Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 18. Juni 2014 - 3 M 255/13
Gründe
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Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 28. Mai 2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. Mai 2013 hinsichtlich der Ziffern 2. und 3. wiederhergestellt und zu Ziffer 4. angeordnet.
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Gemäß § 14 Abs. 1 GefHundG i. V. m. §§ 13, 3 Nr. 3 Buchst. a SOG LSA können die zuständigen Sicherheitsbehörden die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden. Eine solche Gefahr für die öffentliche Sicherheit kann auch dann vorliegen, wenn ein Hundehalter einen sog. Listenhund i. S. d. § 3 Abs. 2 GefHundG hält, ohne dass gemäß § 4 Abs. 1 GefHundG durch Vorlage eines Wesenstests i. S. d. § 10 Abs. 2 GefHundG binnen sechs Monaten nach Beginn der Haltung des Hundes gegenüber der zuständigen Behörde die Fähigkeit des Hundes zu sozialverträglichem Verhalten nachgewiesen worden ist.
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach der nur gebotenen summarischen Prüfung die Voraussetzungen für die Anordnung des Maulkorb- und Leinenzwanges hinsichtlich des Hundes „(...)“ mit der Transpondernummer (276...) (Ziffer 2.) und die Anordnung, dass dieser Hund außerhalb des Grundstückes der Antragstellerin nur von der Halterin selbst geführt werden darf (Ziffer 3.) sowie die Androhung eines Zwangsgeldes für Zuwiderhandlungen gegen die Ziffern 2. und 3. (Ziffer 4.) nicht vorliegen, da der von der Antragstellerin gehaltene Miniatur Bullterrier nicht zu den in § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland vom 12. April 2001 (Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz - HundVerbrEinfG -, BGBl. I S. 530) genannten Hunden zählt, deren Gefährlichkeit gemäß § 3 Abs. 2 GefHundG vermutet und deren Haltung nur unter den in § 4 Abs. 1 GefHundG genannten Voraussetzungen erlaubt ist. Nach § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG dürfen Hunde der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier sowie deren Kreuzung untereinander oder mit anderen Hunden nicht in das Inland eingeführt oder verbracht werden. Eine landesrechtliche Regelung, die die listenmäßige „Gefährlichkeit“ der vorgenannten Hunde durch weitere Rassen ergänzt, existiert in Sachsen-Anhalt nicht. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass Hunde der Rasse Miniatur Bullterrier nicht mit Hunden der in § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG genannten Rassen gleichzusetzen sind. Aus den Verwaltungsakten ergeben sich auch keine Umstände, welche darauf schließen lassen, dass der in Rede stehende Hund durch bestimmte Verhaltensweisen (z. B. einen Beißvorfall) auffällig geworden ist, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt nicht vom Vorliegen einer Gefahr i. S. d. § 3 Nr. 3 Buchst. a SOG LSA ausgegangen werden kann.
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Grundsätzlich erfährt die Aufstellung einer sog. Rasseliste und das unter Vorbehalt stehende Verbot der Haltung der in der Liste des § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG aufgeführten Hunde seine Rechtfertigung in dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck der Gefahrenvorsorge. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 16. März 2004 (1 BvR 1778/01, juris) das vom Bundesgesetzgeber erlassene Einfuhr- und Verbringungsverbot in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundEinfVerbrG für bestimmte, in sog. Rasselisten zusammengefasste Hunderassen auch im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 GG als verfassungsgemäß angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Gesetzgeber bei der Einschätzung von Gefahren, die der Allgemeinheit drohten, und bei der Beurteilung der Maßnahmen, die der Verhütung und Bewältigung dieser Gefahren dienen sollten, ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zustehe, dessen Grenzen erst überschritten seien, wenn die gesetzgeberischen Erwägungen so fehlsam seien, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben könnten. Die der angegriffenen Regelung in abstrakter Betrachtung zugrunde gelegte Annahme, dass Hunde der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier für Leib und Leben von Menschen so gefährlich seien, dass ihre Einfuhr und ihr Verbringen in das Inland unterbunden werden müssten, sei vertretbar und nicht offensichtlich unrichtig. Die Vorschrift verstoße auch nicht gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, da sie die Hunde hinreichend klar nach der Zugehörigkeit zu den in ihr genannten Rassen bezeichne, deren Einfuhr und Verbringen in das Inland unterbunden werden soll.
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Es ist dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums dabei grundsätzlich unbenommen, bei der Bestimmung des Begriffs „Rasse“ auf Kriterien zurückzugreifen, die von anerkannten Fachverbänden, wie etwa dem internationalen kynologischen Verband Fédération Cynologique Internationale (FCI) mit Sitz in Thuin/Belgien, entwickelt worden sind (vgl. Beschl. d. Senates v. 14.10.2013 - 3 M 229/13 -, juris). Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Einteilung der verschiedenen Rassen bei Hunden nicht nach naturwissenschaftlichen Methoden (metaphysische und erkenntnistheoretische Prämissen, Empirie und Experiment, Induktion, Deduktion, Verifikation und Falsifikation, Reduktion, mathematische Beschreibung, Hypothesen- und Theoriebildung) ermittelt worden ist, sondern auf normähnlichen Entscheidungen in Gestalt von Rassestandards von Interessenverbänden wie dem FCI beruht.
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Von der Definition von Hunderassen anhand der von Fachverbänden entwickelten Kriterien ist offenbar auch der Bundesgesetzgeber bei der Beschlussfassung über das Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz ausgegangen. In der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde heißt es (BT-Drs. 14/4451, S. 13): „Im Entwurf des Gesetzes zur Beschränkung des Verbringens gefährlicher Hunde in das Inland werden in § 1 Abs. 1 drei Hunderassen genannt. Aus hiesiger Sicht fehlt der Bullterrier. Das Fehlen des Bullterriers stellt einen Wertungswiderspruch dar, da dieser wie auch die aufgeführten Rassen zur gleichen Gruppe gehören (vgl. FCI - Gruppe III - der bullartigen Terrier). Der Bullterrier unterscheidet sich weder in Größe, Gewicht oder Art noch Abstammung wesentlich von den dort aufgeführten Hunderassen, so dass die Aufzählung um den Bullterrier ergänzt werden müsste, ohne den Staffordshire-Bullterrier zu streichen.“ Weitergehende Hinweise auf die von der FCI anerkannten Rassestandards enthalten weder die Beschlussempfehlung und der Bericht des Innenausschusses des Bundestages vom 06. Dezember 2000 (BT-Drs. 14/4920) noch die zu Protokoll gegebenen Redebeiträge in der 2. Beratung des Entwurfes des Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde vom 8. Dezember 2000 (Plenarprotokoll 14/141, S. 13867 f.). Eine Bezugnahme im Sinne einer statischen oder dynamischen Verweisung auf die von Hundeverbänden entwickelten Rassestandards enthält weder das Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz des Bundes noch das Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vom 23. Januar 2009.
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Bei der Auslegung des § 2 HundVerbrEinfG bzw. § 3 Abs. 2 GefHundG ist zudem der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen grundsätzlich so genau zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit grundsätzlich nicht entgegen; allerdings müssen sich aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris). Wenn - wie hier - eine gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 5 GefHundG bußgeldbewehrte Verbots- bzw. Gebotsvorschrift im Streit steht, muss sich diese zudem an den strengeren Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG bzw. Art. 7 EMRK messen lassen. Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein besonderes Bestimmtheitsgebot. Der Gesetzgeber ist danach verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Sie soll einerseits sicherstellen, dass die Normadressaten vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Sie soll andererseits gewährleisten, dass der Gesetzgeber über die Strafbarkeit oder die Bußgeldvoraussetzungen selbst entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung oder einer Verhängung von Geldbußen festzulegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.11.2009 - 1 BvR 2717/08 -, NJW 2010, 754). Das schließt allerdings nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die der Deutung durch den Richter bedürfen. Auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Ferner ist es wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Straf- und Bußgeldnormen unvermeidlich, dass in Einzelfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Zweifel in solchen Grenzfällen aber führen allein nicht zur Unvereinbarkeit der Vorschrift auch mit Art. 7 EMRK, solange sie sich für die große Mehrzahl aller Fälle als klar genug erweist. Der Begriff der Vorhersehbarkeit hängt dabei weitgehend vom Inhalt der Vorschrift ab, um die es geht, dem Sachbereich der Regelung sowie der Anzahl und dem Kreis der Personen, an die sie sich richtet. Vorhersehbar kann eine gesetzliche Vorschrift auch dann sein, wenn der Betroffene Rechtsrat einholen muss, um in einem den Umständen nach vernünftigem Ausmaß die Folgen eines bestimmten Verhaltens abzuschätzen (zur Auslegung von Art. 7 EMRK: EGMR, Urt. v. 06.10.2011 - 50425/06 - „Soros/Frankreich“ -, NJW-RR 2012, 1502).
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Gemessen an diesen Maßstäben ist festzustellen, dass der Gesetzgeber weder selbst Rassebeschreibungen im HundVerbrEinfG bzw. GefHundG aufgenommen noch geregelt hat, welche privaten Verbände nach welchen formellen und materiellen Maßgaben Rassestandards bestimmen dürfen. Es ist dem Gesetzgeber zwar nicht grundsätzlich untersagt, hinsichtlich der Definition bestimmter Rechtsbegriffe auf seine eigene Rechtssetzungsbefugnis zu verzichten und - der Sache nach - auf Regelungen privater Verbände zu verweisen. Private Regelungen - z. B. Zuchtregelungen von privaten Züchtervereinigungen - dürfen jedoch dann nicht zur Grundlage staatlicher Maßnahmen mit grundrechtsbeschränkender Wirkung gemacht werden, wenn sie gemäß den rechtsstaatlichen Anforderungen nicht hinreichend bestimmt sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.12.1993 - 1 BvR 1368/90 -, juris und Beschl. v. 25.05.1993 - 1 BvR 345/83 -, juris, jeweils zu Formulierungen in Satzungen von Zuchtverbänden über das Zuchtziel von Pferderassen). Auch darf eine Verweisung von staatlichen Gesetzen auf private Regelungen nicht dazu führen, dass der Bürger schrankenlos der normsetzenden Gewalt eines privaten Verbandes ausgeliefert wird, der ihm gegenüber weder staatlich-demokratisch noch mitgliedschaftlich legitimiert ist. Nur soweit der Inhalt der privaten Regelungen, auf die staatliche Rechtsnormen verweisen, im Wesentlichen feststeht, kann von einem unzulässigen Verzicht des Gesetzgebers auf seine Rechtsetzungsbefugnisse nicht die Rede sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.06.1983 - 2 BvR 488/80 -, juris; BVerwG, Urt. v. 27.06.2013 - 3 C 21.12 -, juris zu DIN-Normen; OVG Münster, Urt. v. 06.12.2013 - 9 A 543/11 -, juris zu nicht in deutscher Sprache veröffentlichten Regelungen der International Telecommunication Union).
