Sozialgericht Freiburg Beschluss, 21. Juli 2006 - S 9 AS 3120/06 ER

published on 21/07/2006 00:00
Sozialgericht Freiburg Beschluss, 21. Juli 2006 - S 9 AS 3120/06 ER
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Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig und unter dem Vorbehalt des Weiterbestehens der Hilfebedürftigkeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 675,58 EUR monatlich vom 1.7.2006 bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über ihren Fortzahlungsantrag vom 2.6.2006, längstens jedoch bis zum 31.12.2006 zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Die Antragsgegnerin hatte der am ... geborenen ledigen Antragstellerin auf deren Antrag vom 4.12.2004 - noch unter der früheren Anschrift S gestellt - derartige Leistungen bereits für die Zeit vom 1.1.2005 bis 30.6.2005 bewilligt. Anlässlich des Fortzahlungsantrags vom 4.7.2005 gab die Antragstellerin an, nunmehr unter der Anschrift A zu wohnen. Sie legte einen mit einem Herrn P, gleiche Anschrift, als Vermieter geschlossenen und auf den 1.2.2005 datierten Formularmietvertrag über ein an diesem Tag beginnendes Mietverhältnis vor, betreffend eine Ein-Zimmer-Wohnung nebst Küche, Diele, Bad mit WC, Balkon, Kelleranteil sowie Fahrradabstellfläche. Mit Bescheid vom 5.7.2005 bewilligte die Antragsgegnerin die Leistungen antragsgemäß bis zum 31.12.2005 weiter.
Auf den weiteren Fortzahlungsantrag der Antragstellerin vom 23.11.2005 hin veranlasste die Antragsgegnerin dagegen Ermittlungen zu der Frage, ob die Antragstellerin mit dem als Vermieter bezeichneten P in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammenlebe. Aus einem Aktenvermerk der Sachbearbeiterin der Antragsgegnerin, W, vom 2.1.2006 geht hervor, dass die Antragsgegnerin einen anonymen Hinweis mit dieser Information erhalten habe. Außerdem sei mitgeteilt worden, dass die Antragsgegnerin Pferde besitze. Die mit den Ermittlungen beauftragten Außendienstmitarbeiter der Antragsgegnerin berichteten unter dem 28.12.2005, Klingel- und Briefkastenschild der Wohnung seien mit der Bezeichnung (Nachnamen der Ast. Und des P) gekennzeichnet. Nach drei vergeblichen Versuchen, die Antragstellerin in ihrer Wohnung zu erreichen, habe diese beim vierten Versuch am 27.12.2005 zwar auf mehrfaches Läuten nicht die Tür geöffnet; sie habe aber ihr Mobiltelefon abgenommen und eingeräumt, sich in ihrer Wohnung aufzuhalten. Die Antragstellerin habe angegeben, nicht geöffnet zu haben, da sie unbekleidet und krank sei. Einen für den Folgetag vereinbarten Termin habe die Antragstellerin abgesagt, um sich zunächst mit ihrem Anwalt zu beraten.
Mit Bescheid vom 30.12.2005 versagte die Antragsgegnerin die beantragten Leistungen und begründete dies damit, dass die Antragstellerin gegen ihre Mitwirkungspflichten verstoßen habe. Auf den Widerspruch der Antragstellerin (Schreiben vom 31.12.2005) sowie einen von ihrem Bevollmächtigten beim Sozialgericht Freiburg gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Az.: S 9 AS 74/06 ER) bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Bescheid vom 18.1.2006 vorschussweise Leistungen ab 1.1.2006. Mit Schreiben vom gleichen Tage forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, Einkommens- und Vermögensnachweise ihres Partners vorzulegen sowie u. a. den Kaufpreis ihrer Pferde mitzuteilen und nachzuweisen. Hierfür wurde der Antragstellerin eine Frist bis zum 5.2.2006 gesetzt und für den Fall der Zuwiderhandlung angedroht, die Leistungen unter Berufung auf §§ 60 und 66 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) "ab 1.3.2006 aufzuheben". Mit Bescheid vom 26.1.2006 teilte die Antragsgegnerin außerdem mit, dass der angefochtene Bescheid vom 30.12.2005 aufgehoben werde.
