Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 14. Mai 2018 - L 11 AS 165/17

published on 14/05/2018 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 14. Mai 2018 - L 11 AS 165/17
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Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.10.2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist ein Folgenbeseitigungsanspruch (FBA) im Hinblick auf künftige Absenkungen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Kläger beziehen seit August 2005 Alg II vom Beklagten. Nachdem zwischenzeitlich keine Einladungen mehr zu Vorspracheterminen erfolgt waren, begann der Beklagte ab März 2013 wieder damit, die Kläger zur Vorsprache im Jobcenter aufzufordern. Ebenso wurden verschiedene eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakte (EG-VAe) erlassen. Wegen des Nichterscheinens bei Meldeterminen zwischen dem 27.03.2013 und 17.12.2015 sowie Verstößen gegen Verpflichtungen aus den EG-VAen mit dem Gültigkeitszeiträumen zwischen dem 11.12.2013 bis 04.05.2016 senkte der Beklagte das Alg II der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 2. - jeweils einzeln - mit Bescheiden vom 21.06.2013, 07.08.2013, 07.08.2013, 07.08.2013, 04.09.2013, 04.09.2013, 22.10.2013, 22.10.2013, 22.10.2013, 06.11.2013, 05.12.2013, 05.12.2013, 18.12.2013, 12.02.2014, 12.02.2014, 12,02,2014, 12.02.2014, 13.03.2014, 14.03.2014, 28.03.2014, 22.04.2014, 29.04.2014, 13.05.2014, 20.05.2014, 18.07.2014, 18.07.2014, 18.07.2014, 18.07.2014, 20.10.2014, 21.11.2014, 21.11.2014, 21.11.2014, 08.12.2014, 25.01.2015, 26.01.2015, 26.01.2015, 10.02.2015, 12.03.2015, 23.04.2015, 23.04.2015, 28.05.2015, 14.07.2015, 14.07.2015, 03.11.2015, 03.11.2015, 03.11.2015, 16.11.2015, 16.11.2015 und 22.12.2015 ab. Die Sanktionsbescheide sind Gegenstand des Berufungsverfahrens L 11 AS 163/17.

In einem Widerspruchsschreiben vom 20.09.2015 beantragten die Kläger ua auch die einmalige Zahlung von 3.500 € als Schadenersatz. Die EG-VAe und die Meldeaufforderungen seien rechtswidrig bzw. nichtig, so dass die als Sanktionen einbehaltenen Leistungen zurück zu überweisen seien und ein Schadenersatz zu zahlen sei. Hierüber hat der Beklagte nach Aktenlage weder entschieden noch sich dazu geäußert. Der diesbezügliche FBA ist Gegenstand des Berufungsverfahrens L 11 AS 164/17.

Am 29.01.2016 haben die Kläger Klage zum SG erhoben und die Aufhebung sämtlicher seit dem 21.03.2013 und künftiger, bis zum Abschluss des Verfahrens ergangener Meldeaufforderungen (Nr. 1), die Aufhebung sämtlicher seit dem 11.12.2013 bzw. künftiger, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, per Verwaltungsakt erlassener Eingliederungsvereinbarungen (Nr. 2), die Aufhebung sämtlicher seit dem 21.06.2013 und künftiger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens erlassener Sanktionsbescheide (Nr. 3), die Zahlung von 3.500 € für den gesamten Zeitraum seit dem Beginn der Sanktionen im Jahr 2013 als Folgenbeseitigungsanspruch (Nr. 4) und die weitere Zahlung von monatlich 135 € seit Januar 2016 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens bzw. der vollständigen Einstellung der betreffenden Sanktionen als Folgenbeseitigungsanspruch (Nr. 5) beantragt. Nr. 5 des Klageantrages hat das SG als hier gegenständliches Klageverfahren - ohne den Erlass eines eigenständigen Trennungsbeschlusses - erfasst. Die übrigen Klagegegenstände wurden als Klageverfahren S 17 AS 77/16, S 17 AS 80/16, S 17 AS 81/16 und S 17 AS 82/16 geführt. Zur Klagebegründung haben die Kläger ua ausgeführt, es sei sehr schwierig, die aus den Sanktionen erwachsenen Schäden im Einzelnen zu benennen und zu belegen. Die Pauschale von 135 € ergebe sich aus Pauschalbetrag für den Schadenersatz iHv 3.500 € geteilt durch die Monate vom 01.07.2013 bis zur Einlegung des Widerspruchs im September 2015. Eine Verbindung der Verfahren hat das SG mit Beschluss vom 29.06.2016 abgelehnt.