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Hinsichtlich der von der FCI und anderen Hundeverbänden anerkannten Rassestandards ist zunächst festzustellen, dass diese als Grundlage bei der Zuchteignungsprüfung herangezogen werden, um die Übereinstimmung des Hundes mit den äußerlichen Merkmalen und Wesenseigenschaften seiner Rasse zu bewerten. Funktion dieser Rassestandards, wie sie sowohl von der FCI als auch von nationalen Hundezuchtverordnungen festgelegt worden sind, ist dabei nicht die möglichst trennscharfe Abgrenzung verschiedener Hunderassen. Nach dem Modellstandard der FCI (Erster FCI-Modellstandard, verabschiedet auf der Generalversammlung in Jerusalem 28./29. Juni 1987 und vom Vorstand in Wien im Juli 2009 revidiert, veröffentlicht auf www.fci.be) sollen die Rassestandards Dokumente darstellen, welche den Rasse-Urtyp methodisch beschreiben. In diesem Standard soll nur das beschrieben werden, was mit bloßem Auge erkannt werden kann. Insgesamt soll ein Rassestandard darstellen, was von Züchtern und Wertungsrichtern verwendet wird, um zu bewerten, ob der rassereine Hund ein Temperament hat, das eine Beurteilung ermöglicht; ob er die typischen Merkmale seiner Rasse besitzt bzw. sich fehlerfrei bewegt. Der Rassestandard stellt daher ein Dokument für den korrekten Rassetyp und ein Schema für die Beurteilung von rassereiner Zucht dar. Aus den Rassestandards wird auch deutlich, dass das Fehlen eines phänotypischen Merkmals oder die nicht „standardgerechte“ Ausformung eines solchen phänotypischen Merkmals nicht dazu führt, dass ein bestimmter Hund nicht als der betreffenden Rasse zugehörig angesehen wird, sondern (nur) dazu führt, dass der Hund auf Leistungsschauen wegen dieses „Fehlers“ ggf. nicht zu prämieren ist bzw. nicht weiter in der Zucht verwendet werden soll, um eine „standardgerechte“ Weiterführung der Zuchtlinien zu gewährleisten.
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Es lässt sich zudem weder dem Wortlaut noch der Gesetzgebungsgeschichte hinreichend eindeutig entnehmen, dass der Gesetzgeber in § 2 HundVerbrEinfG statisch auf die bei Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Rassestandards der FCI Bezug genommen hat und zudem z. B. das Geburtsdatum eines Hundes als maßgeblich für die Rassezuordnung angesehen hat. Der Wortlaut der Vorschrift lässt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ohne weiteres auch eine Auslegung dahingehend zu, dass die im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung geltenden (und zumindest im Internet veröffentlichten) Rassestandards maßgeblich sind. Auch der Gesetzgebungsgeschichte lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass der Bundesgesetzgeber im Jahr 2001 bzw. der Landesgesetzgeber in Sachsen-Anhalt im Jahr 2009 für die Zuordnung von Hunden zu den in § 2 HundVerbrEinfG aufgeführten Rassen statisch auf einen vorgefundenen Bestand an Hunderassen verwiesen hat und nicht dynamisch auch nach Inkrafttreten des Gesetzes eintretende Veränderungen bei den Rassestandards berücksichtigt wissen wollte. Wie oben bereits ausgeführt, hat der Gesetzgeber zwar auf die Rassestandards der Gruppe III der FCI (Bullartige Terrier) verwiesen und zur Begründung der Aufnahme des Bullterriers in die Rasseliste die phänotypische Vergleichbarkeit dieser Rasse mit den anderen in der Liste aufgeführten Rassen angeführt. Dieser Verweis erfasst jedoch bereits nicht alle in § 2 HundVerbrEinfG aufgeführten Hunderassen, da die FCI außer für den Bullterrier (Standard Nr. 11) bislang nur den für American Staffordshire Terrier (Standard Nr. 286) und Staffordshire Bullterrier (Standard Nr. 76) einen Rassestandard definiert hat, welcher seit 2001 unverändert geblieben ist. Für den ebenfalls in § 2 HundVerbrEinfG genannten Pit Bull Terrier fehlte zum Inkrafttreten des Gesetzes und fehlt auch aktuell noch ein Rassestandard der FCI. Insofern geht für den Pitbull Terrier der Verweis in der Stellungnahme des Bundesrates auf die Standards der FCI fehl. Für den (American) Pit Bull Terrier haben z. B. der in den USA ansässige United Kennel Club, welcher nicht dem FCI angehört, sowie die American Dog Breeders Association und einige nationale Hundeverbände (wie z. B. der American Pit Bull Terrier Club Schweiz) eigene, zum Teil divergierende Rassestandards festgelegt.
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Im Weiteren weisen der FCI-Standard Nr. 11 für den Bullterrier und der Standard Nr. 359 für den Miniatur Bullterrier hinsichtlich einzelner phänotypischer Merkmale begrifflich unbestimmte und nicht hinreichend objektivierbare Beschreibungen auf. Hinsichtlich des Bullterriers heißt es etwa:
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„Augen: Erscheinen schmal, schräg eingesetzt und dreieckig, gut eingebettet, schwarz oder so dunkelbraun wie möglich um nahezu wie schwarz zu wirken, mit einem durch-dringenden Glitzern.
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Ohren : Klein, dünn und nahe zueinander angesetzt. Ein Bullterrier sollte in der Lage sein die Ohren steif aufgerichtet zu halten, wenn sie gerade nach oben zeigen.“
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Im Rassestandard Nr. 359 der FCI vom 23. Dezember 2011 für den Miniatur Bullterrier heißt es hinsichtlich der Größe des Hundes: „Die Widerristhöhe sollte 35,5 cm nicht überschreiten. Es sollte ein Eindruck von Substanz im Verhältnis zur Größe des Hundes vorhanden sein. Es gibt keine Gewichtsgrenze. Die Hunde sollten immer harmonisch sein.“
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Außerdem wird z. B. von Tierärzten eine Rassebestimmung bei Hunden anhand von phänotypischen Merkmalen, die von Zuchtverbänden bestimmt worden sind, als wenig geeignet für eine hinreichend verlässliche Zuordnung zu einer bestimmten Hunderasse angesehen. So hat der Vizepräsident der Tierärztekammer des Landes Sachsen-Anhalt Dr. Kutschmann (zugleich auch Mitglied des Bundesvorstandes des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte e.V.) auf einem Symposium zur Evaluierung des Hundegesetzes Sachsen-Anhalt in Aschersleben am 30. Mai 2013 ausgeführt, dass die Zuordnung zu einer Rasse in der Praxis schwierig sei. Es gebe derzeit keine praktikable Methode, Hunde sicher einer bestimmten Rasse zuzuordnen. Man gehe immer vom Phänotyp aus, welcher oft sehr variabel sei (vgl. www.mi.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/ MI/MI/PDF_Dokumente/Abteilung_2/Hundegesetz/Tagungsdokumentation_zum_Symposium_Hundegesetz.pdf). Diese Einschätzung deckt sich mit Untersuchungen, die in den letzten Jahren insbesondere zu Mischlingshunden in den USA durchgeführt worden sind. Bei einer Untersuchung im Jahr 2012 wurde dort bei 20 Mischlingshunden zunächst eine DNA-Untersuchung durchgeführt, um die genetisch dominierende Rasse zu ermitteln. Danach wurde 900 Personen, welche über besondere Erfahrungen im Umgang mit Hunden haben, neben der Mitteilung von Geschlecht, Größe, Gewicht und Alter eine Videoaufnahme des jeweiligen Hundes vorgeführt und um eine Einschätzung gebeten, welche Rasse nach den phänotypischen Merkmalen als dominant angesehen wird. Bei 14 der 20 Hunde erkannten weniger als 50 % der Befragten die Rasse als prägend, die sich aus dem DNA-Befund ergab. Lediglich bei sieben Hunden konnten sich die Befragten zu mehr als 50 % auf eine als dominant erkannte Rasse verständigen, bei drei von diesen sieben Hunden stimmte das Ergebnis nach der phänotypischen Bewertung nicht mit dem genetischen Testergebnis überein (vgl. Voith et al., Comparison of Visual and DNA Breed Identification of Dogs and Inter-Observer Reliability, American Journal of Sociological Research 2013, 17, veröffentlicht unter article.sapub.org/pdf/10.5923.j.sociology.20130302.02.pdf).
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Eine hinreichend valide Rassezuordnung mittels eines DNA-Testes ist nach dem derzeitigen Wissenstand trotz beachtlicher Fortschritte in den letzten Jahren (vgl. hierzu Gunreben u. a., Genetische Rassezuordnung von Hunden, Kleintiermedizin 2011, 72) selbst bezüglich nur der von der FCI anerkannten Rassen noch nicht möglich, da derzeit nur von ca. der Hälfte der von der FCI erfassten Hunderassen Vergleichsmaterial in den Unternehmen vorliegt, die DNA-Tests bei Hunden durchführen (vgl. z. B. die 200 Rassen umfassende Liste bei www.wisdompanel.com/breeds). Für den Bullterrier und den Miniatur Bullterrier liegt allerdings bereits differenziertes genetisches Vergleichsmaterial vor (vgl. z. B. die Übersicht bei www.dogdna.de/hunderassen/rassenliste_2013.pdf).
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Stellt man für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die oben aufgeführten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 3 Abs. 2 GefHundG zurück, ist § 3 Abs. 2 GefHundG i. V. m. § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG und den von der FCI bestimmten Rassestandards für Bullterrier und Miniatur Bullterrier verfassungskonform so auszulegen, dass die „Soll-Bestimmung“ für die maximale Widerristhöhe eines Miniatur Bullterriers im FCI-Standard Nr. 359 den Regelfall darstellt, welcher die phänotypische Abgrenzung zwischen den beiden Hunderassen ermöglicht. Die Rassestandards für den Bullterrier und den Miniatur Bullterrier unterscheiden sich nur hinsichtlich der Größe, insofern als bei einem Miniatur Bullterrier eine Widerristhöhe von 35,5 cm nicht überschritten werden „soll“. Nach dem insofern auch von der Antragsgegnerin nicht bestrittenen Sachverhalt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erfüllt der in Rede stehende Hund hinsichtlich der Widerristhöhe die Maßgaben des Standards Nr. 359 für den Miniatur Bullterrier, so dass der in Rede stehende Hund nach derzeitigem Sachstand nicht den in § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG aufgeführten Rassen zuzuordnen ist. Die Antragsgegnerin hat keine Messung der Widerristhöhe des Hundes vorgelegt, welche es als fraglich erscheinen lassen könnte, dass der Hund noch dem für Miniatur Bullterrier geltenden Rassestandard entspricht. Hinzu kommt, dass wie sonst auch grundsätzlich bei belastenden Verwaltungsakten bei nicht aufklärbaren Zweifelsfällen hinsichtlich der Rasseeigenschaft eines Hundes die Antragsgegnerin die Beweislast trägt. Eine Umkehr der Beweislast zulasten des Hundehalters ist anders als in anderen Bundesländern (z. B. § 2 Abs. 4 des Hamburgischen Gesetzes über das Halten und Führen von Hunden vom 26. Januar 2006, HmbGVBl. 2006, 37; § 3 Abs. 2 des Hundegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2002, GV NRW 2002, 656; § 3 Abs. 2 des Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren vom 22. Juni 2011, GVBl. 2011, 93) in § 3 Abs. 2 GefHundG nicht vorgesehen.
