Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 21. Juni 2016 - 2 L 53/14

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2016:0621.2L53.14.0A
bei uns veröffentlicht am21.06.2016

Gründe

I.

1

Die Kläger begehren ein Einschreiten des Beklagten gegen eine Schießsportanlage.

2

Mit Bescheid vom 04.03.2009 erteilte der Beklagte der Gemeinde E. eine Genehmigung nach § 4 BImSchG für die Errichtung und den Betrieb einer Schießsportanlage für Vereins- und Breitensport für Klein- und Großkaliberwaffen auf dem Grundstück Gemarkung E., Flur A, Flurstück 72, im Ortsteil G. unter Beifügung mehrerer Nebenbestimmungen. An den nächstgelegenen Wohnhäusern der Ortslage G. in etwa 330 m Entfernung südöstlich des Schießstandes darf die von der Schießsportanlage ausgehende Geräuschimmission in der Zeit von 06:00 Uhr bis 22:00 Uhr den zulässigen Immissionsrichtwert für ein Mischgebiet von 60 dB(A) nicht überschreiten. Die Schießsportanlage darf antragsgemäß an Werktagen (Montag bis Samstag) mit einer Nutzung von 8 Stunden in der Zeit von 10:00 Uhr bis 13:00 Uhr und 15:00 Uhr bis 20:00 Uhr und am Sonntag mit einer Nutzung von 4 Stunden in der Zeit von 09:00 Uhr bis 13:00 Uhr betrieben werden. Die Nutzungszeiten der Schießbahnen und die dabei benutzten Waffen sowie die Zahl der abgegebenen Schüsse sind in einem Nachweisbuch zu dokumentieren. Das Nachweisbuch ist in der Schießsportanlage aufzubewahren und den Mitarbeitern der Überwachungsbehörden auf Verlangen vorzuzeigen.

3

Der Beigeladene ist Betreiber der Schießsportanlage.

4

Die Kläger sind Nachbarn der Anlage. Mit Schreiben vom 28.03.2012 beantragten sie bei dem Beklagten, ordnungsbehördlich gegen den Betrieb der Schießsportanlage vorzugehen und den Betrieb der Schießsportanlage unverzüglich einzustellen, hilfsweise "auf Kleinkalieberwaffen zeitlich zu beschränken".

5

Am 04.08.2012 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage erhoben.

6

Mit Urteil vom 14.04.2014 – 4 A 158/12 HAL – hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kläger könnten nicht beanspruchen, dass der Beklagte verpflichtet werde, ihren Antrag auf Betriebsuntersagung bzw. Stilllegung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (positiv) zu bescheiden. Voraussetzung für einen Anspruch auf Bescheidung sei, dass die Kläger sich auf Vorschriften beriefen, aus denen sich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ergebe, und dass die Tatbestandsvoraussetzungen für die begehrte Maßnahme gegeben seien. Hier fehle es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für die von den Klägern begehrte Betriebsuntersagung bzw. -stilllegung. Als rechtlicher Anknüpfungspunkt komme § 20 Abs. 1 BImSchG in Betracht. Eine Pflichtverletzung im Sinne des § 20 Abs. 1 BImSchG sei aber im hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht ersichtlich. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Verstöße gegen die Dokumentationspflicht, bei der es sich um eine drittschützende Auflage handele, noch vorlägen. Darüber hinaus fehle es sowohl an einer Nichtbefolgung einer nachträglichen Anordnung gemäß § 17 BImSchG, zumal eine solche noch nicht ergangen sei, als auch an einer Verletzung einer in einer Rechtsverordnung nach § 7 BImSchG niedergelegten abschließend bestimmten Pflicht. Selbst wenn die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Einschreiten vorliegen sollten, könne die auf eine Betriebseinstellung nach § 20 Abs. 1 BImSchG gerichtete Bescheidungsklage keinen Erfolg haben, da dem Beklagten ein Auswahlermessen hinsichtlich mehrerer möglicher Maßnahmen zukomme. Auch soweit die Kläger rügten, dass sich der Betrieb der Schießsportanlage nicht an die festgesetzten Betriebszeiten halte und die maßgeblichen Immissionswerte überschreite, ergebe sich kein Anspruch auf positive Bescheidung ihres Antrags. Die insoweit einschlägige Rechtsgrundlage des § 20 Abs. 2 BImSchG gebe hierfür nichts her. Vorliegend sei für die streitige Schießsportanlage eine (bestandskräftige) Betriebsgenehmigung vorhanden. Diese sei auch nicht erloschen. Die Schießsportanlage werde nicht abweichend von dieser Betriebsgenehmigung betrieben, sondern halte sich an die dortigen Festsetzungen, insbesondere hinsichtlich der Betriebszeiten und Immissionswerte. Diese seien Inhaltsbestimmungen, d.h. den Umfang der Genehmigung konkretisierende Regelungen. Verstöße gegen die Betriebszeitregelungen seien inzwischen abgestellt. Auch die in der Genehmigung festgelegten Immissionswerte würden eingehalten. Die für die Jahre 2010 (ab Oktober) und 2011 vorgelegte Übersicht über die Nutzung der Anlage belege, dass die täglichen Schusszahlen für Kurz- und Langwaffen deutlich unter den in der Immissionsprognose zugrunde gelegten Gesamtschusszahlen lägen. Vor diesem Hintergrund sei auch die Immissionsprognose tragfähig, da die maximalen Schusszahlen, von denen in Anwendung der VDI-Richtlinie 3745 ausgegangen worden sei, praktisch nicht erreicht würden, sondern deutlich darunter lägen. Soweit die Kläger der Auffassung seien, die Einzelpegel lägen deutlich über den Werten für allgemeine Wohngebiete, führe dies nicht zum Erfolg. Die Beurteilung der Schießgeräusche erfolge anhand des Beurteilungspegels. Dieser werde aus den Einzelschusspegeln und den Schusszahlen unter Berücksichtigung von Zuschlägen für Ruhezeiten und Impulshaltigkeit ermittelt, so dass es nicht (allein) auf die Einzelschusspegel ankomme. Das ermittelte Ergebnis der Prognose gebe daher zur rechtlichen Beanstandung keinen Anlass. Soweit die Kläger vortrügen, der Betrieb der Schießanlage verstoße gegen waffenrechtliche Vorschriften, könnten sie damit nicht durchdringen, da die maßgeblichen Vorschriften des WaffG nicht drittschützend seien. Auch soweit die Kläger anführten, die Schießanlage werde übermäßig von Kaufinteressenten zu Testzwecken genutzt, denen der Vorsitzende, der ein Waffengeschäft betreibe, eine Gasterlaubnis erteile, führe dies nicht weiter. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Anlage nicht ausschließlich von Vereinsmitgliedern genutzt werde, da sie nicht nur für den Vereins-, sondern auch für den Breitensport genehmigt worden sei. Dass die Nutzung für den Vereinssport gegenüber der sonstigen Nutzung in den Hintergrund getreten sei, so dass eine überwiegend gewerbliche Nutzung angenommen werden müsse, sei nicht ersichtlich und auch von den Klägern nicht substantiiert geltend gemacht. Ein Anspruch auf Bescheidung, den Beklagten zu verpflichten, nachträgliche Schallpegelmessungen nach § 26 BImSchG zu veranlassen oder vorzunehmen, komme ebenfalls (derzeit) nicht in Frage. Hierfür bestehe aktuell keine Veranlassung, da nach Auswertung der Schießbücher angesichts der geringen Schusszahlen selbst die Immissionswerte für ein allgemeines Wohngebiet sicher eingehalten würden. Vor diesem Hintergrund könne auch der hilfsweise gestellte Bescheidungsantrag der Kläger, den Beklagten zu verpflichten, den Betrieb der Anlage „auf Kleinkaliberwaffen zeitlich zu beschränken“, keinen Erfolg haben. Auch ein Widerruf der Genehmigung nach § 21 BImSchG sei nicht gerechtfertigt. Der dahingehende Verpflichtungsantrag sei bereits unzulässig, weil die Kläger keinen Antrag auf Widerruf bei dem Beklagten gestellt hätten. Hiervon abgesehen lägen auch die Voraussetzungen des § 21 BImSchG nicht vor. Der Genehmigungsbescheid enthalte keinen Widerrufsvorbehalt. Auch eine nachträgliche Änderung der Tatsachenlage liege nicht vor. Es habe sich lediglich die Einschätzung des Gebietscharakters durch die Behörde geändert. Auch lägen weder eine Gefährdung des öffentlichen Interesses noch schwere Nachteile für das Gemeinwohl vor.

II.

7

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

8

1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.07.2013 – 1 BvR 3057/11 –, juris 36). Dies ist hier nicht der Fall.

9

a) Ohne Erfolg machen die Kläger geltend, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass sie in jedem Fall einen Anspruch auf Bescheidung ihres Antrags vom 28.03.2012 gegen den Beklagten hätten. Das trifft nicht zu. Voraussetzung eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Antrag auf ordnungsbehördliches Einschreiten ist, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein solches Einschreiten vorliegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.06.1991 – BVerwG 4 C 52.89 –, juris RdNr. 18; Urt. d. Senats v. 18.02.2015 – 2 L 22/13 –, juris RdNr. 62 ff.). Fehlt es hieran, verletzt das Unterlassen einer Entscheidung der zuständigen Behörde den Antragsteller nicht in seinen Rechten i.S.d. § 113 Abs. 5 VwGO (vgl. VG Saarlouis, Urt. v. 26.10.2011 – 5 K 752/10 –, juris RdNr. 42 ff.). Hieran gemessen hat das Verwaltungsgericht zu Recht nicht nur den Hauptantrag der Kläger auf immissionsschutzrechtliches Einschreiten, sondern auch deren auf Bescheidung gerichteten Hilfsantrag abgewiesen, da es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für die von den Klägern begehrten Maßnahmen fehlt. Damit besteht kein Anspruch der Kläger auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, so dass auch die Bescheidungsklage zu Recht abgewiesen wurde.

10

b) Soweit die Kläger geltend machen, die Voraussetzungen einer Untersagungsverfügung nach § 20 Abs. 1 BImSchG lägen vor, weil der Beigeladene mehrfach gegen Auflagen aus dem Genehmigungsbescheid vom 04.03.2009 verstoßen habe, verkennen sie, dass das Verwaltungsgericht insoweit den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung für maßgeblich gehalten hat und keine ernstlichen Anhaltspunkte dafür finden konnte, dass Verstöße gegen Auflagen, insbesondere die Dokumentationspflicht, noch vorlägen. Dem sind die Kläger nicht entgegengetreten.

11

c) Nicht stichhaltig ist das Vorbringen der Kläger, ein Anspruch auf ordnungsbehördliches Einschreiten bestehe deshalb, weil für den Beigeladenen keine Genehmigung erteilt worden sei. Bei der Genehmigung nach § 4 BImSchG handelt es sich um eine Sachgenehmigung. Wird die Anlage veräußert, geht die Genehmigung auf den Erwerber der Anlage über; der Erwerber bedarf keiner neuen Genehmigung. Die Genehmigung haftet an der Betreiberstellung, so dass eine Person, die in die Betreiberstellung einrückt, Genehmigungsinhaber wird; der alte Betreiber verliert diese Stellung (vgl. Jarass, BImSchG, 11. Aufl., § 6 RdNr. 79 f.). Nach diesen Grundsätzen ist der Beigeladene mit dem Übergang der Antragsteller- bzw. Betreiberstellung von der Gemeinde E. auf ihn, der von der Gemeinde E. mit Schreiben vom 24.03.2009 bei dem Beklagten angezeigt wurde, in die Stellung des Genehmigungsinhabers eingerückt.

12

d) Nicht durchgreifend ist der Vortrag der Kläger, ein Anspruch auf ordnungsbehördliches Einschreiten bestehe wegen der Nutzung der Schießsportanlage für gewerbliche Zwecke. Insoweit hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, es sei nicht zu beanstanden, dass die Anlage nicht ausschließlich von Vereinsmitgliedern genutzt werde, da sie nicht nur für den Vereins-, sondern auch für den Breitensport genehmigt worden sei. Es sei auch nicht ersichtlich, dass eine überwiegend gewerbliche Nutzung angenommen werden müsse. Ernstliche Zweifel an dieser Einschätzung können die Kläger nicht allein damit begründen, dass sie die Nutzung der Anlage zu kommerziellen Zwecken durch lediglich zwei Kunden wöchentlich bestreiten.

13

e) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht aus dem Hinweis der Kläger auf Verstöße gegen die Festlegung der Betriebszeiten. Insoweit berücksichtigen sie nicht, dass das Verwaltungsgericht angenommen hat, Verstöße gegen die Betriebszeitenregelung seien abgestellt worden und lägen aktuell nicht mehr vor. Dem treten sie nicht entgegen.

14

f) Soweit die Kläger auf die Auflage, Ersatzpflanzungen vorzunehmen, hinweisen, kann dies die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 BImSchG nicht begründen, weil diese Auflage weder die Beschaffenheit noch den Betrieb der Anlage betrifft.

15

g) Soweit das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, es fehle an einer Nichtbefolgung einer nachträglichen Anordnung gemäß § 17 BImSchG, da eine solche bislang nicht ergangen sei, können die Kläger hiergegen nicht einwenden, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, eine solche zu erlassen. Selbst wenn dies zutreffen sollte, würde es noch immer an der Nichtbefolgung einer nachträglichen Anordnung i.S.d. § 17 BImSchG als Voraussetzung des Einschreitens gemäß § 20 Abs. 1 BImSchG fehlen.

16

h) Ohne Erfolg machen die Kläger geltend, die Voraussetzungen für eine Verpflichtung zur Untersagung des Betriebs der Anlage gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 BImSchG lägen vor, da dieser zu einer unmittelbaren Gefährdung der menschlichen Gesundheit führe. Hierbei lassen sie außer Acht, dass weder ein Verstoß gegen eine Auflage noch gegen eine Anordnung oder Pflicht vorliegt, so dass es an den grundlegenden Voraussetzungen eines Einschreitens nach § 20 Abs. 1 BImSchG fehlt.

17

i) Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, bei dem Betrieb der Anlage würden die Immissionswerte für ein allgemeines Wohngebiet sicher eingehalten. Zu Unrecht machen die Kläger geltend, auf der Grundlage der im Genehmigungsverfahren vorgelegten Schallimmissionsprognose vom 03.12.2008 sei von einer Belastung von mindestens 58 dB(A) auszugehen, der über dem zulässigen Wert der TA Lärm für ein allgemeine Wohngebiet liege. Zwar wurde in der Schallimmissionsprognose am Immissionsort 1 (IO 1), dem nordwestlichen Ortsrand von G. in 6 m Höhe in einer Entfernung von 330 m zum Standort der Anlage, ein Beurteilungspegel werktags (Montag – Samstag) von 06:00 Uhr bis 22:00 Uhr von 57,9 dB(A) berechnet (BA A Bl. 181). Dieser Berechnung lag jedoch die Annahme zugrunde, dass täglich 5.120 Schüsse mit Langwaffen und 1.920 Schüsse mit Kurzwaffen abgegeben werden. Da die tatsächlichen Schusszahlen nach Auswertung der von dem Beigeladenen geführten Schießbücher durch den Beklagten weitaus niedriger liegen, ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Anlagenbetrieb halte den Immissionswert der Nr. 6.1 Buchst. d TA Lärm von tags 55 dB(A) sicher ein, rechtlich nicht zu beanstanden. Vor diesem Hintergrund ist auch die Annahme des Verwaltungsgerichts gerechtfertigt, ein Anspruch der Kläger auf Verpflichtung des Beklagten, Schallpegelmessungen nach § 26 BImSchG zu veranlassen oder vorzunehmen, komme derzeit nicht in Frage, zumal auch die Kläger in der Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung betonen, sie hätten einen diesbezüglichen Antrag nicht gestellt.