Mit Urteil vom 06.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Auslegung des klägerischen Begehrens habe ergeben, dass es den Klägern um einen Betrag iHv 135 € als FBA für den Zeitraum ab Klageerhebung gehe. Auch würde unter Auslegung des Antrages nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz nicht „Schadenersatz“ sondern „Folgenbeseitigung“ begehrt. Andernfalls hätte eine Verweisung an die ordentlichen Gerichte mit der Folge einer Gerichtskostenpflicht vorgenommen werden müssen. Die Klage sei unzulässig. Auf künftige Leistungen könne außer in den hier nicht vorliegenden Fällen der §§ 257 und 258 Zivilprozessordnung (ZPO) nur geklagt werden, wenn der Anspruch seine Grundlage in einem Rechtsverhältnis finde, dessen rechtserzeugende Tatsachen bereits eingetreten seien. Voraussetzung des FBA sei ein durch hoheitliches Handeln geschaffener, rechtswidriger Zustand. Dieser könne erst eintreten, wenn neue hoheitliche Maßnahmen eintreten würden. Zudem fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da zu erwarten sei, der Beklagte erfülle als Verwaltungsbehörde eine berechtigte Forderung.

Dagegen haben die Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die ihnen zugestellten Protokollabschriften der mündlichen Verhandlung seien unbeglaubigt gewesen, was zur Nichtigkeit der Zustellung eines Urteils und damit zur Nichtingangsetzung der Rechtsmittelfrist führen müsse. Die „erstinstanzlichen Urteile“ hätten für sie materiell-rechtlich überhaupt keine Bestandskraft, seien daher effektiv nicht vorhanden. Es sei nicht bewiesen worden, dass überhaupt diesbezüglich mündlich vor dem SG verhandelt worden sei. Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen hätten sie aber ihr Anliegen in Berufungsschriften gekleidet. Ihr Schreiben vom 25.08.2017 - mit diesem Schreiben haben die Kläger den Erlass einstweiliger Anordnungen bezüglich der Sanktionsbescheide vom 21.07.2017 beantragt - werde zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Die Kläger haben Kopien der Eingangsbestätigungen des SG bezüglich ihrer Klage vom 29.01.2016 vorgelegt, worin die jeweiligen Aktenzeichen der Eingangsbestätigungen durch verschiedenfarbige Markierungen den jeweiligen Antragsbegehren zugewiesen worden sind.

Die Kläger beantragen,

  • 1.Die Zurückverweisung des Verfahrens an das Sozialgericht Bayreuth ohne Hauptverhandlung.

  • 2.Die Wiedereinsetzung in den alten Stand hinsichtlich der Rechtsmittelfrist bezüglich des oben bezeichneten Urteils ab der Zustellung einer mangelfreien Protokollabschrift der Hauptverhandlung an die Kläger.

  • 3.Die Feststellung der Nichtigkeit hinsichtlich des Abtrennungsbeschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.02.2016 in dem Verfahren S 17 AS 77/16.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat er auf die Ausführungen des SG verwiesen.

Ablehnungsanträge der Kläger gegen den Vorsitzenden des Senats vom 23.01.2018 und gegen alle Mitglieder des Senats vom 25.04.2018 wegen der Besorgnis der Befangenheit hat der Senat mit Beschlüssen vom 22.02.2018 (L 11 SF 72/18 AB) und 07.05.2018 (L 11 SF 182/18 AB) abgelehnt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Es liegt ein wirksames Urteil des SG vor, das den Klägern ausweislich der Postzustellungsurkunden auch zugestellt worden ist. Die Übersendung von unbeglaubigten Protokollabschriften ändert daran nichts. Dass das Urteil des SG in der mündlichen Verhandlung am 06.10.2016 erlassen worden ist, wird durch die in den Akten des SG befindliche Niederschrift, die eine öffentliche Urkunde darstellt, bewiesen. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und von der Vorsitzenden der 17. Kammer am SG sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§ 122 SGG, §§ 159, 160 ZPO).

