Sozialgericht Aachen Urteil, 18. Feb. 2014 - S 13 KN 436/13
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf große Witwenrente.
3Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist die Witwe des am 11.11.1955 geborenen und am 19.11.2012 verstorbenen, bei der Beklagten rentenversicherten T. C. (im Folgenden: Versicherter). Die Ehe der Klägerin und des Versicherten wurde am 12.11.2012 auf der Palliativstation des Universitätsklinikum Aachen geschlossen. Die Eheleute hatten zuvor seit Mai 2003 in einer Partnerschaft zusammengelebt. Aus einer ersten – 1983 geschlossenen und 1993 geschiedenen – Ehe des Versicherten stammt ein Sohn. Die Klägerin war zuvor noch nicht verheiratet gewesen; sie hat eine Tochter aus einer früheren nichtehelichen Beziehung. Die Klägerin ist angelernte Gärtnerin und seit über 25 Jahren als Verkäuferin im Einzelhandel beschäftigt. Der Versicherte war ausgebildeter Koch und seit 1974 als Koch und Küchenleiter versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 01.03.2011 war er arbeitslos, seit 15.07.2011 arbeitsunfähig.
4Am 06.09.2011 beantragte der Versicherte bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Vom 16.11. bis 21.12.2011 nahm er an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme teil, in der er insbesondere wegen einer wiederkehrenden depressiven Störung behandelt wurde. Da die Reha-Ärzte das Leistungsvermögen des Versicherten vorübergehend auf drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich gesunken ansahen, bewilligte die Beklagte dem Versicherten durch Bescheid vom 24.02.2012 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.02.2012, befristet bis 28.02.2013.
5Im Februar 2012 erfuhren der Versicherte und die Klägerin, dass der Versicherte Lungenkrebs hatte, der bereits ein fortgeschrittenes Stadium IIIa hatte. Im März 2012 erfolgten deshalb u.a. eine erweiterte Pneumektomie, die Entfernung von Lymphknoten, eine Herzbeutelteilentfernung, anschließend eine Chemotherapie und eine Strahlentherapie. Zuletzt war der Versicherte ab 25.10.2012 wegen LWS-Beschwerden und blutigem Urin zur stationären Behandlung im Universitätsklinikum. Zwei Tage zuvor waren eine Auflösung von Knochengewebe und Metastasen im LWS-Bereich festgestellt worden. Ab 26.10.2012 erhielt der Versicherte eine weitere Strahlentherapie. In den folgenden Tagen verschlechterte sich sein Allgemeinzustand zunehmend, es traten psychotische Symptome auf. Am 08.11.2012 wurde er in die Klinik für Palliativmedizin verlegt. Wegen zunehmender Schwierigkeiten, Medikamente oral einzunehmen, und wegen zunehmender Unruhe und Husten mit eitrigem Sputum erhielt der Versicherte ab 11.11.2012 subkutan bzw. intravenös Medikamente gegen die Schmerzen, zur Ruhigstellung und zur Antibiose. Im Verlauf des Aufenthalts des Versicherten auf der Palliativstation hatte er durchaus "Phasen, in denen er orientiert war" (Bericht der Klinik für Palliativmedizin des Universitätsklinikums Aachen vom 26.11.2012). Am 12.11.2012 heirateten der Versicherte und die Klägerin auf der Palliativstation. Ab dem 17.11.2012 verschlechterte sich der Zustand des Versicherten kontinuierlich; am 19.11.2012 verstarb er.
6Am 12.12.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die große Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes. Sie trug vor, die Heirat sei erfolgt, da ein Versprechen eingelöst werden sollte. Man sei zehn Jahre zusammen gewesen; die Hochzeit sei für Mai 2012 geplant gewesen. Als sie im Februar 2012 von der Krebserkrankung erfahren hätten, habe der Hochzeitstermin verschoben werden müssen, da eine Chemo- und später Strahlentherapie angestanden hätten. Sie hätten gute Hoffnung auf Heilung gehabt und im Mai des dann darauf folgenden Jahres heiraten wollen. Leider sei ihnen dies nicht vergönnt gewesen. Als so ziemlich letzten Wunsch habe ihr Lebensgefährte geäußert, sie noch zu heiraten. Diesen Wunsch habe sie ihm nicht abgeschlagen, da er ihre große Liebe gewesen sei. Der Versicherte habe sein Versprechen, sie zu heiraten, einhalten wollen. Es gebe noch Menschen, die aus Liebe heiraten. Er fehle ihr so. Die Klägerin fügte ihrer Darstellung ein Bild des Versicherten bei, das ihn im Krankenbett auf der Palliativstation zeigt.