18

j) Ohne Erfolg wenden die Kläger sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, ein Widerruf der Genehmigung nach § 21 BImSchG sei nicht gerechtfertigt. Soweit das Verwaltungsgericht von der Unzulässigkeit einer diesbezüglichen Verpflichtungsklage ausgegangen ist, weil die Kläger zuvor keinen Antrag bei dem Beklagten gestellt hätten, ist bereits zweifelhaft, ob die Kläger dem entgegenhalten können, ein solcher Antrag sei in ihrem Antrag auf ordnungsbehördliches Einschreiten bereits enthalten gewesen. Dies bedarf indessen keiner Vertiefung, denn ernstliche Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Voraussetzungen für einen Widerruf der Genehmigung gemäß § 21 BImSchG lägen nicht vor, bestehen nicht. Nicht zu überzeugen vermag das Vorbringen der Kläger, die Genehmigung vom 04.03.2009 enthalte einen Widerrufsvorbehalt. Bei der in dem Genehmigungsbescheid auf Seite 6 unter "Hinweise" enthaltenen Formulierung, die Genehmigung könne bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 BImSchG widerrufen werden (BA A Bl. 254), handelt es sich nicht um einen Widerrufsvorbehalt i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 3 BImSchG, sondern um einen Hinweis auf die Rechtslage. Entgegen der Ansicht der Kläger liegt auch keine Änderung der tatsächlichen Situation i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG vor, soweit der Beklagte seine Einschätzung der Gebietseinstufung dahingehend geändert hat, dass es sich bei der Ortslage G. nicht um ein dörfliches Mischgebiet, sondern um ein allgemeines Wohngebiet handelt. Vor diesem Hintergrund bedarf es auch keine Vertiefung, ob eine Gefährdung des öffentlichen Interesses i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG vorliegt und ob einem Widerruf der Ablauf der Widerrufsfrist des § 21 Abs. 2 BImSchG entgegensteht. Ebenfalls keiner Vertiefung bedarf das Vorbingen der Kläger, bei der Entscheidung über den Widerruf handele es sich gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 BImSchG um eine "Soll-Entscheidung".

19

k) Keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich, soweit die Kläger vortragen, der Beklagte sei verpflichtet, gemäß § 17 BImSchG gegenüber dem Beigeladenen eine Anordnung zur Einstellung bzw. Teileinstellung des Schießbetriebs zu erlassen. Sie verweisen insoweit auf die in der Schallimmissionsprognose vom 03.12.2008 aus den Einzelschusspegeln und der Gesamtzahl der gemessenen Einzelschusspegel ermittelten und in Tabelle 7 dargestellten mittleren Einzelschusspegel am IO 1 von 67,1 dB(A) bei Schüssen mit einem Gewehr Großkaliber, 62,8 dB(A) bei Schüssen mit einer Flinte und 66,4 dB(A) bei Schüssen mit einem Revolver Großkaliber (BA B Bl. 185). Hiermit verkennen sie die Vorgehensweise der Schallimmissionsprognose. Bei den in der Tabelle 7 enthaltenen Einzelschusspegeln handelt es sich, anders als die Kläger meinen, nicht um die Werte, die am Maßstab des Nr. 6.1 der TA Lärm zu messen sind. Die Beurteilung der Schießgeräusche erfolgt vielmehr anhand des Beurteilungspegels, der ausgehend von der VDI-Richtlinie 3745 Blatt 1 aus dem mittleren Einzelschusspegel und den Schusszahlen ermittelt wird. Die mittleren Einzelschusspegel am IO 1 wurden, da die in Tabelle 7 enthaltenen Einzelschusspegel als nicht repräsentativ für den späteren Anlagenbetrieb anzusehen waren, im Wege einer Schallausbreitungsrechnung nach ISO 9613-2 für den IO 1 unter Berücksichtigung des Schützenhauses, der Blenden und der Wälle berechnet und in der Tabelle 12 (BA A Bl. 182) dargestellt. Die in der Tabelle 15 enthaltenen Beurteilungspegel wurden aus den in der Tabelle 12 dargestellten mittleren Einzelschusspegeln und den gemäß der VDI-Richtlinie 3745, Blatt 1, Anhang A, angenommen und in der Tabelle 14 dargestellten Schusszahlen berechnet (BA A Bl. 181). Substantiierte Einwände gegen die Methode und das Ergebnis der Schallimmissionsprognose vom 03.12.2008 werden von den Klägern nicht geltend gemacht.

20

2. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen der von den Klägern gerügten Verfahrensmängel zuzulassen. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein derartiger Verfahrensmangel liegt nicht vor.

21

a) Es kann offen bleiben, ob das Urteil des Verwaltungsgerichts eine gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßende Überraschungsentscheidung darstellt. Eine dem zuwiderlaufende unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit welcher die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten. Zwar muss das Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinweisen. Falls es jedoch eine vorläufige Einschätzung der Rechtslage zu erkennen gegeben hat, muss es deutlich machen, wenn es hiervon wieder abweichen will (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.08.1996 – 2 BvR 2600/95 –, juris RdNr. 23; BVerwG, Urt. v. 27.01.2011 – BVerwG 7 C 3.10 –, juris RdNr. 11). Gemessen daran spricht einiges dafür, dass es sich bei dem Urteil des Verwaltungsgerichts um eine solche unzulässige Überraschungsentscheidung handelt. Die Kläger machen geltend, das Verwaltungsgericht habe in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass die Klage allein aufgrund der Nichtbearbeitung ihres Antrags auf ordnungsbehördliches Einschreiten vom 28.03.2012 begründet sei, dann aber gleichwohl (überraschend) die Klage abgewiesen. Dem ist weder der Beklagte noch der Beigeladene entgegengetreten. Gleichwohl kommt eine Zulassung der Berufung wegen dieses möglichen Verfahrensmangels nicht in Betracht, weil die Entscheidung hierauf nicht beruht. Die durch § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vorgeschriebene "Beruhensprüfung" führt dazu, dass ein Gehörsverstoß dann nicht zur Berufungszulassung führt, wenn der Verfahrensmangel mit Sicherheit ohne Bedeutung für das Ergebnis in der Hauptsache ist (vgl. OVG NW, Beschl. v. 31.03.2004 – 3 A 4016/02 –, juris RdNr. 11; NdsOVG, Beschl. v. 05.09.2007 – 7 LA 42/07 –, juris RdNr. 14). So liegt es hier. Das Verwaltungsgericht hat die Klage – wie bereits ausgeführt – zu Recht abgewiesen, da den Klägern ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gegen den Beklagten über ihren Antrag auf ordnungsbehördliches Einschreiten nicht zustehet, weil die Voraussetzungen für ein Einschreiten nicht vorliegen. Der fehlende Hinweis auf die Abweichung von der in der mündlichen Verhandlung erörterten Einschätzung der Rechtslage durch das Verwaltungsgericht hat sich daher mit Sicherheit nicht auf das Ergebnis der Hauptsache ausgewirkt.

22

b) Ohne Erfolg bleibt auch die von den Klägern erhobene Aufklärungsrüge. Sie meinen, das Verwaltungsgericht hätte Beweis durch Einholung eines schalltechnischen Sachverständigengutachtens erheben müssen. Dem kann nicht gefolgt werden. Ein Tatsachengericht kann sich grundsätzlich ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf eine gutachterliche Stellungnahme stützen, die eine Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.03.1992 – BVerwG 4 B 39.92 –, juris RdNr. 5). Die Einholung zusätzlicher Sachverständigengutachten oder gutachterlicher Stellungnahmen liegt nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 404 Abs. 1, 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts. Dieses Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung weiterer Gutachten absieht, obwohl die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung sich ihm hätte aufdrängen müssen. So liegt es hier nicht. Wie bereits ausgeführt, ist die auf der Schallimmissionsprognose vom 03.12.2008 sowie der Auswertung der Schießbücher des Beigeladenen durch den Beklagten beruhende Annahme des Verwaltungsgerichts, der Anlagenbetrieb halte den Immissionswert der Nr. 6.1 Buchst. d TA Lärm für allgemeine Wohngebiete von tags 55 dB(A) sicher ein, rechtlich nicht zu beanstanden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass dies von den Klägern nach eigenen Angaben "nicht nachvollzogen" werden könne. Dass vielfach das Nachvollziehen von Berechnungen oder technischen Zusammenhängen einen mit der Materie nicht vertrauten Laien überfordert, entbindet den jeweiligen Kläger im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nicht davon, sich selbst sachkundig zu machen, notfalls sogar mit Hilfe eines selbst in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens, dessen Kosten je nach Ausgang des Verfahrens erstattungsfähig sein können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.03.1992 – BVerwG 4 B 39.92 –, a.a.O. RdNr. 6). Vor diesem Hintergrund durfte das Verwaltungsgericht von der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens absehen, zumal die Kläger in der mündlichen Verhandlung auch keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt haben.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, da er im Berufungszulassungsverfahren keinen Antrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

24

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG.

25

Rechtsmittelbelehrung

26

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 21. Juni 2016 - 2 L 53/14

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Tenor Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. November 2011 - 13 LA 81/11 - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Gru

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(1) Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen bedürfen einer Genehmigung. Mit Ausnahme von Abfallentsorgungsanlagen bedürfen Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, der Genehmigung nur, wenn sie in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen. Die Bundesregierung bestimmt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen, die einer Genehmigung bedürfen (genehmigungsbedürftige Anlagen); in der Rechtsverordnung kann auch vorgesehen werden, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist, wenn eine Anlage insgesamt oder in ihren in der Rechtsverordnung bezeichneten wesentlichen Teilen der Bauart nach zugelassen ist und in Übereinstimmung mit der Bauartzulassung errichtet und betrieben wird. Anlagen nach Artikel 10 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2010/75/EU sind in der Rechtsverordnung nach Satz 3 zu kennzeichnen.

(2) Anlagen des Bergwesens oder Teile dieser Anlagen bedürfen der Genehmigung nach Absatz 1 nur, soweit sie über Tage errichtet und betrieben werden. Keiner Genehmigung nach Absatz 1 bedürfen Tagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen sowie die zur Wetterführung unerlässlichen Anlagen.

(1) Kommt der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage einer Auflage, einer vollziehbaren nachträglichen Anordnung oder einer abschließend bestimmten Pflicht aus einer Rechtsverordnung nach § 7 nicht nach und betreffen die Auflage, die Anordnung oder die Pflicht die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage, so kann die zuständige Behörde den Betrieb ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Auflage, der Anordnung oder der Pflichten aus der Rechtsverordnung nach § 7 untersagen. Die zuständige Behörde hat den Betrieb ganz oder teilweise nach Satz 1 zu untersagen, wenn ein Verstoß gegen die Auflage, Anordnung oder Pflicht eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit verursacht oder eine unmittelbare erhebliche Gefährdung der Umwelt darstellt.

(1a) Die zuständige Behörde hat die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer genehmigungsbedürftigen Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist und gewerblichen Zwecken dient oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung findet, ganz oder teilweise zu untersagen, solange und soweit die von dem Betreiber getroffenen Maßnahmen zur Verhütung schwerer Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU oder zur Begrenzung der Auswirkungen derartiger Unfälle eindeutig unzureichend sind. Bei der Entscheidung über eine Untersagung berücksichtigt die zuständige Behörde auch schwerwiegende Unterlassungen in Bezug auf erforderliche Folgemaßnahmen, die in einem Überwachungsbericht nach § 16 Absatz 2 Nummer 1 der Störfall-Verordnung festgelegt worden sind. Die zuständige Behörde kann die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer Anlage im Sinne des Satzes 1 ganz oder teilweise untersagen, wenn der Betreiber die in einer zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU erlassenen Rechtsverordnung vorgeschriebenen Mitteilungen, Berichte oder sonstigen Informationen nicht fristgerecht übermittelt.

(2) Die zuständige Behörde soll anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen oder zu beseitigen ist. Sie hat die Beseitigung anzuordnen, wenn die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht auf andere Weise ausreichend geschützt werden kann.

(3) Die zuständige Behörde kann den weiteren Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage durch den Betreiber oder einen mit der Leitung des Betriebs Beauftragten untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit dieser Personen in Bezug auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen dartun, und die Untersagung zum Wohl der Allgemeinheit geboten ist. Dem Betreiber der Anlage kann auf Antrag die Erlaubnis erteilt werden, die Anlage durch eine Person betreiben zu lassen, die die Gewähr für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage bietet. Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden.

(1) Zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten können nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung Anordnungen getroffen werden. Wird nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung festgestellt, dass die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist, soll die zuständige Behörde nachträgliche Anordnungen treffen.

(1a) Bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie ist vor dem Erlass einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 Satz 2, durch welche Emissionsbegrenzungen neu festgelegt werden sollen, der Entwurf der Anordnung öffentlich bekannt zu machen. § 10 Absatz 3 und 4 Nummer 1 und 2 gilt für die Bekanntmachung entsprechend. Einwendungsbefugt sind Personen, deren Belange durch die nachträgliche Anordnung berührt werden, sowie Vereinigungen, welche die Anforderungen von § 3 Absatz 1 oder § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Für die Entscheidung über den Erlass der nachträglichen Anordnung gilt § 10 Absatz 7 bis 8a entsprechend.

(1b) Absatz 1a gilt für den Erlass einer nachträglichen Anordnung entsprechend, bei der von der Behörde auf Grundlage einer Verordnung nach § 7 Absatz 1b oder einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 Absatz 1b weniger strenge Emissionsbegrenzungen festgelegt werden sollen.

(2) Die zuständige Behörde darf eine nachträgliche Anordnung nicht treffen, wenn sie unverhältnismäßig ist, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Anordnung verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit der Anordnung angestrebten Erfolg steht; dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und technische Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen. Darf eine nachträgliche Anordnung wegen Unverhältnismäßigkeit nicht getroffen werden, soll die zuständige Behörde die Genehmigung unter den Voraussetzungen des § 21 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 ganz oder teilweise widerrufen; § 21 Absatz 3 bis 6 sind anzuwenden.

(2a) § 12 Absatz 1a gilt für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie entsprechend.

(2b) Abweichend von Absatz 2a kann die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen, wenn

1.
wegen technischer Merkmale der Anlage die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und die Behörde dies begründet oder
2.
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
§ 12 Absatz 1b Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Absatz 1a gilt entsprechend.

(3) Soweit durch Rechtsverordnung die Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 abschließend festgelegt sind, dürfen durch nachträgliche Anordnungen weitergehende Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen nicht gestellt werden.

(3a) Die zuständige Behörde soll von nachträglichen Anordnungen absehen, soweit in einem vom Betreiber vorgelegten Plan technische Maßnahmen an dessen Anlagen oder an Anlagen Dritter vorgesehen sind, die zu einer weitergehenden Verringerung der Emissionsfrachten führen als die Summe der Minderungen, die durch den Erlass nachträglicher Anordnungen zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten bei den beteiligten Anlagen erreichbar wäre und hierdurch der in § 1 genannte Zweck gefördert wird. Dies gilt nicht, soweit der Betreiber bereits zur Emissionsminderung auf Grund einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 oder einer Auflage nach § 12 Absatz 1 verpflichtet ist oder eine nachträgliche Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 getroffen werden soll. Der Ausgleich ist nur zwischen denselben oder in der Wirkung auf die Umwelt vergleichbaren Stoffen zulässig. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für nicht betriebsbereite Anlagen, für die die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb erteilt ist oder für die in einem Vorbescheid oder einer Teilgenehmigung Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 festgelegt sind. Die Durchführung der Maßnahmen des Plans ist durch Anordnung sicherzustellen.