Die Kläger haben bislang keinen Antrag in der Sache gestellt, sondern vielmehr lediglich die Zurückverweisung des Verfahrens an das SG ohne Hauptverhandlung beantragt. Eine Zurückverweisung an das SG durch das Berufungsgericht kommt jedoch nur in den Fällen des § 159 Abs. 1 SGG in Betracht. Danach kann der Senat den Rechtsstreit an das SG zurückverweisen, wenn das SG selbst in der Sache nicht entschieden hat (§ 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und die Notwendigkeit einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme aufgrund des Mangels gegeben wäre (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Da aber eine Beweisaufnahme nicht notwendig und die Entscheidung des SG zutreffend ist, sieht der Senat keinen Anlass, die Sache an das SG zurückzuverweisen. Da keine Frist versäumt worden ist, bedurfte es auch keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Eine Feststellung der Nichtigkeit des „Abtrennungsbeschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.02.2016 in dem Verfahren S 17 AS 77/16“ kommt ebenfalls nicht in Betracht, da ein solcher Beschluss nicht vorliegt. Das SG hat die mit der Klageschrift vom 29.01.2016 geltend gemachten fünf Klageanträge nach Eingang in einzelnen Klageverfahren erfasst. Auch wenn es für die Trennung mehrerer in einer Klage erhobener Ansprüche eines zu begründenden Beschlusses bedarf (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 145 Abs. 1 ZPO), sind die Kläger im vorliegend gerichtskostenfreien Verfahren durch diese Auftrennung nicht beschwert. Das SG hat in den Klageverfahren S 17 AS 77/16 und S. 17 AS 80 bis 83/16 über sämtliche Begehren entschieden, so dass im Ergebnis jedenfalls auch ein möglicher Verfahrensfehler nicht dazu führen würde, dass die jeweiligen Entscheidungen darauf beruhen könnten.

Da die von den Klägern ausdrücklich gestellten Anträge damit ins Leere gehen, waren sie unter Berücksichtigung des Begehrens der Kläger nach § 123 SGG auszulegen (zur Auslegung: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl, § 123 Rn 3). Das SG kam zu der nachvollziehbaren Auslegung, den Klägern gehe es vorliegend (alleine) um eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 135 € monatlich aus einem FBA ab Klageerhebung. Dem schließt sich der Senat an, zumal die Kläger im Berufungsverfahren der Auslegung durch das SG nicht widersprochen und keine Umstände vorgebracht haben, die Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung begründen könnten.

Die Kläger haben keinen FBA gegen den Beklagten, der einen Zahlungsanspruch iHv monatlich 135 € seit Klageerhebung begründen könnte. Beim allgemeinen öffentlich-rechtlichen FBA handelt es sich um einen aus dem Richterrecht hergeleiteten Anspruch, mit dem die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff veränderten Zustandes im Wege der Naturalrestitution erreicht werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 10.08.1995 - 11 RAr 91/94 -, Urteil vom 29.05.1996 - 3 RK 26/95; Thüringer LSG, Beschluss vom 01.06.2017 - L 4 AS 851/16 B - alle zitiert nach Juris). Der Anspruch setzt damit voraus, dass durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht des Betroffenen ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde und dieser Zustand noch andauert (vgl. Thüringer LSG aaO mwN). Es geht dabei um die Rückgängigmachung der unmittelbaren Folgen einer rechtswidrigen Amtshandlung, insbesondere bei vollzogenen, rechtswidrigen Verwaltungsakten (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 27.05.2014 - B 8 SO 1/13 R - mwN - Juris).

Vorliegend fehlt es im Zeitpunkt der Klageerhebung an einem durch einen vollzogenen, rechtswidrigen Verwaltungsakt geschaffenen Zustand, da die Kläger die monatliche Pauschale von 135 € für die Zukunft begehren. Die Kläger erheben insofern letztlich eine vorbeugende Leistungsklage. Ebenso wie im Rahmen einer vorbeugenden Unterlassungsklage oder einer vorbeugenden Feststellungsklage bedarf es dafür aber eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses, das nicht gegeben ist, wenn der Betroffene auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (vgl. zur vorbeugenden Unterlassungsklage: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 54 Rn 42a). Den Klägern ist es aber ohne weiteres zumutbar, sich mittels Widerspruch und Anfechtungsklage gegen (künftige) Sanktionsbescheide zu wehren. Sollten diese rechtswidrig sein, kann unter Einleitung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch die Vollziehung der Leistungsabsenkung verhindert werden. Es bedarf damit nicht der Gewährung eines vorbeugenden Rechtsschutzes.