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Der Einwand der Antragsgegnerin, dass es sich jedenfalls bei den hier in Rede stehenden Miniatur Bullterriern um Kreuzungen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG aufgeführten Rassen handele, bei denen gemäß § 3 Abs. 2 GefHundG ebenfalls die Vermutung der Gefährlichkeit besteht, greift ebenfalls nicht durch. Die Argumentation der Antragsgegnerin, dass es sich bei dem Miniatur Bullterrier jedenfalls bis 2011 auch nach Auffassung der FCI nur um eine Varietät des (Standard-) Bullterrier gehandelt habe und daher die Elterntiere des hier in Rede stehenden, im Mai 2010 geborenen Miniatur Bullterriers jedenfalls im Zeitpunkt der Geburt des Hundes ausschließlich als (Standard) Bullterrier anzusehen gewesen seien, was zur Folge habe, dass der streitgegenständliche Hund als ein aus einer Kreuzung mit zumindest einem (Standard-) Bullterrier hervorgegangener Hund anzusehen sei, stellt die erstinstanzliche Entscheidung nicht in Frage. Die Antragsgegnerin legt mit der Beschwerdebegründung nicht dar, dass erst mit der Anerkennung durch die FCI eine neue Hunderasse gleichsam „konstitutiv“ entsteht. Nach den Statuten der FCI können Hunde von Rassen, die von der FCI und den in der FCI zusammengeschlossenen Verbänden (noch) nicht anerkannt sind, an Ausstellungen und Zuchtschauen, die von der FCI und den ihr angeschlossenen Verbände ausgerichtet werden, nicht teilnehmen. Ferner ist mit der Anerkennung der Hunderasse durch die FCI die gegenseitige Anerkennung der Zuchtbücher der Mitglieds- und Partnerverbände verbunden. Insofern hat die Anerkennung einer Hunderasse durch die FCI zwar Auswirkungen im Bereich der Zucht und des Haltens eines Hundes. Sie hat aber nicht die zwingende Folge, dass eine nach gemeinsamen phänotypischen Merkmalen gegenüber anderen Hunden abgrenzbare Gruppe von Hunden vor der Anerkennung durch die FCI nicht als eigenständige Hunderasse angesehen werden kann. Hinzu kommt, dass auch schon vor 2011 in der veterinärmedizinischen Praxis (vgl. Steinfeldt: „Kampfhunde“. Geschichte, Einsatz, Haltungsprobleme von „Bull-Rassen“. Diss. med. vet. Hannover 2002, S. 67) und in der behördlichen Praxis in anderen Bundesländern zwischen den Rassen Bullterrier und Miniatur Bull Terrier unterschieden wurde (sog. Hundebericht Nordrhein-Westfalen vom 17.05.2011 für das Berichtsjahr 2010, S. 8: seit dem Jahr 2009 Einstufung der Rasse Miniatur Bullterrier als sog. kleiner Hund: www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV14-2232.pdf).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt der erstinstanzlichen Wertfestsetzung.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.
Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 18. Juni 2014 - 3 M 255/13
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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 18. Juni 2014 - 3 M 255/13 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden dürfen nicht in das Inland eingeführt oder verbracht werden. Hunde weiterer Rassen sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden, für die nach den Vorschriften des Landes, in dem der Hund ständig gehalten werden soll, eine Gefährlichkeit vermutet wird, dürfen aus dem Ausland nicht in dieses Land eingeführt oder verbracht werden.
(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
vorzuschreiben, - a)
dass bestimmte Hunde nur über bestimmte nach tierseuchenrechtlichen Vorschriften eingerichtete Grenzkontrollstellen in das Inland eingeführt werden dürfen oder bei diesen Grenzkontrollstellen vorzuführen sind, - b)
dass das beabsichtigte Einführen bestimmter Hunde binnen einer zu bestimmenden Frist bei der zuständigen Grenzkontrollstelle anzumelden ist.
- 2.
Vorschriften über - a)
die Überwachung des Verbringens oder der Einfuhr, - b)
die Maßnahmen, die zu ergreifen sind, wenn Hunde nicht den Anforderungen nach diesem Gesetz entsprechen, sowie - c)
das Verfahren
zu erlassen. - 3.
Ausnahmen von Absatz 1 ganz oder teilweise zuzulassen oder zu gewähren sowie die Voraussetzungen und das Verfahren zu regeln.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Gründe
- 1
Die Beschwerde hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
- 2
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 11. April 2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. April 2013 hinsichtlich der Ziffer 1. wiederhergestellt und zu Ziffer 2. angeordnet, soweit die Hunde mit den Transpondernummern 276096900347212 und 276098102896107 betroffen sind.
- 3
Nach § 45 Nr. 1 SOG LSA können Sicherheitsbehörden und die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Eine gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 45 Nr. 1 SOG LSA liegt nach § 3 Nr. 3 Buchst. b SOG LSA dann vor, wenn ein schädigendes Ereignis bereits begonnen hat oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Eine solche gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit kann auch dann vorliegen, wenn ein Hundehalter einen sog. Listenhund i. S. d. § 3 Abs. 2 GefHundG hält, ohne dass gemäß § 4 Abs. 1 GefHundG durch Vorlage eines Wesenstests i. S. d. § 10 Abs. 2 GefHundG binnen sechs Monaten nach Beginn der Haltung des Hundes gegenüber der zuständigen Behörde die Fähigkeit des Hundes zu sozialverträglichem Verhalten nachgewiesen worden ist.
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach der nur gebotenen summarischen Prüfung die Voraussetzungen für die Sicherstellung und Verwahrung der beiden vorgenannten Hunde der Antragstellerin nach § 45 SOG LSA nicht vorliegen, da diese von der Antragstellerin gehaltenen Miniatur Bullterrier nicht zu den in § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland vom 12. April 2001 (Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz - HundVerbrEinfG -, BGBl. I S. 530) genannten Hunden zählen, deren Gefährlichkeit gemäß § 3 Abs. 2 GefHundG vermutet und deren Haltung nur unter den in § 4 Abs. 1 GefHundG genannten Voraussetzungen erlaubt ist.
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Hinsichtlich des Hundes mit der Transpondernummer 939000010111355 wird sich der angefochtene Bescheid nach summarischer Prüfung hingegen voraussichtlich als rechtmäßig erweisen, da dieser Hund nicht dem Rassestandard eines Miniatur Bullterriers, sondern aufgrund der Widerristhöhe von 38,5 cm den Merkmalen eines Standard-Bullterriers entspricht, welcher zu den in § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG aufgeführten Rassen zählt, auf welche § 3 Abs. 2 GefHundG verweist. Nach § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG dürfen Hunde der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier sowie deren Kreuzung untereinander oder mit anderen Hunden nicht in das Inland eingeführt oder verbracht werden. Eine landesrechtliche Regelung, die die listenmäßige „Gefährlichkeit“ der Hunde durch weitere Rassen ergänzt, existiert in Sachsen-Anhalt nicht.
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Es ist dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums grundsätzlich unbenommen, bei der Bestimmung des Begriffs „Rasse“ auf Kriterien zurückzugreifen, die von anerkannten Fachverbänden entwickelt worden sind. Der größte Hundefachverband ist die Fédération Cynologique Internationale (FCI) mit Sitz in Thuin/Belgien. Dieser Verband umfasst z. Zt. 87 Mitglieds- und Partnerländer (nur ein Verband pro Land). Die FCI garantiert innerhalb ihrer Organisation die gegenseitige Anerkennung der Abstammungsurkunden (Pedigrees) der Länder. Derzeit erkennt die FCI derzeit 343 verschiedene Rassen an. Jede von ihnen ist das „Eigentum“ eines bestimmten Landes, welches als Ursprungsland der Rasse bezeichnet wird. Diese Ursprungsländer erstellen in Zusammenarbeit mit der Standard- und der Wissenschaftlichen Kommission der FCI die Standards für ihre Rassen (veröffentlicht unter www.fci.be). In diesen Standards wird eine Rasse anhand phänotypischer, also äußerlich beobachtbarer und messbarer Merkmale beschrieben und damit zugleich eine Zuordnung eines einzelnen Hundes zu dieser Rasse vorgenommen. Die Rasse ist auch nach den von der FCI angewandten Kriterien eine Gruppe von Individuen, die gemeinsame Merkmale aufweisen, die sie von anderen Vertretern ihrer Spezies unterscheiden, und die durch Vererbung übertragbar sind. Die Gruppe wird wie folgt definiert: „Verschiedene Rassen, die eine Reihe von eindeutig zu unterscheidenden, durch Vererbung übertragbaren, gemeinsamen Merkmalen aufweisen“. Die Varietät hingegen stellt eine Untergruppe innerhalb einer Rasse dar, deren Vertreter sich alle durch ein gemeinsames, vererbbares Merkmal von den anderen Vertretern ihrer Rasse unterscheiden. Die Rassestandards werden als Grundlage bei der Zuchteignungsprüfung herangezogen, um die Übereinstimmung des Hundes mit den äußerlichen Merkmalen und Wesenseigenschaften seiner Rasse zu bewerten(vgl. zum Vorgehenden: de.wikipedia.org/wiki/Hunderasse).
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Von dieser Definition von Hunderassen ist offenbar auch der Bundesgesetzgeber bei der Beschlussfassung über das Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetzes ausgegangen: In der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde heißt es (BT-Drs. 14/4451, S. 13): „Im Entwurf des Gesetzes zur Beschränkung des Verbringens gefährlicher Hunde in das Inland werden in § 1 Abs. 1 drei Hunderassen genannt. Aus hiesiger Sicht fehlt der Bullterrier. Das Fehlen des Bullterriers stellt einen Wertungswiderspruch dar, da dieser wie auch die aufgeführten Rassen zur gleichen Gruppe gehören (vgl. FCI - Gruppe III - der bullartigen Terrier). Der Bullterrier unterscheidet sich weder in Größe, Gewicht oder Art noch Abstammung wesentlich von den dort aufgeführten Hunderassen, so dass die Aufzählung um den Bullterrier ergänzt werden müsste, ohne den Staffordshire-Bullterrier zu streichen.“
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Sowohl der für den Bullterrier geltende Standard Nr. 11 als auch der für den Miniatur Bullterrier nach seiner Anerkennung am 9. Juli 2011 ab dem 1. Januar 2012 geltende Standard Nr. 359 (veröffentlicht unter www.fci.be) orientieren sich an mehreren äußerlichen Merkmalen (Kopf, Hals, Körper, Rute, Gangwerk, Haarkleid, Größe). Die Rassestandards für den Bullterrier und den Miniatur Bullterrier unterscheiden sich nur hinsichtlich der Größe, insofern als bei einem Miniatur Bullterrier eine Widerristhöhe von 35,5 cm nicht überschreiten „soll“. Für den Bullterrier sieht der Rassestandard weder eine Mindest- noch eine Höchstgröße vor.
