Sozialgericht Bayreuth Urteil, 06. Okt. 2016 - S 17 AS 83/16

published on 06/10/2016 00:00
Sozialgericht Bayreuth Urteil, 06. Okt. 2016 - S 17 AS 83/16
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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch der Kläger auf Zahlung von 135,00 € monatlich unter dem Gesichtspunkt des Folgenbeseitigungsanspruchs für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 06.10.2016.

Die 1964 geborene Klägerin zu 1, gelernte Altenpflegerin, und der 1966 geborene Kläger zu 2, Diplom-Psychologe, beziehen seit 01.08.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger. Dabei war von Beginn des Leistungsbezuges an streitig, ob und wenn ja in welchem Umfang die Kläger Eigenbemühungen zur Beendigung ihrer Hilfebedürftigkeit unternehmen, ob sie zu Meldeterminen erscheinen müssen und welche Maßnahmen der Beklagte ihnen zu ihrer Eingliederung in Arbeit andienen darf.

Von Oktober 2007 bis Februar 2013 verzichtete der Beklagte auf Aktivierungsmaßnahmen gegenüber den Klägern, da seine Leistungen durch den Übergang von erbrechtlichen Ansprüchen des Klägers zu 2 „gegenfinanziert“ wurden.

Erstmals wieder mit Bescheiden vom 21.03.2013 lud der Beklagte die Klägerin zu 1 zu einem Meldetermin am 27.03.2013 um 11:00 Uhr und den Kläger zu 2 zu einem Meldetermin am 26.03.2013 um 8:00 Uhr ein, um mit beiden jeweils ihre aktuelle berufliche Situation zu besprechen. Die Kläger erschienen hierzu und zu sämtlichen in der Folge vom Beklagten verfügten Meldeterminen nicht. Daraufhin erließ der Beklagte erstmals am 11.12.2013 aufgrund des Nichtzustandekommens von Eingliederungsvereinbarungen Eingliederungsverwaltungsakte gegenüber den Klägern. Auch den dort jeweils geregelten Verpflichtungen kamen die Kläger nicht nach. Erstmals mit Bescheid vom 21.06.2013 und in der Folgezeit regelmäßig ergingen daraufhin Sanktionsbescheide wegen Meldeversäumnissen und Verletzungen der Verpflichtungen der Kläger aus den Eingliederungsverwaltungsakten der Kläger. Zu den im Einzelnen ergangenen Bescheiden wird Bezug genommen auf die Tatbestände der Urteile S 17 AS 77/16, S 17 AS 80/16 und S 17 AS 81/16.

Am 29.01.2016 haben die Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben und die Zahlung von monatlich 135,00 € Folgenbeseitigungsanspruch seit dem Monat der Klageerhebung begehrt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, der Beklagte habe eine Einstellung der bisherigen Sanktionierung noch nicht angekündigt. Die konkreten aus den verhängten Sanktionen ihnen erwachsenen Schäden im Einzelnen zu benennen und auch zu belegen gestalte sich als schwierig; unbestreitbar seien solche aber vorhanden.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zur Zahlung von monatlich 135,00 € Folgenbeseitigungsanspruch seit dem Monat, in dem diese Klage hier erhoben wird, also seit dem 01.01.2016 bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens bzw. der vollständigen Einstellung der Sanktionen zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unzulässig abzuweisen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, er gehe davon aus, dass die Kläger einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch meinten, da der Folgenbeseitigungsanspruch im Verwaltungsrecht verankert sei. Es sei darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich aller eingetretenen Sanktionen, die bislang rechtskräftig geworden seien, von Amts wegen eine Überprüfung nach § 44 SGB X durchgeführt worden sei.

Mit Schriftsatz vom 26.09.2016 haben die Kläger ihren Vortrag noch dahingehend ergänzt, dass das Beratungsangebot des Beklagten, welches gemäß des Inhalts der Eingliederungsverwaltungsakte hauptsächlich aus Gesprächsterminen bestehe, von ihm praktisch nicht erbracht werde, weil eben solche Gesprächstermine nicht zur Verfügung gestellt würden. Hierbei handele es sich um neue, weitere Gründe für eine Aufhebung der gegen sie geltend gemachten Eingliederungsverwaltungsakte.