(4) Ist es zur Erfüllung der Anordnung erforderlich, die Lage, die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage wesentlich zu ändern und ist in der Anordnung nicht abschließend bestimmt, in welcher Weise sie zu erfüllen ist, so bedarf die Änderung der Genehmigung nach § 16. Ist zur Erfüllung der Anordnung die störfallrelevante Änderung einer Anlage erforderlich, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und wird durch diese Änderung der angemessene Sicherheitsabstand erstmalig unterschritten, wird der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten oder wird eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst, so bedarf die Änderung einer Genehmigung nach § 16 oder § 16a, wenn in der Anordnung nicht abschließend bestimmt ist, in welcher Weise sie zu erfüllen ist.

(4a) Zur Erfüllung der Pflichten nach § 5 Absatz 3 soll bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 auch eine Sicherheitsleistung angeordnet werden. Nach der Einstellung des gesamten Betriebs können Anordnungen zur Erfüllung der sich aus § 5 Absatz 3 ergebenden Pflichten nur noch während eines Zeitraums von einem Jahr getroffen werden.

(4b) Anforderungen im Sinne des § 12 Absatz 2c können auch nachträglich angeordnet werden.

(5) Die Absätze 1 bis 4b gelten entsprechend für Anlagen, die nach § 67 Absatz 2 anzuzeigen sind oder vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 16 Absatz 4 der Gewerbeordnung anzuzeigen waren.

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vorzuschreiben, dass die Errichtung, die Beschaffenheit, der Betrieb, der Zustand nach Betriebseinstellung und die betreibereigene Überwachung genehmigungsbedürftiger Anlagen zur Erfüllung der sich aus § 5 ergebenden Pflichten bestimmten Anforderungen genügen müssen, insbesondere, dass

1.
die Anlagen bestimmten technischen Anforderungen entsprechen müssen,
2.
die von Anlagen ausgehenden Emissionen bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten dürfen oder Anlagen äquivalenten Parametern oder äquivalenten technischen Maßnahmen entsprechen müssen,
2a.
der Einsatz von Energie bestimmten Anforderungen entsprechen muss,
3.
die Betreiber von Anlagen Messungen von Emissionen und Immissionen nach in der Rechtsverordnung näher zu bestimmenden Verfahren vorzunehmen haben oder vornehmen lassen müssen,
4.
die Betreiber von Anlagen bestimmte sicherheitstechnische Prüfungen sowie bestimmte Prüfungen von sicherheitstechnischen Unterlagen nach in der Rechtsverordnung näher zu bestimmenden Verfahren
a)
während der Errichtung oder sonst vor der Inbetriebnahme der Anlage,
b)
nach deren Inbetriebnahme oder einer Änderung im Sinne des § 15 oder des § 16,
c)
in regelmäßigen Abständen oder
d)
bei oder nach einer Betriebseinstellung,
durch einen Sachverständigen nach § 29a vornehmen lassen müssen, soweit solche Prüfungen nicht gemäß § 7 Absatz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung gemäß § 31 Satz 2 Nummer 4 des Gesetzes über überwachungsbedürftige Anlagen vorgeschrieben sind, und
5.
die Rückführung in den Ausgangszustand nach § 5 Absatz 4 bestimmten Anforderungen entsprechen muss, insbesondere in Bezug auf den Ausgangszustandsbericht und die Feststellung der Erheblichkeit von Boden- und Grundwasserverschmutzungen.
Bei der Festlegung der Anforderungen nach Satz 1 sind insbesondere mögliche Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen; ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt ist zu gewährleisten.

(1a) Nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung ist unverzüglich zu gewährleisten, dass für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie bei der Festlegung von Emissionsgrenzwerten nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten. Im Hinblick auf bestehende Anlagen ist

1.
innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Rechtsverordnung vorzunehmen und
2.
innerhalb von vier Jahren nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit sicherzustellen, dass die betreffenden Anlagen die Emissionsgrenzwerte der Rechtsverordnung einhalten.

(1b) Abweichend von Absatz 1a

1.
können in der Rechtsverordnung weniger strenge Emissionsgrenzwerte und Fristen festgelegt werden, wenn
a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagenart die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und dies begründet wird oder
b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden, oder
2.
kann in der Rechtsverordnung bestimmt werden, dass die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen und Fristen festlegen kann, wenn
a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagen die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre oder
b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. Emissionsgrenzwerte und Emissionsbegrenzungen nach Satz 1 dürfen die in den Anhängen der Richtlinie 2010/75/EU festgelegten Emissionsgrenzwerte nicht überschreiten und keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufen.

(2) In der Rechtsverordnung kann bestimmt werden, inwieweit die nach Absatz 1 zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen festgelegten Anforderungen nach Ablauf bestimmter Übergangsfristen erfüllt werden müssen, soweit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Rechtsverordnung in einem Vorbescheid oder einer Genehmigung geringere Anforderungen gestellt worden sind. Bei der Bestimmung der Dauer der Übergangsfristen und der einzuhaltenden Anforderungen sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von den Anlagen ausgehenden Emissionen sowie die Nutzungsdauer und technische Besonderheiten der Anlagen zu berücksichtigen. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Anlagen, die nach § 67 Absatz 2 oder § 67a Absatz 1 anzuzeigen sind oder vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 16 Absatz 4 der Gewerbeordnung anzuzeigen waren.

(3) Soweit die Rechtsverordnung Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 festgelegt hat, kann in ihr bestimmt werden, dass bei in Absatz 2 genannten Anlagen von den auf Grund der Absätze 1 und 2 festgelegten Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen abgewichen werden darf. Dies gilt nur, wenn durch technische Maßnahmen an Anlagen des Betreibers oder Dritter insgesamt eine weitergehende Minderung von Emissionen derselben oder in ihrer Wirkung auf die Umwelt vergleichbaren Stoffen erreicht wird als bei Beachtung der auf Grund der Absätze 1 und 2 festgelegten Anforderungen und hierdurch der in § 1 genannte Zweck gefördert wird. In der Rechtsverordnung kann weiterhin bestimmt werden, inwieweit zur Erfüllung von zwischenstaatlichen Vereinbarungen mit Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland Satz 2 auch für die Durchführung technischer Maßnahmen an Anlagen gilt, die in den Nachbarstaaten gelegen sind.

(4) Zur Erfüllung von bindenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union kann die Bundesregierung zu dem in § 1 genannten Zweck mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Anforderungen an die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb, die Betriebseinstellung und betreibereigene Überwachung genehmigungsbedürftiger Anlagen vorschreiben. Für genehmigungsbedürftige Anlagen, die vom Anwendungsbereich der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien (ABl. EG Nr. L 182 S. 1) erfasst werden, kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates dieselben Anforderungen festlegen wie für Deponien im Sinne des § 3 Absatz 27 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, insbesondere Anforderungen an die Erbringung einer Sicherheitsleistung, an die Stilllegung und die Sach- und Fachkunde des Betreibers.

(5) Wegen der Anforderungen nach Absatz 1 Nummer 1 bis 4, auch in Verbindung mit Absatz 4, kann auf jedermann zugängliche Bekanntmachungen sachverständiger Stellen verwiesen werden; hierbei ist

1.
in der Rechtsverordnung das Datum der Bekanntmachung anzugeben und die Bezugsquelle genau zu bezeichnen,
2.
die Bekanntmachung bei dem Deutschen Patentamt archivmäßig gesichert niederzulegen und in der Rechtsverordnung darauf hinzuweisen.

(1) Kommt der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage einer Auflage, einer vollziehbaren nachträglichen Anordnung oder einer abschließend bestimmten Pflicht aus einer Rechtsverordnung nach § 7 nicht nach und betreffen die Auflage, die Anordnung oder die Pflicht die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage, so kann die zuständige Behörde den Betrieb ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Auflage, der Anordnung oder der Pflichten aus der Rechtsverordnung nach § 7 untersagen. Die zuständige Behörde hat den Betrieb ganz oder teilweise nach Satz 1 zu untersagen, wenn ein Verstoß gegen die Auflage, Anordnung oder Pflicht eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit verursacht oder eine unmittelbare erhebliche Gefährdung der Umwelt darstellt.

(1a) Die zuständige Behörde hat die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer genehmigungsbedürftigen Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist und gewerblichen Zwecken dient oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung findet, ganz oder teilweise zu untersagen, solange und soweit die von dem Betreiber getroffenen Maßnahmen zur Verhütung schwerer Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU oder zur Begrenzung der Auswirkungen derartiger Unfälle eindeutig unzureichend sind. Bei der Entscheidung über eine Untersagung berücksichtigt die zuständige Behörde auch schwerwiegende Unterlassungen in Bezug auf erforderliche Folgemaßnahmen, die in einem Überwachungsbericht nach § 16 Absatz 2 Nummer 1 der Störfall-Verordnung festgelegt worden sind. Die zuständige Behörde kann die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer Anlage im Sinne des Satzes 1 ganz oder teilweise untersagen, wenn der Betreiber die in einer zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU erlassenen Rechtsverordnung vorgeschriebenen Mitteilungen, Berichte oder sonstigen Informationen nicht fristgerecht übermittelt.

(2) Die zuständige Behörde soll anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen oder zu beseitigen ist. Sie hat die Beseitigung anzuordnen, wenn die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht auf andere Weise ausreichend geschützt werden kann.

(3) Die zuständige Behörde kann den weiteren Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage durch den Betreiber oder einen mit der Leitung des Betriebs Beauftragten untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit dieser Personen in Bezug auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen dartun, und die Untersagung zum Wohl der Allgemeinheit geboten ist. Dem Betreiber der Anlage kann auf Antrag die Erlaubnis erteilt werden, die Anlage durch eine Person betreiben zu lassen, die die Gewähr für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage bietet. Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden.

Die zuständige Behörde kann anordnen, dass der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage oder, soweit § 22 Anwendung findet, einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage Art und Ausmaß der von der Anlage ausgehenden Emissionen sowie die Immissionen im Einwirkungsbereich der Anlage durch eine der von der zuständigen Behörde eines Landes bekannt gegebenen Stellen ermitteln lässt, wenn zu befürchten ist, dass durch die Anlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden. Die zuständige Behörde ist befugt, Einzelheiten über Art und Umfang der Ermittlungen sowie über die Vorlage des Ermittlungsergebnisses vorzuschreiben.

(1) Eine nach diesem Gesetz erteilte rechtmäßige Genehmigung darf, auch nachdem sie unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf gemäß § 12 Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 vorbehalten ist;
2.
wenn mit der Genehmigung eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Genehmigungsbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die Genehmigung nicht zu erteilen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Genehmigungsbehörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, die Genehmigung nicht zu erteilen, soweit der Betreiber von der Genehmigung noch keinen Gebrauch gemacht hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.

(2) Erhält die Genehmigungsbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf einer Genehmigung rechtfertigen, so ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig.

(3) Die widerrufene Genehmigung wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Genehmigungsbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt.

(4) Wird die Genehmigung in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 3 bis 5 widerrufen, so hat die Genehmigungsbehörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand der Genehmigung vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand der Genehmigung hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Genehmigungsbehörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Genehmigungsbehörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(5) Die Länder können die in Absatz 4 Satz 1 getroffene Bestimmung des Entschädigungspflichtigen abweichend regeln.

(6) Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten nicht, wenn eine Genehmigung, die von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. November 2011 - 13 LA 81/11 - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Das Land Niedersachsen hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 30.000 € (in Worten: dreißigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde beanstanden die Beschwerdeführer insbesondere, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil über ihre Klage gegen einen deichrechtlichen Planfeststellungsbeschluss abgelehnt hat.

A.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der an der Alten Aller gelegenen Flurstücke X, Y und Z, von denen eines mit einem Wohnhaus und Nebengebäuden bebaut ist.

3

2. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz stellte mit Beschluss vom 11. Dezember 2008 auf Antrag eines Deichverbands einen Plan für die Verbesserung der Deichsicherheit auf einem Streckenabschnitt von ungefähr 4 km fest. Der festgestellte Plan übernimmt auch einen Änderungsantrag des Deichverbands vom 7. Juli 2008. In diesem wird ausgeführt, für den Bereich der Flurstücke X, Y und Z habe der Antrag bisher die Herstellung einer neuen Hochwasserschutzmauer sowie die Anlage eines Deichverteidigungswegs zwischen der neuen Hochwassermauer und dem Wohngebäude der Beschwerdeführer auf dem Flurstück X vorgesehen. Aufgrund der doch nicht unerheblichen Vorteile eines grünen Deiches gegenüber einer Hochwasserschutzwand im Hinblick auf Sicherheit und Unterhaltungskosten habe die ursprüngliche Planung aus heutiger Sicht, nicht zuletzt auch aufgrund neuerer Vorgaben zur Finanzierung, einer neuen Bewertung bedurft. Im Ergebnis sei danach, soweit möglich, auch hier der grüne Deich zu realisieren. Der Bau des Deiches solle auf dem Flurstück Y erfolgen. Der dauerhaft in Anspruch genommene Flächenanteil dieses Flurstücks betrage 3.100 qm.

4

3. Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Beschwerdeführer gegen den Planfeststellungsbeschluss weitgehend ab.

5

Eine Verletzung des Abwägungsgebotes könnten die Beschwerdeführer nicht mit Erfolg geltend machen. Der beklagte Landesbetrieb (im Folgenden: Beklagter) habe bei seiner Abwägungsentscheidung die Belange der Beschwerdeführer berücksichtigt. Das in ihrem Eigentum stehende Flurstück Z werde im Umfang von 830 qm für den Neubau des Deichkörpers in Anspruch genommen. Eine Flächeninanspruchnahme sei bei der Entscheidung zugunsten des grünen Deiches in diesem Umfang geboten. Eine wesentliche Beeinträchtigung ihres verbleibenden Grundbesitzes ergebe sich daraus nicht, zumal auch bei einer Erhöhung der vorhandenen Flutschutzmauer, wie dies die Beschwerdeführer wünschten, Beeinträchtigungen ihres Grundbesitzes zu erwarten wären. Die Flächeninanspruchnahme sei dann allerdings geringer. Auch die Belange des Naturschutzes würden gewahrt. Denn der vorhandene Teich, der als Biotop einzustufen sei, werde an anderer Stelle neu hergestellt. Eine erhebliche Beeinträchtigung des vorhandenen Fauna-Flora-Habitat-Gebiets (FFH-Gebiet) sei zudem durch die geplante Trassierung nicht zu erwarten. Dies wäre allenfalls bei einer Verlegung des Deiches in östlicher Richtung, also auf das Flurstück Y, der Fall. Dieses Flurstück werde aber durch die Maßnahme nicht auf Dauer beeinträchtigt, hiervon werde lediglich während der Bauzeit ein Arbeitsstreifen in Anspruch genommen.

6

4. Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil ab.

7

Der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sei nicht hinreichend dargetan und liege zudem nicht vor. Die Beschwerdeführer hätten die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht hinreichend in Frage gestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss dem Abwägungsgebot entspreche.

8

Die Beschwerdeführer seien durch die Deicherneuerungsmaßnahme unmittelbar in ihrem Eigentumsrecht betroffen. Sie hätten deshalb einen Anspruch auf eine umfassende gerichtliche Abwägungskontrolle.

9

Das Abwägungsgebot habe in der Rechtsprechung zu der gerichtlichen Überprüfung von Planungsalternativen in Bezug auf abweichende Standorte beziehungsweise Trassen eine nähere Ausformung erfahren, die sich auch auf die Bestimmung einer Deichlinienführung für einen der Planfeststellung unterliegenden Deichbau übertragen ließe: Ernsthaft in Betracht kommende Alternativlösungen müssten bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials berücksichtigt werden und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingehen. Die eigentliche planerische Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Alternativen unterliege nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Eine Planfeststellungsbehörde handele nicht schon dann fehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Trassenführung ebenfalls aus guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Trassenwahl seien erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Trassenführung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen sei.

