fuß erreicht (stRspr; vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29, 31 und 32 sowie BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1; zuletzt BSG Urteil vom 30.11.2017 - B 3 KR 3/16 R - RdNr 19 ff, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 139 Nr 9 vorgesehen). Ausnahmen hiervon sind in Einzelfällen beim Vorliegen eines zusätzlichen qualitativen Moments, etwa für Mobilitätshilfen zum mittelbaren Behinderungsausgleich bei Kindern und Jugendlichen angenommen worden, wenn diese zum Schulbesuch oder zur Integration in der kindlichen und jugendlichen Entwicklungsphase erforderlich waren (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 16 mwN - Sportrollstuhl für Minderjährige).

48

cc) Vorliegend fehlen bereits hinreichende Feststellungen des LSG, auf welche Art und Weise der Kläger überhaupt in der Lage ist, sich den Nahbereich seiner Wohnung zu erschließen, und zwar unter Berücksichtigung der gesamten gravierenden Funktionseinschränkungen des Klägers, insbesondere der Gleichgewichts-, Orientierungs-, Motorik- und Gangunsicherheitsstörungen. Anhaltspunkte dafür, dass eine nur unzureichende Versorgung des Klägers bestanden haben könnte, ergeben sich deshalb, weil selbst die Beklagte die Versorgung mit einem Rollstuhl anstelle eines Rollators erwogen hat, ohne dass diese Bedenken im Hinblick auf das zu befriedigende Grundbedürfnis der Bewegungsmöglichkeiten im Nahbereich ausweislich der Aktenlage näher geprüft worden sind. Die Versorgung mit dem Therapiedreirad - dessen konkretes Modell im Hilfsmittelverzeichnis sogar gelistet ist - ist bei Erwachsenen kein allgemeiner Gerbauchsgegenstand des täglichen Lebens (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 31 RdNr 25 mwN - Therapiedreirad). Es ist auch nicht nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen. Es könnte daher als Leistung der medizinischen Rehabilitation in Betracht kommen, wenn das Therapiedreirad wesentlich dazu beitragen oder zumindest maßgebliche Erleichterung bringen würde, dem Betroffenen den Nahbereich zu erschließen. Dies käme hier infrage, wenn die Zuhilfenahme des Rollators bei der Zurücklegung von gesundheitserhaltenden Wegen, Versorgungswegen und elementaren Freizeitwegen nicht mehr allein ausreichend wäre (vgl auch LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 17.10.2012 - L 9 KR 392/10 - Juris RdNr 31 ff). Dass der Kläger auf ständige Begleitung (Merkzeichen B) angewiesen ist, steht dem nicht entgegen, da eine Begleitung auch für jede andere Bewegungsmöglichkeit zur Erschließung des Nahbereichs mit einem Hilfsmittel erforderlich ist. Hierbei ist insbesondere das Wunsch- und Wahlrecht des behinderten Menschen (§ 8 Abs 1 S 1, S 2 SGB IX iVm § 33 S 2 SGB I) zu beachten. Die Beklagte darf den Kläger jedenfalls nicht bloß pauschal auf einen Rollstuhl verweisen, um das Grundbedürfnis der (erleichterten) Erschließung des Nahbereichs zu befriedigen. Sie hat vielmehr individuell zu prüfen, wie die Behinderung des Klägers seinem Wunsch entsprechend und in einer dem Teilhaberecht des SGB IX angemessenen Weise ausgeglichen wird.

49

dd) Bei der Art und Weise, wie die Beklagte den Kläger nach einer solchen Prüfung ggf mit einem Therapiedreirad versorgt, hat sie den berechtigten Wünschen des Klägers zu entsprechen (§ 8 SGB IX; vgl schon BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1 S 4 zum Wahlrecht zwischen Elektrorollstuhl und Shoprider). Dabei stünde es der Beklagten zwar ggf frei, den Kläger mit einem gebrauchten Therapiedreirad zu versorgen, wobei die Überlassung auch leihweise erfolgen kann (§ 33 Abs 5 S 1 SGB V). Soweit der Versicherte allerdings ein Hilfsmittel wählt, das über das Maß des Notwendigen hinausgeht, hat er die Mehrkosten im Vergleich zu dem kostengünstigeren, funktionell ebenfalls geeigneten Hilfsmittel selbst zu tragen (vgl § 33 Abs 1 S 5 SGB V). Falls das Hilfsmittel neben der Zweckbestimmung von § 33 Abs 1 S 1 SGB V einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ersetzt, wie hier ein Gerät, das auch zu Trainingszwecken eingesetzt werden kann, haben die Versicherten einen Eigenanteil für ersparte Aufwendungen in Höhe des wirtschaftlichen Werts des ersetzten Gebrauchsgegenstands selbst zu tragen(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 32 RdNr 28-29 - Therapiedreirad II; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 25 S 146 - Tandem-Therapiefahrrad).

50

c) Der Senat kann aber auch nicht abschließend entscheiden, ob die beklagte Krankenkasse als zuerst angegangener Rehabilitationsträger zur Gewährung des begehrten Therapiedreirads nach dem Eingliederungshilferecht (§§ 53 ff SGB XII) als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft verpflichtet ist. Eine Sachleistung ist dem Wunsch des Leistungsberechtigten entsprechend auch nach dem Recht der Sozialhilfe (§ 10 Abs 3 SGB XII) möglich. Die mangels Weiterleitung des Rehabilitationsantrags nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX aF begründete Zuständigkeit der Beklagten als zuerst angegangener Leistungsträger erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind(vgl BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23).

51

aa) Das LSG hat in seinem Urteil (dort S 12) die Ausführungen des behandelnden Neurologen vom 9.7.2015 unter diesen rehabilitationsrechtlichen Aspekten nicht hinreichend geprüft. Der Arzt hat - entsprechend den bindenden Feststellungen des Gerichts - ausgeführt, dass der Kläger im täglichen Leben so eingeschränkt sei, dass die Nutzung eines Dreirads die Lebensqualität verbessern helfe, dass er damit wieder am täglichen Leben teilnehmen und ua auch mit seiner Ehefrau Ausflüge unternehmen könne, was ihm bislang nicht möglich sei. Das Therapiedreirad diene der Teilhabe am Leben und der allgemeinen körperlichen Ertüchtigung.

52

bb) Die Abgrenzung zwischen Hilfsmitteln im Sinne der medizinischen Rehabilitation und der sozialen Rehabilitation richtet sich entscheidend nach den Zwecken und Zielen, denen das Hilfsmittel dienen soll. Die Zwecke können sich überschneiden, sie können aber auch unterschiedlicher Art sein, denn die Zwecksetzung der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft mit der Zwecksetzung der Leistungen der GKV ist nicht identisch (vgl BSGE 103, 171 = SozR 4-3500 § 54 Nr 5, RdNr 17; BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 21). Die grundsätzliche Zuordnung eines Hilfsmittels zur medizinischen Rehabilitation im Sinne der GKV bedeutet daher auch nicht, dass es unter einer anderen Zielsetzung für eine mögliche Leistungserbringung nicht infrage kommt.

