Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 03. Mai 2011 - 3 W 45/11

ECLI: ECLI:DE:POLGZWE:2011:0503.3W45.11.0A
published on 03/05/2011 00:00
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 03. Mai 2011 - 3 W 45/11
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I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 3. März 2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 1. hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 1. ist Mitglied einer Wohngemeinschaft rechtsgerichteter junger Männer (Beteiligte zu 2. bis 4.), die seit dem 16. Februar 2010 das Anwesen W... in B... bewohnen. Seit März des Jahres kommt es im Umfeld der W... gehäuft zu Sachbeschädigungen an öffentlichen Gegenständen und Flächen (Straßenlaternen, Straßenschilder, öffentliche Glascontainer, Fußgängerunterführungen usw.) durch das Verkleben von Plakaten und Aufklebern mit rechtsgerichteten Inhalten und Parolen gegen Tiermord/Tierversuche. Die Entfernung der Aufkleber ist mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden und führt in der Regel zur Beschädigung des Untergrundes.

2

Zwecks Sicherstellung von Aufklebern nach § 22 POG zur Abwendung weiterer Sachbeschädigungen hat das Polizeipräsidium K... am 22. Februar 2011 die Anordnung der Durchsuchung des Hauses W... in B... beantragt.

3

Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 3. März 2011 stattgegeben. Die Durchsuchung wurde am 10. März 2011 durchgeführt. In dem Anwesen wurden 18 kg Aufkleber sichergestellt, deren Inhalt den im Bereich der W... bereits verklebten Plakaten und Aufklebern entsprach. Ausweislich des Abschlussberichtes wurde zudem ein Eimer Kleister aufgefunden.

4

Mit der Beschwerde wendet sich der Beteiligte zu 1. gegen die Anordnung der Durchsuchung und begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Er wendet ein, es habe bereits eine Ermächtigungsgrundlage für das polizeiliche Einschreiten gefehlt. Der ermittelte Sachverhalt rechtfertige nicht den erforderlichen Anfangsverdacht. Allein das Verwahren von Aufklebern stelle weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit dar. Zudem sei die Maßnahme unverhältnismäßig gewesen.

II.

5

Die Beschwerde ist nach § 21 Abs. 1 Satz 2 POG Rheinland-Pfalz in Verbindung mit §§ 58 Abs. 1, 59, 63, 64 FamFG zulässig.

6

Dass infolge des Vollzugs der Durchsuchung die Erledigung der angegriffenen richterlichen Anordnung eingetreten ist, lässt das Rechtsschutzinteresse des Beteiligten zu 1. nicht entfallen. In der Durchsuchung seiner Wohnung liegt ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte des Beteiligten zu 1. im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, der ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer Rechtsverletzung nach § 62 Abs. 1 FamFG begründet (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits vor dem Inkrafttreten des FamFG; vgl. etwa Beschluss vom 30. April 1997 Az. 2 BVR 817/90).

7

Das Oberlandesgericht ist instanziell zur Entscheidung zuständig.

8

Im Einzelnen gilt Folgendes:

9

Nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG sind die Oberlandesgerichte in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen. Eine Legaldefinition der "Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit" enthält § 23 a Abs. 2 GVG; die Vorschrift benennt die Zuständigkeiten der Amtsgerichte in diesen Angelegenheiten ausdrücklich (BT-Drs. 16/6308 S. 319). Die Durchsuchung nach §§ 20, 21 POG Rheinland-Pfalz fällt zwar nicht in den Katalog des § 23 a Abs. 2 GVG. Insbesondere wird sie nicht von § 23 a Abs. 2 Nr. 11 GVG erfasst, da die Zuweisung nicht durch Bundesgesetz, sondern durch Landesgesetz erfolgt ist. Allerdings ist auch eine instanzielle Zuständigkeit des Landgerichts nicht eindeutig gegeben. Die Zivilkammern der Landgerichte sind gem. § 72 Abs. 1 GVG die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist. Ferner sind die Landgerichte die Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen und in den von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen. Auch hier ist die Durchsuchung nach dem POG Rheinland-Pfalz nicht vom Wortlaut der Vorschrift umfasst.

10

Für die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts spricht jedoch der Wille des Gesetzgebers, nach dem mit dem FGG-ReformG in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Zuständigkeitsverlagerung vom Landgericht zum Oberlandesgericht erfolgen sollte. Ausgenommen hiervon wurden Beschwerden gegen Entscheidungen der Betreuungsgerichte und gegen Entscheidungen in Freiheitsentziehungssachen. Wegen der regelmäßig geringeren räumlichen Entfernung der Landgerichte vom gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen und Untergebrachten sollten diese Angelegenheiten bei den Landgerichten verbleiben (BT-Drs. 16/6308, S. 319).

11

Fasst man die Durchsuchung nach § 20 ff. POG Rheinland-Pfalz unter § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG, ist das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 a GerOrgG Rheinland-Pfalz auch für den Bezirk des Oberlandesgerichts Koblenz örtlich zuständig.