10

Einen derartigen Fehler hätten die Beschwerdeführer in ihrer Zulassungsbegründung nicht darzulegen vermocht.

11

So sei die dauerhafte Inanspruchnahme des im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Flurstücks Y durch die Erstellung eines grünen Deichs anstelle der Verstärkung und Erhöhung der alten Hochwasserschutzmauer Gegenstand der Abwägung des Planfeststellungsbeschlusses gewesen. Der Änderungsantrag des Beigeladenen vom 7. Juli 2008 weise eindeutig darauf hin, dass alle beschriebenen Maßnahmen (Errichtung eines grünen Deiches anstelle einer Hochwasserschutzmauer) auf dem Flurstück Y zu realisieren seien. Der Änderungsantrag sei ebenso wie der zugehörige Lageplan Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses und damit Gegenstand der Abwägung geworden. Dass dieser Belang auch tatsächlich inhaltlich abgewogen worden sei, ergebe sich aus den Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses. Danach seien die Eigentumsbelange der Beschwerdeführer, die aufgrund der Vorgabe, dass ein grüner Deich errichtet werden müsse, betroffen würden, in die Abwägung eingestellt worden, hätten aber hinter die Belange des Hochwasserschutzes zurücktreten müssen. Einzig denkbare Alternative zur Verwirklichung des Hochwasserschutzes im Bereich des Wohnhauses der Beschwerdeführer sei die Herstellung eines grünen Deiches auf der Trasse des jetzigen Deiches. Dies hätte aber den Abriss dieses Wohnhauses zur Folge, was ungleich schwerer wiege als die Inanspruchnahme von Weideland.

12

Allerdings sei das Verwaltungsgericht offensichtlich irrig davon ausgegangen, das Flurstück Y werde nur für die Dauer der Bauzeit im Umfang eines Arbeitsstreifens in Anspruch genommen. Dies sei jedoch für die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils ohne Bedeutung, da die dauerhafte teilweise Inanspruchnahme dieses Grundstücks - wie dargelegt - durch den Beklagten ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt worden sei, mithin kein Abwägungsfehler vorliege, der der Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht entgegenstünde.

13

Zu Recht habe das Verwaltungsgericht auch die Errichtung eines grünen Deiches vor dem Wohnhaus der Beschwerdeführer anstelle der ursprünglich geplanten Verstärkung und Erhöhung der vorhandenen Hochwasserschutzmauer als abwägungsfehlerfrei angesehen. Insoweit habe es zutreffend auf die Schwachstellen im Übergangsbereich einer Hochwasserschutzmauer zu dem sich anschließenden grünen Deich hingewiesen. Zu Recht habe es dabei auch darauf abgestellt, dass eine notfallmäßige Erhöhung durch Sandsäcke bei einem grünen Deich einfacher und sicherer zu bewerkstelligen sei, als dies bei einer Hochwasserschutzmauer der Fall wäre. Dies ergebe sich schon aufgrund der breiteren zur Verfügung stehenden Grundfläche und bedürfe keiner weiteren Erläuterung.

II.

14

1. Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen den Planfeststellungsbeschluss, das Urteil des Verwaltungsgerichts und die Nichtzulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht. Sie rügen eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 und Art. 14 Abs. 1 GG und machen unter anderem geltend, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletze ihr Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, weil er die Anforderungen an die Darlegung der verschiedenen Zulassungsgründe überspanne.

15

Hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hätten sie aufgezeigt, dass sich eine erhebliche Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Urteils schlüssig in Frage stellen lasse. Das Verwaltungsgericht gehe in seinem Urteil davon aus, dass das in ihrem Eigentum stehende Flurstück Y nicht auf Dauer, sondern lediglich für die Bauzeit in geringem Umfang beeinträchtigt werde. Mit der Feststellung dieser Tatsache gehe das Verwaltungsgericht außerdem davon aus, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des sich dort befindenden FFH-Gebiets nicht zu erwarten sei. Sie hätten dargelegt, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts 3.100 qm des Flurstücks Y dauerhaft in Anspruch genommen werden sollten. Insoweit stimmten die Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht mit dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss überein.

16

Diese Fehleinschätzung sei für das Urteil des Verwaltungsgerichts auch erheblich, denn sie betreffe die Art und Weise sowie den Umfang der Inanspruchnahme ihres Grundeigentums, darüber hinaus aber auch die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von ihnen rügefähige Frage der Vereinbarkeit des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses mit (europäischem) Naturschutzrecht. Erheblich sei sie auch insofern, als das Verwaltungsgericht auf die Feststellung seine Überprüfung der dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Abwägung stütze und hiernach in dem Urteil zu dem Schluss komme, die Beklagte habe ihre Belange hinreichend berücksichtigt.

17

Die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts habe das Oberverwaltungsgericht im Grunde zwar auch erkannt, die "irrige" Annahme des Verwaltungsgerichts zu der Inanspruchnahme des Flurstücks Y jedoch als für die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils unbedeutend angesehen. Die angebliche Ergebnisrichtigkeit des Urteils begründe das Oberverwaltungsgericht damit, dass die Planfeststellungsbehörde die Inanspruchnahme des Flurstücks Y ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt habe. Mit dieser Würdigung greife das Oberverwaltungsgericht aber dem eigentlichen Berufungsverfahren vor. Unabhängig davon seien erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts dargetan, wenn sich aus dem Vorbringen ergebe, dass das Urteil auf der fehlerhaften Annahme von in Anspruch genommenen Flächen fuße, denn es sei Aufgabe des Verwaltungsgerichts zu prüfen, ob die Belange tatsächlich ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt worden seien.

18

2. Die Niedersächsische Landesregierung sowie der Beklagte und der im Ausgangsverfahren beigeladene Deichverband hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten der Ausgangsverfahren sind beigezogen.

B.

19

Die Verfassungsbeschwerde hat hinsichtlich des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Erfolg.

I.

20

Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts richtet, ist sie zulässig (1.) und begründet (2.). Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Er ist aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

21

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts keine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO erhoben haben. Dies war weder zur Erschöpfung des Rechtswegs (a) noch wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (b) geboten.

22

a) aa) Wird mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, so gehört eine Anhörungsrüge an das Fachgericht zu dem Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG im Regelfall abhängig ist (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>; 126, 1 <17>). Erheben Beschwerdeführer in einem solchen Fall keine Anhörungsrüge, obwohl sie statthaft und nicht offensichtlich aussichtslos wäre, hat das zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt unzulässig ist, sofern die damit gerügten Grundrechtsverletzungen denselben Streitgegenstand betreffen wie der geltend gemachte Gehörsverstoß(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10).

23

Wird die Rüge einer Gehörsverletzung hingegen weder ausdrücklich noch der Sache nach zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht oder wird die zunächst wirksam im Verfassungsbeschwerdeverfahren erhobene Rüge einer Gehörsverletzung wieder zurückgenommen (vgl. BVerfGE 126, 1 <17>), hängt die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Rechtswegerschöpfung nicht von der vorherigen Durchführung eines fachgerichtlichen Anhörungsrügeverfahrens ab. Wurde ein Anhörungsrügeverfahren vor dem letztinstanzlichen Fachgericht durchgeführt, mit der Verfassungsbeschwerde aber kein Gehörsverstoß gerügt - etwa weil sich die Beschwerdeführer insoweit von den Gründen des die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschlusses haben überzeugen lassen -, zählt dieses Anhörungsrügeverfahren, wenn es nicht offensichtlich aussichtslos war, gleichwohl zum Rechtsweg und wirkt damit fristbestimmend für die Verfassungsbeschwerde.

24

bb) Die Beschwerdeführer machen mit ihrer Verfassungsbeschwerde weder ausdrücklich noch der Sache nach eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs geltend.

25

Die Begründung der Verfassungsbeschwerde enthält allerdings Ausführungen, die - isoliert betrachtet - als Rügen einer Gehörsverletzung gedeutet werden könnten. So beanstanden die Beschwerdeführer unter anderem, dass das Oberverwaltungsgericht auf die von ihnen gerügte Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets gar nicht eingegangen sei und auch den Einwand unberücksichtigt gelassen habe, dass nach langem Vorlauf im Planungsverfahren unvermittelt eine Planänderung stattgefunden habe. Dieses Vorbringen kann bei sachdienlicher Auslegung nicht als Rüge einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG verstanden werden. Es dient im Zusammenhang der Verfassungsbeschwerde eindeutig dem Ziel zu begründen, dass das Oberverwaltungsgericht unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG den Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils sowie den der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache verkannt habe. Dass die Beschwerdeführer ungeachtet dessen mit diesen Ausführungen gleichwohl der Sache nach einen Gehörsverstoß rügen wollen, kann nach dem Grundsatz wohlwollender Auslegung prozessualer Anträge im Sinne des erkennbaren Rechtsschutzanliegens auch deshalb nicht angenommen werden, weil ihrem Vorbringen ansonsten ein Verständnis unterlegt würde, das mangels Erhebung einer Anhörungsrüge zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde führen würde.

26

b) Die Erhebung der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO war hier auch nicht mit Rücksicht auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde geboten.

27

aa) Dieser in § 90 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz verlangt, dass Beschwerdeführer alle nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung schon im fachgerichtlichen Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>). Das kann auch bedeuten, dass Beschwerdeführer zur Wahrung des Subsidiaritätsgebots gehalten sind, im fachgerichtlichen Verfahren eine Gehörsverletzung mit den gegebenen Rechtsbehelfen, insbesondere mit einer Anhörungsrüge, selbst dann anzugreifen, wenn sie im Rahmen der ihnen insoweit zustehenden Dispositionsfreiheit mit der Verfassungsbeschwerde zwar keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG rügen wollen (vgl. BVerfGE 126, 1 <17>), durch den fachgerichtlichen Rechtsbehelf aber die Möglichkeit wahren, dass bei Erfolg der Gehörsverletzungsrüge in den vor den Fachgerichten gegebenenfalls erneut durchzuführenden Verfahrensschritten auch andere Grundrechtsverletzungen, durch die sie sich beschwert fühlen, beseitigt werden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10). Denn die Dispositionsfreiheit der Beschwerdeführer enthebt sie nicht ohne Weiteres der Beachtung des Subsidiaritätsgebotes; als Voraussetzung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ist dieses der Verfügungsmacht der Beschwerdeführer entzogen.

28

Die Verweisung auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde steht allerdings unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit einer anderweitigen prozessualen Möglichkeit zur Abhilfe (stRspr, vgl. nur BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 11. Juli 2012 - 1 BvR 3142/07,1 BvR 1569/08 -, NJW 2012, S. 3081 <3082 [Tz. 45]>). Zur Vermeidung der Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde, bei der sie sich nicht auf eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG berufen, müssen Beschwerdeführer daher aus Gründen der Subsidiarität eine Anhörungsrüge oder den sonst gegen eine Gehörsverletzung gegebenen Rechtsbehelf nur dann ergreifen, wenn den Umständen nach ein Gehörsverstoß durch die Fachgerichte nahe liegt und zu erwarten wäre, dass vernünftige Verfahrensbeteiligte mit Rücksicht auf die geltend gemachte Beschwer bereits im gerichtlichen Verfahren einen entsprechenden Rechtsbehelf ergreifen würden.

29

Das Subsidiaritätsgebot greift danach in den hier in Rede stehenden Fällen insbesondere dann, wenn auf der Hand liegt, dass mit dem Beschwerdevorbringen der Sache nach ein Gehörsverstoß gerügt wird, die Beschwerdeführer aber ersichtlich mit Rücksicht darauf, dass kein Anhörungsrügeverfahren durchgeführt wurde, ausschließlich die Verletzung eines anderen Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts geltend machen, das durch ein solches Vorgehen des Gerichts gleichfalls verletzt sein kann (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 1468/11 -, juris).

30

Die Möglichkeit, über eine erfolgreiche Anhörungsrüge die Beseitigung anderweitiger Grundrechtsverletzungen zu erreichen, besteht im Übrigen von vornherein nur in dem Umfang, als diese denselben Streitgegenstand betreffen wie die geltend gemachte Gehörsverletzung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10). Nur insoweit kann aus dem Subsidiaritätsgrundsatz die Obliegenheit der Erhebung einer Anhörungsrüge auch für den Fall abgeleitet werden, dass mit der Verfassungsbeschwerde kein Gehörsverstoß gerügt wird.

31

bb) Gemessen hieran verletzt es nicht den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, dass die Beschwerdeführer es unterlassen haben, eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts über die Ablehnung der Zulassung der Berufung zu erheben.

32

Soweit die Beschwerdeführer beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht auf die von ihnen gerügte Beeinträchtigung des FFH-Gebiets gar nicht eingegangen sei und auch den Einwand unberücksichtigt gelassen habe, dass nach langem Vorlauf im Planungsverfahren unvermittelt eine Planänderung stattgefunden habe, ist schon zweifelhaft, ob dieser Vortrag, selbst wenn er in der Sache zuträfe, überhaupt geeignet ist, eine Gehörsverletzung zu begründen. Wird bestimmter Vortrag in einer gerichtlichen Entscheidung nicht erwähnt, lässt dies nämlich nur unter besonderen Umständen den Rückschluss auf die Nichtberücksichtigung entscheidungserheblichen Vorbringens zu (vgl. BVerfGE 96, 205 <216 f.>). Das hier in Frage stehende, für die Geltendmachung einer Gehörsverletzung eher unspezifische Vorbringen der Beschwerdeführer ist zudem eindeutig und sinnvoll in die Rüge einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eingebunden, die sich gegen die Verneinung des Berufungszulassungsgrunds der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils sowie der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache richtet. Es gibt insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführer damit lediglich eine Versäumung der Anhörungsrüge umgehen wollten. Sie müssen sich daher nicht entgegenhalten lassen, dass die Erhebung einer Anhörungsrüge nahe gelegen hätte und zu erwarten gewesen wäre, dass ein vernünftiger Verfahrensbeteiligter eine Anhörungsrüge erhoben hätte.

33

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

34

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grunde dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642).

35

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

36

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies ist den Beschwerdeführern gelungen. Sie haben aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht in einem für ihr Grundeigentum und damit für die Entscheidung wesentlichen Punkt von falschen Annahmen über die Festsetzungen im Planfeststellungsbeschluss ausgegangen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

37

Das Urteil des Verwaltungsgerichts geht von der Annahme aus, das im Eigentum der Beschwerdeführer stehende Flurstück Y werde durch die mit dem Planfeststellungsbeschluss zugelassene Maßnahme nicht auf Dauer beeinträchtigt; vielmehr werde lediglich während der Bauzeit ein Streifen dieses Flurstücks in Anspruch genommen.

38

Die Beschwerdeführer haben in der Begründung ihres Zulassungsantrags geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass bereits im Änderungsantrag vom 7. Juli 2008 ausdrücklich von der Notwendigkeit der dauerhaften Inanspruchnahme von 3.100 qm des Flurstücks Y die Rede sei. Dementsprechend sei auch die Festsetzung im Planfeststellungsbeschluss erfolgt. Der Planfeststellungsbeschluss enthalte keine gerechte Abwägung ihrer Belange.

39

Das Oberverwaltungsgericht hat erkannt, dass das Verwaltungsgericht "offensichtlich irrig" von einer nur vorübergehenden Inanspruchnahme des Flurstücks Y nur für die Dauer der Bauzeit im Umfang eines Arbeitsstreifens ausgegangen ist. Dennoch hat es sich nicht dazu veranlasst gesehen, die Berufung aufgrund einer unzutreffenden Annahme der tatsächlichen Betroffenheit der Beschwerdeführer zuzulassen. Es hat vielmehr im Berufungszulassungsverfahren eine eigene Prüfung der fachplanerischen Abwägungsentscheidung vorgenommen und dabei das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis für richtig befunden. Damit hat es in verfassungswidriger Weise Teile der dem Berufungsverfahren vorbehaltenen Sachprüfung in das Berufungszulassungsverfahren vorverlagert.