53

Leistungen zur Eingliederung in die Gesellschaft nach § 53 Abs 4, § 54 Abs 1 SGB XII iVm § 55 Abs 1 und 2 Nr 7 SGB IX aF bzw § 76 Abs 1 und 2 Nr 7 und Nr 8 SGB IX haben die Aufgabe, dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft bzw an der sozialen Teilhabe zu ermöglichen. Solche Hilfsmittel bezwecken die gesamte Alltagsbewältigung; sie ermöglichen dem behinderten Menschen den Kontakt mit seiner Umwelt, nicht nur mit Familie und Nachbarschaft, sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben (vgl BSGE 103, 171 = SozR 4-3500 § 54 Nr 5, RdNr 17 zu § 55 Abs 2 Nr 1 und Nr 7 und § 58 SGB IX aF).

54

cc) Dabei muss das LSG mit Blick auf zwischenzeitlich eingetretene Rechtsänderungen Folgendes beachten: Zwar gelten die §§ 14 bis 24 SGB IX idF des BTHG lediglich für solche Anträge, die seit dem Inkrafttreten dieser Regelungen am 1.1.2018 gestellt wurden (vgl ua BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 9). Allerdings ist für die materiell-rechtliche Beurteilung der von dem Kläger erhobenen auf Anfechtung der Leistungsablehnung in Verbindung mit einem konkreten Leistungsbegehren gerichteten Klage auch nach einer Zurückverweisung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz maßgebend (vgl stRspr; zB BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, RdNr 13 mit umfassenden Nachweisen; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr 34). Für den Versorgungsanspruch nach § 33 SGB V ist daher nunmehr im Falle einer neuen berufungsgerichtlichen Entscheidung mit zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber inzwischen mit dem BTHG vom 23.12.2016 den Behinderungsbegriff in § 2 SGB IX ausdrücklich entsprechend dem Verständnis der UN-BRK neu gefasst und dabei dem Wechselwirkungsansatz noch mehr Gewicht beigemessen hat als nach dem bis dahin geltenden Recht. Danach kommt es nicht allein auf die wirklichen oder vermeintlichen gesundheitlichen Defizite an. Im Vordergrund stehen vielmehr das Ziel der Teilhabe (Partizipation) an den verschiedenen Lebensbereichen (zur alten Rechtslage vgl bereits Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum SGB IX, BT-Drucks 14/5074 S 94 unter II.1.; zum BTHG vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 18/9522 S 192 unter II.1 S 227 zu § 2) sowie die Stärkung der Möglichkeiten einer individuellen und den persönlichen Wünschen entsprechenden Lebensplanung und -gestaltung unter Berücksichtigung des Sozialraumes (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 18/9522 S 3 unter A., S 191 unter 1.5) und der individuellen Bedarfe zu wohnen (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 18/9522 S 4 drittletzter Absatz).

55

dd) Kommt das LSG nach der Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu dem Ergebnis, dass das streitige Therapiedreirad für die soziale Teilhabe des Klägers erforderlich ist, wird es weiter zu prüfen haben, ob die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (§ 19 Abs 3 SGB XII iVm §§ 82 ff SGB XII) der Leistungsgewährung entgegenstehen. Nach § 19 Abs 3 S 1 SGB XII wird Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (nur) geleistet, soweit dem Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des 11. Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist. Dabei ist auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entstehung der Kosten abzustellen (vgl BSG Urteil vom 23.8.2013 - B 8 SO 24/11 R - Juris RdNr 20).

56

ee) Obgleich die Beklagte damit im Verhältnis zum Kläger im Außenverhältnis allein zuständig und umfassend leistungspflichtiger Rehabilitationsträger geworden ist, kann die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auch in die Rechtssphäre des Trägers der Sozialhilfe eingreifen, falls dieser nach den og Rechtsvorschriften - und ohne die Zuständigkeitskonzentration gemäß § 14 SGB IX aF - originär leistungspflichtig geworden wäre. In solchen Fällen bleibt der ursprünglich leistungspflichtige Rehabilitationsträger dem erstangegangenen Rehabilitationsträger nach Maßgabe des § 14 Abs 4 SGB IX aF bzw § 16 Abs 1 SGB IX erstattungspflichtig und ist damit nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG zum Rechtsstreit gegen den erstangegangenen Rehabilitationsträger notwendig beizuladen(vgl nur BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 16; BSGE 117, 192 = SozR 4-1500 § 163 Nr 7, RdNr 29 mwN zur alten Rechtslage nach § 14 Abs 4 SGB IX idF bis 31.12.2017).

57

4. Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu entscheiden haben.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Psychotherapie.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger beantragte befundgestützt eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeittherapie (16.12.2013). Die Beklagte beauftragte Dr. D mit der Begutachtung, ohne den Kläger hierüber zu informieren (17.12.2013). Dr. D hielt die aktuell wirksame Psychodynamik der Erkrankung für nicht erkennbar und erwartete keinen hinreichenden Behandlungserfolg. Die Beklagte lehnte es ab, die Therapie zu bewilligen (Bescheid vom 27.1.2014, Widerspruchsbescheid vom 5.5.2014). Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Gerichtsbescheid vom 11.8.2014). Der Kläger hat sich 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie selbst beschafft und danach sein Klagebegehren auf Erstattung der von ihm hierfür aufgewandten Kosten in Höhe von 2200 Euro gerichtet. Das LSG hat unter Anpassung des Tenors die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Ihr Schweigen auf den Leistungsantrag habe dessen Bewilligung fingiert (Urteil vom 17.6.2015).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3a S 6 und 7 SGB V. Die Regelung begründe allein einen Kostenerstattungsanspruch für "erforderliche" Leistungen. Hieran habe es gefehlt.

4

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 11. August 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

                 
        

hilfsweise,

                 
        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Juni 2015 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten KK ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Kläger 2200 Euro zu zahlen. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruchs gemäß § 13 Abs 3a S 7 SGB V(in der seit 26.2.2013 geltenden Fassung des Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten sind erfüllt. Der Anwendungsbereich der Regelung ist eröffnet (dazu 1.). Die vom Kläger beantragten - hier nur noch streitigen - 24 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie gelten als von der Beklagten genehmigt (dazu 2.). Der Kläger beschaffte sich daraufhin die erforderliche Leistung selbst. Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu 3.).

8

1. Der Kläger kann sich für die Erstattung der Kosten auf den Anspruch aus § 13 Abs 3a S 7 SGB V nach dessen zeitlichem und sachlichem Anwendungsbereich berufen.