Über den Antrag der Kläger auf Verbindung des Verfahrens S 17 AS 77/16 mit den Verfahren S 17 AS 80/16, S 17 AS 81/16, S 17 AS 82/16 und S 17 AS 83/16 vom 23.03.2016 hat das Sozialgericht Bayreuth mit Beschluss vom 29.06.2016 entschieden (vgl. Bl. 141 der Verfahrensakte S 17 AS 77/16); die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge hat es mit Beschluss vom 19.07.2016 als unzulässig verworfen (vgl. Bl. 153 der Verfahrensakte S 17 AS 77/16). Auf die Entscheidungsgründe wird jeweils Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird im Übrigen auf die Akte des Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen; diese haben vollständig vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Gründe

Die Klage ist unzulässig. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung waren noch keine Bescheide erlassen, auf die die Kläger einen Anspruch auf Folgenbeseitigung hätten stützen können.

1. Die Kammer durfte in der Besetzung entscheiden, in der sie letztlich entschieden hat. Das Ablehnungsgesuch der Kläger vom 22.02.2016 wegen Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden der 17. Kammer nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) ist mit Beschluss vom 03.03.2016 (Az. S 1 SF 50/16 AB) zurückgewiesen worden.

2. Die Entscheidung konnte ohne die Kläger in der Hauptsache ergehen, weil die Kläger in der ordnungsgemäß zugestellten Ladung vom 02.09.2016 auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind. Zwar hat das Gericht in der Ladung das persönliche Erscheinen der Kläger angeordnet, jedoch nur zum Zweck der Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten, um etwa eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits herbeizuführen. Die Anordnung ist in mündlicher Verhandlung durch Kammerbeschluss aufgehoben worden, nachdem die Kläger unentschuldigt nicht zum Termin erschienen sind. Aus der Anordnung des persönlichen Erscheinens ist im vorliegenden Fall nicht darauf zu schließen gewesen, dass ohne das Erscheinen der Kläger eine Sachentscheidung nicht ergehen durfte (vgl. dazu BSG, Beschl. vom 31.01.2008, B 2 U 311/07 B, juris, Rdrn. 4 f.).

3. Streitgegenstand ist ein Zahlungsanspruch der Kläger gegen den Beklagten in Höhe von monatlich 135,00 € ab Klageerhebung. Die Kläger haben diesen Zahlungsanspruch einerseits als „Folgenbeseitigungsanspruch“, andererseits als „Schadensersatzanspruch“ bezeichnet. Für einen grundsätzlich in § 44 SGB X verankerten Folgenbeseitigungsanspruch ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG der Sozialrechtsweg eröffnet, für einen Schadensersatzanspruch bestünde die Rechtswegzuständigkeit zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 GG. Eine Klärung in mündlicher Verhandlung, ob die Kläger das eine oder das andere begehren, war mangels Erscheinens der Kläger nicht möglich. Daher war das Gewollte durch Auslegung zu ermitteln.

Gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Durch diese Vorschrift wird unter anderem der wesentliche Grundsatz auch des sozialgerichtlichen Verfahrens zum Ausdruck gebracht, dass das Gericht nur über die vom Kläger zur Entscheidung gestellten Anträge entscheiden darf. Diese Bindung des Gerichts bezieht sich auf den erhobenen Anspruch, nicht auf die Fassung der Anträge. Wenn die Klage keinen im Sinne des § 92 SGG bestimmten Antrag enthält, der eine zweifelsfreie Bestimmung des Gewollten ermöglicht, muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs. 1, § 112 Abs. 2 Satz 2 SGG). Erforderlichenfalls muss der Antrag entsprechend § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgelegt werden; hiernach ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind das gesamte Vorbringen und alle bekannten Umstände zu berücksichtigen.

Vorliegend ergibt die Auslegung, dass die Kläger einen Betrag in Höhe von 135,00 € monatlich als Folgebeseitigungsanspruch für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens begehren. So haben sie ihr Begehr im Antrag explizit bezeichnet. Zudem wäre für die Verfolgung eines Amtshaftungsanspruchs eine Verweisung an die ordentlichen Gerichte mit daraus resultierender Gerichtskostenpflichtigkeit erforderlich, was einen wirtschaftlichen Nachteil für die Kläger darstellen würde. Das Auslegungsergebnis entspricht folglich auch dem Meistbegünstigungsgrundsatz.

4. Statthaft ist vorliegend die isolierte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, weil die Kläger die Verurteilung zu einer Leistung begehren, auf die sie einen Rechtsanspruch zu haben behaupten.