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Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang beanstandet, dass die auch vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Begriffs „Rasse“ unter Hinweis auf Regelwerke von privaten (ausländischen) Zuchtvereinigungen im Ergebnis dazu führen könnte, dass juristische Personen des Privatrechts Entscheidungen des Gesetzgebers abändern oder umgehen könnten, greift dieser Einwand im Ergebnis nicht durch.
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Bei der Auslegung des § 2 HundVerbrEinfG bzw. § 3 Abs. 2 GefHundG ist der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen grundsätzlich so genau zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit grundsätzlich nicht entgegen; allerdings müssen sich aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris). Wenn - wie hier - eine bußgeldbewehrte Verbotsvorschrift (§ 16 Abs. 1 Nr. 5 GefHundG) betroffen ist, muss sich diese zudem an den strengeren Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG bzw. Art. 7 EMRK messen lassen. Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein besonderes Bestimmtheitsgebot. Der Gesetzgeber ist danach verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung soll einerseits sicherstellen, dass die Normadressaten vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Sie soll andererseits gewährleisten, dass der Gesetzgeber über die Strafbarkeit oder die Bußgeldvoraussetzungen selbst entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung oder einer Verhängung von Geldbußen festzulegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.09.2011 - 1 BvR 519/10 -, juris und v. 17.11.2009 - 1 BvR 2717/08 -, juris, jeweils m. w. N.). Der Gesetzgeber hat weder selbst Rassebeschreibungen im HundVerbrEinfG bzw. GefHundG aufgenommen noch geregelt, welche privaten Verbände nach welchen formellen und materiellen Maßgaben Rassestandards bestimmen dürfen. Es ist dem Gesetzgeber zwar nicht grundsätzlich untersagt, hinsichtlich der Definition bestimmter Rechtsbegriffe auf seine eigene Rechtssetzungsbefugnis zu verzichten und - der Sache nach - auf Regelungen privater Verbände zu verweisen. Eine solche Praxis ist jedoch nur unter engen Voraussetzungen zulässig (vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. Teil B, Ziffer 4.3. Rdnr. 242 f.). Private Regelungen - z. B. Zuchtregelungen von privaten Züchtervereinigungen - dürfen dann nicht zur Grundlage staatlicher Maßnahmen mit grundrechtsbeschränkender Wirkung gemacht werden, wenn sie gemäß den rechtsstaatlichen Anforderungen nicht hinreichend bestimmt sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.12.1993 - 1 BvR 1368/90 -, juris und Beschl. v. 25.05.1993 - 1 BvR 345/83 -, juris, jeweils zu Formulierungen in Satzungen von Zuchtverbänden über das Zuchtziel von Pferderassen). Auch darf eine Verweisung von staatlichen Gesetzen auf private Regelungen nicht dazu führen, dass der Bürger schrankenlos der normsetzenden Gewalt eines privaten Verbandes ausgeliefert wird, der ihm gegenüber weder staatlich-demokratisch noch mitgliedschaftlich legitimiert sind. Nur soweit der Inhalt der privaten Regelungen, auf die staatliche Rechtsnormen verweisen, im Wesentlichen feststeht, kann von einem unzulässigen Verzicht des Gesetzgebers auf seine Rechtsetzungsbefugnisse nicht die Rede sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.06.1983 - 2 BvR 488/80 -, juris; BVerwG, Urt. v. 27.06.2013 - 3 C 21.12 -, juris).
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Gemessen an diesen Maßstäben stellt die Antragsgegnerin mit dem Hinweis auf die Definition des Begriffs „Hunderasse“ durch private Züchterverbände allenfalls die Verfassungsmäßigkeit der von ihr herangezogenen Ermächtigungsgrundlage, nicht aber die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in Frage.
- 12
Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geht der Senat davon aus, dass § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG, § 3 Abs. 2 GefHundG i. V. m. den von der FCI bestimmten Rassestandards für Bullterrier und Miniatur Bullterrier verfassungskonform so ausgelegt werden kann, dass die „Soll-Bestimmung“ für die maximale Widerristhöhe eines Miniatur Bullterriers den Regelfall darstellt, welcher die Abgrenzung zwischen den beiden Hunderassen ermöglicht.
- 13
Soweit die Antragsgegnerin mit der Beschwerdebegründung weiter ausführt, dass für die Zuordnung der hier streitgegenständlichen Hunde zu den in § 2 HundVerbrEinfG genannten Rassen der Zeitpunkt der Geburt der Hunde in den Jahren 2007 und 2010 maßgeblich sei und zu diesem Zeitpunkt der Miniatur Bullterrier keine von der FCI als eigenständig anerkannte Rasse darstellte, greift dieser Einwand nicht durch. Es lässt sich weder dem Wortlaut noch der Gesetzgebungsgeschichte hinreichend eindeutig entnehmen, dass der Gesetzgeber in § 2 HundVerbrEinfG statisch auf die bei Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Rassestandards der FCI Bezug genommen hat und zudem das Geburtsdatum eines Hundes als maßgeblich für die Rassezuordnung angesehen hat. Der Wortlaut der Vorschrift lässt ohne weiteres auch eine Auslegung dahingehend zu, dass die im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung geltenden (und veröffentlichten) Rassestandards maßgeblich sind. Auch der Gesetzgebungsgeschichte lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass der Gesetzgeber im Jahr 2001 für die Zuordnung von Hunden zu den in § 2 HundVerbrEinfG aufgeführten Rassen statisch auf einen vorgefundenen Bestand an Hunderassen verwiesen hat und nicht dynamisch auch nach Inkrafttreten des Gesetzes eintretende Veränderungen bei den Rassestandards berücksichtigt wissen wollte. Wie oben bereits ausgeführt, hat der Gesetzgeber zwar auf die Rassestandards der Gruppe III der FCI (Bullartige Terrier) verwiesen und zur Begründung der Aufnahme des Bullterriers in die Rasseliste die phänotypische Vergleichbarkeit dieser Rasse mit den anderen in der Liste aufgeführten Rassen angeführt. Dieser Verweis erfasst jedoch bereits nicht alle in § 2 HundVerbrEinfG aufgeführten Hunderassen, da die FCI bislang nur den für American Staffordshire Terrier (Standard Nr. 286) und Staffordshire Bull Terrier (Standard Nr. 76) einen Rassestandard definiert hat, welcher seit 2001 unverändert geblieben ist. Im Übrigen wird nach dem FCI-Standard für den American Staffordshire Terrier für diesen eine Schulterhöhe von 43 bis 48 cm „bevorzugt“. Ein „Sollgewicht“ wird nicht angegeben. Bei einem Staffordshire Bull Terrier (FCI-Standard Nr. 76) wird als „erwünschte“ Widerristhöhe eine Spanne 35,5 bis 40,5 cm angegeben. Hinsichtlich des Gewichts wird je nach Geschlecht des Hundes eine Spanne von 12,7 bis 17 kg angegeben. Für den ebenfalls in § 2 HundVerbrEinfG genannten Pit Bull Terrier fehlte zum Inkrafttreten des Gesetzes und fehlt auch aktuell ein Rassestandard der FCI. Insofern geht für den Pit Bull Terrier der Verweis in der Stellungnahme des Bundesrates auf die Standards der FCI fehl. Nur für den (American) Pit Bull Terrier hat der in den USA ansässige United Kennel Club, welcher nicht der FCI angehört, einen Rassestandard festgelegt. In diesem Rassestandard ist z. B. eine Mindestwiderristhöhe nicht bestimmt worden. Hinsichtlich des Gewichts wird je nach Geschlecht des Hundes eine Spanne von 13,5 bis 27 kg angegeben. (vgl. de.wikipedia.org/wiki/American_Pit_Bull_Terrier). In Ansehung der in den vorgenannten FCI-Standards für den American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bull Terrier aufgeführten Mindestgrößen und –gewichte legt die Antragsgegnerin nicht dar, ob der Gesetzgeber auch Hunde der Rasse Miniatur Bullterrier, welche phänotypisch nach Größe und Gewicht deutlich von den Mindestgrößen und –gewichte nach unten hin abweichen, in den Kreis der von § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG erfassten Hunde einbezogen wissen wollte.
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Auch der Einwand der Antragsgegnerin, dass es sich jedenfalls bei den hier in Rede stehenden Miniatur Bullterriern um Kreuzungen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG aufgeführten Rassen handele, bei denen gemäß § 3 Abs. 2 GefHundG ebenfalls die Vermutung der Gefährlichkeit besteht, greift nicht durch. Die Argumentation der Antragsgegnerin, dass es sich bei dem Miniatur Bullterrier jedenfalls bis 2011 auch nach Auffassung der FCI nur um eine Varietät des (Standard-) Bullterrier gehandelt habe und daher die Elterntiere der hier in Rede stehenden Miniatur Bullterrier jedenfalls im Zeitpunkt der Geburt der Hunde ausschließlich als (Standard) Bullterrier anzusehen gewesen seien, was zur Folge habe, dass die streitgegenständlichen Hunde als ein aus einer Kreuzung mit zumindest einem (Standard-) Bullterrier hervorgegangener Hund anzusehen seien, stellt die erstinstanzliche Entscheidung nicht in Frage. Die Antragsgegnerin legt mit der Beschwerdebegründung nicht dar, dass erst mit der Anerkennung durch die FCI eine neue Hunderasse gleichsam „konstitutiv“ entsteht. Nach den Statuten der FCI können Hunde von Rassen, die von der FCI und den in der FCI zusammengeschlossenen Verbänden (noch) nicht anerkannt sind, an Ausstellungen und Zuchtschauen, die von der FCI und den ihr angeschlossenen Verbände ausgerichtet werden, nicht teilnehmen. Ferner ist mit der Anerkennung der Hunderasse durch die FCI die gegenseitige Anerkennung der Zuchtbücher der Mitglieds- und Partnerverbände verbunden. Insofern hat die Anerkennung einer Hunderasse durch die FCI zwar Auswirkungen im Bereich der Zucht und des Haltens eines Hundes. Sie hat aber nicht aber die zwingende Folge, dass eine nach gemeinsamen phänotypischen Merkmalen gegenüber anderen Hunden abgrenzbare Gruppe von Hunden vor der Anerkennung durch die FCI nicht als eigenständige Hunderasse angesehen werden kann.