9

a) Die Regelung ist nach ihrem Geltungszeitraum anzuwenden. Nach dem maßgeblichen intertemporalen Recht (vgl hierzu zB BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 13 f mwN)greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Berechtigte ab dem 26.2.2013 stellen. Der Kläger stellte nach dem 25.2.2013, am 16.12.2013, bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung einer künftig zu leistenden Psychotherapie.

10

b) Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn der Kläger verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha), sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung.

11

Die Regelung findet keine Anwendung auf Ansprüche gegen KKn, die unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind. Das sind andere Ansprüche der Versicherten wegen sachleistungsersetzender Kostenerstattung etwa nach § 13 Abs 2 und 3 SGB V und wegen Geldleistungen mit Unterhaltsersatzfunktion. Der gesetzliche Erstattungsanspruch für die selbstbeschaffte erforderliche Leistung passt hierauf nicht (vgl zu Wortlaut und Regelungssystem aa). Versicherte können sich jederzeit Kredite zur Überbrückung von Zeiten verschaffen, in denen bei ihnen ein Bedarf entsteht, weil KKn den Versicherten zustehende Geldleistungsansprüche nicht auszahlen. Es bedarf hierfür keines besonderen Rechtsmechanismus, die gesetzliche Verzinsungsregelung greift (vgl § 44 SGB I). Der Gesetzgeber ging für die Regelung dementsprechend von einer "Ausnahme vom Sachleistungsprinzip" aus (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Die späteren Änderungen des Gesetzentwurfs (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 11) geben keinen Anlass zu einer hiervon abweichenden Auslegung.

12

Der Erstattungsanspruch bei Genehmigungsfiktion ist auch für Leistungen zur medizinischen Reha nicht gegeben. Das folgt aus Wortlaut und Binnensystem der Norm (dazu aa), Entstehungsgeschichte (dazu bb) und Regelungszweck im Gesamtsystem (dazu cc). Die vom Kläger begehrte und selbstbeschaffte Psychotherapie ist nicht Gegenstand der medizinischen Reha, sondern der Krankenbehandlung (dazu dd).

13

aa) Nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V hat die KK über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die KK eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs 3a S 3 SGB V). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (§ 13 Abs 3a S 4 SGB V). Kann die KK die Fristen nach S 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen(§ 13 Abs 3a S 9 SGB V).

14

bb) Nach den Gesetzesmaterialien gelten für Leistungen zur medizinischen Reha die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen. Das Gesetz stellt dies ausdrücklich klar (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1).

15

cc) Auch der Regelungszweck im Gesamtsystem verdeutlicht, dass das Gesetz Kostenerstattung wegen Genehmigungsfiktion für Leistungen zur medizinischen Reha nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat bewusst Leistungen zur medizinischen Reha aus dem Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a SGB V ausgeklammert. Schon die Vorgaben für die Zuständigkeitsklärung bei Leistungen zur medizinischen Reha (§ 14 SGB IX)würden zur gesetzlichen Regelung der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)nicht passen. Sie wären mit dem aufgezeigten Fristenregime des § 13 Abs 3a SGB V nicht kompatibel. Leitete der erstangegangene Träger einen Antrag innerhalb von zwei Wochen nach seinem Eingang weiter (§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX),könnte dennoch innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang beim erstangegangenen Träger bereits die Genehmigungsfiktion eintreten (§ 13 Abs 3a S 1 und S 6 SGB V). Vergleichbares gilt für die unterschiedlichen Erstattungsregelungen (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V und § 15 SGB IX).

16

dd) Der Begriff der Leistungen zur medizinischen Reha ist funktionsadäquat auszulegen: Einerseits umfasst er in einem weiten Sinne Leistungen, die eine KK als erstangegangener Reha-Träger nach dem Recht des eigentlich zuständigen Trägers zu erbringen hat, wenn sie den Antrag nicht weiterleitet und deshalb im Außenverhältnis zum zuständigen Träger wird. Die in § 14 Abs 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich in diesem Falle im Außenver-hältnis (behinderter Mensch/Reha-Träger) auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind(vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4 RdNr 14 mwN). Einbezogen sind zB Adaptionsmaßnahmen, die eine KK allein nach dem Recht des SGB V nicht leisten müsste (vgl zB BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 16 ff). Dieser Schutzmechanismus darf nicht durch ein zu enges Begriffsverständnis der "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" ausgehebelt werden. Der Entscheidungszeitpunkt der KK spielt hierbei keine Rolle.

17

Andererseits erstreckt sich dieser Leistungsbegriff in der Regelung des § 13 Abs 3a S 9 SGB V - bei einem Antrag auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in einem engeren Sinne - nur auf die Leistungen zur medizinischen Reha im Sinne des SGB V. Das sind insbesondere die dort als solche bezeichneten Leistungen (§ 40 SGB V), aber auch zB teilweise Arbeitstherapie (vgl zB BSGE 109, 122 = SozR 4-2500 § 42 Nr 1, RdNr 21 ff, 26 mwN). Versicherte der GKV - wie der Kläger - haben gemäß § 11 Abs 2 S 1 SGB V ua Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Reha, die "notwendig sind, um eine Behinderung (…) abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern". Diese Leistungen werden unter Beachtung des SGB IX erbracht, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist (§ 11 Abs 2 S 3 SGB V). Die KKn - gemäß § 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX mögliche Träger von Leistungen zur medizinischen Reha - sind nach den Vorschriften des SGB V zur Erbringung medizinischer Reha-Leistungen indes nur unter den dort genannten Voraussetzungen verpflichtet(vgl § 11 Abs 2, § 40 SGB V; BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 18).

18

Speziell für Psychotherapie unterscheidet das SGB V zwischen ärztlicher Behandlung einschließlich Psychotherapie (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V)als einem Teilbereich ambulanter Krankenbehandlung einerseits (vgl zu diesem Begriff in Abgrenzung zur ambulanten Reha § 40 Abs 1 S 1 SGB V) und Leistungen zur medizinischen Reha, zu deren Bestandteilen auch Psychotherapie gehören kann, und ergänzenden Leistungen andererseits (vgl § 27 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V). Im Regelungsbereich ambulanter ärztlicher Behandlung im Rechtssinne wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien (RL) nach § 92 SGB V durchgeführt(vgl § 28 Abs 3 S 1 SGB V idF durch Art 2 Nr 2 Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.6.1998, BGBl I 1311; vgl BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 20 RdNr 10). Um eine solche Leistung psychotherapeutischer Krankenbehandlung ging es dem Kläger.

19

2. Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V)ist, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V; dazu a). Das folgt aus dem oben aufgezeigten Wortlaut und dem Binnensystem der Norm (vgl oben, II. 1. b aa), Entstehungsgeschichte und Regelungszweck. Die vom Kläger beantragte Leistung galt in diesem Sinne als genehmigt (dazu b).