Mit Schreiben vom 24.1.2006 brachte die Antragstellerin vor, es sei unrichtig, dass sie in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe. Auch besitze sie keine Pferde. Richtig sei, dass sie seit 1988 in und um O Pferde reite und betreue. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 27.1.2006 ließ sie weiter mitteilen, dass sie im Besitz eines Pferdes sei, welches Herrn J gehöre und von diesem auch unterhalten werde. Der Preis dieses Pferdes sei ihr nicht bekannt. Bei ihrem Vermieter handele es sich um den Hauptmieter der von ihr mitbewohnten Wohnung in der A. Von diesem erhalte sie keine Auskünfte über seine wirtschaftlichen Verhältnisse und habe darauf auch keinen Anspruch.
Mit Schreiben vom 7.2.2006 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin dazu auf, "ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen" und bis spätestens 15.2.2006 einen Termin mit einem Außendienstmitarbeiter der Antragsgegnerin zu vereinbaren. Andernfalls werde ihr die Leistung mit Ablauf des Monats Februar 2006 ganz entzogen. Hierzu ließ die Antragstellerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 10.2.2006 mitteilen, sie habe alle für die Leistung erheblichen Tatsachen angegeben. Sie nutze das laut Einheitsmietvertrag vom 1.2.2005 angemietete Zimmer - abgesehen von gelegentlichen Besuchern - allein. Außerdem nutze sie Räume mit dem Hauptmieter gemeinsam. Hierzu könne Herr P als Zeuge befragt werden.
In einem weiteren Schreiben vom 16.2.2006 vertrat die Antragsgegnerin die Auffassung, die Angaben der Antragstellerin hinsichtlich der Miete wichen vom Einheitsmietvertrag ab. Es sei erforderlich, die Wohnräume zu begutachten, um zu prüfen, ob die Antragstellerin die gemieteten Räume allein benutze. Sie wurde erneut unter Fristsetzung bis zum 24.2.2006 sowie unter Androhung der Einstellung der Zahlungen für den Fall der Zuwiderhandlung aufgefordert, einen Termin für die Begutachtung zu vereinbaren.
Am 22.2.2006 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht Freiburg erneut einstweiligen Rechtsschutz (Az.: S 9 AS 889/06 ER). Mit Beschluss vom 28.2.2006 verpflichtete das Gericht die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 1.3.2006 bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über ihren Fortzahlungsantrag vom 23.11.2005, längstens bis zum 30.6.2006, zu gewähren. Dies wurde maßgeblich damit begründet, dass auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse nicht mit der erforderlichen Sicherheit von einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ausgegangen werden könne und dass eine Versagung oder Entziehung der Leistungen wegen mangelnder Mitwirkung nicht gerechtfertigt sei, da eine Obliegenheit der Antragstellerin, der Antragsgegnerin das Betreten ihrer Wohnung zu gestatten, insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht bestehe. Im Einzelnen wird hierzu auf den Beschluss vom 28.2.2006 verwiesen.
Mit Schreiben vom 10.3.2006 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Fristsetzung bis zum 24.3.2006 und Androhung der Entziehung der Leistungen bei Nichtbefolgung auf, folgende Unterlagen vorzulegen bzw. Fragen zu beantworten:
10 
1. Lückenloser Nachweis der Kontoauszüge für das erste Quartal 2005;
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2. Nachweis über die Zahlung der Mietkaution;
12 
3. Erklärung, dass die Antragstellerin mit den von ihr benannten Pferden keine Einnahmen erziele;
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4. Skizze der Wohnung mit Angaben der qm und einer genauen Flächenaufteilung (welche Zimmer werden von der Antragstellerin, von Herrn P und gemeinsam bewohnt);
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5. Wie erfolgen die Mietzahlungen an Herrn P (mit Nachweis)?
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6. Verbringt die Antragstellerin Urlaub oder Freizeit mit ihm gemeinsam?
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7. Kocht und isst die Antragstellerin gemeinsam mit ihm?
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8. Wird die Kleidung gesammelt und gemeinsam gewaschen?
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Mit Schreiben vom 13.3.2006 forderte die Antragsgegnerin außerdem Herrn P auf, verschiedene Fragen zum Verhältnis zur Antragstellerin bis 24.3.2006 zu beantworten.