12

In der Sache führt das Rechtsmittel nicht zum Erfolg.

13

Zu Recht hat das Amtsgericht das Erfordernis einer Anordnung der Durchsuchung des im Rubrum bezeichneten Anwesens bejaht. Nach §§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 22 Nr. 1 POG Rheinland-Pfalz ist das Betreten und das Durchsuchen einer Wohnung statthaft, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in der Wohnung Sachen befinden, die der Sicherstellung unterliegen. Eine Sache kann nach § 22 Nr. 1 POG sichergestellt werden, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 POG Rheinland-Pfalz folgt, dass bereits das Vorliegen eines Gefahrenverdachts Grundlage für ein ordnungsbehördliches Einschreiten sein kann, wofür es allerdings einer aus einer objektivierbaren Tatsachenbasis abgeleiteten Wahrscheinlichkeit einer befürchteten Rechtsgutsbedrohung bedarf (BVerfGE 110, 39 ff.).

14

Der Verdacht des Vorliegens einer gegenwärtigen Gefahr, zu deren Abwendung es der Sicherstellung der Aufkleber bedurfte, war gegeben. Der von dem Antragsgegner ermittelte Sachverhalt ließ den Schluss auf eine Gefahr für das polizeiliche Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zu. Dieser Begriff umfasst sowohl den Schutz der subjektiven Rechtsgüter des Einzelnen, wie auch den Schutz des Staates, seiner Einrichtungen und Veranstaltungen und den Schutz der Unverletzlichkeit der gesamten Rechtsordnung (Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - 3 W 201/10 -).

15

Unmittelbar nach dem Einzug der aus den Beteiligten zu 1. bis 4. bestehenden Wohngemeinschaft in die W... in B... wurden im Umfeld der Straße zahlreiche Plakate und Aufkleber mit rechtsextremen Inhalten und Aufkleber mit Parolen "Gegen Tiermord und Kapitalismus" festgestellt. Die Plakate/Aufkleber waren an Straßenschildern, Straßenlaternen, öffentlichen Müll- und Glascontainern, der Wand einer Fußgängerunterführung und anderen Teilen öffentlicher Gebäude angebracht. Das Bekleben öffentlicher Gegenstände und Gebäudeteile erfüllt den Tatbestand der Sachbeschädigung, da die Verkehrsschilder in ihrer Zweckbestimmung, die Gebäudeteile und Gegenstände in ihrer Ansehnlichkeit beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigung nur durch einen erheblichen Aufwand an Zeit, Arbeit und Kosten entfernt werden kann (s.a. OLG Karlsruhe MDR 1977, 774). Die Entfernung der Aufkleber ist in vielen Fällen mit einer Beschädigung des Untergrundes der Gegenstände/Gebäude verbunden.

16

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1. handelte es sich bei dem der Durchsuchungsanordnung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht um bloße Verdächtigungen oder Gerüchte. Nach den Ermittlungen des Antragstellers engagieren sich die Beteiligten zu 1. bis 4. in dem rechtsgerichteten "A... M...", das als Urheber einiger der bereits vorgefundenen Aufkleber zu erkennen ist. Zudem sind die Beteiligten zu 1. bis 4. nach den Feststellungen des Antragstellers bekennende Veganer, was für das Aufkleben der gegen Tierversuche und Tiermord gerichteten Plakate spricht. Darüberhinaus hat eine Zeugin auf eine Bekannte verwiesen, die sich häufig in dem Anwesen W... aufhält und die von der Ankunft neuer Aufkleber, insbesondere den Aufklebern mit dem Motto "Tiermord", berichtet habe.

17

Für die Annahme, dass die Beteiligten zu 1. bis 4. die Aufkleber (18 kg) nicht lediglich verwahren sondern (auch) selbst verkleben, spricht nicht nur die allgemeine Lebenserfahrung, sondern auch der Umstand, dass gerade im Umfeld des von ihnen bewohnten Anwesens diese Aufkleber gehäuft festgestellt und bei der Durchsuchung in der Wohnung ein Eimer Kleister gefunden wurde.

18

Angesichts der Häufigkeit der erfolgten Sachbeschädigungen und den mit der Beseitigung verbundenen Kosten, sowie dem Umstand, dass mildere Mittel nicht ersichtlich waren, entsprach die Durchsuchung auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.

20

Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat gem. §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO festgesetzt.

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(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Beurteilung des Beschwerd
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(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Beurteilung des Beschwerd
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published on 20/12/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS StB 16/11 vom 20. Dezember 2011 in dem Verfahren über den Einsatz besonderer Mittel der verdeckten Datenerhebung des Polizeipräsidiums - Antragsteller/Beschwerdeführer/Rechtsbeschwerdeführer - Verfahrensbevollmächtigte
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(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen und der in § 72a genannten Kammern, sind die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist. Die Landgerichte sind ferner die Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen und in den von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen.

(2) In Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes ist das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung anstelle dieses Gerichts ein anderes Landgericht im Bezirk des Oberlandesgerichts zu bestimmen. Sie können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.