20

a) Der Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)ist in der Erstattungsregelung (§ 13 Abs 3a S 7 SGB V) verkürzend mit den Worten "nach Ablauf der Frist" vorausgesetzt. Gemeint ist nicht jeder Fall des Ablaufs der Fristen nach § 13 Abs 3a S 1 oder S 4 SGB V. Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht (§ 13 Abs 3a S 5 SGB V)und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V)vielmehr voraus, dass die KK keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilte. Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung von der KK verlangen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 29 f). Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der KKn zu beschleunigen (vgl hierzu auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, aaO S 29), zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der KK prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die KK zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion dem Antragsteller die hinreichenden Gründe mit der geänderten taggenauen Prognose erneut - ggf wiederholt - mitteilen. Erst wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der letzten, hinreichend begründeten Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

21

b) Die vom Kläger beantragte Psychotherapie galt wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn der leistungsberechtigte Kläger (dazu aa) stellte bei der Beklagten einen hinreichend bestimmten Antrag (dazu bb) auf Leistung von 25 Sitzungen tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Langzeitpsychotherapie, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt (dazu cc). Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 3a S 1 SGB V, ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen(dazu dd).

22

aa) Der Kläger ist als bei der Beklagten Versicherter leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen in der GKV Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen KK.

23

bb) Der Kläger beantragte hinreichend bestimmt die Gewährung einer Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen. Damit die Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Entsprechend den allgemeinen, in § 42a VwVfG(Verwaltungsverfahrensgesetz idF durch Art 1 Nr 5 des Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften - 4. VwVfÄndG - vom 11.12.2008, BGBl I 2418 mWv 18.12.2008) normierten Grundsätzen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 15) gilt "eine beantragte Genehmigung (…) nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (…), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist". Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen (vgl Begründung zu § 42a VwVfG im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 4. VwVfÄndG, BT-Drucks 16/10493 S 16). Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist(zu § 13 SGB V: Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 73; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; s auch Gemeinsames Rundschreiben des Spitzenverbandes Bund der KKn und der Verbände der KKn auf Bundesebene zur leistungsrechtlichen Vorschrift des § 13 Abs 3a SGB V vom 15.5.2013, S 20; zu § 42a VwVfG: U Stelkens in P Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 42a RdNr 35 mwN).

24

So lag es hier. Der Klägerantrag auf Gewährung von Psychotherapie als Langzeittherapie im Umfang von 25 Sitzungen war im Rechtssinne hinreichend bestimmt und fiktionsfähig.

25

cc) Der Antrag des Klägers betraf eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 7 mwN). Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm (vgl hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art 2 Nr 1). Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl zur Kostenfreistellung zB BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 16 mwN und Leitsatz 2). Auch der Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion setzt voraus, dass sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine "erforderliche" Leistung (entsprechend der fingierten Genehmigung; dazu II. 3. a) selbst beschaffen.

26

Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Gesetzesmaterialien sprechen beispielhaft den Fall an, dass die KK auch im Fall der selbstbeschafften Leistung, zum Beispiel bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30; im Ergebnis ähnlich etwa LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 - L 5 KR 222/14 B ER - Juris RdNr 9; Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 20.1.2016 - L 5 KR 238/15 B ER - Juris RdNr 23 ff; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 58l; Vogl, NZS 2014, 210, 211; Werner, SGb 2015, 323, 325; aA etwa LSG NRW Beschluss vom 26.5.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KRL 16 KR 155/14 B - Juris RdNr 26 ff; Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 74; Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 13 RdNr 29; Knispel, SGb 2014, 374, 376; Rieker, NZS 2015, 294, 297; Preis/Schneider, NZS 2013, 281, 288; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Dezember 2015, § 13 RdNr 43).

27

Die beantragte Psychotherapie unterfällt ihrer Art nach dem Leistungskatalog der GKV, wie oben dargelegt. Der Kläger konnte auch aufgrund der fachlichen Befürwortung seines Antrags durch die Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin T die Behandlung für geeignet und erforderlich halten. Der Gedanke an einen Rechtsmissbrauch liegt fern.

28

dd) Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen (§ 13 Abs 3a S 1 SGB V), ohne dem Kläger hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen: Sie teilte ihm keinerlei Gründe mit. Die Frist von drei Wochen ist maßgeblich, weil die Beklagte den Kläger nicht über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme unterrichtete (vgl zur Pflicht § 13 Abs 3a S 2 SGB V). Ohne diese gebotene Information kann der Leistungsberechtigte nach Ablauf von drei Wochen annehmen, dass sein Antrag als genehmigt gilt (aA Rieker, NZS 2015, 294, 296). Die Frist begann am Dienstag, dem 17.12.2013 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 BGB). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG)ging der Antrag des Klägers am 16.12.2013 der Beklagten zu. Die Frist endete am Montag, dem 6.1.2014 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Die Beklagte entschied erst später, am 27.1.2014, über den Antrag des Klägers.

29

3. Der Kläger beschaffte sich die erforderliche Leistung von 24 Sitzungen Psychotherapie selbst, nachdem sie als genehmigt galt (dazu a). Hierdurch entstanden ihm 2200 Euro Kosten (dazu b).

30

a) Die genehmigte Leistung, die sich der Kläger beschaffte, war auch noch im Zeitpunkt der Beschaffung erforderlich. Der Kläger beachtete nämlich Art und Umfang der fingierten Genehmigung von 25 Sitzungen Psychotherapie. Er beschaffte sich die Leistung zeitnah nach Eingreifen der Genehmigungsfiktion. Die fingierte Genehmigung hatte sich bei der Beschaffung auch nicht erledigt. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die Leistung nicht mehr (subjektiv) erforderlich gewesen wäre.

31

Auch eine fingierte Genehmigung - wie jene des Klägers - bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl § 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu bei nicht fingierter Genehmigung zB BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 24; rechtsähnlich BVerwGE 48, 87, 90, 92 ff zu § 19 Abs 4 S 3 BBauG vom 23.6.1960, BGBl I 341). So kann etwa - für den Versicherten erkennbar - eine "Erledigung auf andere Weise" einer fingierten Genehmigung einer beantragten Krankenbehandlung eintreten, wenn die ursprünglich behandlungsbedürftige Krankheit nach ärztlicher, dem Betroffenen bekannter Einschätzung vollständig geheilt ist: Es verbleibt durch diese Änderung der Sachlage für die getroffene Regelung kein Anwendungsbereich mehr. Sie kann nach ihrem Inhalt und Zweck keine Geltung für den Fall derart veränderter Umstände beanspruchen. Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (BSG SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 14 mwN; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 24). In diesem Sinne ist die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers nach Fristablauf nicht mit allen Einwendungen gegen die fingierte Genehmigung ausgeschlossen. Geänderte Umstände, die die Genehmigung im Zeitpunkt der Beschaffung entfallen ließen, hat indes weder das LSG festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

32

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, der Kläger sei deshalb nicht "schutzbedürftig", weil ihm vor Selbstverschaffung der genehmigten Therapiemaßnahmen die ablehnende Entscheidung der Beklagten zugegangen und seine Therapeutin Kenntnis vom Begutachtungsergebnis erlangt habe. Die fingierte Genehmigung schützt den Adressaten dadurch, dass sie ihre Wirksamkeit ausschließlich nach den allgemeinen Grundsätzen über Erledigung, Widerruf und Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts verliert. Ihre Rechtmäßigkeit beurteilt sich nach der Erfüllung der oben aufgezeigten Voraussetzungen (§ 13 Abs 3a SGB V), nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs. Die spätere Mitteilung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und die Information der Therapeutin über das Gutachten lassen die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion unberührt; die Ablehnung der Leistung regelt weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf der fingierten Genehmigung (vgl hierzu §§ 45, 47 SGB X).