40

Zwar begegnet es keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere entscheidungstragende Gründe abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

41

Das Oberverwaltungsgericht hat die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Kontrolle der fachplanerischen Abwägungsentscheidung in einem für die Beschwerdeführer entscheidenden Punkt durch eine eigene Kontrolle ersetzt. Ob das Deichbauvorhaben die Eigentumsrechte der Beschwerdeführer gemessen an den damit verfolgten Zielen und den in Frage kommenden Vorhabenalternativen - hier insbesondere der von den Beschwerdeführern statt des Deichneubaus verlangten Ertüchtigung der Hochwasserschutzwand - unverhältnismäßig beeinträchtigt, hängt unter anderem maßgeblich von der mit den festgestellten Maßnahmen einhergehenden Eigentumsbelastung für die Beschwerdeführer ab. Dass es insofern für die Abwägungsentscheidung von erheblichem Gewicht ist, ob das Flurstück Y nur vorübergehend während der Bauzeit als Arbeitsstreifen oder dauerhaft in dem doch beträchtlichen Umfang von 3.100 qm in Anspruch genommen wird, liegt auf der Hand. Es war dem Oberverwaltungsgericht bei Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes verwehrt, im Berufungszulassungsverfahren, das insbesondere mangels eines förmlichen Beweisaufnahmeverfahrens den Beteiligten von vornherein weniger Einwirkungsmöglichkeiten auf die Tatsachenfeststellung einräumt als das Hauptsacheverfahren, diese Frage der Abgewogenheit des Planfeststellungsbeschlusses abweichend vom Verwaltungsgericht in der Sache zu entscheiden.

42

Da das Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Berufung nicht ohne Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ablehnen konnte, beruht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf diesem Verfassungsverstoß. Ob die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts darüber hinaus auch Art. 14 Abs. 1 GG verletzt, kann dahinstehen.

II.

43

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts und den Planfeststellungsbeschluss des beklagten Landesbetriebs wendet, bedarf es keiner Entscheidung. Durch die Aufhebung der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist der Rechtsweg vor den Fachgerichten wieder eröffnet und dadurch eine erneute fachgerichtliche Aufarbeitung des Ausgangsfalls möglich (vgl. BVerfGE 129, 1 <37>).

C.

44

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

45

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt vom Beklagten ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen.

2

Er ist seit 1998 Eigentümer des Grundstücks R-Straße 24 im Ortsteil (...) der Stadt E. (Gemarkung D., Flur A, Flurstück 71). Die Beigeladenen sind Eigentümer des nordwestlich angrenzenden, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks A-Straße 4a (Gemarkung D., Flur A, Flurstücke 31 und 67), das auf einem von Südwesten nach Nordosten ansteigenden Berghang gelegen ist. Das Grundstück grenzt im östlichen Teil in einer Länge von ca. 8 m an das im Eigentum des Klägers stehende Grundstück, auf dem sich etwa parallel zur Grundstücksgrenze Teile der Grundmauern eines ehemaligen Scheunengebäudes befinden.

3

In den Jahren 2003/2004 errichteten die Beigeladenen eine u-förmig angeordnete Stützmauer mit Umwehrung im südlichen Teil ihres Grundstücks. Auf dem von der Mauer abgestützten Gelände befindet sich eine mit Rasen bewachsene Fläche. Der nach Südwesten errichtete Mauerteil verläuft parallel zum Nachbargrundstück R-Straße 23.

4

Am 17.05.2006 beantragten die Beigeladenen für diesen (nach Südwesten zeigenden) Teil der Stützmauer beim Beklagten nachträglich die Erteilung einer Baugenehmigung zur Böschungssicherung. Die beiden anderen Mauerteilstücke nahmen sie von ihrem Baugenehmigungsantrag aus. Zur Begründung gaben sie an, die nach Südosten gegenüber dem (klägerischen) Grundstück R-Straße 24 auf einer Länge von 7,05 m zu errichtende Stützmauer habe aufgrund des Geländeverlaufs eine Höhe von 0,00 m bis 1,65 m und sei daher wie die nach Nordwesten gerichtete Stützmauer genehmigungsfrei. Die nach Südwesten gegenüber dem Grundstück R-Straße 23 gerichtete 1,65 m hohe Schwergewichtsmauer werde über einer bereits bestehenden 0,85 m hohen Stützmauer aus Bruchstein errichtet; damit betrage die Wandhöhe insgesamt 2,50 m und bedürfe deshalb einer Baugenehmigung. Nach der den Bauvorlagen beigefügten technischen Beschreibung der Baumaßnahme (Bl. 16 f. der Beiakte C) besteht die Mauer aus einer 0,60 m dicken konstruktiv bewehrten Betonwand im Verbund mit 0,25 m dicken Betonpflanzelementen, welche zur Gestaltung der Sichtflächen dienen. Die Gründung sollte auf tragfähigem Geschiebemergel mit einer Gründungstiefe zwischen 0,50 und 0,80 m erfolgen. Dem Bauantrag war eine statische Berechnung des Dipl.-Ing. W. vom 10.05.2006 beigefügt, die davon ausgeht, dass die Stützmauer entsprechend dem Bauantrag als homogener Körper (keine getrennten Schalen) hergestellt wird und die Gründung der Schwergewichtswände auf dem tragfähigen Geschiebemergel mit einer Gründungstiefe von 0,50 m erfolgt.

5

Mit Bescheid vom 23.11.2006 ließ der Beklagte für dieses Vorhaben auf entsprechenden Antrag der Beigeladenen eine Abweichung von § 6 Abs. 2 BauO LSA zu. Zur Begründung führte er aus, die Abweichung werde erteilt, weil das vorhandene Gelände auf dem Baugrundstück selbst und zum Nachbargrundstück (Flurstück 70) sehr stark abfalle. Mit Bescheid vom 23.11.2006 erteilte der Beklagte den Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Die dagegen vom Kläger erhobene Klage (2 A 76/07 HAL) wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25.11.2008 ab. Zur Begründung führte es u. a. aus, der entlang der südöstlichen Grenze des Grundstücks der Beigeladenen parallel zur Grenze des klägerischen Grundstücks verlaufende Teil der Stützmauer sei von der Baugenehmigung nicht erfasst.

6

Mit Schreiben vom 17.05.2009 beantragte der Kläger beim Beklagten, bauordnungsrechtliche Verfügungen zur Herstellung eines baurechtmäßigen Zustandes gegen die Beigeladenen zu erlassen. Die auf dem Grundstück der Beigeladenen errichtete Aussichtsterrasse sei ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet worden, verkörpere einen rechtswidrigen Zustand und führe durch Grenzüberbauung, Bodenerhöhung und Pressungen zu Einwirkungen auf sein Grundstück. Mit Schreiben vom 10.06.2009 forderte der Kläger den Beklagten nochmals zum Einschreiten auf, und mit weiterem Schreiben vom 03.09.2009 bat der Kläger um Bescheidung bis zum 10.09.2009. Daraufhin teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 07.09.2009 – ohne Rechtsbehelfsbelehrung – mit: Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes sei er verpflichtet, bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren 2 A 159/08 HAL (Anfechtung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Nebengebäude) keine Vollstreckungsmaßnahmen zu treffen. Wegen der nach Auffassung des Klägers baurechtswidrig errichteten Aussichtsterrasse sei dem Kläger auf die von ihm eingereichte Dienstaufsichtsbeschwerde vom Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Schreiben vom 12.08.2009 und 25.08.2009 mitgeteilt worden, dass es sich bei der „Aussichtsterrasse“ um eine zwischenzeitlich überwachsene, auf das Höhenniveau des Baugrundstücks eingeebnete Grundstücksfläche bis an die Stützmauer handele. Die Stützmauer einschließlich der aus Sicherheitsgründen erforderlichen Umwehrung sei mit Bescheid vom 23.11.2003 genehmigt worden und diene der Böschungs- und Absturzsicherung der Grundstücksfläche. Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten seitens der Bauaufsichtsbehörde bestehe deshalb nicht. Aus den genannten Gründen lehne er den Antrag des Klägers „wegen fehlender Sachbescheidung“ ab.

7

Nachdem der Kläger hiergegen Widerspruch erhoben hatte, teilte ihm der Beklagte mit Schreiben vom 15.09.2009 mit, dass das behördliche Schreiben vom 07.09.2009 objektiv kein Verwaltungsakt und demzufolge ein Widerspruch nicht statthaft sei. In Beantwortung der Schreiben des Klägers vom 17.05.2009 und 14.09.2009 verweise er auf die Ausführungen in dem behördlichen Schreiben vom 07.09.2009, da keine neue Sach- und Rechtslage entstanden sei.

8

Am 28.07.2010 hat der Kläger (Untätigkeits-)Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die Beigeladenen hätten ohne Genehmigung eine Aussichtsterrasse im Grenzbereich zu seinem Grundstück errichtet, die bis weit über 4 m über der Geländeoberkante seines Grundstücks liege. Das Bauwerk verfüge nicht über ein hinreichendes Fundament und übe seitlichen Druck auf die auf seinem Grundstück stehende Stützmauer eines ehemaligen Scheunengebäudes aus. Durch die Lastabtragung sei mit einem baldigen Einsturz der Scheunenmauer zu rechnen. Dieser Umstand sei auch nach Anordnung der Zwangsversteigerung seines Grundstücks zu berücksichtigen, weil er zu einer Wertminderung führe und potentielle Erwerber abschrecke. Ihm sei nicht zuzumuten, die Standsicherheit der Aussichtsterrasse auf dem Nachbargrundstück durch seine Scheunenmauer zu gewährleisten. Die bereits teilweise abgetragene und durch die zusätzliche Druckbelastung einsturzgefährdete Mauer müsse für eine dauerhafte Gewährleistung der Standsicherheit vollständig abgetragen und neu errichtet werden. Hierfür seien Aufwendungen in Höhe von weit über 13.000,00 € erforderlich, die er nicht aufbringen könne. Nach dem im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Standsicherheitsnachweis vom 10.05.2006 sei die Schwergewichtsmauer zur Gewährleistung der Standsicherheit als homogener Körper („keine getrennten Schalen“) herzustellen. Es sei aber erkennbar, dass sich die Mauer aus unterschiedlichen Baumaterialien (z.B. Bruchsteinen, Verblendsteinen, Beton) und mehreren einzelnen Bauteilen (Schalen) zusammensetze. Damit sei belegt, dass das Bauwerk der Beigeladenen keine eigene Standsicherheit aufweise. Bei Zugrundelegung der Auskünfte des Bauunternehmers E. könne ein Sicherheitsnachweis für die Aussichtsterrasse nicht erbracht werden. Die Standsicherheit könne nur bei einer sachgerechten Ausführung nach der statischen Berechnung des Dipl.-lng. W. angenommen werden. Die nachträglich angefertigte Statik entspreche aber nicht der tatsächlichen Ausführung. Insbesondere hätten die Beigeladenen auch nachträglich keine Gründungstiefe von 50 cm hergestellt. Durch die von den Beigeladenen vorgenommene erhebliche Erhöhung des ursprünglichen Geländeverlaufs und die von der Aussichtsterrasse ausgehenden Kräfte sei es für ihn nicht mehr möglich, seine Scheunenmauer abzutragen und danach zu erneuern. Inzwischen zeigten sich deutliche Ausbeulungen an seiner Mauer. Da die Beigeladenen Grenzmarkierungen entfernt hätten, sei der Grenzverlauf ungeklärt. Nach Augenschein sei das streitige Bauwerk zumindest teilweise auf seinem Grundstück errichtet worden.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

den Beklagten zu verpflichten, in geeigneter Weise gegen die Beigeladenen bauaufsichtlich einzuschreiten,

11

hilfsweise,

12

erstmals über seinen Antrag vom 17.05.2009 zu entscheiden bzw. darüber zu entscheiden, ob und wie er gegen die Beigeladenen einschreitet.

13

Der Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen

15

und zur Begründung ausgeführt: Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten bestehe nicht. Da der Kläger kein schutzwürdiges Sachbescheidungsinteresse besitze, habe er den Antrag mit einfachem Schreiben abgelehnt, um dem Kläger die Kostenbelastung zu ersparen. In Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens und in Abwägung der Interessenlage bleibe er bei der Entscheidung, dass kein Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten vorliege. Er habe im Rahmen seiner Ermessensentscheidung die Besonderheiten der örtlichen Situation berücksichtigt. Der Kläger habe notwendige Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten auf seinem Grundstück nicht durchgeführt. Zwar könne es ausweislich der Beurteilung des Statikers W. vom 27.10.2011 durch nicht fachgerechte Tätigkeiten auf dem Grundstück des Klägers zu kritischen Bauzuständen und Teileinbrüchen kommen. Dies begründe aber keinen Anspruch auf Einschreiten gegen die Beigeladenen. Ein möglicher Verstoß gegen die Standsicherheit habe für den Kläger nur eine geringfügige Beeinträchtigung zur Folge, und schutzwürdige Rechtsgüter würden auf seinem Grundstück nicht verletzt. Mit einer Beseitigung der Stützmauer würde der baurechtswidrige Zustand nicht beseitigt, weil von der ehemaligen Scheunenmauer nur noch Reste vorhanden seien und diese Mauer stabilisiert werden müsse, was in der gemeinsamen Verantwortung des Klägers und der Beigeladenen liege und zivilrechtlich zu klären sei. Auch das im gerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen F. komme zu dem Ergebnis, dass die u-förmige Stützmauer für sich standsicher sei, jedoch im Zusammenspiel mit der Restmauer der Scheune unzulässige Beanspruchungen aufweise. Der Kläger müsse seine marode Wand sichern, weil diese auch ohne Belastung aus der „Aussichtsterrasse“ nicht standsicher sei. Eine akute Gefährdung oder spürbar nachteilige Beeinträchtigung des Klägers, die ein sofortiges bauaufsichtliches Einschreiten gebieten, lägen nicht vor.

16

Die Beigeladenen haben beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie haben vorgetragen: Die Stützmauer sei für sich standsicher. Die Mauer auf dem Grundstück des Klägers werde den auf sie einwirkenden Kräften nicht standhalten und zwar unabhängig vom Vorhandensein der Stützmauer auf ihrem Grundstück. Die Forderung des Klägers sei rechtsmissbräuchlich. Für die frühere Bebauung seines Grundstücks sei in großem Umfang der Hang abgegraben worden. Die vom Hang ausgehenden Lasten seien dann von den Baulichkeiten auf dem Grundstück des Klägers abgefangen worden. Seitdem diese Baulichkeiten eingefallen seien, könnten sie diese Funktion nicht mehr wahrnehmen. Es sei daher Sache des Klägers, selbst für eine ausreichende anderweitige Befestigung, d.h. für Abstützungsmaßnahmen zu sorgen.

19

Das Verwaltungsgericht hat zur Frage der Standsicherheit der Stützmauer Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Herrn Dipl.-lng. F. vom 19.11.2012.

