Sozialgericht Augsburg Beschluss, 28. März 2018 - S 6 SF 2/18 E

published on 28/03/2018 00:00
Sozialgericht Augsburg Beschluss, 28. März 2018 - S 6 SF 2/18 E
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Gericht

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Tenor

Die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung vom 18. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der angefallenen Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG anlässlich der Untätigkeitsklage vom 27.10.2017 streitig.

Der Erinnerungsführer (Ef) erhob im Auftrag der Klägerin am 30.10.2017 Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Augsburg.

Diese begründete er mit fünf Sätzen unter Darlegung, dass der Beklagte bislang den Widerspruch vom 21.07.2017 gegen den Bescheid vom 07.07.2017 nicht innerhalb der Frist des § 88 Abs. 2 SGG beschieden habe.

Gleichzeitig beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Klägerin.

Mit Schreiben vom 22.11.2017 beantragte der Beklagte, die Klage abzuweisen, da über den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2017 entschieden worden sei, in dem der nicht fristgerecht erhobene Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen worden war.

Zu dem Schreiben des Beklagten forderte das Gericht am 23.11.2017 den Ef bis 05.12.2017 zur Stellungnahme auf. Am selben Tag bestimmte die 11. Kammer auch Termin zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits am 05.12.2017.

Am 28.11.2017 erklärte der Ef im Hinblick auf das Schreiben des Gerichts vom 23.11.2017 den Rechtsstreit für erledigt. Mit diesem Schreiben beantragte er zudem eine Kostengrundentscheidung gemäß § 193 SGG.

Dieser Antrag wurde vom Ef am 11.12.2017 für erledigt erklärt.

Mit Beschluss vom 30.11.2017 gewährte das Sozialgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Ef.

Am 11.12.2017 beantragte der Ef, die vom Erinnerungsgegner (Eg) zu erstattenden Kosten auf 678,30 Euro festzusetzen.

Dies begründete er mit dem Anfall der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 550,00 Euro.

Am 18.12.2017 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die vom Eg zu erstattenden Kosten auf 107,10 Euro fest.

Dies begründete er damit, dass die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 75,00 Euro abzugelten sei.

Bei einer Untätigkeitsklage handle es sich nämlich um eine der einfachsten Tätigkeiten eines Rechtsanwalts. Im Wesentlichen beschränke sich die Tätigkeit auf die Frist der Prüfung und die Einlegung der Klage. Die Untätigkeitsklage sei hier mit sieben Zeilen begründet worden. Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien als deutlich unterdurchschnittlich zu bewerten. Die Bedeutung der Angelegenheit sei für die Klägerin im Vergleich zu anderen Klagen vor Gericht ebenfalls weit unterdurchschnittlich gewesen. Es sei auch von deutlich unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen auszugehen.

Insgesamt handle es sich daher um einen deutlich unterdurchschnittlichen Fall, der mit einer Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 75,00 Euro ausreichend entschädigt sei.

Dagegen hat der Ef am 28.12.2017 Erinnerung beim Sozialgericht Augsburg eingelegt.

Zur Erinnerungsbegründung hat er vorgetragen, dass nach hiesiger Auffassung die Verfahrensgebühr in beantragter Höhe angemessen sei.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird im Übrigen auf die beigezogene Gerichtsakte aus dem Verfahren Bezug genommen.

II.

Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.

Rechtsgrundlage und Prüfungsmaßstab für die im Erinnerungsverfahren streitige Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG ist § 14 RVG.

Diese Rechtsnorm ist auch für die Gebührenbestimmung im Fall einer Untätigkeitsklage maßgebend, da der Gesetzgeber im RVG keinen eigenen Gebührentatbestand für die Höhe der Gebühren im Fall einer Untätigkeitsklage geschaffen hat.

Gemäß § 14 RVG sind sodann für die Bestimmung der Höhe von Betragsrahmengebühren folgende Kriterien entscheidend:

  • 1.Umfang der anwaltlichen Tätigkeit,

  • 2.Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit,

  • 3.Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber,

  • 4.Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers

  • 5.Haftungsrisiko.

Die genannten entscheidungserheblichen Bemessungskriterien auf die vorliegende Untätigkeitsklage angewandt ergeben nach Überzeugung des Gerichts folgende Bewertungen:

1. Umfang der anwaltlichen Tätigkeit

Grundsätzlich liegt im erstinstanzlichen sozialgerichtlichen Verfahren eine durchschnittliche anwaltliche Tätigkeit vor, wenn eine Klage erhoben oder ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt wird, Akteneinsicht genommen wird, die Klage bzw. der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begründet wird, behandelnde Ärzte benannt und erforderliche Entbindungserklärungen von der ärztlichen Schweigepflicht und dem Sozialgeheimnis eingereicht werden, zu vom Gericht veranlassten Ermittlungen (z.B. Einholung von Befundberichten, Arbeitgeberauskünften, Beiziehung von Klinikberichten, Röntgenaufnahmen, weiteren Akten) und eingeholten Gutachten Stellung genommen, ein Termin vorbereitet sowie eine eventuelle Entscheidung des Gerichts zur Kenntnis genommen wird (vgl. hierzu Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 05.10.2016 - L 19 AS 1104/16 B -).