33

b) Dem Kläger entstanden nach den unangegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) dadurch Kosten in Höhe von 2200 Euro, dass er sich die erforderliche genehmigte Leistung selbst beschaffte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger ohne Selbstbeschaffung der Leistung einen Eigenanteil der Therapiekosten zu tragen gehabt hätte (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Entwurf eines PatRVerbG der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S 30).

34

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Versicherte haben Anspruch auf kieferorthopädische Versorgung in medizinisch begründeten Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht.

(2) Versicherte leisten zu der kieferorthopädischen Behandlung nach Absatz 1 einen Anteil in Höhe von 20 vom Hundert der Kosten an den Vertragszahnarzt. Satz 1 gilt nicht für im Zusammenhang mit kieferorthopädischer Behandlung erbrachte konservierend-chirurgische und Röntgenleistungen. Befinden sich mindestens zwei versicherte Kinder, die bei Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und mit ihren Erziehungsberechtigten in einem gemeinsamen Haushalt leben, in kieferorthopädischer Behandlung, beträgt der Anteil nach Satz 1 für das zweite und jedes weitere Kind 10 vom Hundert.

(3) Der Vertragszahnarzt rechnet die kieferorthopädische Behandlung abzüglich des Versichertenanteils nach Absatz 2 Satz 1 und 3 mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ab. Wenn die Behandlung in dem durch den Behandlungsplan bestimmten medizinisch erforderlichen Umfang abgeschlossen worden ist, zahlt die Kasse den von den Versicherten geleisteten Anteil nach Absatz 2 Satz 1 und 3 an die Versicherten zurück.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 befundbezogen die objektiv überprüfbaren Indikationsgruppen, bei denen die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen vorliegen. Dabei sind auch einzuhaltende Standards zur kieferorthopädischen Befunderhebung und Diagnostik vorzugeben.

(5) Wählen Versicherte im Fall von kieferorthopädischen Behandlungen Leistungen, die den im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen abgebildeten kieferorthopädischen Leistungen vergleichbar sind und sich lediglich in der Durchführungsart oder durch die eingesetzten Behandlungsmittel unterscheiden (Mehrleistungen), haben die Versicherten die Mehrkosten, die durch diese Mehrleistungen entstehen, selbst zu tragen. In diesem Fall ist von dem behandelnden Zahnarzt gegenüber der zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung die vergleichbare im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen abgebildete kieferorthopädische Leistung als Sachleistung abzurechnen. Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend.

(6) Der Bewertungsausschuss für die zahnärztlichen Leistungen beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2022 einen Katalog von Leistungen, die als Mehrleistungen vereinbart und abgerechnet werden können. Er kann solche nicht im Bewertungsmaßstab enthaltenen kieferorthopädischen Leistungen benennen, die nicht als Mehrleistungen anzusehen sind (Zusatzleistungen). Sofern es zur Abgrenzung zwischen Mehrleistungen und den im einheitlichen Bewertungsmaßstab enthaltenen kieferorthopädischen Leistungen erforderlich ist, konkretisiert der Bewertungsausschuss die im einheitlichen Bewertungsmaßstab abgebildete kieferorthopädische Leistung.

(7) Werden im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung neben kieferorthopädischen Leistungen, die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen abgebildet sind, Mehrleistungen oder Zusatzleistungen erbracht, ist der Versicherte vor Beginn der Behandlung vom behandelnden Zahnarzt über die in Betracht kommenden Behandlungsalternativen mündlich aufzuklären und ist eine schriftliche oder elektronische Vereinbarung zwischen dem Zahnarzt und dem Versicherten zu treffen, in der die von der Krankenkasse zu tragenden Kostenanteile und die vom Versicherten zu tragenden Kostenanteile aufgeschlüsselt nach Leistungen gegenübergestellt werden. Hiermit ist eine schriftliche oder elektronische Erklärung des Versicherten zu verknüpfen, dass er über die in Betracht kommenden Behandlungsalternativen einschließlich einer zuzahlungsfreien Behandlung auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen aufgeklärt worden ist. Die Bundesmantelvertragspartner vereinbaren für die schriftliche Vereinbarung nach Satz 1 und für die Erklärung des Versicherten nach Satz 2 verbindliche Formularvordrucke und bestimmen den Zeitpunkt, ab dem diese verbindlich zu verwenden sind.

(8) Die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen überprüfen anlassbezogen die Einhaltung der Informations- und Aufklärungspflichten aus Absatz 7 Satz 1. Der behandelnde Zahnarzt ist verpflichtet, der zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung auf Verlangen die Vereinbarung nach Absatz 7 Satz 1 und die Erklärung nach Absatz 7 Satz 2 vorzulegen. Soweit es zur Nachvollziehbarkeit der vereinbarten Mehr- und Zusatzkosten erforderlich ist, kann die zuständige Kassenzahnärztliche Vereinigung auch behandlungs- und rechnungsbegründende Unterlagen von dem behandelnden Zahnarzt anfordern. Der behandelnde Zahnarzt ist in diesem Fall zur Übermittlung der behandlungs- und rechnungsbegründenden Unterlagen verpflichtet, wenn der Versicherte ihm gegenüber in die Übermittlung schriftlich oder elektronisch eingewilligt hat. Die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen dürfen die in der Vereinbarung nach Absatz 7 Satz 1 und der Erklärung nach Absatz 7 Satz 2 enthaltenen Daten sowie die Daten, die in den ihnen übermittelten behandlungs- und rechnungsbegründenden Unterlagen enthalten sind, nur verarbeiten, soweit dies für die Prüfung nach Satz 1 erforderlich ist.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

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Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.12.2010 und der Bescheid der Beklagten vom 17.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2008 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten der Krankenhausbehandlung vom 25.10.2010 bis 29.10.2010 im St. V -Krankenhaus H zur Durchführung der Magenbypassoperation in Höhe von 7.256,72 € zu erstatten.

2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand

1

Streitig ist die Erstattung der Kosten einer Magenbypassoperation in Höhe von 7.256,72 €.

