Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 08. März 2012 - 3 W 36/12

ECLI: ECLI:DE:POLGZWE:2012:0308.3W36.12.0A
published on 08/03/2012 00:00
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 08. März 2012 - 3 W 36/12
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mainz vom 29. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 1) hat die amtsgerichtliche Anordnung des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufzeichnungen des Eingangsbereichs des Anwesens S... in M… für die Dauer von 30 Tagen beantragt. In diesem Anwesen wohnt der wegen Vergewaltigung in mehreren Fällen verurteilte und weiterhin im Hinblick auf die Begehung gleichgelagerter Straftaten für gefährlich erachtete Betroffene nach vollständiger Verbüßung von zwei Freiheitsstrafen. Der Beteiligte möchte ein Bewegungsprofil des Betroffenen erstellen. Er meint, damit Gefahren für potentielle Opfer abwehren zu können.

2

Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht Mainz durch Beschluss vom 5. September 2011 zurückgewiesen. Auf die durch die Kammer zugelassene Rechtsbeschwerde hin hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung der Kammer mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 (StB 16/11) mangels deren funktioneller Zuständigkeit aufgehoben und die Sache zur Entscheidung über die Beschwerde an den Senat verwiesen.

II.

3

1. Der Senat ist zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig (vgl. den vorgehenden Beschluss des BGH sowie Senat, NJW 2011, 3527).

4

2. Die nach §§ 28 Abs. 4 Satz 6, 21 Abs. 1 Satz 3 POG Rheinland-Pfalz in Verbindung mit §§ 58 Abs. 1, 59, 63, 64 FamFG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zutreffend hat das Amtsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 POG für die beantragte Maßnahme verneint.

5

Die Erstellung eines Bewegungsprofils durch Bildaufzeichnungen von der Eingangstür des Anwesens ist auch nach Ansicht des Senats ungeeignet, um die von dem Betroffenen ausgehende Gefahr der Begehung schwerer Straftaten abzuwenden oder so maßgeblich zu verringern, dass dies den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen sowie Dritter rechtfertigen könnte. Die hier beantragte Überwachung des Hauseinganges durch eine Kameraaufnahme erlaubt alleine festzustellen, wann der Betroffene das Anwesen verlässt und wann er es wieder betritt. Hieraus lassen sich ggf. gewisse Regelmäßigkeiten beim Verlassen und Wiederaufsuchen des Hauses ableiten und in ihrer Folge lässt sich die weitere Überwachung des Betroffenen durch Polizeibeamte teilweise planen. Es ist aber völlig ungewiss, ob der Betroffene, sollte er zur Begehung einer Straftat ansetzen, dies tut, nachdem er das Anwesen zu einer dem Bewegungsprofil zufolge „typischen Zeit“ oder aber zu einer für ihn untypischen, durch das Bewegungsprofil nicht abgebildeten Zeit verlassen hat. Da die Bildaufzeichnungen auch nicht „live“ betrachtet werden sollen, sondern lediglich täglich ausgewertet werden, können auch etwaige Gefahren für Begleiterinnen des Betroffenen, mit denen zusammen er z.B. das Anwesen betritt, jedenfalls nicht sogleich festgestellt werden.

6

Um Feststellungen über die sonstige Tagesstruktur, Sozialkontakte, Beziehungen und Aufenthaltsorte zu treffen, wie in dem Antrag angegeben, ist die Maßnahme jedenfalls weitgehend ungeeignet. Sonstige Sozialkontakte und Beziehungen des Betroffenen lassen sich nur hinsichtlich solcher Personen feststellen, die zusammen mit ihm das Anwesen betreten oder verlassen, wobei sich zr Qualität dieser Beziehungen alleine hieraus kaum etwas wird ableiten lassen. Sonstige Aufenthaltsorte lassen sich mit Hilfe der beantragten Maßnahme ersichtlich überhaupt nicht ermitteln.

7

Die Maßnahme ist im Weiteren ungeeignet und zugleich deshalb auch nicht verhältnismäßig, weil nicht ersichtlich ist, weshalb die Antragstellerin, die den Betroffenen bereits seit Monaten planmäßig beobachtet, nicht bereits aufgrund der Erkenntnisse aus dieser Beobachtung in der Lage ist, ein für die Zwecke der Gefahrenabwehr ggf. geeignetes Bewegungsprofil zu erstellen, warum es ihr andererseits nach einer 30-tägigen Bildaufzeichnung (eher) möglich sein soll, dies zu tun. In der von der Antragstellerin begehrten Maßnahme liegt demnach – wenn überhaupt – lediglich ein so geringer Nutzen, dass diesen den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen sowie Dritter nicht rechtfertigen kann.

8

3. Die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, der keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.

9

4. Die Entscheidung ergeht in entsprechender Anwendung von § 128c Abs. 2 Satz 2 KostO gerichtsgebührenfrei.

Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}


(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Beurteilung des Beschwerd
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Beurteilung des Beschwerd
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 20/12/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS StB 16/11 vom 20. Dezember 2011 in dem Verfahren über den Einsatz besonderer Mittel der verdeckten Datenerhebung des Polizeipräsidiums - Antragsteller/Beschwerdeführer/Rechtsbeschwerdeführer - Verfahrensbevollmächtigte
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.