Unter Zugrundelegung der genannten Arbeiten bzw. Tätigkeiten, die einen durchschnittlichen Bearbeitungsaufwand im erstinstanzlichen sozialgerichtlichen Verfahren kennzeichnen, kann der Arbeitsaufwand in der vorliegenden Untätigkeit nur als deutlich unterdurchschnittlich angesehen werden.

So musste vom Ef lediglich eine knappe Klageschrift gefertigt, die Eingangsbestätigung sowie die Schreiben des Beklagten vom 22.11.2017 und das gerichtlichen Schreiben vom 23.11.2017 sowie die Terminsbestimmung entgegengenommen werden. Anschließend musste nur noch das Erledigungsschreiben vom 28.11.2017 gefertigt werden. Weitere Umstände, die einen höheren Bearbeitungsaufwand annehmen ließen als den aktenkundigen, sind nicht erkennbar.

2. Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit

Das zweite Merkmal des § 14 RVG meint vor allem die besondere Konzentrationsleistung, die der Rechtsanwalt bei der Bearbeitung aufbringen musste. Es handelt sich hier um ein eigenständiges Merkmal, wenn auch eine schwierige Tatsachen- oder Rechtslage zumeist auch einen erhöhten zeitlichen Umfang bei der Bearbeitung mit sich bringt. Während der Umfang jedoch nur den zeitlichen und sachlichen Aufwand der Bearbeitung erfasst, erfasst das Merkmal der Schwierigkeit die Intensität der Bearbeitung. Dies wird bestimmt entweder durch rechtliche Schwierigkeiten oder tatsächliche Schwierigkeiten des Rechtsstreits. Vorliegend sind aber keinerlei rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten festzustellen, so dass die Schwierigkeit der Bearbeitung als ebenfalls deutlich unterdurchschnittlich anzusehen ist.

3. Bedeutung der Angelegenheit

Für die Bedeutung der Angelegenheit kommt es auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber an, nicht aber für die Allgemeinheit (vgl. hierzu Entscheidungen des BSG vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R - sowie auf den Vorlagebeschluss des BSG vom 27.01.2009 an das BVerfG – B 14/11b AS 9/07 R -).

Der Untätigkeitsklage lag zwar ein Streit wegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.07.2017 bis 31.12.2017 zu Grunde, da der Beklagte nach Rechtsauffassung der Klägerin ihr zu Unrecht für diesen Zeitraum nur Leistungen vorläufig bewilligt hatte. Dennoch erreicht hier die Bedeutung der Angelegenheit keinen durchschnittlichen oder gar überdurchschnittlichen Grad. Dies deshalb nicht, da im Rahmen einer Untätigkeitsklage der Rechtsanspruch in der Sache selbst nicht durchgesetzt werden kann, sondern es um die Rechtswegeröffnung geht. Da zudem nicht erkennbar ist, dass die Klägerin durch die verspätete Verbescheidung ihres unzulässigen Widerspruchs in tatsächlicher, ideeller, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht besonders betroffen war, ist die Bedeutung der Angelegenheit als unterdurchschnittlich zu bewerten.

4. Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers

Da die Klägerin Leistungen nach dem SGB II bezieht, war von deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen auszugehen (siehe hierzu auch BSG, a.a.O.).

5. Haftungsrisiko

Anhaltspunkte für ein durchschnittliches Haftungsrisiko des Ef sind nicht erkennbar, so dass auch von einem unterdurchschnittlichen Haftungsrisiko auszugehen ist.

Unter Abwägung der genannten entscheidenden Bemessungskriterien kommt das Gericht somit zu dem Ergebnis, dass als „objektiv“ richtige Gebühr grundsätzlich hier die Verfahrensgebühr nur in Höhe der Mindestgebühr entstanden ist (vgl. hierzu Mayer in: Gerold/ Schmidt, RVG, 22. Auflage, § 3 Rn. 10 ff.). Im Hinblick darauf, dass im Vergleich zu anderen Untätigkeitsklagen hier der Ef aber noch die Terminsbestimmung sowie die Abladung entgegennehmen musste, kann die in der Festsetzung vom 18.12.2017 bestimmte Höhe der Verfahrensgebühr noch als sachgerecht angesehen werden.

Da aber die Höhe der vom Ef festgesetzten Gebühren 20% über der gerichtlichen Festsetzung liegt, war nach der ständigen Rechtsprechung des BSG die gerichtliche Gebührenbestimmung der Gebührenberechnung zugrunde zu legen (siehe BSG vom 26.02.1992, 9a RVs 3/90 und seither ständige Rechtsprechung).

Die Erinnerung war somit als unbegründet zurückzuweisen.

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published on 05/10/2016 00:00

Tenor Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.06.2016 geändert. Die Vergütung wird auf 166,41 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. 1Gründe: 2I. 3Zwischen den Be
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Annotations

(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(2) Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, daß als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.