2

Die 1960 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin wog im Mai 2007 bei einer Körpergröße von 165 cm 173 kg, der Body-Mass-Index (BMI) betrug 63,5 kg/qm. Neben der seinerzeit schon seit mehr als 20 Jahren bestehenden Adipositas leidet die Klägerin an einem Zustand nach Lungenkrebserkrankung 1997 sowie arthrotischen Beschwerden des gesamten Bewegungsapparats, einem Asthma bronchiale sowie Depressionen. Zur Gewichtsabnahme durchgeführte ambulante Therapieversuche sowie Kurmaßnahmen in den Jahren 1983, 1987 und 2003, Weight-Watchers-Diäten 1992 und 1998 sowie von März 2001 bis Juli 2003, psychologische Behandlungen 2003 bis 2004 und zuletzt die Teilnahme an einem Intensivkurs zur Ernährungsumstellung mit Betreuung (Wake up/Trennkost) blieben ohne dauerhaften Erfolg. Gestützt auf Atteste ihres Hausarztes Dr. W vom 11.05.2007, des Internisten W vom 29.01.2007, des Nervenarztes Dr. W vom 13.03.2007 und eines ärztlichen Antragsschreibens von Prof. Dr. W , Chefarzt der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses S und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie der Adipositas, vom 03.05.2007 beantragte die Klägerin im Mai 2007 bei der Beklagten die Gewährung einer Krankenhausbehandlung zur laparoskopischen Magenbypassoperation. Mit dieser Operationsmethode wird das effektive Magenvolumen verkleinert und der zur vollständigen Verdauung zur Verfügung stehende Weg durch den Dünndarm verkürzt. Auf diese Weise soll die aufgenommene Nahrungsmenge verringert werden und die Fettverdauung im Dünndarm reduziert werden. Gestützt auf ein Gutachten des Dr. S vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 29.06.2007, der im Hinblick insbesondere auf die generellen Operationsrisiken und einen bisher fehlenden Wirksamkeitsnachweis bariatrischer Operationen die Maßnahme nicht befürwortete, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.07.2007 den Antrag ab.

3

Im Widerspruchsverfahren verwies die Klägerin auf ihre zahlreichen erfolglos gebliebenen konservativen Abnehmversuche bei nach Verlust eines Lungenflügels und auf Grund des hohen Gewichts eingeschränkter körperlicher Bewegungsfähigkeit. Die Beklagte zog eine ergänzende Stellungnahme von Dr. S vom 17.08.2007 bei sowie Auskünfte des Dr. W vom 28.09.2007, von Prof. Dr. W vom 08.10.2007 und des Internisten W vom 07.01.2008. Dr. W bejahte eine dringende OP-Indikation, Prof. Dr. W betonte, dass alternative Behandlungsmethoden nicht mehr Erfolg versprechend seien und trotz der Begleiterkrankungen der Klägerin, insbesondere der Oberlappenresektion der linken Lunge 1997, keine absolute Kontraindikation für die operative Maßnahme bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zwar sei die Grundvoraussetzung für eine Operation angesichts eines BMI von 63,5 gegeben, auch die Möglichkeit der lebenslangen Nachsorge werde von Prof. Dr. W bestätigt. Dieser bezeichne auch das OP-Risiko als tolerabel, allerdings sehe der MDK dies wohl anders, ohne dass aus dem Gutachten ganz klar werde, ob der MDK die Adipositas als solche oder die Begleiterkrankungen berücksichtige. Gegenindikationen seien allerdings die Depressionen, derentwegen sich die Klägerin in ärztlicher Behandlung befinde, auch seien die konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft, weil die Klägerin bisher nicht an einem leitliniengerechten sechs- bis zwölfmonatigen strukturierten Therapieprogramm teilgenommen habe. Auch die Motivation der Klägerin sei nicht ausreichend belegt. Hiervon könne erst ausgegangen werden, wenn die konservative Therapie durchgehalten worden sei.

4

Am 22.07.2008 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Koblenz (SG) erhoben. Das SG hat von Dr. W einen Befundbericht vom 24.09.2008 eingeholt, wonach bei der Klägerin sei Mitte 2002 die Entwicklung eines zunehmenden psychophysischen Erschöpfungszustands mit depressiver Verstimmung eingetreten sei. Die Klägerin hat Atteste des Dr. W vom 14.11.2008 und 09.12.2008 vorgelegt; in letztgenannter Bescheinigung hat dieser ausgeführt, seines Wissens habe die Klägerin bisher nicht an einem ärztlich geleiteten Adipositas-Programm teilgenommen. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein internistisches Gutachten von Dr. K vom 25.05.2009 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei der Klägerin sei aktuell im Mai 2009 im Rahmen einer stationären Untersuchung mittels Linksherzkatheter eine koronare Herzerkrankung ausgeschlossen worden, es habe sich jedoch die Diagnose einer Kardiomyopathie mit linksventrikulärer Funktionsstörung ergeben. Das extreme Übergewicht erhöhe das Risiko einer rezidivierenden kardialen Dekompensation. Eine entsprechende operative Intervention sei zur Reduzierung des kardialen Risikos dringend indiziert. Weiter abklärungsbedürftig sei der Verdacht auf ein Rezidiv der Neoplasie, eine laborchemisch ausgeprägte entzündliche Konstellation sei mit der Diagnose einer Pneumonie vereinbar. Erstmals sei nunmehr die Diagnose eines Typ II Diabetes mellitus zu stellen. Die Klägerin leide ferner infolge des Übergewichts an seit längerem zunehmenden Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie beider Kniegelenke. Der einzig sinnvolle Therapieansatz sei für die Klägerin eine Gewichtsreduktion um etwa 80 kg, welche nur durch eine entsprechende operative Intervention mit Reduzierung der Magengröße zu erreichen sei. Die Beklagte hat eingewandt, den Gutachten des Dr. K könne sie die Prognose von mit Sicherheit eintretenden schweren Schäden bei Abwarten einer Therapiedauer von 6 bis 12 Monaten für eine leitlinienkonforme konventionelle Therapie nicht entnehmen. Die Klägerin hat nachfolgend den Arztbrief von Dr. V , Chefarzt des Bereiches Allgemein- und Viszeralchirurgie der chirurgischen Abteilung des St. V -Krankenhaus H vom 01.09.2010 vorgelegt. Danach lag bei einer ärztlichen Untersuchung der Klägerin am 31.08.2010 bei einer Körpergröße von 166 cm ein aktuelles Gewicht von 177 kg vor, entsprechend einem BMI von 56 (richtig: 64,2) kg/qm vor. Es bestehe eine klare Indikation zur operativen Behandlung des krankhaften Übergewichtes, Daten aus der Weltliteratur, die Erfolge konservativer Behandlungen bei einem solchen BMI zeigten, seien nicht bekannt. Zuvor müssten eine intensive kardiologische Untersuchung, eine Lungenfunktionsprüfung sowie ein Komplettlabor durchgeführt werden. Über die Notwendigkeit der begleitenden Nachsorge durch die operierende Klinik sei die Klägerin informiert. Die Klägerin hat im Rahmen einer stationären Behandlung im St. V -Krankenhaus H vom 25.10.2010 bis 29.10.2010 den Eingriff durchführen lassen und hierfür gemäß DRG-Abrechnung der Klinik vom 02.11.2010 7.256,72 € selbst bezahlt. Laut Attest des Dr. W vom 08.12.2010 hat sie bisher 25 kg an Gewicht verloren. In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts hat sie erklärt, seit der Operation habe sie ihr Hungergefühl im Griff, insgesamt habe sich ihre Situation verbessert, so dass sie schon wieder spazieren gehen könne. Ab Januar 2011 beabsichtige sie die Aufnahme von Reha-Sport.