20

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

21

Der Kläger habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen. Die streitige Aussichtsterrasse genüge den Anforderungen des § 12 Abs. 1 BauO LSA, dass sie im Ganzen und in ihren Teilen für sich allein standsicher sein müsse und die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks nicht gefährden dürfe. Nach dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen F. vom 19.11.2012 erfülle die u-förmige Stützmauer der Aussichtsterrasse diese Anforderungen, wenn sie sachgerecht nach den statischen Vorgaben zur Ausführung der Schwergewichtswand errichtet worden sei. Zwar habe der Sachverständige F. in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, unter Berücksichtigung der Angaben des Bauunternehmers, der die Mauer in den Jahren 2003/2004 errichtet habe, ergäben sich unzulässige Belastungszustände, so dass sich die Aussage über die eigene Standsicherheit der Stützmauer nicht aufrechterhalten lasse. Daraus ergäben sich aber keine Bedenken, weil der Sachverständige auch darauf hingewiesen habe, dass er nicht wisse, ob die Angaben des Bauunternehmers zuträfen. Zudem spreche der Umstand, dass die Mauer derzeit stehe, dafür, dass die statischen Vorgaben doch eingehalten worden seien, zumal der Bauunternehmer auf telefonische Nachfrage erklärt habe, dass er die Wand auf einem homogenen Baukörper errichtet habe, weil die darunter liegende Wand tragend sei. Auch bei fehlender eigener Standsicherheit der Stützmauer liege ein erheblich ins Gewicht fallender Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften zulasten des Klägers nicht vor, weil auf seinem Grundstück nur noch Gebäudereste vorhanden seien und er eigenen Angaben zufolge in absehbarer Zeit nicht in der Lage sei, das Grundstück neu zu bebauen. Die Entscheidung des Beklagten, nicht gegen die Aussichtsterrasse vorzugehen, lasse auch keinen Ermessensfehler erkennen, wenn er unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Situation, insbesondere im Hinblick auf den baulichen Zustand des ungenutzten klägerischen Grundstücks ein Einschreiten nicht als erforderlich ansehe.

22

Der Kläger habe (auch) keinen Anspruch auf Bescheidung durch den Beklagten. Zwar habe der Beklagte bislang keinen Bescheid erlassen, mit dem über den vom Kläger gestellten Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten befunden worden sei. Den Stellungnahmen des Beklagten im gerichtlichen Verfahren lasse sich jedoch entnehmen, dass er Ermessen ausgeübt habe und auch unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens vom 19.11.2012 bei seiner Entscheidung bleibe, nicht gegen die Beigeladenen einzuschreiten. Unabhängig davon sei der Kläger bei einem möglichen Verstoß gegen § 12 Abs. 1 BauO LSA jedenfalls deshalb gehindert, einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegen die Beigeladenen abzuleiten, weil dies einen Verstoß gegen Treu und Glauben und damit eine unzulässige Rechtsausübung darstelle. Er selbst erfülle die Anforderungen des § 12 Abs. 1 BauO LSA auf seinem Grundstück nicht, weil sich die übrig gebliebene Scheunenmauer nach dem Gutachten vom 19.11.2012 in einem statisch unzulässigen Zustand befinde. Dem entsprechend habe der Sachverständige Maßnahmen im Zusammenhang mit der Sicherung der maroden Scheunenrestwand vorgeschlagen. Die unzulässige Rechtsausübung werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Vorschrift des § 12 Abs. 1 BauO LSA der Gefahrenabwehr und damit dem Schutz bedeutender Rechtsgüter diene; denn eine konkrete Gefahr liege nicht vor. Von der Stützmauer gehe allenfalls für die Beigeladenen und sich dort aufhaltende Personen eine Gefahr aus, weil das Grundstück des Klägers ungenutzt und nur mit Teilen einer abgängigen Scheune bebaut sei.

23

Die vom Senat zugelassene Berufung hat der Kläger wie folgt begründet:

24

Mit der vom Sachverständigen F. vorgenommenen Modifizierung der Statik vom 10.05.2006 sei eine Standsicherheit des tatsächlich errichteten Bauwerks nicht belegt. Der Sachverständige setze bei seinen Berechnungen vielmehr die theoretische Bedingung voraus, dass der Stützkörper des Bauwerks homogen ausgeführt sein müsste, damit die statischen Berechnungen zutreffend seien. Eine tatsächliche homogene Ausführung des Bauwerkes habe der Sachverständige aber nicht bestätigt und könne dies auch nicht, da er Untersuchungen weder zur Zusammensetzung noch zum Gesamtquerschnitt des Stützkörpers vorgenommen habe. Auch den Querschnitt der Schwergewichtsmauer habe der Sachverständige nur an den aus dem Erdreich ragenden Teil der Schwergewichtsmauer mit einer Mauerstärke von 24 cm ermitteln können. Der im Erdreich liegende Querschnitt der Schwergewichtsmauer sei nicht aufgeklärt worden. Anhaltspunkte für die tatsächliche Ausführungsart könnten nur den Einlassungen des Bauunternehmers E. entnommen werden, der dargelegt habe, dass der Stützkörper aus Cerano-Steinen mit Betonfüllung und Stahleinlagen ausgeführt worden sei und auf eine darunter liegende Wand bzw. ein Fundament gesetzt sein solle. Die Stärke der mit Cerano-Steinen errichteten Wand betrage nur 24 cm und erreiche nicht die mit statischen Berechnungen angenommenen Wandstärken der Schwergewichtsmauer von 1,35 m, 0,85 m und 0,25 m. Das Verwaltungsgericht nehme fehlerhaft an, dass der Bauunternehmer die statischen Vorgaben doch eingehalten haben könnte, obwohl nach den telefonischen Angaben des Bauunternehmers davon eben gerade nicht ausgegangen werden könne. Der richterliche Aktenvermerk vom 13.12.2012 belege vielmehr, dass eine Statik zum damaligen Zeitpunkt der Errichtung der Schwergewichtswand überhaupt nicht vorgelegen habe, so dass es höchst unwahrscheinlich sei, dass die konkreten Vorgaben der statischen Berechnung zufällig eingehalten worden seien. Die fehlende eigene Standsicherheit des Bauwerks dürfe nicht mittels theoretischer Annahmen wegdiskutiert werden. Durch die heimliche ohne Bauaufsicht realisierte Errichtung des Bauwerkes seien die im Erdbereich liegenden Teile des Bauwerks bezüglich ihrer Beschaffenheit und Abmessungen nur noch mittels Schachtarbeiten, die bis in eine Tiefe von mindestens 3 Metern getrieben werden müssten, aufzuklären.

25

Das Verwaltungsgericht stelle auch zu Unrecht darauf ab, dass der Kläger in absehbarer Zeit nicht in der Lage sei, sein Grundstück neu zu bebauen. Dies sei unerheblich. Es sei vielmehr auf die gegenwärtige Nutzung seines Grundstückes und die dringend erforderliche Sicherung / Instandsetzung seiner Scheunenmauer abzustellen. Er nutze das Grundstück unterhalb der Scheunenmauer als Lagerplatz für Baumaterialien. Oberhalb der Scheunenmauer und unterhalb der Aussichtsterrasse entlang der Stützmauer habe er persönlich Anpflanzungen von Kulturpflanzen (Brombeeren) vorgenommen. Im Übrigen sei der Aufenthalt bzw. die Tätigkeit von Personen auf seinem Grundstück gerade in dem Bereich, der bei einem Einsturz bzw. Abrutschen der Aussichtsterrasse erfasst werde, zur Instandsetzung bzw. Sicherung der ehemaligen Scheunenmauer unumgänglich. Vor solchen Maßnahmen müssten die von der Aussichtsterrasse ausgehenden Gefährdungen zwingend beseitigt werden. Das Verwaltungsgericht lasse zudem außer Acht, dass die Beigeladenen die Aussichtsterrasse und zumindest die parallel der gemeinsamen Grenze verlaufende Stützwand ohne jegliche Genehmigungen und somit unter Verletzung baurechtlicher Vorschriften und gesetzlicher Nachbarschaftsregelungen errichtet und nur für den parallel zum Grundstück R-Straße 23 verlaufenden Teil der Schwergewichtsmauer nach Errichtung des Bauwerks mit falschen Angaben im Bauantrag eine Teilgenehmigung erschlichen hätten. Darüber hinaus hätten die Beigeladenen Grenzmarkierungen beseitigt bzw. versetzt und so den tatsächlichen Grenzverlauf verschleiert. Die Teilgenehmigung könne die übrigen Teile der u-förmigen Stützmauer formell nicht legalisieren.

26

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, er sei nach Treu und Glauben gehindert, aus einem möglichen Verstoß gegen § 12 BauO LSA einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten abzuleiten, verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Scheunenrestmauer sei für eine Lastabtragung der Aussichtsterrasse nicht ausgelegt. Auch habe er darauf vertrauen dürfen, dass seine Mauer dafür nicht in Anspruch genommen werde. Die Beigeladenen hätten in Kenntnis der Sanierungsbedürftigkeit der Scheunenmauer ihr Bauwerk errichtet und unmittelbar danach die auf seinem Grundstück entstandenen Baumängel dem Beklagten angezeigt, um sich Kosten für die Herstellung der Standsicherheit ihres Bauwerks zu ersparen. Sie hätten damit ebenfalls nicht redlich gehandelt. Aus den Baugrunduntersuchungen des Sachverständigen Dr. S. gehe ferner hervor, dass Aufschüttungen über dem natürlichen Geländeverlauf bis zu einer Höhe von 2,60 m auf dem Grundstück der Beigeladenen vorgenommen worden seien. Zur Instandsetzung bzw. Sicherung der Scheunenmauer hätte er die Aufschüttung auf seinem Grundstück beseitigen und die ehemalige Scheunenmauer weitestgehend (im vorderen Bereich bis zu einer Resthöhe von 1 ‚05 m) abtragen und später wieder aufbauen können. Durch die von der streitgegenständlichen Aussichtsterrasse ausgehenden Gefährdungen würden aber sowohl die Instandsetzung der ehemaligen Scheunenmauer als auch ein zweckdienlicher Teilrückbau verhindert. Gerade durch die von der Terrasse auf die Scheunenmauer wirkenden Kräfte werde eine Abtragung und Neuerrichtung zur Sanierung des Bauwerks verhindert. Ob das Bauwerk gegenwärtig gerade noch stehe, sei unerheblich, da jederzeit der Einsturz zu befürchten sei und der Beklagte eben nicht erst nach Einsturz des Bauwerkes tätig werden müsse.

27

Das Verwaltungsgericht nehme auch fehlerhaft an, dass der Beklagte durch seine allgemeinen Verfahrenseinlassungen eine ermessensfehlerfreie Entscheidung vorgenommen habe. Der Beklagte gebe selbst an, dass er den Anspruch des Klägers auf eine gebotene ermessensfehlerfreie Entscheidung in diesem Verwaltungsverfahren und den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten bisher noch nicht beschieden, sondern seine Rechtsauffassung in behördlichen Schreiben dargelegt habe. Mit der bloßen Bekräftigung seiner Rechtsauffassung könne der Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht erfüllt worden sein.

28

Der Kläger beantragt,

29

das angefochtene Urteil zu ändern und

30

den Beklagten zu verpflichten, in geeigneter Weise gegen die Beigeladenen bauaufsichtlich einzuschreiten,

31

hilfsweise,

32

erstmals über seinen Antrag vom 17.05.2009 zu entscheiden bzw. darüber zu entscheiden, ob und wie er gegen die Beigeladenen einschreitet.

33

Der Beklagte beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Er macht geltend, es bestehe keine Ermessensreduzierung auf Null dahin gehend, dass er gegen die Beigeladenen einschreiten müsse. Nach dem Gutachten des Sachverständigen F. vom 19.11.2012 erschienen aus wirtschaftlicher Sicht lediglich Maßnahmen im Zusammenhang mit der Sicherung der maroden Scheunenmauer vernünftig. Auch der auf eine Bescheidung gerichtete Hilfsantrag könne keinen Erfolg haben. Eine reale Gefahr gehe von der Stützmauer nicht aus. Risse an dem bereits 2002/2003 errichteten Bauwerk seien nicht erkennbar. Hinzu komme, dass das Grundstück des Klägers im Wesentlichen ungenutzt sei. Luftbilder ließen erkennen, dass das Grundstück ohne weitere Bebauung immer mehr zuwachse. Ein Lagerplatz im eigentlichen Sinne sei nicht erkennbar. Die bloße Lagerung von Bauschutt der eingefallenen Scheune genüge hierfür nicht.

36

Die Beigeladenen beantragen,

37

die Berufung zurückzuweisen.

38

Sie tragen vor, der Kläger habe nicht plausibel dargelegt, was er in absehbarer Zeit mit den Resten des Scheunengebäudes vorhabe. Sie hätten in den vergangenen Jahren kein einziges Mal bemerkt, dass sich auf dem Grundstück des Klägers Personen aufhalten. Obwohl das Scheunengebäude in der Zwischenzeit weiter eingefallen sei, zeige die von ihnen errichtete Mauer keinerlei Risse. Zur Bebauung des klägerischen Grundstücks sei der Hang abgegraben worden. Es sei deshalb am Kläger, das höherliegende Gebäude auf den Nachbargrundstücken abzusichern, wenn die auf seinem Grundstück befindlichen Gebäude diese statische Absicherung nicht mehr gewährleisten könnten.

39

Der Senat hat den Bauunternehmer E. als Zeugen zu der Frage vernommen, wie die streitige Stützmauer errichtet wurde. Er hat ferner den Sachverständigen F. nochmals ergänzend zu seinem schriftlichen Gutachter vom 19.11.2012 befragt.

40

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

41

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

42

I. Die Verpflichtungsklage in Gestalt der Untätigkeitsklage ist zulässig. Gemäß § 75 Satz 1 VwGO ist die Klage, wenn über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist, abweichend von § 68 zulässig. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dabei kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob im Schreiben des Beklagten vom 07.09.2009 ein mit Widerspruch angreifbarer Verwaltungsakt in Gestalt eines Ablehnungsbescheides zu sehen ist. Der Beklagte hat entweder über den Antrag des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten oder über seinen Widerspruch vom 14.09.2009 innerhalb angemessener Frist nicht entschieden. Ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung des Klägers ist nicht ersichtlich. Soweit der Beklagte zunächst darauf verwiesen hatte, dass er wegen eines noch anhängigen weiteren Verfahrens beim Verwaltungsgericht Halle (Anfechtung einer Baugenehmigung betreffend ein Nebengebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen, Az: 2 A 159/08) keine Vollstreckungsmaßnahmen treffen könne, wäre dieser Grund für eine Nichtbescheidung des Klägers, wenn er „zureichend“ im Sinne von § 75 Satz 1 VwGO gewesen sein sollte, jedenfalls in dem Zeitpunkt entfallen, in dem über die Klage rechtskräftig entschieden war. Das Verwaltungsgericht wies diese Klage mit Urteil vom 22.12.2009 ab. Nachdem der Senat mit Beschluss vom 19.04.2010 (2 L 12/10) einen Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Berufungs(zulassungs)verfahren abgelehnt hatte, wurde das Urteil rechtskräftig.

43

II. Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag die Verpflichtung des Beklagten zum bauaufsichtlichen Einschreiten gegen die Beigeladenen begehrt. Sie ist dagegen begründet, soweit der Kläger hilfsweise die (Neu-)Bescheidung seines Antrages vom 17.05.2009 verlangt.

44

1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen.