19 
Herr P reagierte auf das Schreiben nicht. Die Antragstellerin teilte mit Schreiben vom 17.3.2006 insbesondere mit: Kontoauszüge für das erste Quartal 2005 werde sie nicht vorlegen, da sie dazu nicht verpflichtet sei. Die Mietkaution habe sie bis heute mangels Geld nicht bezahlt.
Mit dem von ihr benannten Pferd erziele sie keinerlei Einnahmen. Eine Skizze der Wohnung wolle und könne sie nicht vorlegen, weil sie damit Informationen kundtäte, die ausschließlich ihrem Vermieter beträfen. Das von ihr zur alleinigen Nutzung angemietete Zimmer habe ca. 16 qm, der dazu gehörende Balkon ca. 6 qm, die zur gemeinsamen Nutzung angemietete Diele ca. 7 qm, das Bad ca. 7 qm, die Toilette ca. 2 qm und die Küche ca. 10 qm. Weitere Zimmer nutze sie weder alleine noch mit Herrn P gemeinsam. Die Miete zahle sie monatlich per Banküberweisung. Urlaub könne sie sich nicht leisten, die Freizeit verbringe sie gelegentlich auch mit Herrn P. Grundsätzlich werde nicht gemeinsam gekocht und gegessen, gelegentlich komme dies aber vor. Grundsätzlich werde ihre Kleidung nicht gemeinsam mit der des Herrn P gesammelt und gewaschen, wenn ihre eigene Wäsche nicht ausreiche, die Trommel zu füllen, frage Sie Herrn P allerdings, ob er noch etwas Passendes zu waschen habe und nehme gegebenenfalls seine Wäsche hinzu.
20 
Am 6.6.2006 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Fortzahlung der Leistungen vom 1.7.2006 an. Nachdem über diesen Antrag bis dahin nicht entschieden wurde, beantragte die Antragstellerin am 27.6.2006 beim Sozialgericht Freiburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
21 
Die Antragstellerin trägt u. a. vor, der zuständige Sachbearbeiter der Antragsgegnerin habe ihr auf telefonische Anfrage am 22.6.2006 mitgeteilt, die Leistungen würden nicht weitergewährt, da sie die Skizze der Wohnung und die angeforderten Kontoauszüge nicht beigebracht sowie ihr Vermieter auf die Anfrage nicht geantwortet habe.
22 
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts die Antragstellerin in der nichtöffentlichen Sitzung vom 14.7.2006 persönlich gehört sowie Herrn P als Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten ihrer Aussagen wird auf die Niederschrift verwiesen.
23 
Die Antragstellerin beantragt,
24 
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig und unter dem Vorbehalt des Weiterbestehens der Hilfebedürftigkeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 675,58 EUR monatlich vom 1.7.2006 bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über ihren Fortzahlungsantrag vom 2.6.2006, längstens jedoch bis zum 31.12.2006 zu gewähren.
25 
Die Antragsgegnerin beantragt,
26 
den Antrag zurückzuweisen.
27 
Sie geht von einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft der Antragstellerin mit dem Zeugen aus mit der Folge, dass beide zunächst Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Zeugen zu machen hätten. Die Antragsgegnerin weist weiter darauf hin, dass vom 1.8.2006 an voraussichtlich die Änderungen des SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu berücksichtigen seien, welches von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden sei und dessen Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt bevorstehe.
28 
Die die Antragstellerin betreffende Verwaltungsakte der Antragsgegnerin (BG-Nr. 0006410-BG-61706, 1 Bd.) lag vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die genannte Verwaltungsakte sowie die Akten des Gerichts, Az.: S 9 AS 74/06 ER, S 9 AS 889/06 ER und S 9 AS 3120/06 ER verwiesen.
II.
29 
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
30 
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben (vgl. hierzu § 86a Abs. 2 SGG), die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a. a. O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung, Satz 2 a.a.O.).
31 
Maßgebliche Vorschrift ist vorliegend § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, denn der Antragstellerin geht es nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Zustandes, sondern um die Gewährung weiterer Leistungen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung -ZPO-). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen. Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u. U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 15.8.2005, Az.: L 7 SO 3804/05 ER-B, im Internet abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de>Entscheidungen).