5

Durch Urteil vom 15.12.2010 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die engen Voraussetzungen für eine Einstandspflicht der Beklagten hinsichtlich der Kosten für eine mittelbare Behandlung des krankhaften Übergewichts der Klägerin durch einen operativen Eingriff am gesunden Magen lägen nicht vor. Nach der evidenzbasierten Leitlinie "Prävention und Therapie der Adipositas", Version 2007, solle eine chirurgische Therapie der Adipositas nur erfolgen, wenn zuvor eine wenigstens sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien stattgefunden habe. Diesen Anforderungen würden die zahlreichen von der Klägerin bis zur Operation durchgeführten Maßnahmen jedoch nicht gerecht. Hieran ändere auch das Ergebnis des auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachtens des Dr. K nichts.

6

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 08.01.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.01.2011 Berufung eingelegt. Sie verweist darauf, dass anderen Betroffenen auch ohne Durchführung eines entsprechenden langfristigen Therapieprogramms die Operationskosten erstattet worden seien.

7

Die Klägerin beantragt,

8

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.12.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 17.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der im Oktober 2010 durchgeführten Magenbypassoperation in Höhe von 7.256,72 € zu erstatten.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen,

11

hilfsweise,

12

die Revision zuzulassen.

13

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

14

Auf Veranlassung des Senats unter Hinweis auf die überarbeiteten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie - Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie (CA-ADIP) "Chirurgie der Adipositas" (Stand April 2010, zitiert nach www.uni-duesseldorf.de/AWMF/II/088-001.htm) hat die Beklagte ein MDK-Gutachten von Dr. L /Arzt S vom 03.06.2011 vorgelegt, die betonen, bereits nach dem aktuellen Begutachtungsleitfaden des MDK sei bei Vorliegen eines BMI größer/= 60 kg/qm von einer ausnahmsweisen Indikation der chirurgischen Maßnahme auszugehen, weil nach der aktuell verfügbaren Literatur eine relevante Gewichtsbeeinflussung auch unter multimodaler Therapie nicht zu erwarten sei. In dieser Konstellation sei nur sicherzustellen, dass keine Kontraindikation oder keine vorrangig zu behandelnden Grunderkrankungen vorliegen und dass eine ernährungsmedizinische Betreuung als Vorbereitung auf die postoperative Phase stattgefunden habe. Im Nachhinein entspreche die von Dr. V im Oktober 2010 durchgeführte Magenbypassoperation sowohl den aktualisierten Leitlinien als auch der bereits vor der Operation eingeführten neuen Begutachtungsrichtlinie des MDK. Befunde, die vor der Operation als Kontraindikationen zu werten gewesen bzw. einer entsprechenden näheren Abklärung bedurft hätten, seien damals falsch eingeschätzt worden. Das St. V -Krankenhaus gehöre allerdings nicht zu den 12 bislang zertifizierten Kompetenz- und Referenzzentren für Adipositas und metabolische Chirurgie, wobei aus MDK-Sicht nur in diesen eine entsprechende Operation erfolgen sollte.

15

Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, der revidierten Beurteilung des MDK könne sie nicht folgen, sie sei ausschließlich auf Grund generalisierender Erwägungen erfolgt und könne keine Betrachtung im Einzelfall ersetzen, wie das LSG Stuttgart in seiner Entscheidung vom 20.06.2011 (L 5 KLAR 297/09) ausgeführt habe. Zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin selbst von früheren erheblichen Gewichtsabnahmen von 20 bis 50 kg auf Grund unstrukturierter Eigenbemühungen berichtet habe. Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Indikationsstellung entsprechend der aktuellen Leitlinie durch einen in der Adipositas-Therapie qualifizierten Arzt erfolgt sei, da weder Dr. W (Attest vom 20.01.2008), Dr. W (Atteste vom 11.05.2007 und 14.11.2008) noch Dr. K (Gutachten vom 25.05.2009) ersichtlich über eine solche Qualifizierung verfügten. Die Klägerin stimmt der Beurteilung des MDK im Gutachten vom 03.06.2011 ausdrücklich zu.

16

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.

Entscheidungsgründe

17

Die nach §§ 143 4, 151 SGG zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Magenbypassoperation.

18

Die Klage ist zulässig. Die Umstellung des Klageantrags von der ursprünglich geforderten Sachleistung auf Kostenerstattung ist nach Durchführung der Magenbypassoperation sachgerecht und nach § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht als Klageänderung zu werten.

19

Anspruchsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ist § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach sind, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin erfüllt. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Starkes Übergewicht (im Allgemeinen ab einem BMI größer/= 30) stellt eine Krankheit dar. Dabei kann dahinstehen, ob bereits der Adipositas als solcher Krankheitswert zukommt. Jedenfalls besteht bei einem solchen Übergewicht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen, dass eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich macht (BSG 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R, SozR 4 - 2500 § 137 c Nr. 1).

20

Eine mittelbare Krankenbehandlung durch chirurgische Operation eines funktionell intakten Organs zur Behandlung einer anderweitigen krankhaften Funktionsstörung bedarf jedoch einer speziellen Rechtfertigung. Die bei der Klägerin durchgeführte Magenbypassoperation stellt eine solche mittelbare Krankenbehandlung dar. Denn Ursache für das Übergewicht der Klägerin ist deren krankhaftes Essverhalten. Der chirurgische Eingriff am funktionell intakten Magen soll lediglich mittelbar dieses krankhafte Essverhalten beeinflussen. Eine solche mittelbare Krankenbehandlung ist nur dann ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich (§ 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V), wenn sie nach Art und Schwere der Erkrankung, Dringlichkeit der Intervention sowie nach Abwägung der Risiken und des zu erwartenden Nutzens der Therapie sowie etwaiger Folgekosten für die Krankenversicherung gerechtfertigt ist (BSG, a.a.O.).