45

Als Rechtsgrundlage für ein bauaufsichtliches Einschreiten kommt § 79 Satz 1 BauO LSA in Betracht. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die von der Behörde zu ergreifenden Maßnahmen umfassen damit die vollständige oder teilsweise Beseitigung von (baulichen) Anlagen. Daneben kommt ein bauaufsichtliches Einschreiten auch auf der allgemeinen Ermächtigungsgrundlage des § 57 Abs. 2 BauO LSA in Frage. Danach haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, der Änderung, der Nutzung, der Nutzungsänderung, der Instandhaltung und der Beseitigung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Sie können in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen. Die Regelung ermächtigt die Bauaufsichtsbehörde damit zu anderen Maßnahmen als Anordnungen zur vollständigen oder teilweisen Beseitigung von (baulichen) Anlagen. Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt bei einer genehmigungsbedürftigen Anlage regelmäßig die formelle und materielle Rechtswidrigkeit der Anlage und bei einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage deren materielle Rechtswidrigkeit voraus (vgl. Jäde, in: Jäde/Dirnberger, Bauordnungsrecht Sachsen-Anhalt, § 79 RdNr. 1 f., m.w.N.). Liegt eine Baugenehmigung vor und entspricht die errichtete Anlage dieser Baugenehmigung, so kann eine Beseitigungsanordnung nur ergehen, wenn zuvor die Baugenehmigung unanfechtbar oder sofort vollziehbar zurückgenommen oder widerrufen worden ist (vgl. Jäde, a.a.O., RdNr. 3 ff., m.w.N.).

46

Ein Anspruch des Nachbarn auf bauordnungsbehördliches Einschreiten folgt aus den vorgenannten Eingriffsermächtigungen, wenn die bauliche Anlage nicht durch eine bestandskräftige Baugenehmigung gedeckt wird, die Anlage materiell rechtswidrig ist und den klagenden Nachbarn in seinen Rechten verletzt, dieser seine Abwehrrechte nicht verwirkt hat und das Ermessen der Behörde auf Null reduziert ist (vgl. OVG NW, Urt. v. 22.08.2005 – 10 A 3611/03 –, BauR 2006, 342 [343], RdNr. 35 in juris). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht sämtlich vor.

47

1.1. Die „Aussichtsterrasse“ einschließlich der u-förmigen Stützmauer, insbesondere auch der entlang der klägerischen Grundstücksgrenze verlaufende Teil der Stützmauer, sind nicht durch die vom Beklagten erteilte Baugenehmigung vom 23.11.2006 formell legalisiert. Nach der entscheidungstragenden Auffassung des Verwaltungsgerichts in seinem rechtskräftigen Urteil vom 25.11.2008 im Verfahren 2 A 76/07 HAL umfasst diese Baugenehmigung nur den parallel zum südwestlich angrenzenden Grundstück (R-Straße 23, Flurstück 70) verlaufenden Teil der Stützmauer, weil die Beigeladenen ihren Bauantrag vom 17.05.2006 ausdrücklich auf diesen Teil beschränkten. Die Erteilung einer solchen Baugenehmigung erscheint zwar nicht unbedenklich, weil Baumaßnahmen, die nach objektiven Kriterien baulich und funktional zusammengehören, nicht willkürlich auf Grund einer Willensentscheidung des Bauantragstellers in Einzelteile zerlegt werden können (vgl. VGH BW, Beschl. v. 11.05.2011 – 8 S 93/11 –, Juris, RdNr. 23, m.w.N.). Mit der Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung steht aber für die Beteiligten mit Bindungswirkung fest (§ 121 VwGO), dass sich die Baugenehmigung auf diesen Teil beschränkt. Wird eine Anfechtungsklage abgewiesen, erfasst die Rechtskraft des Urteils auch die Auslegung des Bescheids in dem Urteil (BVerwG, Urt. v. 07.08.2008 – BVerwG 7 C 7.08 –, BVerwGE 131, 346 [349 f.], RdNr. 16 ff.). Soweit der Beklagte die auf einen Teil der Stützmauer beschränkte Baugenehmigung nicht hätte erteilen dürfen, weil dieser Teil mit den übrigen Teilen der u-förmigen Mauer in einem untrennbaren funktionalen Zusammenhang steht, hat dies zwar möglicherweise die (objektive) Rechtswidrigkeit oder nach § 44 Abs. 1 VwVfG gar die Nichtigkeit (vgl. SaarlOVG, Beschl. v. 22.10.1996 – 2 W 30/96 –, BauR 1997, 283 [284]) der Genehmigung zur Folge. Aber auch und gerade dann wären die „Aussichtsterrasse“ und der zum Grundstück des Klägers zeigende Teil der Stützwand nicht formell legalisiert.

48

1.2. Auch verstößt die von den Beigeladenen errichtete Stützmauer möglicherweise gegen die Regelungen in § 12 Abs. 1 BauO LSA, denen im konkreten Fall nachbarschützende Wirkung zukommt.

49

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA muss jede Anlage im Ganzen und in ihren einzelnen Teilen für sich allein standsicher sein. Die Forderung nach der Standsicherheit von baulichen Anlagen ist eine Grundforderung und stellt eine Konkretisierung der Generalklausel des § 3 BauO LSA dar. Gemäß § 3 Abs. 1 BauO LSA sind Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. Als Standsicherheit bezeichnet werden kann die Eigenschaft einer baulichen Anlage, die die vorgesehene Beanspruchung der baulichen Anlage gewährleistet, ohne dass derart starke physische Veränderungen an der baulichen Anlage entstehen können, die eine Gefährdung bedeuten würden, insbesondere eine Einsturzgefahr hervorrufen könnte, die insbesondere Leben oder Gesundheit von Menschen und Tieren gefährden würde (Jäde, a.a.O., § 12 RdNr. 6). In den Begriff der Standsicherheit müssen außer dem Tragwerk selbst weitere Faktoren einbezogen werden, insbesondere ist der Baugrund für die Standsicherheit von Bedeutung (Jäde, a.a.O., § 12 RdNr. 9). Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 BauO LSA korrespondiert mit der Regelung nach § 3 Abs. 2 BauO LSA, wonach Bauprodukte und Bauarten nur verwendet oder angewendet werden dürfen, wenn bei ihrer Verwendung oder Anwendung die Anlagen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung während einer dem Zweck entsprechenden angemessenen Zeitdauer die Anforderungen dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften erfüllen und gebrauchstauglich sind. Für die Standsicherheit bedeutet dies, dass die geplante Standzeit des Tragwerkes bei zweckentsprechender Nutzung und bei ordnungsgemäßer Instandhaltung erreicht werden kann (Jäde, a.a.O., § 12 RdNr. 10).

50

§ 12 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA bestimmt ferner, dass die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks nicht gefährdet werden darf. Beim Nachweis der Standsicherheit müssen alle baulichen Anlagen berücksichtigt werden, auf die durch die bauliche Maßnahme Einwirkungen ausgeübt werden, insbesondere auch Nachbargebäude (Jäde, a.a.O., § 12 RdNr. 21). Die Kräfte, die aufgrund der Last einer baulichen Anlage auf den Baugrund wirken, bewirken Verformungen, die abhängig von der Zusammendrückbarkeit und der Scherfestigkeit des Baugrundes unterschiedliche Auswirkungen haben; die als Setzungen bezeichneten lotrechten Verschiebungen beruhen vor allem aus den lotrecht wirkenden Fundamentlasten; wird die Last größer, treten auch seitliche Verformungen auf (vgl. Jäde, a.a.O., RdNr. 23).

51

Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 BauO LSA hat nachbarschützende Wirkung (vgl. Beschl. d. Senats v. 23.08.2004 – 2 M 35/08 –, JMBl LSA 2006, 341; HambOVG, Beschl. v. 13.07.2012 – 2 Bs 142/12 –, BRS 79 Nr. 93, RdNr. 13 in juris; Beschl. v. 20.02.2012 – 2 Bs 14/12 –, BRS 79 Nr. 186, RdNr. 18 in juris; OVG NW, Urt. v. 09.06.2011 – 7 A 1494/09 –, juris, RdNr. 54; SaarlOVG, Beschl. v. 22.10.1996 – 2 W 34/96 –, BRS 58 Nr. 181; OVG Berlin, Beschl. v. 02.06.1998 – 2 S 4.98 –, BRS 60 Nr. 118; Große/Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7 Aufl., § 18 RdNr.13, m.w.N.). Entsteht durch ein Bauvorhaben, das dieser Vorschrift nicht entspricht, eine Gefahr für geschützte Rechtsgüter eines Nachbarn, kann sich daraus für den Nachbarn ein Anspruch auf ordnungsrechtliches Einschreiten ergeben (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 10.10.2000 – 2 Bs 220/00 –, juris, RdNr. 4).

52

Auch § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA kann im Einzelfall nachbarschützende Wirkung zukommen (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 02.06.1998 a.a.O.; Jäde. a.a.O., RdNr. 53; Franz, in: Simon BayBauO, Art. 13 RdNr. 1; Große/Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7 Aufl., § 18 RdNr.8; a.A.: OVG NW, Urt. v. 09.06.2011, a.a.O.; HambOVG Hamburg, Beschl. v. 13.07.2012, a.a.O.). Die Frage, ob eine baurechtliche Vorschrift ausschließlich objektiv-rechtlichen Charakter hat oder ob sie (auch) dem Schutz individueller Interessen dient, ob sie also Rücksichtnahme auf Interessen Dritter gebietet, ist, wenn sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergibt, im Regelfall durch Auslegung der Norm nach Sinn und Zweck zu beantworten (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.1986 – BVerwG 4 C 8.84 –, NVwZ 1987, 409, RdNr. 11 in juris). Da die Forderung nach der Standsicherheit von baulichen Anlagen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA eine Konkretisierung der Generalklausel des § 3 Abs. 1 BauO LSA darstellt, wonach Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten sind, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere auch Leben und Gesundheit nicht gefährdet werden, dient § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO insoweit auch dem Nachbarschutz, als vermieden werden soll, dass Leben und Gesundheit von sich auf dem Nachbargrundstück regelmäßig aufhaltenden Menschen oder von Eigentum gefährdet werden. Dem entsprechend kommt § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA nachbarschützende Wirkung zu, soweit die fehlende eigene Standsicherheit der Anlage zu einer Gefährdung von Leben, Gesundheit oder Eigentum des Nachbarn führen können.

53

Es bestehen hier Anhaltspunkte dafür, dass die von den Beigeladenen errichtete Stützmauer den Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO LSA nicht genügt.

54

a) In Bezug auf die Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA ist der vom Verwaltungsgericht beauftragte Sachverständige F. in seinem schriftlichen Gutachten vom 19.11.2012 (Beiakte D) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Mauer bei sachgerechter Ausführung der statischen Vorgaben zur Ausführung der Schwergewichtswand des Dipl.-Ing. W. vom 03.05.2006 für sich standsicher sei. Allerdings hat der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als Zeuge vernommene Bauunternehmer E. erklärt, dass er bei Errichtung der Stützmauer keine Statik verwendet habe. Er habe die Mauer aus Cerano-Steinen mit Stahleinlagen auf der Seite zum Grundstück des Klägers auf einer alten Mauer, die als Fundament habe dienen können, errichtet. Die Stahlteile habe er sowohl senkrecht als auch waagerecht verbaut. Die (senkrechten) Stahlteile habe er in die vorhandene Mauer eingebohrt. Die Frage, ob die in dieser Weise errichtete Stützmauer standsicher ist, hat der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals befragte Sachverständige F. weder bejahen noch verneinen können, sondern darauf verwiesen, dass die Standsicherheit davon abhänge, wie die Mauer konkret gebaut wurde.

55

b) Zur Frage, inwieweit sich die Errichtung der „Aussichtsterrasse“ auf das Grundstück des Klägers und die darauf befindliche Scheunenrestwand auswirkt, ist der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass die Tragfähigkeit der Scheunenmauer durch das Bauwerk der Beigeladenen zusätzlich beansprucht werde. Die Vergleichsberechnungen mit den vor Ort vorhandenen Belastungen auf die Scheunenmauer wiesen einen statisch unzulässigen Zustand aus. Angestellte Vergleichsberechnungen ergäben jedoch bereits einen für die Restmauer unzulässigen Zustand auch ohne Belastungen aus der „Aussichtsterrasse“. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er dies nochmals im Einzelnen erläutert.

56

1.3. Aber auch wenn die dauerhafte eigene Standsicherheit der Stützmauer gutachterlich nicht belegt ist, sondern weiterhin Zweifeln unterliegt, und die Aussichtsterrasse die Standsicherheit der Scheunenrestmauer beeinflusst, hat der Kläger – jedenfalls derzeit – keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte gegen die Beigeladenen bauaufsichtlich einschreitet. Das dem Beklagten eingeräumte Ermessen ist nicht in der Weise „auf Null“ reduziert, dass (nur) Maßnahmen gegen die Beigeladenen zu ergreifen sind.

57

Eine Verpflichtung zum Einschreiten besteht, wenn eine unmittelbare Gefährdung besonders wichtiger Rechtsgüter (Leben, Gesundheit) vorliegt, gerade wenn eine bauliche Anlage nicht (mehr) standsicher ist (vgl. Jäde, a.a.O., § 12, RdNr. 52, m.w.N.).
Voraussetzung für einen bauaufsichtlichen Eingriff nach § 57 Abs. 2 Satz 2 BauO LSA ist das Vorliegen einer konkreten Gefahr im Sinne der Reglungen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts (vgl. Beschl. d. Senats v. 22.07.2013 – 2 M 82/13 –, BauR 2014, 819, RdNr. 8 in juris; Jäde, a.a.O., § 3 RdNr. 4, m.w.N.). Eine konkrete Gefahr im ordnungsrechtlichen Sinne wird in § 3 Nr. 3a SOG LSA definiert als eine Sachlage, bei der im einzelnen Falle die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird.

58

a) Eine solche konkrete Gefahr für das Grundstück des Klägers und von sich dort aufhaltenden Personen aufgrund der nicht abschließend geklärten eigenen Standsicherheit der Stützmauer ist derzeit nicht erkennbar. Der Umstand, dass die bereits in den Jahren 2003/2004 errichtete Mauer sich bislang nicht verformt hat, spricht zunächst einmal dafür, dass sie so gebaut wurde, dass sie den auf sie wirkenden Kräften dauerhaft standhalten kann und damit standsicher ist. Der Sachverständige F. hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage erklärt, dass sich die Mauer im Falle ihrer Instabilität allmählich verformen würde, was man erkennen würde. Daraus folgt auch, dass selbst bei fehlender dauerhafter Standsicherheit der Stützmauer nicht mit einem plötzlichen Einsturz zu rechnen ist, sondern dass sich erst bei einer Verformung der Mauer eine konkrete Einsturzgefahr abzeichnen würde. Damit reicht es aus, wenn der Beklagte und die Beigeladenen den Zustand der Stützmauer im Auge behalten und der Beklagte erst dann einschreitet, wenn sich Verformungen zeigen. Zu einer anderen Beurteilung nötigt auch nicht der Umstand, dass sich nach den vom Kläger mit Schriftsatz vom 05.02.2015 vorgelegten Lichtbildern Risse an Teilen der Mauer zeigen. Der Sachverständige F. hat hierzu angegeben, dass es sich um Detailaufnahmen handele, aus denen er nicht schließen könne, dass die Mauer instabil ist. Augenscheinlich betreffen einige der Risse die vom Bauunternehmer E. zu einem späteren Zeitpunkt hergestellte Betonverblendungen.