5. Die Klage ist unzulässig, weil sie nicht statthaft ist und ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorfristig erhobene Klage fehlt.

Zwar ist die Fälligkeit einer Leistung nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit der Leistungsklage, da auch gem. § 202 SGG i.V.m. § 259 Zivilprozessordnung (ZPO) auch auf künftige Leistungen geklagt werden darf. Nach § 259 ZPO kann auf künftige Leistung außer in den Fällen der §§ 257, 258 ZPO Klage erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Die Klage auf eine künftige Leistung setzt jedoch voraus, dass der Anspruch nicht erst künftig entstehen könnte, sondern seine Grundlage in einem Rechtsverhältnis findet, dessen rechtserzeugende Tatsachen schon eingetreten sind. Der Anspruch muss also dem Grunde nach bereits entstanden sein, wenn er auch von einer Gegenleistung abhängig oder bedingt sein darf (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, Rdnr. 1 zu § 259 m.w.N.).

Ein Fall der §§ 257 oder 258 ZPO liegt nicht vor. Rechtserzeugende Tatsachen für den von den Klägern geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruch ab Klageerhebung sind nicht eingetreten. Voraussetzung für einen Folgenbeseitigungsanspruch ist grundsätzlich ein hoheitliches Handeln, das einen Eingriff in ein subjektives Recht darstellt. Hierdurch muss ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden sein, welcher zum Nachteil des Adressaten des hoheitlichen Handelns noch andauert. Denknotwendig können dieses Voraussetzungen erst mit der Vornahme neuer hoheitlichen Maßnahmen eintreten.

Auch ist ein Rechtsschutzbedürfnis für eine vorfristig erhobene Klage nicht erkennbar. Dieses ergibt sich in den Fällen des § 259 ZPO aus der Besorgnis der Leistungsverweigerung (Greger a.a.O, Rdnr. 3). Der Beklagte ist vorliegend eine Verwaltungsbehörde, für die der Vorrang des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) gilt. Im Falle einer berechtigten Forderung der Kläger gegen den Beklagten ist zu erwarten, dass diese erfüllt wird.

Die Klage war daher abzuweisen, wie geschehen.

5. Der Gegenstandswert beträgt 1.350,00 € (135,00 € monatlich multipliziert mit zehn Monaten).

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand Zwischen den Beteiligten ist streitig die Rechtmäßigkeit sämtlicher Meldeaufforderungen, die der Beklagt
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Annotations

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 46 Absatz 1 und die §§ 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung gilt stets als begründet, wenn der Richter dem Vorstand einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts angehört, deren Interessen durch das Verfahren unmittelbar berührt werden.

(4) (weggefallen)

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde. Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Zeitangabe unterzeichnet sein. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 67 entsprechend.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung. Sie beginnt nach Aufruf der Sache mit der Darstellung des Sachverhalts.

(2) Sodann erhalten die Beteiligten das Wort. Der Vorsitzende hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten zu erörtern und dahin zu wirken, daß sie sich über erhebliche Tatsachen vollständig erklären sowie angemessene und sachdienliche Anträge stellen.

(3) Die Anträge können ergänzt, berichtigt oder im Rahmen des § 99 geändert werden.

(4) Der Vorsitzende hat jedem Beisitzer auf Verlangen zu gestatten, sachdienliche Fragen zu stellen. Wird eine Frage von einem Beteiligten beanstandet, so entscheidet das Gericht endgültig.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Klage auf künftige Leistung kann außer den Fällen der §§ 257, 258 erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.

Ist die Geltendmachung einer nicht von einer Gegenleistung abhängigen Geldforderung oder die Geltendmachung des Anspruchs auf Räumung eines Grundstücks oder eines Raumes, der anderen als Wohnzwecken dient, an den Eintritt eines Kalendertages geknüpft, so kann Klage auf künftige Zahlung oder Räumung erhoben werden.

Bei wiederkehrenden Leistungen kann auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden.

Ist die Geltendmachung einer nicht von einer Gegenleistung abhängigen Geldforderung oder die Geltendmachung des Anspruchs auf Räumung eines Grundstücks oder eines Raumes, der anderen als Wohnzwecken dient, an den Eintritt eines Kalendertages geknüpft, so kann Klage auf künftige Zahlung oder Räumung erhoben werden.

Bei wiederkehrenden Leistungen kann auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden.

Klage auf künftige Leistung kann außer den Fällen der §§ 257, 258 erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.