7Nach Einholung einer Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch Bescheid vom 31.01.2013 ab. Die vorgetragenen Gründe seien nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, zu widerlegen.
8Den hiergegen am 27.02.2013 eingelegten und nicht näher begründeten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 05.06.2013 zurück.
9Dagegen hat die Klägerin am 05.07.2013 Klage erhoben. Sie trägt vor, die Heirat sei nicht aus "versorgungstechnischen" Gründen erfolgt. Sie und der Versicherte seien schon im Mai 2003 zusammengezogen. Hintergrund der erst für Mai 2012 bzw. dann 2013 geplanten Eheschließung sei gewesen, dass der Versicherte jahrelang mit seinem – erwachsenen – Sohn um Kindesunterhalt gestritten habe; er habe nur seine Rente gehabt und sei deshalb nur gering leistungsfähig gewesen; er habe nicht gewollt, dass sie – die Klägerin – mit ihrem Einkommen mittelbar den Kindesunterhalt zahle. Wenn in einem solchen Fall Krebs dazwischen komme und man – um seine Liebe nach außen zu zeigen – "kurz vor Toresschluss" heirate, liege keine Versorgungsehe vor.
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.01.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2013 zu verurteilen, ihr eine große Witwenrente aus der Versicherung des am 19.11.2012 verstorbenen T. C. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie weist daraufhin, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung offenkundig gewesen sei. Sie meint, dass in einem solchen Fall ein Ausnahmetatbestand in der Regel nicht erfüllt sei. Das Bestehen einer Liebesheirat und die wiederholte Äußerung von Heiratsabsichten sowie das langjährige Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft reichten für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe nicht aus.
15Das Gericht hat die Klägerin zu den Umständen und Hintergründen der Eheschließung mit dem Versicherten in der mündlichen Verhandlung ausführlich befragt. Desweiteren ist darüber Beweis erhoben worden durch Vernehmung des Standesbeamten sowie der beiden Trauzeugen, die als Ärztin bzw. Krankenschwester auf der Palliativstation tätig sind. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 18.02.2014 verwiesen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen, die Klägerin und den Versicherten betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
19Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf große Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes.
20Zwar erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für eine große Witwenrente; denn sie ist die Witwe des am 19.11.2012 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren gem. § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt hatte; die Klägerin hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten auch das 47. Lebensjahr vollendet. Dem Anspruch auf die große Witwenrente steht jedoch der Ausschlusstatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI entgegen. Danach haben Witwen keinen Anspruch auf Witwenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich nur acht Tage vom 12.11. bis 19.11.2012. Unter Berücksichtigung aller ihr bekannt gewordenen Informationen, insbesondere aufgrund des Vorbringens der Klägerin und der Vernehmung der Zeugen M. (Standesbeamter), Dr. S. (Palliativmedizinerin und Trauzeugin) und J. (Palliativkrankenschwester und Trauzeugin) ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass auch nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
21§ 46 Abs. 2a SGB VI enthält eine gesetzliche Vermutung, mit der unterstellt wird, dass beim Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war. Diese gesetzliche Vermutung ist allerdings widerlegbar. Die Widerlegung der Rechtsvermutung erfordert nach § 202 SGG i.V.m. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils. Dies erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Urteil vom 05.05.2009 – B 13 R 55/08 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.02.2009 – L 3 R 80/08; LSG NRW, Urteil vom 10.02.2010 – L 8 R 134/09; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.01.2011 – L 16 R 936/10 ZVW; LSG NRW, Urteil vom 20.06.2012 – L 8 R 239/10; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2012 – L 11 R 392/11; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.09.2013 – L 27 R 765/12). Nach diesem Maßstab ist im Falle der Eheschließung der Klägerin und des Versicherten die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt.
22Als "besondere Umstände" im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatter an. Die "Annahme" des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind (BSG, Urteil vom 05.05.2009 – B 13 R 55/08 R – m.w.N.).
23Eine gewichtige Bedeutung kommt stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt ("kürzlich" und "unerwartet") eingetreten ist. Denn in diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, um so gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG, Urteil vom 05.05.2009 – B 13 R 55/08 R).