32 
Ausgehend von diesen Grundsätzen war wie erkannt zu entscheiden, da der Antragstellerin ausgehend von dem ermittelten Sachverhalt ein Anspruch auf die beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von Juli bis Dezember 2006 und damit ein Anordnungsanspruch zusteht und die gegenwärtige Nichtgewährung dieser existenzsichernden Leistungen bei glaubhaft gemachter Einkommens- und Vermögenslosigkeit der Antragstellerin einen hinreichenden Anordnungsgrund darstellt.
33 
Das Gericht hält den Anordnungsanspruch aus folgenden Überlegungen für gegeben:
34 
Aufgrund der belegten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragstellerin und den von ihr angegebenen Unterkunftskosten besteht unstreitig grundsätzlich ein Anspruch auf Leistungen mindestens in der bis zum 30.6.2006 bewilligten Höhe. Etwas hiervon abweichendes ergäbe sich möglicherweise nur dann, wenn die Antragstellerin tatsächlich - wie von der Antragsgegnerin unterstellt - in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit dem Zeugen leben würde. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für einen solchen Sachverhalt liegt jedenfalls nach der im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung geltenden Rechtslage (zu der vom 1.8.2006 an mutmaßlich geltenden vgl. u.) bei der Antragsgegnerin. Das Gericht vermochte nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen eine eheähnliche Gemeinschaft besteht oder bestand.
35 
Zur eheähnlichen Gemeinschaft hat das BVerfG bereits im Jahre 1958 (Entsch. v. 16.12.1958, Az.: 1 BvL 3/57, 1 BvL 4/57, 1 BvL 8/58 = BVerfGE 9, 20) grundlegend festgestellt, dass hierfür nicht - wie umgangssprachlich häufig irrtümlich angenommen - das Bestehen geschlechtlicher Beziehungen zwischen den Partnern maßgeblich ist. Fundamentale Voraussetzungen seien vielmehr das Bestehen einer Wohngemeinschaft (d. h. das gemeinsame Bewohnen einer zivilrechtlich als Einheit zu qualifizierenden Unterkunft) sowie einer Wirtschaftsgemeinschaft (oder Haushaltsgemeinschaft), d. h. das "Wirtschaften aus einem Topf" wie in einer "rechten Ehe"(BVerfG a. a. O.). Später hat das BVerfG diese Definition dahingehend ergänzt, dass die erforderliche Eheähnlichkeit nur gegeben sei, wenn über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinaus eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau vorliege, die außerdem im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft durch innere Bindungen ausgezeichnet sei, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründe und daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulasse. Da es sich bei den genannten Voraussetzungen zum größten Teil um innere Tatsachen handele, die dem Beweis kaum zugänglich seien, sei aus äußeren Hinweistatsachen auf das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft zu schließen. An den grundsätzlich im Sinne der objektiven Beweislast der Behörde obliegenden Nachweis des Bestehens einer solchen Gemeinschaft seien erhöhte Anforderungen zu stellen. Ob die Hinweistatsachen ausreichen, sei im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände zu entscheiden. Als berücksichtigungsfähige Hinweistatsachen kommen nach der nicht erschöpfenden Aufzählung des BVerfG neben der Dauer des Zusammenlebens die Versorgung von gemeinsamen Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt, die Befugnis über Einkommens- und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen sowie das Bestehen intimer Beziehungen in Betracht (Entscheidung vom 17.11.1992, Az.: 1 BvL 8/87 = BVerfGE 87, 234).