- 15
Hinzu kommt, dass auch schon vor 2011 in der veterinärmedizinischen Praxis (vgl. Steinfeldt: „Kampfhunde“. Geschichte, Einsatz, Haltungsprobleme von „Bull-Rassen“. Diss. med. vet. Hannover 2002, S. 67) und in der behördlichen Praxis in anderen Bundesländern zwischen den Rassen Bullterrier und Miniatur Bullterrier unterschieden wurde (sog. Hundebericht Nordrhein-Westfalen vom 17.05.2011 für das Berichtsjahr 2010, S. 8: seit dem Jahr 2009 Einstufung der Rasse Miniatur Bullterrier als sog. kleiner Hund: www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV14-2232.pdf). Auch in der o. g. Dissertation von Steinfeldt wird ausgeführt: „Der Miniatur Bull Terrier hat seinen Ursprung in den kleinen, zur Rattenbekämpfung eingesetzten frühen Bull-Rassen. Erste Exemplare wurden bereits um das Jahr 1900 in Amerika auf Ausstellungen gezeigt, dennoch konnte sich die Rasse anfangs nicht recht durchsetzen. Nach der Gründung des Miniature Bull Terrier Clubs durch den Engländer Colonel Glyn im Jahre 1938 gewann die kleine Variante des Bull Terriers allmählich eine größere Anhängerschaft, ohne jedoch bis heute dessen jährlich registrierte Welpenzahlen zu erreichen.“ Nach der in der Hundezucht seit Jahren bestehenden Abgrenzung zwischen (Standard-) Bullterrier und Miniatur-Bullterrier ist der Miniatur-Bullterrier daher nicht lediglich als kleine Variante des Standard-Bullterriers zu verstehen, sondern wird seit der Wiederbelebung der Züchtung im 20. Jahrhundert in seinem Ursprungsland Großbritannien als eigenständige Rasse geführt.
- 16
Gemessen an den vorgenannten Maßstäben erfüllt der Hund mit der Transpondernummer 939000010111355, welcher nach der von der Antragsgegnerin am 10. April 2013 durchgeführten und von der Antragstellerin nicht in Frage gestellten Messung eine Widerristhöhe von 38,5 cm aufweist, nicht den Rassestandard eines Miniatur Bullterriers, sondern entspricht vielmehr dem Standard eines Bullterriers. Soweit die Antragstellerin unter Verweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 27. Dezember 2006 (Az.: 6 K 903/05, juris) darauf verweist, dass die Rassebestimmung nicht durch eindeutig und unverrückbar festgelegte Größen- und Gewichtsparameter erfolgt, sondern anhand einer wertenden Betrachtung des gesamten äußeren Erscheinungsbildes des Hundes vorzunehmen ist, ist festzustellen, dass dieses Urteil sich noch nicht mit den von der FCI definierten Rassestandards für den Bullterrier und den Miniatur Bullterrier auseinandersetzen konnte, welche sich nur hinsichtlich der Größe der Hunde unterscheiden.
- 17
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Sicherstellung des Hundes mit der Transpondernummer 939000010111355 nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil eine andere Ordnungsbehörde in einem anderen beim Senat anhängigen Verfahren (3 M 255/13) bei einem sog. Listenhund von einer Sicherstellung nach § 45 Abs. 1 SOG LSA abgesehen und stattdessen bei Nichtvorlage des Wesenstests innerhalb der gesetzlichen Frist des § 4 Abs. 1 Satz 2 GefHundG einen Leinen- und Maulkorbzwang verfügt hat. Die Antragstellerin setzt sich bereits nicht mit der vom Gesetzgeber vorgesehenen unterschiedlichen Vorgehensweise bei einem im Einzelfall gefährlichen Hund i. S. d. § 3 Abs. 3 GefHundG und einem vermutet gefährlichen Hund i. S. d. § 3 Abs. 2 GefHundG auseinander. Ein sog. Listenhund i. S. d. § 3 Abs. 2 GefHundG darf gehalten werden, wenn die Hundehalterin oder der Hundehalter durch einen Wesenstest nach § 10 GefHundG gegenüber der zuständigen Behörde nachgewiesen hat, dass der Hund zu sozialverträglichem Verhalten in der Lage ist, so dass von dem Hund keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen. Erhöhte Anforderungen an den Halter des Hundes entsprechend den für gefährliche Hunde gemäß § 3 Abs. 3 GefHundG geltenden Vorschriften (Erlaubnispflicht nach § 4 Abs. 2 und §§ 5 f. GefHundG, insbesondere der grundsätzliche Leinen- und Maulkorbzwang nach Erteilung der Erlaubnis gemäß § 11 GefHundG) ergeben sich aus den Vorschriften des GefHundG nicht. Auch die nach den Vorschriften des § 3 Abs. 3 GefHundG für im Einzelfall gefährliche Hunde geltende erheblich absenkte Eingriffsschwelle genügt im Falle sog. Listenhunde weder für Maßnahmen gegenüber dem Hund noch für solche gegenüber dem Halter oder Hundeführer. Denn zum Ausgleich der hier schon an die Rasse des Hundes anknüpfenden vermuteten Gefährlichkeit des Hundes, die nur durch einen erfolgreich abgelegten Wesenstest widerlegt werden kann, hat der Gesetzgeber bewusst auf weitere Einschränkungen der Hundehaltung verzichtet. Ein erfolgreicher Wesenstest indiziert in diesen Fällen abschließend, dass von dem Hund und seiner Haltung und Führung keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen (vgl. Beschl. d. Senates v. 21.01.2013 - 3 M 591/12 -, juris). Mithin stellt bereits das Halten eines sog. Listenhundes ohne Vorlage eines Wesenstestes innerhalb der gesetzlichen Frist eine Störung der öffentlichen Sicherheit i. S. d. § 3 Nr. 1 SOG LSA dar, welche mit einer Sicherstellung des Hundes in verhältnismäßiger, d. h. in geeigneter und zumutbarer Weise begegnet werden kann. Auf eine möglicherweise abweichende Ermessenspraxis einer anderen Behörde kann sich die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin nicht berufen.
- 18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt der erstinstanzlichen Wertfestsetzung.
- 19
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.
(1) Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden dürfen nicht in das Inland eingeführt oder verbracht werden. Hunde weiterer Rassen sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden, für die nach den Vorschriften des Landes, in dem der Hund ständig gehalten werden soll, eine Gefährlichkeit vermutet wird, dürfen aus dem Ausland nicht in dieses Land eingeführt oder verbracht werden.
(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
vorzuschreiben, - a)
dass bestimmte Hunde nur über bestimmte nach tierseuchenrechtlichen Vorschriften eingerichtete Grenzkontrollstellen in das Inland eingeführt werden dürfen oder bei diesen Grenzkontrollstellen vorzuführen sind, - b)
dass das beabsichtigte Einführen bestimmter Hunde binnen einer zu bestimmenden Frist bei der zuständigen Grenzkontrollstelle anzumelden ist.
- 2.
Vorschriften über - a)
die Überwachung des Verbringens oder der Einfuhr, - b)
die Maßnahmen, die zu ergreifen sind, wenn Hunde nicht den Anforderungen nach diesem Gesetz entsprechen, sowie - c)
das Verfahren
zu erlassen. - 3.
Ausnahmen von Absatz 1 ganz oder teilweise zuzulassen oder zu gewähren sowie die Voraussetzungen und das Verfahren zu regeln.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger, eine Rundfunkanstalt in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts, ist Mitglied der ARD und Inhaber einer Reihe von Frequenzzuteilungen für das Betreiben von Versuchsfunkanlagen, Fernseh-Rundfunkanlagen und Ton-Rundfunk UKW-Anlagen.
3Mit Bescheid vom 13. Dezember 2007 zog die Beklagte den Kläger für das Jahr 2003 für 561 und für das Jahr 2004 für 559 zugeteilte Frequenzen zu Beiträgen gemäß § 11 des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten (EMVG) vom 18. September 1998 in der Fassung der Änderung vom 31. Oktober 2006 in Verbindung mit der Verordnung über Beiträge zum Schutz einer störungsfreien Frequenznutzung (Frequenzschutzbeitragsverordnung - FSBeitrV) vom 13. Mai 2004 (BGBl. I S. 958) in der Fassung der Änderung vom 29. November 2007 (BGBl. I S. 2776) in Höhe von insgesamt 646.707,30 Euro heran. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 4. Januar 2008 wies die Beklagte zunächst durch Widerspruchsbescheid vom 21. November 2008 zurück. Entsprechend einer Vereinbarung zwischen der Beklagten und den ARD-Landesrundfunkanstalten zur Durchführung von ausgewählten Musterverfahren hob die Beklagte den Widerspruchsbescheid auf und wies mit Teil-Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2008 den Widerspruch des Klägers bezüglich der Festsetzung des EMVG-Beitrages für den Ton-Rundfunk UKW Sender Kleve 97,3 MHz (Frequenz-Zuteilungsnummer 07951587) zurück. Die Festsetzung des EMVG-Beitrags für diesen Sender beträgt für das Jahr 2003 599,30 Euro und für das Jahr 2004 373,41 Euro. Dabei wurden für das Jahr 2003 ein Beitragssatz von 1,30 Euro und für das Jahr 2004 ein Beitragssatz von 0,81 Euro je angefangene 10 qkm theoretische Versorgungsfläche sowie in jedem Jahr eine theoretische Versorgungsfläche des Senders von 461 angefangenen 10 qkm zugrunde gelegt. Die festgesetzten Beiträge in Höhe von insgesamt 972,71 Euro wurden vom Kläger gezahlt.
4Am 23. Dezember 2008 hat der Kläger Klage erhoben mit den Begehren, die beiden Beitragsfestsetzungen für den Sender Kleve aufzuheben sowie die Beklagte zur Zahlung von Prozesszinsen zu verurteilen. Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen: Die Frequenzschutzbeitragsverordnung verstoße gegen das in § 11 Abs. 1 EMVG verankerte Kostendeckungsprinzip. Es sei anhand der von der Beklagten vorgelegten Kalkulationsunterlagen nicht nachvollziehbar, ob diese die beitragsrelevanten Kosten zutreffend ermittelt habe. In die Beitragskalkulation sei eine Reihe von Kostenpositionen der Zentrale sowie der Außenstellen der Bundesnetzagentur eingestellt worden, die in keinem zurechenbaren Zusammenhang mit den konkret in § 11 Abs. 1 EMVG beschriebenen Aufgaben der Bundesnetzagentur stünden. Außerdem verstoße die Frequenzschutzbeitragsverordnung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da beim Ton-Rundfunk UKW im Vergleich zum öffentlichen Mobilfunk ein anderer Maßstab für die Berechnung der Beiträge gelte, ohne dass es dafür eine sachliche Rechtfertigung gebe. Während der öffentliche Mobilfunk lediglich pauschal je Netz bzw. Kanal veranlagt werde, werde im Gegensatz dazu beim Ton-Rundfunk UKW der Beitragsmaßstab "theoretische Versorgungsfläche je zugeteilte Frequenz je angefangene 10 qkm" zugrunde gelegt. Aufgrund dieses Beitragsmaßstabes vergrößere sich aber die beitragsrelevante Fläche erheblich und führe insofern zu einer nicht sachgerechten Beitragsbelastung. Der Maßstab der theoretischen Versorgungsfläche führe darüber hinaus zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Benutzergruppe Ton-Rundfunk UKW, da aufgrund dieses Maßstabs etwa bei grenznahen Sendern - wie hier beim Sender Kleve - Flächen in die Beitragsberechnung einbezogen würden, die im Ausland und somit außerhalb der Zuständigkeit der Beklagten lägen.
5Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 10. Dezember 2010 beantragt,
6- 7
1 den EMVG-Beitragsbescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2007, soweit er durch den Teil-Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2008 beschieden wurde, aufzuheben,
- 9
2 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 972,71 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 23. Dezember 2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat die angefochtenen Beitragsfestsetzungen verteidigt.
13Mit Urteil vom 14. Januar 2011, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht den EMVG-Beitragsbescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2007, soweit er durch den Teil-Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2008 beschieden wurde, aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 972,71 Euro nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz hinaus seit dem 10. Dezember 2010 zu zahlen, sowie die Klage hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruchs abgewiesen.
14Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Das verwaltungsgerichtliche Urteil beruhe auf Einwänden gegen die Dokumentation der Beitragskalkulation sowie sich daraus ergebenden Missverständnissen. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die bisherige Dokumentation im Wesentlichen die Kosten- und Leistungsrechnung beschrieben habe, nicht jedoch eingehend die entsprechende Kalkulation der Beiträge. Um dies auszuräumen, werde nunmehr eine vollständig überarbeitete Fassung der Dokumentation der Beitragskalkulation überreicht. Damit sei belegt, dass in den beitragsfähigen Aufwand nur solche Kosten eingeflossen seien, die einen entsprechenden Leistungsbezug hätten. Ferner entspreche der gewählte Beitragsmaßstab der theoretischen Versorgungsfläche dem Erhebungsgrund des Beitrags, der ein Entgelt für die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung - hier für die Möglichkeit der Frequenznutzung - darstelle, und sei daher auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
15Die Beklagte beantragt,
16das angefochtene Urteil, soweit der Klage stattgegeben worden ist, zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
17Der Kläger beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Er trägt im Wesentlichen vor: Der Beitragsmaßstab der theoretischen Versorgungsfläche widerspreche der bundesrechtlichen Vorgabe in § 11 Abs. 2 Satz 3 EMVG, wonach die Aufteilung des einer Nutzergruppe zugeordneten Anteils an den Gesamtkosten innerhalb der Nutzergruppe „entsprechend der Frequenznutzung“ und damit entsprechend der tatsächlichen Nutzungsintensität zu erfolgen habe. Eine derartige Auslegung sei auch vor dem Hintergrund einer möglichst verursachergerechten Zuordnung von Kosten sachgerecht i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG. Das tatsächliche Versorgungsgebiet eines Senders könne zu jedem beliebigen Zeitpunkt mithilfe eines international vereinbarten Berechnungsprogramms ermittelt werden.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
23Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den EMVG-Beitragsbescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2007, soweit er durch den Teil-Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2008 beschieden wurde, aufgehoben (hierzu nachfolgend unter I.) und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 972,71 Euro nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz hinaus seit dem 10. Dezember 2010 zu zahlen (hierzu nachfolgend unter II.).
24- 25
I Die angefochtenen Festsetzungen des EMVG-Beitrags für den Ton-Rundfunk UKW Sender Kleve 97,3 MHz (Frequenz-Zuteilungsnummer 07951587) für das Jahr 2003 in Höhe von 599,30 Euro und für das Jahr 2004 in Höhe von 373,41 Euro sind rechtswidrig und verletzen den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Als Rechtsgrundlage dieser Beitragsfestsetzungen kommt allein § 11 des - mit Ablauf des 29. Februar 2008 außer Kraft getretenen - Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten (EMVG) vom 18. September 1998 in der Fassung der Änderung vom 31. Oktober 2006 in Verbindung mit der Verordnung über Beiträge zum Schutz einer störungsfreien Frequenznutzung (Frequenzschutzbeitragsverordnung - FSBeitrV) vom 13. Mai 2004 (BGBl. I S. 958) in der Fassung der Änderung vom 29. November 2007 (BGBl. I S. 2776) - gültig vom 8. Dezember 2007 bis zum 19. November 2009 - in Betracht.
27§ 11 Abs. 1 EMVG bestimmt, dass Senderbetreiber zur Abgeltung der Kosten für die Sicherstellung der elektromagnetischen Verträglichkeit und insbesondere eines störungsfreien Funkempfangs zur Aufgabenerledigung nach § 8 Abs. 6, soweit nicht bereits der Gebührentatbestand nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 erfüllt ist, sowie für Maßnahmen im Rahmen der Geräteprüfung nach § 8 Abs. 1 bis 5, soweit nicht bereits der Gebührentatbestand nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 erfüllt ist, eine Abgabe zu entrichten haben, die als Jahresbeitrag erhoben wird. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EMVG wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Kreis der Beitragspflichtigen, die Beitragssätze und das Verfahren der Beitragserhebung festzusetzen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 EMVG werden die Anteile an den Gesamtkosten den einzelnen, sich aus der Frequenzzuweisung ergebenden Nutzergruppen, denen Frequenzen zugeteilt sind, so weit wie möglich aufwandsbezogen zugeordnet. Innerhalb der Nutzergruppen erfolgt die Aufteilung entsprechend der Frequenznutzung (§ 11 Abs. 2 Satz 3 EMVG).
28Grundsätzliche Bedenken gegen die Erhebung eines Frequenzschutzbeitrags bestehen weder im Hinblick auf unionsrechtliche noch auf verfassungsrechtliche Vorgaben. Die Beitragsregelung fällt als Annexkompetenz in die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers (Art. 73 Abs. 1 Nr. 7, Art. 74 Nr. 11 GG). Ein Verstoß gegen die besonderen Kompetenzvorschriften in Art. 105 ff. GG liegt nicht vor; es handelt sich - ungeachtet der Bezeichnung als Beitrag - nicht um eine verdeckte Steuer. Die Verordnungsermächtigung genügt den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG; der Gesetzgeber hat Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung hinreichend bestimmt, indem er insbesondere die Geltung des Kostendeckungsprinzips und die Verteilungskriterien - unter anderem die Frequenznutzung - geregelt hat. Die Ermächtigungsgrundlage lässt eine verfassungskonforme Beitragsgestaltung auch insoweit zu, als der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG in seiner abgabenrechtlichen Ausformung als Grundsatz der Belastungsgleichheit und der vorteilsgerechten Verteilung der Lasten eine angemessene Berücksichtigung des Allgemeininteresses an einem funktionssicheren Funkbetrieb und darüber hinaus einen Vorweg-Abzug der auf die beitragsbefreiten Nutzer (insbesondere Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben - BOS - und das Bundesministerium der Verteidigung - BMV -) entfallenden Kostenanteile gebietet.
29Zur früheren Gesetzesfassung vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 - 6 C 8.99 -, BVerwGE 112, 194.
30Die auf der Grundlage von § 11 Abs. 2 EMVG erlassene Frequenzschutzbeitragsverordnung konkretisiert die bundesgesetzlichen Vorgaben weiter dahin, dass die durch Beiträge gemäß § 11 Abs. 1 EMVG abzugeltenden Personal- und Sachkosten von der Bundesnetzagentur erfasst und - abzüglich eines in der früheren, vom Bundesverwaltungsgericht in der vorstehend zitierten Entscheidung beanstandeten Regelung noch fehlenden sog. Selbstbehalts zur Abgeltung des Allgemeininteresses an der Gewährleistung der elektromagnetischen Verträglichkeit von Geräten i.H.v. 25 % - den in der Anlage zur Verordnung aufgeführten Nutzergruppen zugeordnet werden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 FSBeitrV), in die die Beitragspflichtigen zusammengefasst werden (§ 1 Abs. 2 Satz 1 FSBeitrV). Die Beitragserhebung erfolgt nach Nutzergruppen; innerhalb der Nutzergruppen erfolgt die Aufteilung des Beitrags nach Bezugseinheiten (§ 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FSBeitrV). Der für jede Bezugseinheit festzulegende Jahresbeitrag wird berechnet, indem der je Nutzergruppe maßgebliche Aufwand des Erhebungsjahres durch die Zahl der Bezugseinheiten je Nutzergruppe geteilt wird (§ 3 Abs. 3 FSBeitrV). In der Anlage zur Frequenzschutzbeitragsverordnung ist jeweils unter Nr. 2.1.4 für die Nutzergruppe Ton-Rundfunk UKW für das Jahr 2003 ein EMVG-Jahresbeitrag von 1,30 Euro je Bezugseinheit und für das Jahr 2004 ein EMVG-Jahresbeitrag von 0,81 Euro je Bezugseinheit festgelegt; als Bezugseinheit ist jeweils „je angefangene 10 qkm theoretische Versorgungsfläche je zugeteilte Frequenz“ ausgewiesen.
31Nr. 2.1.4 der Anlage zur Frequenzschutzbeitragsverordnung ist sowohl für das EMVG-Beitragsjahr 2003 als auch für das EMVG-Beitragsjahr 2004 nichtig.
32Der innerhalb der Nutzergruppe Ton-Rundfunk UKW, zu der auch der Kläger mit seiner vorliegend streitgegenständlichen Frequenz Kleve 97,3 MHz zählt, anzuwendende Beitragsmaßstab der theoretischen Versorgungsfläche verstößt nicht nur gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (hierzu nachfolgend unter 1.), sondern missachtet auch die bundesgesetzliche Vorgabe aus § 11 Abs. 2 Satz 3 EMVG (hierzu nachfolgend unter 2.). Darüber hinaus bestehen erhebliche Bedenken, ob die Definition des Begriffs der theoretischen Versorgungsfläche in den Fußnoten der Anlage zur Frequenzschutzbeitragsverordnung den Publizitäts- und Bestimmtheitsanforderungen, die sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 und 3 GG ergeben, genügt (hierzu nachfolgend unter 3.). In Anbetracht der Unwirksamkeit des Beitragsmaßstabs der theoretischen Versorgungsfläche bedarf es keiner Überprüfung der Höhe des Beitragssatzes einschließlich der zugrunde liegenden Kalkulation mehr.
33- 34
1 Der Beitragsmaßstab der theoretischen Versorgungsfläche verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz ist für das nicht-steuerliche Abgabenrecht insbesondere der Grundsatz der Belastungsgleichheit und der vorteilsgerechten Verteilung der Lasten zu entnehmen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 - 6 C 8.99 -, BVerwGE 112, 194, juris Rdnr. 28 und 32 f.
36Der für die Beitragserhebung festzulegende Maßstab muss deshalb mit Blick auf den dem jeweiligen Beitragspflichtigen individuell zurechenbaren Sondervorteil sachgerecht sein.
37Daran fehlt es hier. Mit dem Beitragsmaßstab der theoretischen Versorgungsfläche wird der dem jeweiligen Beitragspflichtigen individuell zurechenbare Sondervorteil aus den beitragsrelevanten Tätigkeiten der Bundesnetzagentur nicht sachgerecht i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG abgegolten; denn dieser Beitragsmaßstab führt innerhalb der Nutzergruppe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Das ergibt sich aus Folgendem:
38Mit den EMVG-Beiträgen werden die Sondervorteile der einzelnen Senderbetreiber aus den beitragsrelevanten präventiven und korrektiven Tätigkeiten der Bundesnetzagentur zur Sicherstellung einer von elektromagnetischen Störungen freien Frequenznutzung und insbesondere eines störungsfreien Funkempfangs abgegolten.