24Die Ehe der Klägerin und des Versicherten hat nur acht Tage gedauert. Am Tag der Heirat war die Krebserkrankung des Versicherten bereits weit fortgeschritten; er lag auf der Palliativstation, konnte Medikamente nicht mehr oral aufnehmen, erhielt auf künstlichem Wege Schmerzmittel, Beruhigungsmedikamente und Antibiotika, sein naher Tod zeichnete sich ab. Dies ergibt sich aus dem Bericht der Klinik für Palliativmedizin vom 26.11.2012 und den Darlegungen der Zeugin Dr. S., die den Kläger als Palliativärztin betreut hat. Die Zeugin J. hat erklärt, man habe den – erst wenige Tage vor dem Hochzeitstermin in der Palliativstation konkret geäußerten – Heiratswunsch realisieren wollen, solange der Versicherte dazu noch in der Lage gewesen sei. Wenn in einer solchen Situation und unter solchen Umständen "kurz vor Toresschluss" (wie es der Bevollmächtigte der Klägerin selbst formuliert hat) geheiratet wird, liegt die Annahme einer Versorgungsehe mehr als nahe. Die – äußeren und inneren – Umstände, die ersichtlich geworden, von der Klägerin vorgetragen oder von den Zeugen dargelegt worden sind, reichen nicht aus, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen.
25Die Klägerin und der Versicherte haben vor der Heirat mehr als neun Jahre eheähnlich zusammengelebt. Von der Klägerin ist von Beginn des Rentenantragsverfahrens stets betont worden, es sei eine Heirat aus Liebe gewesen. In der mündlichen Verhandlung hat sie – glaubwürdig und überzeugend – dargestellt, wie sehr sie den Versicherten und dieser sie geliebt habe. Ebenso hat die Klägerin wiederholt deutlich gemacht, der Versicherte habe ein ihr gegebenes Versprechen, nämlich sie zu heiraten, noch erfüllen wollen. In Bezug auf diese Motive geht die Kammer allerdings davon aus, dass – jedenfalls zum Zeitpunkt einer Heirat – "Liebe" das Motiv jeder Eheschließung ist. Ebenso geht in der Regel jeder Eheschließung eine Verlobung voraus, oftmals nicht im Sinne einer Feier, aber stets im Sinne ihrer eigentlichen Bedeutung, nämlich des Versprechens zweier Personen, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Der Umstand, dass sich die Eheleute geliebt haben, dass der Versicherte der Klägerin versprochen hatte, sie zu heiraten, und dass (auch) Liebe das Motiv zur Heirat war, bedeutet daher – gerade bei einer Heirat zu dem oben beschriebenen Zeitpunkt "kurz vor Toresschluss" und solange der Versicherte dazu noch in der Lage war – nicht, dass der Versorgungsgedanke keine oder allenfalls eine untergeordnete Bedeutung gespielt hat.
26Das langjährige Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft und gemeinsam geschaffene Werte bilden für sich allein keine gegen eine Versorgungsehe sprechenden gewichtigen Umstände. Der Wunsch, "seine Liebe nach außen zu zeigen" (vgl. Schriftsatz vom 04.10.2013) ist zwar nicht von vornherein – losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalles – ungeeignet, einen besonderen Umstand anzunehmen (so: BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 13 R 134/08 R). Wenn die Klägerin und der Versicherte mehr als zehn Jahre eheähnlich zusammen gelebt und – wie die Klägerin dargestellt hat – eine innige Liebensbeziehung aufgebaut haben, ohne zu heiraten, lässt dies aber eher den Schluss zu, dass sie der Ehe für ihre Liebe, ihre Beziehung und Bindung keine sehr große Bedeutung beigemessen haben. Einem langjährigen Zusammenleben "ohne Trauschein" liegt eher die bewusste Entscheidung zugrunde, eben nicht zu heiraten und damit nicht den vielfältigen gesetzlichen Regelungen, die für Eheleute gelten, zu unterliegen (Bayerisches LSG, Urteil vom 20.02.2013 – L 1 R 304/11; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.09.2013 – L 27 R 765/12).
27Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, zu der Zeit, als der Versicherte noch gearbeitet und Geld verdient habe, sei Heirat noch kein Thema gewesen; sie hätten nicht geheiratet, weil der Versicherte sie damals nicht gefragt habe. Später aber waren – auch wenn die Klägerin dies zunächst in Abrede gestellt hat ("Finanzielle Gründe waren für uns nicht maßgeblich, zu heiraten oder nicht zu heiraten.") – finanzielle Aspekte sehr wohl ein Grund, nicht zu heiraten. Dies war insbesondere zu der Zeit so, als der Sohn des Versicherten aus der ersten Ehe mit diesem um Kindesunterhalt stritt. Damals wollte der Versicherte nicht heiraten, um die Klägerin nicht mittelbar am Unterhalt für seinen Sohn zu beteiligen. Zwar haben – nach Darstellung der Klägerin – die Eheleute im Dezember 2011 beschlossen, im Mai 2012 heiraten zu wollen. Auch für diese Entscheidung aber gab es (zumindest auch) einen finanziellen Hintergrund. Nach Angaben der Klägerin ging es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr um den Kindesunterhalt, sondern "nur noch um Bafög für den Sohn"; da habe der Versicherte gesagt, "nun können wir auch heiraten". Ein konkreter Termin wurde jedoch nicht vereinbart, es gab keine Vorbereitungen bzgl. des Standesamtes, ihr (späterer) Mann sei "ein ziemlich spontaner Typ" gewesen. Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat, ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin, reichen aber nicht aus, um einen bereits vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten Heiratsentschluss annehmen zu können (LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 16.11.2010 – L 11 R 1135/10 – und vom 16.10.2012 – L 11 R 392/11).
28Die Kammer unterstellt der Klägerin nicht, dass das von ihr für die Heirat angeführte Motiv der großen Liebe nicht vorgelegen hätte. Im Gegenteil, die Kammer hält dieses Motiv für glaubhaft und überzeugend. Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung ist angesichts der festgestellten äußeren Umstände jedoch davon auszugehen, dass dieses Motiv nicht ausschlaggebend für die Heiratsabsicht war bzw. dass es sich hierbei im Verhältnis zur Versorgungsabsicht jedenfalls nicht um einen zumindest gleichwertigen Beweggrund gehandelt hat. Allein Liebe – in fast zehnjährigem Zusammenleben ohne Trauschein gewachsen und gefestigt – braucht keine Heirat im letzten Augenblick im Angesicht des Todes.
29Die Zeugin Dr. S. hat ausgesagt, der geistige Zustand bei dem Hirntumor habe es nicht ausgeschlossen, dass sich der Versicherte zum damaligen Zeitpunkt auch über die Versorgung seiner Ehefrau Gedanken machen konnte. Mit dem Wunsch des Versicherten, in Kenntnis des bevorstehenden Sterbens seine Lebensgefährtin noch zu heiraten, kann durchaus auch der von Liebe geprägte Gedanke verbunden gewesen sein, diese noch über den Tod hinaus unterstützen zu wollen und zu können. Die Klägerin verdien(te) als Verkäuferin im Einzelhandel monatlich 1.300 bis 1.400 EUR netto. Ausweislich der – fiktiven – Rentenberechnung, die die Beklagte erstellt hat, läge eine große Witwenrente nach dem so genannten Sterbevierteljahr unter Anrechnung des Einkommens bei knapp 200 EUR. Das Einkommen der Klägerin würde sich durch die Rente also um ca. 15 % erhöhen. Ob der Versicherte wirklich (auch) an die Versorgung der Klägerin gedacht hat, kann das Gericht nicht mehr ergründen. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI geht jedoch für die Konstellation einer Eheschließung wie im vorliegenden Fall gerade von dieser Annahme aus. Die Kammer sieht diese Annahme nicht als widerlegt an.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.
(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie
- 1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, - 2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder - 3.
erwerbsgemindert sind.
- 1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind, - 2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.
(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).
(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.
(1) Die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf
Die allgemeine Wartezeit gilt als erfüllt für einen Anspruch auf- 1.
Regelaltersrente, wenn der Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen hat, - 2.
Hinterbliebenenrente, wenn der verstorbene Versicherte bis zum Tod eine Rente bezogen hat.
(2) Die Erfüllung der Wartezeit von 20 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung an Versicherte, die die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung nicht erfüllt haben.
(3) Die Erfüllung der Wartezeit von 25 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf
- 1.
Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute und - 2.
Rente für Bergleute vom 50. Lebensjahr an.
(4) Die Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf
(5) Die Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.
(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie
- 1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, - 2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder - 3.
erwerbsgemindert sind.
- 1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind, - 2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.
(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).
(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.
Stellt das Gesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine Vermutung auf, so ist der Beweis des Gegenteils zulässig, sofern nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Dieser Beweis kann auch durch den Antrag auf Parteivernehmung nach § 445 geführt werden.
(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.
(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie
- 1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, - 2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder - 3.
erwerbsgemindert sind.
- 1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind, - 2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.
(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).
(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.