21

Nach diesen Maßstäben kommt eine chirurgische Behandlung der extremen Adipositas zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur in Betracht, wenn nach dem zum maßgeblichen Zeitpunkt der Durchführung der Operation aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen für einen chirurgischen Eingriff in ein gesundes Körperorgan gegeben waren. Die chirurgische Adipositastherapie kommt grundsätzlich nur als ultima ratio und nur bei Patienten in Betracht, die eine Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllen (BMI ≥ 40 oder ≥ 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen; Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten; tolerables Operationsrisiko; ausreichende Motivation; keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung; BSG, a.a.O.; BSG 16.012.2008 - B 1 KR 2/08 R Rn. 23, SozR 4 - 2500 § 13 Nr. 20). Nach der einschlägigen überarbeiteten Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie - Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie (CA-ADIP) "Chirurgie der Adipositas" (Stand April 2010, Seite 13), die den zum Zeitpunkt der Durchführung der Operation im Oktober 2010 aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse wiedergibt, ist eine Operation am Magen nur indiziert, wenn alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind. Das ist der Fall, wenn durch eine multimodale konservative Therapie innerhalb von mindestens sechs Monaten das Therapieziel nicht erreicht und gehalten wurde. Die Möglichkeiten zur Ernährungstherapie sind erst dann erschöpft, wenn mittels einer energiereduzierten Mischkost und einer weiteren ernährungsmedizinischen Maßnahme (z.B. Formula-Diät, weitere Form einer energiereduzierten Mischkost) das Therapieziel nicht erreicht wurde. Zusätzlich ist, soweit keine Barrieren bestehen, mindestens zwei Stunden wöchentlich eine Ausdauer- und/oder Kraftausdauersportart sowie eine ambulante oder stationäre Psychotherapie (Verhaltenstherapie oder Tiefenpsychologie) durchzuführen. Diese Voraussetzungen waren zwar bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Operation nicht in vollem Umfang erfüllt, wie das SG im Einzelnen ausgeführt hat. Gleichwohl war jedoch im vorliegenden Ausnahmefall unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Sachverhalts eine Magenbypassoperation als ultima ratio gerechtfertigt.

22

Die überarbeiteten Leitlinien (a.a.O., Seite 13) sehen nunmehr ausdrücklich eine ausnahmsweise primäre Operationsindikation vor. Lassen Art und/oder Schwere der Krankheit bzw. psychosoziale Gegebenheiten bei Erwachsenen annehmen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist, kann in Ausnahmefällen auch primär eine chirurgische Therapie durchgeführt werden. Bei der Klägerin, die zum Operationszeitpunkt nach dem Bericht des Dr. V vom 01.09.2010 bei einer Körpergröße von 166 cm 177 kg wog, was einem BMI von 64,2 kg/qm entspricht, war eine konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg. Nicht nur Dr. V hat betont, dass ihm bei einem solchen BMI - wobei er fälschlich von einem Wert von nur 56 kg/qm ausgegangen ist - Erfolge konservativer Behandlungen aus der Weltliteratur nicht bekannt sind. Auch die Ärzte im MDK Dr. L /S haben im Gutachten vom 03.06.2011 hervorgehoben, dass nach der aktuell verfügbaren Literatur eine relevante Gewichtsbeeinflussung auch unter multimodaler Therapie bei Vorliegen eines BMI größer/= 60 kg/qm nicht zu erwarten sei, so dass der aktuelle Begutachtungsleitfaden des MDK bei einem solchen Ausmaß der Adipositas ausnahmsweise eine primäre Indikation für eine chirurgische Adipositastherapie vorsieht. Der Magenbypass stellt dann auch nach dem Ergebnis der zuletzt gehörten MDK-Gutachter ein anerkanntes Verfahren dar. Eine Ernährungsberatung war bei der Klägerin erfolgt, "psychiatrische Bedenken" haben die Gutachter des MDK ebenfalls verneint und die zunächst als Kontraindikationen gesehenen Befunde haben sich im Nachhinein als falsch eingeschätzt herausgestellt. Die Operation ist in einem zugelassenen Krankenhaus im Bereich Allgemein- und Viszeralchirurgie erfolgt. Dass dieses nach dem MDK-Gutachten von Dr. L /Arzt S nicht zu den 12 bislang zertifizierten Kompetenz- und Referenz-Zentren für Adipositas- und metabolische Chirurgie gehört, schließt die Einstandspflicht der Beklagten nicht aus; zudem hat die Beklagte in Kenntnis der beabsichtigten Operation in ihrem im Klageverfahren eingereichten Schriftsatz vom 20.09.2010 diesbezügliche Bedenken an den von der Klägerin ausgewählten Leistungserbringern nicht geäußert.

23

Die von der Beklagten geäußerten Bedenken an der zuletzt vom MDK abgegebenen Beurteilung vermag der Senat nicht zu teilen. Der MDK bejaht im Gutachten vom 03.06.2011 die primäre Operationsindikation nicht ausschließlich auf Grund generalisierter Erwägungen, sondern berücksichtigt das konkret bei der Klägerin gegebene Ausmaß der Adipositas sowie die bei ihr vorliegenden Begleiterkrankungen bei seiner Einschätzung. Bei der Klägerin bestand zum Operationszeitpunkt insbesondere ein Zustand nach Verlust eines Lungenflügels, ein psychophysischer Erschöpfungszustand (Bericht des Dr. W vom 24.09.2008) sowie die von Dr. K im Gutachten vom 24.05.2009 festgestellte Kardiomyopathie mit linksventrikulärer Funktionsstörung, durch das extreme Übergewicht ein erhöhtes Risiko einer rezidivierenden kardialen Dekompensation, ein Diabetes mellitus Typ II sowie Lendenwirbelsäulen- und Kniegelenksbeschwerden. Der Hinweis auf das Urteil des LSG Stuttgart vom 20.06.2001 (L 5 KR 297/09) führt nicht weiter. Nach den Feststellungen des LSG Stuttgart war im von diesem Gericht entschiedenen Fall eine Versicherte mit einem BMI von 43,1 betroffen, mithin mit einem wesentlich geringer ausgeprägten Ausmaß der Adipositas als im Fall der Klägerin. Die vom LSG Stuttgart im Urteil vom 20.06.2011 (a.a.O.) erfolgte Verneinung einer primären OP-Indikation lässt sich mithin auf die Konstellation der Klägerin gerade nicht übertragen. Entgegen der Auffassung der Beklagten haben vorliegend an der Indikationsstellung nicht nur die behandelnden (Haus-)Ärzte der Klägerin mitgewirkt, sondern bereits im ärztlichen Antragsschreiben vom 03.05.2007 mit Prof. Dr. W , dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie der Adipositas, ein in der Adipositastherapie besonders qualifizierter Arzt.

24

Liegen die Voraussetzungen der Umwandlung des Sachleistungs- in einen Kostenerstattungsanspruch vor, erstreckt sich dieser grundsätzlich auf die Erstattung der dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung entstandenen Kosten (Noftz, in: Hauck/Noftz SGB V, K § 13 Rn. 57).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

26

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.