39Dies folgt bereits aus der ursprünglichen Gesetzesbegründung zur Einführung einer Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von EMVG-Beiträgen: Danach ist es nämlich für den Kreis der Senderbetreiber, also derjenigen, die Sendefunkanlagen aller Art betreiben, von fundamentaler wirtschaftlicher Bedeutung, dass die von ihnen übertragenen Informationen beim Teilnehmer störungsfrei ankommen. Die Senderbetreiber sind damit unmittelbare Nutznießer vom Staat bereitgestellter Kontrolleinrichtungen zur Sicherstellung und Gewährleistung der elektromagnetischen Verträglichkeit von Geräten und insbesondere des störungsfreien Funkempfangs. Es ist daher gerechtfertigt, diesen Kreis zur Zahlung eines Beitrags heranzuziehen.
40Vgl. BT-Drs. 12/2508 vom 30. April 1992 zu § 10 Abs. 1 EMVG a.F.
41Dieser Willen des Gesetzgebers hat auch im Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 1 EMVG seinen Niederschlag gefunden. Dort heißt es, dass die Senderbetreiber „zur Abgeltung der Kosten für die Sicherstellung der elektromagnetischen Verträglichkeit und insbesondere eines störungsfreien Funkempfangs ... eine Abgabe zu entrichten“ haben.
42Überdies ist das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zur Erhebung von EMVG-Beiträgen für die Jahre 1993 und 1994 auf der Grundlage der Verordnung vom 12. November 1993 (BGBl. I S. 1898),
43BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 - 6 C 8.99 -, BVerwGE 112, 194, juris Rdnr. 31,
44ebenfalls davon ausgegangen, dass die Beiträge von den Senderbetreibern erhoben werden, um die Vorteile abzugelten, die ihnen durch die Sicherung der Funktionsfähigkeit ihrer Anlagen aufgrund der Aufgabenerfüllung des (früheren) Bundesamtes für Post und Telekommunikation (heute: Bundesnetzagentur) in besonderem Maße zufließen.
45Ausweislich der Fußnoten in der Anlage zur Frequenzschutzbeitragsverordnung wird die theoretische Versorgungsfläche einer zugeteilten Frequenz durch die Addition von Flächenelementen, in denen die Frequenz ihre Mindestnutzfeldstärke (Feldstärke = Stärke der am Empfangsort eintreffenden elektromagnetischen Funkwellen) erreicht, ermittelt. Die Mindestnutzfeldstärke ist erforderlich, um eine bestimmte gute Empfangsqualität der Frequenz unter Berücksichtigung des natürlichen (physikalisch bedingten) Rauschens im Empfangsgerät zu erreichen. Unberücksichtigt bleiben dabei allerdings insbesondere die Interferenzen, d.h. Störungen durch andere (legal betriebene) benachbarte Sender, welche dadurch entstehen, dass der notwendige Schutzabstand zu diesen „Störsendern“ nicht eingehalten wird.
46Vgl. hierzu: Jürgen Dieterle, Institut für Rundfunktechnik GmbH (IRT), Untersuchung von Nutzungsmöglichkeiten freier UKW-Übertragungska-pazitäten in Nordrhein-Westfalen, Bericht vom 12. Januar 2011, S. 4; Infoblätter der technischen Hotline des MDR (Leipzig), überarbeitet und ergänzt durch Hans Müller, Ausbreitung von Radiowellen und technische Ratschläge für deren Empfang; jeweils auch abrufbar im Internet.
47Diese „gestörten“ Gebiete, in denen zwar die Mindestnutzfeldstärke erreicht, das Schutzabstandskriterium aber nicht eingehalten wird, besitzen nach den von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen des Klägers auch ein erhebliches Ausmaß und fallen für jede Frequenz in Relation zur theoretischen Versorgungsfläche deutlich anders aus, da die individuelle „Störsituation“ - auch in Abhängigkeit von der jeweiligen Topographie - immer eine andere ist. In den auf Seite 3 bis 5 der Widerspruchsbegründung vom 3. Juni 2008 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeführten Beispielen, bei denen es sich nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Klägers nicht um Sonderfälle handelt, machen sie jeweils weit über 50 % der theoretischen Versorgungsfläche der dort in den Blick genommenen Frequenzen aus. Dabei schwankt der Anteil der „gestörten“ Gebiete an der theoretischen Versorgungsfläche der jeweiligen Frequenz sehr stark.
48Ausgehend davon ist für den Senat nicht erkennbar, dass dem einzelnen Senderbetreiber in Bezug auf die „gestörten“ Gebiete aus den beitragsrelevanten Tätigkeiten der Bundesnetzagentur ein individuell zurechenbarer Sondervorteil in Gestalt einer von elektromagnetischen Störungen freien Frequenznutzung und insbesondere eines störungsfreien Funkempfangs zu Gute kommt, da trotz dieser Tätigkeiten die Störungen durch die anderen Sender fortbestehen. In den „gestörten“ Gebieten haben die beitragsrelevanten Tätigkeiten der Bundesnetzagentur - auch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeführte sog. passive Koordination - für die Senderbetreiber vielmehr keinen wirtschaftlichen Wert und führen daher für diese auch zu keinem relevanten Sondervorteil.
49Die Anknüpfung an die theoretische Versorgungsfläche, deren Ausmaß im Wesentlichen von der Stärke des Senders abhängt, wird dem Gebot einer vorteilsgerechten Lastenverteilung nicht gerecht, weil sie den Vorteil, der dem Senderbetreiber im Empfangsgebiet erwächst und der nach dem Willen des Gesetzgebers Erhebungsgrund für den EMVG-Beitrag ist, nicht sachgerecht abbildet.
50Der vom Verordnungsgeber gewählte Beitragsmaßstab führt innerhalb der betroffenen Nutzergruppe - zugleich - zu einer Ungleichbehandlung. Wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend erklärt haben, besteht zwischen der Größe der theoretischen Versorgungsfläche und der des tatsächlichen Versorgungsgebiets, in dem ein störungsfreier Empfang insbesondere durch beitragsrelevante Maßnahmen der Bundesnetzagentur erreichbar ist, kein proportionales Verhältnis und auch keine sonstige Korrelation. Bei gleich großer theoretischer Versorgungsfläche kann der verschiedenen Senderbetreibern zuzurechnende Vorteil - wie vom Kläger anschaulich beschrieben - sehr unterschiedlich sein. Diese Ungleichbehandlung lässt sich auch unter Berücksichtigung der Gestaltungsfreiheit des Normgebers nicht rechtfertigen. Für die das Abgabenrecht beherrschende Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG als Grundsatz der Abgabengerechtigkeit ist anerkannt, dass Durchbrechungen des Gleichheitssatzes aufgrund von Typisierung und Pauschalierung - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein können, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht.
51Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 2013 - 9 B 6.13 -, NWVBl. 2013, 361, juris Rdnr. 5 m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2012 - 9 A 2646/11 -, NWVBl. 2013, 259, juris Rdnr. 38.
52Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
53Der Umfang der „gestörten“ Gebiete ist nicht nur geringfügig und die Auswirkungen sind für den Senderbetreiber auch erheblich. Bei jeder Frequenz fällt das Verhältnis von „gestörten“ Gebieten zu theoretischer Versorgungsfläche ganz unterschiedlich aus. Konstellationen wie in dem vom Kläger bereits in der Widerspruchsbegründung angeführten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals erläuterten Fall des Senders Langenberg sind keine seltene und daher zu vernachlässigende Ausnahme. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass der Grundsatz "je größer die theoretische Versorgungsfläche, desto größer das tatsächliche Versorgungsgebiet" lediglich bezogen auf den Durchschnitt aller Frequenznutzungen gelte. Dass die Anzahl der Ausnahmen nur gering sei, macht die Beklagte mithin selbst nicht geltend.
54- 55
2 Darüber hinaus verstößt der Beitragsmaßstab der theoretischen Versorgungsfläche gegen die bundesgesetzliche Vorgabe aus § 11 Abs. 2 Satz 3 EMVG. Nach dieser Vorschrift erfolgt die Aufteilung (des einer Nutzergruppe zugeordneten Anteils an den Gesamtkosten) innerhalb der Nutzergruppe „entsprechend der Frequenznutzung“. Mit dem Begriff der „Nutzung“ ist die tatsächliche Intensität der Frequenznutzung,
so auch zum mit § 11 Abs. 2 Satz 3 EMVG wortgleichen § 143 Abs. 2 Satz 3 TKG a.F.: Roth, in: Scheurle / Mayen, Telekommunikationsgesetz – Kommentar, 2. Auflage 2008, § 143 Rdnr. 24; Gurlit, in: Säcker, Telekommunikationsgesetz – Kommentar, 3. Auflage 2013, § 143 Rdnr. 21,
57und nicht - wie die Beklagte noch in ihrem Schriftsatz vom 12. November 2013 vertreten hat - die theoretisch mögliche Frequenznutzung gemeint. Denn zum einen entspricht die Auslegung des Senats der allgemeinen Wortbedeutung von „nutzen“ als „von einer bestehenden Möglichkeit Gebrauch machen, sie ausnutzen“.
58Vgl. hierzu etwa: DUDEN, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs Bänden, 1978, Band 4, S. 1904.
59Zum anderen ist in § 11 Abs. 2 Satz 3 EMVG gerade nicht von der „möglichen Frequenznutzung“ oder der „Frequenznutzungsmöglichkeit“ die Rede.
60Dieses Auslegungsergebnis vermag auch der von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 12. November 2013 vorgebrachte Einwand, auf Grundlage der Frequenzschutzbeitragsverordnung würden „Beiträge“ erhoben, deren kennzeichnendes Merkmal es sei, dass es sich um Abgaben handele, die ein Entgelt für die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung darstellten, nicht in Frage zu stellen: Die Abgeltung eines staatlichen Leistungsangebots, das den jeweiligen Beitragspflichtigen als Sondervorteil in besonderem Maße zu Gute kommt, stellt nämlich lediglich den Erhebungsgrund für einen Beitrag dar.
61Vgl. hierzu: Gurlit, in: Säcker, Telekommunikationsgesetz – Kommentar, 3. Auflage 2013, § 143 Rdnr. 6.
62Der für die Beitragserhebung festzulegende Beitragsmaßstab knüpft an diesen Erhebungsgrund aber nur insoweit an, als er eine i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG sachgerechte Abgeltung des dem jeweiligen Beitragspflichtigen individuell zurechenbaren Sondervorteils ermöglichen muss.
63Vgl. hierzu: Roth, in: Scheurle / Mayen, Telekommunikationsgesetz – Kommentar, 2. Auflage 2008, § 143 Rdnr. 24 und 26; Gurlit, in: Säcker, Telekommunikationsgesetz – Kommentar, 3. Auflage 2013, § 143 Rdnr. 21.
