Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 23. Juli 2012 - 4 L 114/12
Gericht
Gründe
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Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat die Beklagte nicht in hinreichender Weise aufgezeigt.
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Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist immer schon dann erfüllt, wenn im Zulassungsverfahren ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Schlüssige Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn mit dem Zulassungsantrag substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (so BVerfG, Beschl. v. 20. Dezember 2010 - 1 BvR 2011/10 -, zit. nach JURIS).
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Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
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Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die zum 1. September 2003 in Kraft getretene Änderung des Wassergesetzes Sachsen-Anhalt hinsichtlich des Anschlusszwanges an eine leitungsgebundene öffentliche Niederschlagswassereinrichtung finde auf solche Altfälle keine Anwendung, bei denen der Anschluss- und Benutzungszwang vor dem 1. September 2003 durch Verwaltungsakt bereits ausgesprochen worden sei.
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Gemäß § 8 Nr. 2 Satz 1 GO LSA kann die Gemeinde im eigenen Wirkungskreis durch Satzung insbesondere für die Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an Wasserleitung, Kanalisation, Straßenreinigung, Fernwärmeversorgung und ähnliche der Gesundheit der Bevölkerung dienende Einrichtungen (Anschlusszwang) und die Benutzung dieser Einrichtungen, der öffentlichen Begräbnisplätze, Bestattungseinrichtungen und Schlachthöfe (Benutzungszwang) vorschreiben, wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür feststellt.
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Der Frage, welche Rechtswirkungen ein zur Durchsetzung bzw. Konkretisierung des durch Satzung vorgeschriebenen Anschluss- und Benutzungszwangs erlassener Verwaltungsakt gegenüber einer Änderung der dazu einschlägigen Normen des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt entfaltet, muss hier aber schon deshalb nicht nachgegangen werden, weil die Beklagte das Bestehen eines solchen Verwaltungsaktes für das klägerische Grundstück nicht dargelegt hat. Nach ihrem Vorbringen sei der „Ausspruch des Anschluss- und Benutzungszwangs“ durch „Realakte“ erfolgt. Denn das streitbefangene Grundstück gehöre zur „K-siedlung, die beginnend ab dem Jahr 1933 als Reichssiedlung für Arbeitslose errichtet“ worden sei. Dabei habe die Beklagte „- gestützt von Fördermitteln des Reichsfinanzministeriums - Grund und Boden sowie Baumaterialien zur Verfügung“ gestellt, und von sämtlichen Grundstücken sei das Niederschlagswasser im Mischsystem durch Leitungen entsorgt worden. Auch die „soweit ersichtlich erste veröffentlichte“ Abwassersatzung vom 14. Februar 1994 habe den Anschluss- und Benutzungszwang für Mischwasser vorgesehen.
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Abgesehen davon, dass schon nach dem Vorbringen der Beklagten im zeitlichen Anwendungsbereich der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt und einer Abwassersatzung der Beklagten kein Verwaltungsakt hinsichtlich des klägerischen Grundstücks erfolgt sein soll, erfüllten auch die von der Beklagten als „Realakte“ bezeichneten Maßnahmen in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts ersichtlich nicht die Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes Sachsen-Anhalt für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes. Es ist noch nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass hinsichtlich des klägerischen Grundstücks zur Regelung eines Einzelfalls von einer Behörde eine hoheitliche Maßnahme zum Anschluss- und Benutzungszwang getroffen worden ist.
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2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat die Beklagte ebenfalls nicht aufgezeigt. Eine solche Bedeutung ist nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich und im Sinne der Rechtseinheit oder zur Fortbildung des Rechts klärungsbedürftig ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1. Februar 2008 - 2 BvR 2575/07 -; Beschl. v. 29. Juli 2010 - 1 BvR 1634/04 -; jeweils zit. nach JURIS m.w.N.).
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Zu der von der Beklagten formulierten Frage, „ob die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes eine günstigere Regelung zu Gunsten des Grundstückseigentümers verhindert“, hat sie schon die Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt. Der bloße Hinweis, das angerufene Gericht habe „sich bislang ausschließlich mit der Frage befasst, welche Bedeutung die Neufassung des Wassergesetzes hat, ohne sich mit der Bestandskraft von Verwaltungsakten auseinanderzusetzen“, genügt nicht.
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Darüber hinaus wäre eine solche Rechtsfrage in einem Berufungsverfahren nicht zu entscheiden, weil die Beklagte das Bestehen eines derartigen Verwaltungsakts - wie oben unter 1. ausgeführt - nicht hinreichend dargelegt hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 2 GKG. Für eine eigentlich gebotene Festsetzung des Streitwertes in Anlehnung an den sog. Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.) Nr. 22.4 liegen schon keine ausreichenden Angaben der Beteiligten vor. Darüber hinaus ist fraglich, ob bzw. in welcher Höhe bei einem vorhandenen Anschluss auch die entstandenen Anschlusskosten anzusetzen sind. Der Senat hält daher eine Heranziehung des Auffangstreitwertes für angemessen.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Annotations
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
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wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
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vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
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die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.