Die Kläger haben damit keinen FBA auf Zahlung von 135 € monatlich im Falle der Fortführung von Sanktionen nach Klageerhebung, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.10.2016 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand
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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand Die Kläger verfolgen mit ihrer Klage die Verpflichtung des Beklagten, die Eingliederungsverwaltungsakte
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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand Zwischen den Beteiligten ist streitig die Rechtmäßigkeit sämtlicher Sanktionsbescheide, die der Beklagte
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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand Zwischen den Beteiligten ist streitig die Rechtmäßigkeit sämtlicher Meldeaufforderungen, die der Beklagt
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Annotations

Ist die Geltendmachung einer nicht von einer Gegenleistung abhängigen Geldforderung oder die Geltendmachung des Anspruchs auf Räumung eines Grundstücks oder eines Raumes, der anderen als Wohnzwecken dient, an den Eintritt eines Kalendertages geknüpft, so kann Klage auf künftige Zahlung oder Räumung erhoben werden.

Bei wiederkehrenden Leistungen kann auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Für das Protokoll gelten die §§ 159 bis 165 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(1) Über die Verhandlung und jede Beweisaufnahme ist ein Protokoll aufzunehmen. Für die Protokollführung kann ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle zugezogen werden, wenn dies auf Grund des zu erwartenden Umfangs des Protokolls, in Anbetracht der besonderen Schwierigkeit der Sache oder aus einem sonstigen wichtigen Grund erforderlich ist.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Verhandlungen, die außerhalb der Sitzung vor Richtern beim Amtsgericht oder vor beauftragten oder ersuchten Richtern stattfinden. Ein Protokoll über eine Güteverhandlung oder weitere Güteversuche vor einem Güterichter nach § 278 Absatz 5 wird nur auf übereinstimmenden Antrag der Parteien aufgenommen.

(1) Das Protokoll enthält

1.
den Ort und den Tag der Verhandlung;
2.
die Namen der Richter, des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und des etwa zugezogenen Dolmetschers;
3.
die Bezeichnung des Rechtsstreits;
4.
die Namen der erschienenen Parteien, Nebenintervenienten, Vertreter, Bevollmächtigten, Beistände, Zeugen und Sachverständigen und im Falle des § 128a den Ort, von dem aus sie an der Verhandlung teilnehmen;
5.
die Angabe, dass öffentlich verhandelt oder die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist.

(2) Die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung sind aufzunehmen.

(3) Im Protokoll sind festzustellen

1.
Anerkenntnis, Anspruchsverzicht und Vergleich;
2.
die Anträge;
3.
Geständnis und Erklärung über einen Antrag auf Parteivernehmung sowie sonstige Erklärungen, wenn ihre Feststellung vorgeschrieben ist;
4.
die Aussagen der Zeugen, Sachverständigen und vernommenen Parteien; bei einer wiederholten Vernehmung braucht die Aussage nur insoweit in das Protokoll aufgenommen zu werden, als sie von der früheren abweicht;
5.
das Ergebnis eines Augenscheins;
6.
die Entscheidungen (Urteile, Beschlüsse und Verfügungen) des Gerichts;
7.
die Verkündung der Entscheidungen;
8.
die Zurücknahme der Klage oder eines Rechtsmittels;
9.
der Verzicht auf Rechtsmittel;
10.
das Ergebnis der Güteverhandlung.

(4) Die Beteiligten können beantragen, dass bestimmte Vorgänge oder Äußerungen in das Protokoll aufgenommen werden. Das Gericht kann von der Aufnahme absehen, wenn es auf die Feststellung des Vorgangs oder der Äußerung nicht ankommt. Dieser Beschluss ist unanfechtbar; er ist in das Protokoll aufzunehmen.

(5) Der Aufnahme in das Protokoll steht die Aufnahme in eine Schrift gleich, die dem Protokoll als Anlage beigefügt und in ihm als solche bezeichnet ist.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.

(2) Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht.

(3) Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.