36 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist festzustellen, dass zwischen der Klägerin und dem Zeugen zwar eine Wohngemeinschaft besteht, denn beide bewohnen gemeinsam ein und dieselbe Wohnung im zivilrechtlichen Sinne. Bereits das Bestehen einer Wirtschafts- bzw. Haushaltsgemeinschaft sieht das Gericht dagegen nicht als nachgewiesen an. Die Antragstellerin und der Zeuge haben übereinstimmend und frei von inneren Widersprüchen angegeben, dass die Gebrauchsgegenstände des täglichen Bedarfs (Lebensmittel, Körperpflege- und Haushaltsprodukte) überwiegend von jedem auf eigene Rechnung und zum Zweck der ausschließlichen Nutzung bzw. des ausschließlichen Verbrauchs angeschafft und genutzt bzw. verbraucht werden. So versorge sich jeder selbst mit Lebensmitteln, die Mahlzeiten würden in aller Regel getrennt angenommen. Dies erscheint in Anbetracht der dargelegten verschiedenen Alltagsabläufe sowie des bestrittenen Bestehens intimer Beziehungen auch plausibel. Ein gemeinsames Wirtschaften findet nach den Angaben der Antragstellerin und des Zeugen lediglich insoweit statt, als dieser gelegentlich an einer von der Antragstellerin zubereiteten Mahlzeit teilnimmt bzw. einen Kaffee trinkt, während der Zeuge umgekehrt für die Antragstellerin, die kein Kraftfahrzeug besitzt, Getränkekisten oder andere schwere Einkäufe mit seinem PKW besorgt. Putzmittel werden nach diesen Aussagen zwar gemeinsam verwendet und verbraucht, jedoch mehr oder weniger abwechselnd von der Antragstellerin und vom Zeugen auf eigene Kosten angeschafft, wobei die Beteiligten davon ausgehen, dass auf diese Weise eine gerechte Verteilung der Kosten erzielt wird. Eine derartige Handhabung ist in einer Wohngemeinschaft ebenso wie die gemeinsame Nutzung teurerer und platzintensiver Haushaltsgeräte wie etwa Staubsauger oder Waschmaschine nur wirtschaftlich vernünftig und daher nicht geeignet, für sich genommen die Annahme einer Haushaltsgemeinschaft oder gar einer eheähnlichen Gemeinschaft zu begründen. Über gelegentliche gegenseitige Gefälligkeiten nachbarschaftlichen Charakters hinaus (Mitwaschen einzelner Kleidungsstücke des Zeugen, Heranschaffen von Getränkekisten durch ihn) findet den Aussagen zufolge auch kein gemeinsames Wirtschaften in dem Sinne statt, dass etwa einer der Bewohner in besonderem Maße Hausarbeiten übernimmt und sich dafür der andere stärker an den Kosten beteiligt. Zusammenfassend kann ausgehend von dem geschilderten und nicht widerlegbaren Sachverhalt nach Überzeugung des Gerichts von einem Wirtschaften aus einem Topf und damit von einer Wirtschafts- oder Haushaltsgemeinschaft nicht die Rede sein, geschweige denn von einer Haushaltssituation die der in einer Ehe vergleichbar wäre.
37 
Darüber hinaus sprechen die in Betracht zu ziehenden äußeren Hinweistatsachen insgesamt gegen das Vorliegen einer eheähnlichen Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft. So besteht die Wohngemeinschaft zwischen der Antragstellerin, einer Frau, und dem Zeugen, einem Mann, im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung zwar bereits seit gut 17 Monaten. Beide kennen sich jedoch erst seit Sommer 2004. Nach Dauer der Bekanntschaft und des Zusammenlebens wäre eine eheähnliche Lebensgemeinschaft zwar nicht ausgeschlossen, es erscheint jedoch nicht gerechtfertigt, daraus bereits auf eine solche zu schließen. Intime Beziehungen sowie gegenseitige Befugnisse oder auch nur Kenntnisse über Einkommen und Vermögen haben die Antragstellerin und der Zeuge verneint. Das Gericht hat keine objektiven Anhaltspunkte, ihren Angaben insoweit zu misstrauen. Kinder oder Angehörige schließlich werden im Haushalt nicht versorgt.
38 
Das Gericht verkennt nicht, dass einzelne Indizien für das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft bzw. zumindest teilweise gegen die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Antragstellerin und Zeuge sprechen. Diese haben jedoch keine herausragende Beweiskraft. So soll zum einen ein anonymer Hinweis bei der Antragsgegnerin eingegangen sein, wonach die Antragstellerin mit dem Zeugen in eheähnlicher Gemeinschaft leben soll. Beweisrechtlich verwertbar ist dieser Hinweis, der überhaupt erst nachträglich und wenig substantiiert in den Akten der Antragsgegnerin dokumentiert wurde, jedoch nicht. Es kann im übrigen auch nicht mehr nachvollzogen werden, auf welche Tatsachen bzw. Beobachtungen der anonyme Hinweisgeber seine Behauptung stützte. Möglicherweise wurde er allein durch die Tatsache des Bestehens einer Wohngemeinschaft lediglich zu der Annahme bewogen, es handele sich bei der Antragstellerin und dem Zeugen um ein Paar im umgangssprachlichen Sinne.