64In diesen verfassungsmäßigen Grenzen hält sich jedoch die Vorgabe des Bundesgesetzgebers in § 11 Abs. 2 Satz 3 EMVG, den Beitragsmaßstab innerhalb der einzelnen Nutzergruppen entsprechend der tatsächlichen Intensität der Frequenznutzung festzulegen. Denn dieses Kriterium ermöglicht eine sachgerechte Abgeltung des Sondervorteils des einzelnen Senderbetreibers aus der Möglichkeit der Inanspruchnahme des beitragsrelevanten Leistungsangebots der Bundesnetzagentur zur Sicherstellung einer von elektromagnetischen Störungen freien Frequenznutzung und insbesondere eines störungsfreien Funkempfangs, da dieses Leistungsangebot für den einzelnen Senderbetreiber in dem Umfang, in dem die zugeteilte Frequenz von ihm tatsächlich genutzt wird, Relevanz entfaltet.
65Das demnach in § 11 Abs. 2 Satz 3 EMVG vorgegebene Verteilungskriterium der tatsächlichen Intensität der Frequenznutzung kommt allerdings - entgegen der von der Beklagten nunmehr in ihrem Schriftsatz vom 29. November 2013 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung - nicht in der theoretischen Versorgungsfläche zum Ausdruck. Denn in Anbetracht der Ausführungen unter 1. kann im Wege der verfassungskonformen Auslegung im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG als tatsächliche Nutzung einer Frequenz durch den jeweiligen Senderbetreiber nur die von ihm intendierte, wirtschaftlich vorteilhafte Nutzung der Frequenz angesehen werden, die sich vor allem darin widerspiegelt, dass die vom Senderbetreiber übertragenen Informationen beim Teilnehmer störungsfrei ankommen. Der Umfang dieser tatsächlichen Nutzung wird aber nicht maßgeblich durch die technische Leistung des Senders und die daraus resultierende theoretische Versorgungsfläche, sondern durch das von der Frequenz tatsächlich versorgte Gebiet beschrieben, in welchem sowohl die vorgegebene Mindestnutzfeldstärke erreicht als auch der notwendige Schutzabstand zu „Störsendern“ eingehalten wird. Nach den - insoweit vom zuständigen Referatsleiter der Bundesnetzagentur bestätigten - Ausführungen des Klägervertreters M. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist die Fläche dieses tatsächlichen Versorgungsgebietes über die Berechnung der sog. Interferenzkontur, die die Grenze des tatsächlich versorgten Gebietes zu den „gestörten“ Gebieten beschreibt, mit Hilfe eines Computerprogramms auch (relativ einfach) ermittelbar.
66Vgl. hierzu auch: Jürgen Dieterle, Institut für Rundfunktechnik GmbH (IRT), Untersuchung von Nutzungsmöglichkeiten freier UKW-Übertra-gungskapazitäten in Nordrhein-Westfalen, Bericht vom 12. Januar 2011, S. 4; Deutsches Fernsehmuseum Wiesbaden, Die Technik der Empfangsversorgung bei Rundfunk und Fernsehen, im Internet abrufbar unter http://www.fernsehmuseum.info/grundlagen-5.html.
67Soweit die Beklagte gegen die Geeignetheit eines Beitragsmaßstabs der tatsächlichen Versorgungsfläche einwendet, dass sich die Parameter der Sendernutzungen und Umgebungsbedingungen während der Laufzeit einer Frequenzzuteilung ständig änderten, so dass keinerlei stabile Aussagen über das tatsächliche Versorgungsgebiet gemacht werden könnten, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der EMVG-Beitrag nicht einmalig für die gesamte Laufzeit einer Frequenzzuteilung, sondern nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 EMVG „als Jahresbeitrag“ erhoben wird. Im Übrigen könnte den sich innerhalb des jeweiligen Beitragsjahres ändernden Parametern der Sendernutzungen und Umgebungsbedingungen beitragsrechtlich mit einer Stichtagsregelung („Maßgebend für die Beitragsermittlung sind die Verhältnisse am ...“.) Rechnung getragen werden.
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3 Ob die Normierung der für die hier in Rede stehende Nutzergruppe maßgeblichen Bezugseinheit der theoretischen Versorgungsfläche über die vorstehend dargelegten Gründe hinaus auch deshalb unwirksam ist, weil die Begriffsdefinition in den Fußnoten der Anlage zur Frequenzschutzbeitragsverordnung nicht den Publizitäts- und Bestimmtheitsanforderungen, die sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 und 3 GG ergeben, genügt, kann der Senat - da es darauf letztlich nicht ankommt - offen lassen. Dafür spricht allerdings Einiges. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die hinlängliche Publizität von allgemeinverbindlichen, mit Außenwirkung ausgestatteten Rechtsregeln ein für alle Normsetzungsakte geltendes rechtsstaatliches (Wirksamkeits-) Erfordernis ist. Dieses Publizitätserfordernis gilt ebenso für im Verweisungswege inkorporierte Regelungen; auch sie müssen für den Betroffenen verlässlich und ohne unzumutbare Erschwernis zugänglich sein. Die Angabe einer Fundstelle für das Verweisungsobjekt ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar nicht erforderlich; die Bestimmung muss dann aber jedenfalls hinreichend präzise bezeichnet sein. Verweist der staatliche Normgeber auf Regelungen Dritter, darf das nicht in einer Weise geschehen, dass der Bürger schrankenlos einer Normsetzungsgewalt ausgeliefert ist, die ihm gegenüber weder staatlich noch mitgliedschaftlich legitimiert ist. Das widerspräche sowohl dem Rechtsstaatsprinzip, wonach Einschränkungen der Freiheit des Bürgers, soweit sie überhaupt zulässig sind, nur durch oder aufgrund staatlicher Gesetze erfolgen dürfen, als auch dem Demokratieprinzip, wonach die Ordnung eines nach dem Grundgesetz staatlicher Regelung offen stehenden Lebensbereichs auf eine Willensentschließung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden muss. Nur soweit der Inhalt der von einem Privaten erlassenen Regelungen, auf die staatliche Rechtsnormen verweisen, im Wesentlichen feststeht, genügt die verweisende Norm den Anforderungen, die sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip ergeben. Ob diese Anforderungen erfüllt sind, ist letztlich unter Berücksichtigung des betroffenen Sachbereichs, der Grundrechtsrelevanz und des Umfangs der Verweisung zu beantworten.
Vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 -, DVBl 2013, 1393 mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
71Ausgehend von diesen Maßstäben erscheint fraglich, ob die technischen "Richtlinien", auf die die Fußnoten der Anlage zur Frequenzschutzbeitragsverordnung verweisen, hinreichend bezeichnet sind. Hinsichtlich der ITU-R P.370 und der ITU-R BT.417 lässt sich wohl noch aufgrund ihrer Bezeichnung vermuten und mittels einer Internet-Recherche bestätigen, dass diese Regelwerke von der ITU - International Telecommunication Union - stammen.
72Von wem die "jeweils gültigen nationalen Richtlinien (zurzeit 176 TR 22 bzw. 5 R 22 vom März 1992)" stammen, offenbart der Normtext hingegen nicht ansatzweise. Entsprechendes gilt hinsichtlich der "weiteren nationalen und internationalen Festlegungen, wie zum Beispiel ... Wiesbaden 1995 und Maastricht 2002 und ... Chester 1997".
73Problematisch erscheint zudem, dass die Richtlinien jedenfalls der ITU nicht auf Deutsch, sondern ausschließlich in englischer, französischer und spanischer Sprache veröffentlicht sind, was einer Inkorporation in deutsches Recht durch eine solche Verweisung entgegenstehen dürfte. Unabhängig davon bleibt auch unklar, ob sämtliche nach dem Willen des Verordnungsgebers anwendbaren Richtlinien, Empfehlungen und Verträge überhaupt benannt sind oder ob es weitere, nicht bezeichnete "nationale und internationale Festlegungen" gibt, auf die es für die Berechnung der theoretischen Versorgungsfläche ankommen kann.
74Ob die Definition der theoretischen Versorgungsfläche in den Fußnoten der Anlage zur Frequenzschutzbeitragsverordnung gleichwohl den dargestellten Anforderungen an die Publizität und Bestimmtheit im Hinblick darauf genügt, dass sie sich nur an einen konkret bestimmbaren Adressatenkreis richtet, der - weil es sich sämtlich um Betreiber von Rundfunksendern handelt - mit der technischen Materie bestens vertraut ist und die Berechnung der theoretischen Versorgungsfläche nach nationalen und internationalen Standards sogar ohne jede Definition durch den Verordnungsgeber vornehmen könnte, bedarf hier - wie ausgeführt - keiner Klärung.
75- 76
II Der gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO vom Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemachte Beitragsrückzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 972,71 Euro ergibt sich aus dem allgemeinen (Vollzugs-) Folgenbeseitigungsanspruch.
Vgl. hierzu: Kopp / Schenke, Kommentar zur VwGO, 19. Auflage 2013, § 113 Rdnr. 80.
78Darüber hinaus kann der Kläger von der Beklagten in entsprechender Anwendung von § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB Prozesszinsen seit dem 10. Dezember 2010 verlangen. Die Rechtshängigkeit eines Abgabenrückzahlungsanspruchs wird nicht schon durch die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den zugrunde liegenden Abgabenbescheid, sondern erst durch die Erhebung einer (bezifferten) Leistungsklage auf Rückzahlung der bereits entrichteten Abgabe bewirkt.
79Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 6 C 16.05 -, juris Rdnr. 17 m.w.N.
80Letzteres ist hier erst mit der Stellung eines entsprechenden Leistungsantrags durch den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 10. Dezember 2010 geschehen.
81Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
82Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht vorliegen.
(1) Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden dürfen nicht in das Inland eingeführt oder verbracht werden. Hunde weiterer Rassen sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden, für die nach den Vorschriften des Landes, in dem der Hund ständig gehalten werden soll, eine Gefährlichkeit vermutet wird, dürfen aus dem Ausland nicht in dieses Land eingeführt oder verbracht werden.
(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
vorzuschreiben, - a)
dass bestimmte Hunde nur über bestimmte nach tierseuchenrechtlichen Vorschriften eingerichtete Grenzkontrollstellen in das Inland eingeführt werden dürfen oder bei diesen Grenzkontrollstellen vorzuführen sind, - b)
dass das beabsichtigte Einführen bestimmter Hunde binnen einer zu bestimmenden Frist bei der zuständigen Grenzkontrollstelle anzumelden ist.
- 2.
Vorschriften über - a)
die Überwachung des Verbringens oder der Einfuhr, - b)
die Maßnahmen, die zu ergreifen sind, wenn Hunde nicht den Anforderungen nach diesem Gesetz entsprechen, sowie - c)
das Verfahren
zu erlassen. - 3.
Ausnahmen von Absatz 1 ganz oder teilweise zuzulassen oder zu gewähren sowie die Voraussetzungen und das Verfahren zu regeln.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.