39 
Auch die anfänglichen Ungereimtheiten im Vorbringen der Antragstellerin zu den Mietverhältnissen dürfen nach Überzeugung des Gerichts nicht überbewertet werden. Die Antragstellerin legte von Anfang an dar, dass sie ein Zimmer der Wohnung des Hauptmieters P zur ausschließlichen Nutzung sowie die Gemeinschaftsräume (Küche, Diele, Bad und Toilette, Balkon, Keller) zur gemeinsamen Nutzung mit dem Hauptmieter gemietet habe. Der von ihr vorgelegte Einheitsmietvertrag vom 1.2.2005 erwähnt nicht ausdrücklich, dass es sich bei der Mietsache um zu einer größeren Wohnung gehörende Räume handelt und lässt demgemäß auch nicht erkennen, welche Größe und Aufteilung die Wohnung insgesamt hat bzw. welche mietvertraglichen Verhältnisse insoweit bestehen. Dennoch ist der vorgelegte Untermietvertrag mit der schlüssigen und vom Zeugen bestätigten Darlegung der Antragstellerin aber nicht etwa unvereinbar, sieht doch das verwendete Formular - wie alle marktüblichen derartigen Formulare - die ausdrückliche Regelung der Besonderheiten des tatsächlich vereinbarten Untermietverhältnisses nicht vor. Es ist daher zwanglos nachvollziehbar, dass zumindest juristische Laien ein derartiges Untermietverhältnisses mit Hilfe eines Formularvertrages in der Art und Weise fixiert haben können wie im Vertrag vom 1.2.2005 geschehen.
40 
Aus der Weigerung der Antragstellerin, bestimmte von der Antragsgegnerin verlangte Mitwirkungshandlungen vorzunehmen - namentlich eine Besichtigung der Wohnung zu dulden, Kontoauszüge für das erste Quartal 2005 vorzunehmen sowie schließlich eine Skizze der Wohnung einzureichen - kann ebenfalls nicht auf eine eheähnliche Lebensgemeinschaft oder auch nur die Unwahrheit der Angaben der Antragstellerin im übrigen geschlossen werden. Mag das Verhalten der Antragstellerin der Antragsgegnerin auch unkooperativ und teils geradezu legalistisch erschienen sein, ist doch festzustellen, dass die Antragstellerin nach Überzeugung des Gerichts zu genau diesen Mitwirkungshandlungen objektiv nicht verpflichtet war. Außerdem hat die Antragstellerin insoweit auf ausdrücklichen Rat ihres Rechtsanwalts gehandelt. Den Nachweis der Untermietzahlungen seit Mietbeginn durch Kontoauszüge oder Überweisungsbelege durfte und darf die Antragsgegnerin zwar verlangen. Sie hat auf das Fehlen dieser Nachweise jedoch bislang keine Versagungsentscheidung gestützt. Auch geht das Gericht aufgrund der ausdrücklichen entsprechenden Versicherung der Antragstellerin im Termin davon aus, dass diese zur Vorlage der Nachweise imstande sein wird.
41 
Das Gericht hat schließlich auch nicht übersehen, dass die Aussagen der Antragstellerin und des Zeugen in zwei Punkten wesentlich voneinander abwichen. So hat die Antragstellerin angegeben, ihr eigenes Fernsehgerät befinde sich in ihrem Zimmer, während der Zeuge berichtete, es stehe im Wohnzimmer. Weiter hat die Antragstellerin bestritten, vom Zeugen nach Einstellung der Zahlungen durch die Antragsgegnerin finanziell unterstützt worden zu sein, während der Zeuge bekundete, ihr gelegentlich kleinere Geldbeträge bis 50 EUR in der Erwartung gegeben zu haben, dass sie diese später zurückzahlen werde. Zum einen ist aber verständlich, dass die Antragstellerin, die offensichtlich das Auskunftsverlangen der Antragsgegnerin und die Befragung durch das Gericht als nach ihrem Rechtsempfinden ungerechtfertigten Eingriff in ihre Intimsphäre empfindet, in dem Bestreben, diesen Eingriff abzuwehren, bei derartigen Detailfragen zu einer Verdeutlichung der Distanz zum Zeugen neigt, ohne dass daraus - auch unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den das Gericht von ihr zu gewinnen vermochte - zwingend auf eine allgemeine Unglaubwürdigkeit geschlossen werden dürfte. Zum anderen ist selbst dann, wenn im Hinblick auf die zwei widersprüchlich dargestellten Sachverhalte die Aussage des Zeugen als die der Wahrheit entsprechende angesehen wird, die Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft allein auf Grund der gemeinsamen Nutzung eines Fernsehers und gelegentlicher finanzieller Unterstützung in vergleichsweise geringfügigem Rahmen und in der Erwartung der Rückzahlung nicht gerechtfertigt.
42 
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ändert sich die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts selbst dann nicht, wenn man § 7 SGB II in der voraussichtlich vom 1.8.2006 an geltenden Fassung anwendet. Nach Abs. 3 Nr. 3 Ziff. c) dieser Vorschrift in der Fassung des sogenannten Fortentwicklungsgesetzes - der zu erwartende Text wurde dem Gericht von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellt - gehört zur Bedarfsgemeinschaft als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Nach Abs. 3a Nr. 1 der Vorschrift soll ein derartiger Wille vermutet werden, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben. Dabei wird nach Überzeugung des Gerichts bei der Auslegung des Abs. 3a Nr. 1 aus systematischen Gründen (Abs. 3 Nr. 3 Ziff. c, auf den sich Abs. 3a bezieht, bezeichnet als Partner Personen, die in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben) aber auch im Interesse einer verfassungskonformen Auslegung (das BVerfG unterscheidet in seinen zitierten Entscheidungen zwischen Wohngemeinschaft einerseits, Haushalts- bzw. Wirtschaftsgemeinschaft andererseits als grundlegende Voraussetzungen einer eheähnlichen Gemeinschaft) zu berücksichtigen sein, dass die Vermutung nicht bereits eingreift, wenn die Partner länger als ein Jahr in einer reinen Wohngemeinschaft zusammenleben (in diesem Falle handelt es sich nämlich schon nicht um Partner i. S. des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Ziff. c SGB II in der mutmaßlich vom 1.8.2006 an geltenden Fassung). Die Vermutung einer Einstehensgemeinschaft wird vielmehr erst dann gerechtfertigt sein, wenn seit länger als einem Jahr eine Haushalts- bzw. Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Eben davon vermochte sich das Gericht vorliegend - wie oben dargelegt - nicht zu überzeugen mit der Folge, dass auch nach der erwarteten gesetzlichen Neuregelung die Beweislast im vorliegenden Fall bei der Antragsgegnerin verbleibt. Selbst wenn man dies anders sehen sollte, würde im übrigen die Vermutung auf Grund der Dauer des Zusammenlebens im Falle der Antragstellerin und des Zeugen durch das dargelegte fast völlige Fehlen äußerer Hinweistatsachen für eine Einstehensgemeinschaft widerlegt.
III.
43 
Die Kostenentscheidung war entsprechend § 193 SGG zu treffen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.3.1992, Az.: L 5 Ar 348/92 eA = Breithaupt 1992, 700) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
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published on 21/07/2006 00:00

Tenor Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig und unter dem Vorbehalt des Weiterbestehens der Hilfebedürftigkeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe v
published on 28/02/2006 00:00

Tenor Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig und unter dem Vorbehalt des Weiterbestehens der Hilfebedürftigkeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe v
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published on 21/07/2006 00:00

Tenor Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig und unter dem Vorbehalt des Weiterbestehens der Hilfebedürftigkeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe v
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Annotations

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung.

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt

1.
bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten,
2.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen,
3.
für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen,
4.
in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen,
5.
in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 kann die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 ist in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts die nächsthöhere Behörde zuständig, es sei denn, diese ist eine oberste Bundes- oder eine oberste Landesbehörde. Die Entscheidung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Die Stelle kann die Entscheidung jederzeit ändern oder aufheben.

(4) Die aufschiebende Wirkung entfällt, wenn eine Erlaubnis nach Artikel 1 § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1852) geändert worden ist, aufgehoben oder nicht verlängert wird. Absatz 3 gilt entsprechend.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.