59

b) Auch der Umstand, dass die Aussichtsterrasse Auswirkungen auf die Standsicherheit der Scheunenrestwand auf dem Grundstück des Klägers hat, führt nicht dazu, dass die Beklagte verpflichtet wäre, gegen die Beigeladenen bauaufsichtlich einzuschreiten. Wie sich dem Gutachten des Sachverständigen F. und seinen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entnehmen lässt, kommen insbesondere Maßnahmen auf dem Grundstück des Klägers wie flächiges Absteifen der Scheunenrestwand, Sanierung und Rückverankern der Scheunenrestwand, Rückverankerungen der bodenseitigen Scheunenwandfläche in Betracht. Solche Maßnahmen sind auch wirtschaftlich betrachtet am vernünftigsten. Sie stellen eine mindestens ebenso gute, wenn nicht gar effektivere Maßnahme der Gefahrenbeseitigung dar, weil die Scheunenrestmauer nach den Ausführungen des Sachverständigen F. ohnehin nicht mehr selbständig standsicher ist. Der Umstand, dass der Kläger wirtschaftlich möglicherweise nicht in der Lage ist, die in Betracht kommenden Maßnahmen durchzuführen, führt nicht dazu, dass allein die Inanspruchnahme der Beigeladenen ermessensfehlerfrei wäre. Bei der Auswahl unter mehreren Störern ist zwar die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten ein wesentliches Entscheidungskriterium (vgl. Urt. d. Senats v. 21.08.2008 – 2 L 76/07 –, juris, RdNr. 41, m.w.N.). Zu beachten sind daneben aber auch die Grundsätze der Effektivität und der Zumutbarkeit sowie das Verursacherprinzip (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 03.12.2009 – 7 ME 55/09 –, NJW 2010, 1546, RdNr. 8 in juris, m.w.N.). Im konkreten Fall darf der Beklagte insbesondere in Rechnung stellen, dass selbst im Fall der Beseitigung der Aussichtsterrasse durch die Beigeladenen die Gefahr des Einsturzes der Scheunenrestmauer auf dem Grundstück des Klägers fortbestünde und dort unabhängig vom Vorhandensein der Aussichtsterrasse Sicherungsmaßnahmen durchzuführen sind.

60

2. Der Kläger hat gegen den Beklagten aber einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung seines Antrages auf bauaufsichtliches Einschreiten.

61

Gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO spricht das Gericht die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

62

Macht ein Dritter gegenüber der Bauaufsichtsbehörde geltend, durch eine Anlage in seinen Rechten verletzt zu sein, so hat er einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein bauaufsichtliches Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde sowie auf Art und Weise des Einschreitens; dabei gelten für die Ermessensausübung der Bauaufsichtsbehörde die allgemeinen Grundsätze (vgl. BayVGH, Urt. v. 04.12.2014 – 15 B 12.1450 –, juris, RdNr. 21, m.w.N.; vgl. auch Beschl. d. Senats v. 10.10.2006 – 2 L 680/04 –, juris, RdNr. 8). Besteht ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten nicht, muss die Behörde ihr Ermessen unterhalb der Schwelle der Ermessensreduzierung auf Null ordnungsgemäß ausüben (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.06.1996 – BVerwG 4 C 15.95 –, NVwZ-RR 1997, 271 [273], RdNr. 31 in juris). Diesen Anspruch hat der Beklagte bislang nicht erfüllt.

63

2.1. Der Beklagte erließ zwar entgegen seiner Auffassung bereits vor Klageerhebung gegenüber dem Beklagten einen Verwaltungsakt, mit dem er ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen ablehnte.

64

Nach § 35 Satz 1 VwVfG ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkungen nach außen gerichtet ist, ein Verwaltungsakt. Für die Frage, ob eine behördliche Äußerung die Rechtsnatur eines Verwaltungsaktes hat, insbesondere eine Verfügung, Entscheidung oder behördliche Maßnahme im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG darstellt, ist im Zweifel nicht das maßgeblich, was die Behörde gewollt oder gedacht hat, sondern der objektive Erklärungswert, d.h. wie der Bürger sie unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände wie äußere Form, Abfassung, Begründung, Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung usw. bei objektiver Würdigung verstehen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.08.1995 – BVerwG 1 C 15.94 –, NJW 1996, 1073; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 35 RdNr. 54 m.w.N.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 RdNr. 71, m.w.N.). Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (BVerwG, Urt. v. 20.11.1990 – BVerwG 1 C 8.89 –, Buchholz 402.24 § AuslG Nr. 7; Urt. v. 17.08.1995, a.a.O.). Die Ablehnung eines Antrages auf Erlass eines Verwaltungsakts stellt regelmäßig eine Regelung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG dar (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 35 RdNr. 90), auch wenn diese Ablehnung in Form eines (einfachen) Schreibens und ohne Rechtsbehelfsbelehrung ergeht.

65

Hiernach stellt das Schreiben des Beklagten vom 07.09.2009 einen Verwaltungsakt dar. Darin hat er im Betreff den Antrag des Klägers „auf Herstellung eines baurechtmäßigen Zustandes vom 17.05.2009“ aufgeführt und unmissverständlich erklärt, dass er den Antrag des Klägers ablehne. Objektiv konnte dies nur so verstanden werden, dass der Beklagte damit das Verwaltungsverfahren bezüglich des vom Kläger gestellten Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten abschließen wollte; zumal der Kläger mit dem zuvor an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 03.09.2009 ausdrücklich eine Bescheidung seines Antrages bis zum 10.09.2009 gefordert hatte. Dass dem Schreiben vom 07.09.2009 keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, vermag an der Verwaltungsaktqualität nichts zu ändern. Auf die Eigenschaft des Schreibens vom 07.09.2009 als Verwaltungsakt hatte es auch keinen Einfluss, dass der Beklagte auf den vom Kläger erhobenen Widerspruch sowie später im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erklärte, dass das Schreiben keinen Verwaltungsakt darstelle. Maßgeblicher Auslegungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts (U. Stelkens, a.a.O., RdNr. 71). Das Schreiben des Beklagten vom 15.09.2009 gibt nur dessen Interpretation bzw. den Willen wieder, den der Beklagte bei Erstellung des Schreibens gehabt haben mag. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr der erklärte Wille, wie ihn der Kläger von seinem Standpunkt aus bei verständiger Würdigung verstehen konnte.

66

2.2. In diesem Bescheid stellte der Beklagte aber keine Ermessenserwägungen an. Die Ablehnung erfolgte „aus den oben genannten Gründen“, in denen der Beklagte auf die Ausführungen des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt in zwei Schreiben vom 12.08.2009 und 25.08.2009 verwies, wonach es sich bei der „Aussichtsterrasse“ um eine zwischenzeitlich überwachsene, auf das Höhenniveau des Baugrundstücks eingeebnete Grundstücksfläche bis an die Stützmauer handele, die Stützmauer einschließlich der aus Sicherheitsgründen erforderlichen Umwehrung mit Bescheid vom 23.11.2003 genehmigt worden sei und der Böschungs- und Absturzsicherung der Grundstücksfläche diene. Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten bestehe nicht. Der Beklagte ist mithin davon ausgegangen, dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten fehlen, insbesondere weil die Stützmauer (insgesamt) baurechtlich genehmigt sei.

67

2.3. Mit den im gerichtlichen Verfahren nachgeschobenen Erwägungen hat der Beklagte die fehlende Ermessensausübung im Verwaltungsverfahren nicht geheilt.

68

2.3.1. Nach § 114 Satz 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren „ergänzen“. Diese Vorschrift ist auch bei Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklagen anwendbar (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 114 RdNr. 206; Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 114 RdNr. 87; VGH BW, Urt. v. 22.07.2009 – 11 S 1622/07 –, juris, RdNr. 70; wohl auch BVerwG, Beschl. v. 16.07.2010 – BVerwG 5 B 2.10. 5 PKH 35 PKH 3.10 –, juris, RdNr. 13; Urt. v. 07.04.2009 – BVerwG 1 C 17.08 –, BVerwGE 133, 329 [347], RdNr. 42; VGH BW, Urt. v. 18.12.2006 – 12 S 2474/06 –, VBlBW 2007, 294 [301], RdNr. 82 in juris; a.A.: Kopp/Schenke, 20. Aufl., § 114 RdNr. 50; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 RdNr. 12d und § 113 RdNr. 74; Schenke, DVBl. 2014, 285 [294]). Die Grenzen des § 114 Satz 2 VwGO sind indes dann überschritten, wenn die Behörde ihr Ermessen erstmals ausübt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.07.2010, a.a.O., m.w.N.). Der Beklagte hat – wie oben bereits dargelegt – im Verwaltungsverfahren keine Ermessensentscheidung getroffen, die im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden könnte. Eine erstmalige Ausübung von Ermessen im gerichtlichen Verfahren ist zwar zulässig, wenn sich aufgrund neuer Umstände die Notwendigkeit einer Ermessensausübung erst nach Klageerhebung ergibt (BVerwG, Urt. v. 13.12.2011 – BVerwG 1 C 14.10 –, BVerwGE 141, 253 [256], RdNr. 8). Dabei kann das Ermessen auch hilfsweise ausgeübt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2009 – BVerwG 1 C 26.08 –, juris, RdNr. 27). Neue Umstände sind hier aber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht eingetreten. Der Beklagte hat eine Ermessensentscheidung deshalb nicht getroffen, weil er nach dem Schreiben vom 07.09.2009 (zu Unrecht) davon ausging, dass die Stützmauer (insgesamt) baurechtlich genehmigt sei, so dass schon „kein Anlass“ für ein bauaufsichtliches Einschreiten gegeben sei. Zudem hat er angenommen, mit dem im Baugenehmigungsverfahren beigefügten Standsicherheitsnachweis sei belegt, dass die Stützmauer den Anforderungen an die Standsicherheit nach § 12 Abs. 1 BauO LSA genüge, so dass auch aus diesem Grund ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen nicht möglich wäre (vgl. die Stellungnahme des Beklagten vom 31.07.2009 zur Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers). § 114 Satz 2 VwGO lässt aber keine erstmalige Ermessensausübung zu, wenn es von vornherein einer Ermessensentscheidung bedurfte, die Behörde dies aber verkannt hat (vom BVerwG offen gelassen, vgl. Urt. v. 13.12.2011, a.a.O., RdNr. 13).

69

2.3.2. Selbst wenn auch in solchen Fällen ein Nachschieben von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO in Betracht kommen sollte, hätte der Beklagte dies im konkreten Fall nicht in genügender Form getan.

70

Ein solches Nachschieben muss genügend bestimmt geschehen. Die Behörde muss unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung des Verwaltungsakts selbst. Außerdem muss deutlich werden, welche der bisherigen Erwägungen weiterhin aufrechterhalten und welche durch die neuen Erwägungen gegenstandslos werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 20.06.2013 – BVerwG 8 C 46.12 –, BVerwGE 147, 81 [93], RdNr. 35). Es genügt nicht, dass die Behörde bei einer nachträglichen Änderung der Sachlage im gerichtlichen Verfahren neue Ermessenserwägungen geltend macht. Sie muss im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung betreffen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidigt (BVerwG, Urt. v. 13.12.2011, a.a.O., RdNr. 18).

71

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Beklagten im gerichtlichen Verfahren nicht. Die eingereichten Schriftsätze lassen nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass sich der Beklagte nicht auf prozessuales Verteidigungsvorbringen beschränken, sondern einen (geänderten) Ablehnungsbescheid erlassen und hierzu Ermessenserwägungen hat anstellen wollen.

72

In der Klageerwiderung (Bl. 16 ff. GA) hat der Beklagte im Wesentlichen den Sachverhalt dargestellt und seine Rechtsauffassung wiederholt, dass sein Schreiben vom 15.09.2009 kein Verwaltungsakt sei.

73

Im Schriftsatz vom 11.11.2011 (Bl. 127 GA) hat er erklärt, „in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens und in Abwägung der Interessenlage“ bleibe er bei der Entscheidung, dass ein Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten nicht vorliege, weil keine Ermächtigungsgrundlage für ein Einschreiten gegeben sei. Ein bauaufsichtliches Einschreiten wäre geboten, wenn die „Aussichtsterrasse“ und die Stützmauer rechtswidrig errichtet worden wären bzw. der bauliche Zustand der Stützmauer eine konkrete, akute Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen würde; beides sei aber nicht der Fall. Der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Stützmauer vorgelegte Standsicherheitsnachweis belege, dass die Stützmauer für sich betrachtet nicht geeignet sei, auf das Grundstück des Klägers einen Druck auszuüben. Daraus ergibt sich, dass der Beklagte weiterhin die Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten verneint hat, auch wenn er von der „Ausübung pflichtgemäßen Ermessens“ gesprochen hat. Zudem hat der Beklagte im Schriftsatz vom 16.01.2012 (letzter Bl. 164 GA) erklärt, dass er den Antrag des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten bisher noch nicht beschieden, sondern lediglich seine Rechtsauffassung in behördlichen Schreiben dargelegt habe.

74

Im Schriftsatz vom 28.11.2012 (Bl. 247 f. GA), der nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens vom 19.11.2012 gefertigt wurde, hat der Beklagte ausgeführt, er schätze ein, dass dem Kläger in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens und in Abwägung der Interessenlage der Betroffenen kein Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten zustehe, weil in diesem konkreten Fall derzeit keine akute Gefährdung bzw. eine spürbar nachteilige Beeinträchtigung des Klägers vorliege, die ein sofortiges bauaufsichtliches Einschreiten seitens des Beklagten rechtfertigen würde. Auch dies lässt nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen, dass der Beklagte damit einen – neuen
oder geänderten – Ablehnungsbescheid erlassen und die erforderlichen Ermessenserwägungen nachschieben wollte. Zudem ist er wie zuvor davon ausgegangen, dass nach diesem Sachverständigengutachten die Stützmauer die erforderliche eigene Standsicherheit besitze, was aber weiterhin nicht abschließend geklärt ist.

75

Die im Berufungsverfahren eingereichte Erwiderung vom 03.09.2014 (Bl. 473 GA) enthält wiederum nur prozessuales Vorbringen. Darin hat der Beklagte zunächst unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Senats im PKH-Verfahren vorgetragen, dass keine Ermessensreduzierung auf Null und damit kein Anspruch des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten bestehe. Im Folgenden hat er sich mit den Erfolgsaussichten des Hilfsantrages befasst.

76

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen in beiden Rechtszügen Sachanträge gestellt haben, sind ihnen neben dem Beklagten im Umfang ihres Unterliegens anteilig die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 154 RdNr. 8). Ferner entspricht es der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nur im Umfang ihres Obsiegens für erstattungsfähig zu erklären.

77

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

78

IV. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Kommt der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage einer Auflage, einer vollziehbaren nachträglichen Anordnung oder einer abschließend bestimmten Pflicht aus einer Rechtsverordnung nach § 7 nicht nach und betreffen die Auflage, die Anordnung oder die Pflicht die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage, so kann die zuständige Behörde den Betrieb ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Auflage, der Anordnung oder der Pflichten aus der Rechtsverordnung nach § 7 untersagen. Die zuständige Behörde hat den Betrieb ganz oder teilweise nach Satz 1 zu untersagen, wenn ein Verstoß gegen die Auflage, Anordnung oder Pflicht eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit verursacht oder eine unmittelbare erhebliche Gefährdung der Umwelt darstellt.

(1a) Die zuständige Behörde hat die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer genehmigungsbedürftigen Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist und gewerblichen Zwecken dient oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung findet, ganz oder teilweise zu untersagen, solange und soweit die von dem Betreiber getroffenen Maßnahmen zur Verhütung schwerer Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU oder zur Begrenzung der Auswirkungen derartiger Unfälle eindeutig unzureichend sind. Bei der Entscheidung über eine Untersagung berücksichtigt die zuständige Behörde auch schwerwiegende Unterlassungen in Bezug auf erforderliche Folgemaßnahmen, die in einem Überwachungsbericht nach § 16 Absatz 2 Nummer 1 der Störfall-Verordnung festgelegt worden sind. Die zuständige Behörde kann die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer Anlage im Sinne des Satzes 1 ganz oder teilweise untersagen, wenn der Betreiber die in einer zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU erlassenen Rechtsverordnung vorgeschriebenen Mitteilungen, Berichte oder sonstigen Informationen nicht fristgerecht übermittelt.

(2) Die zuständige Behörde soll anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen oder zu beseitigen ist. Sie hat die Beseitigung anzuordnen, wenn die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht auf andere Weise ausreichend geschützt werden kann.

(3) Die zuständige Behörde kann den weiteren Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage durch den Betreiber oder einen mit der Leitung des Betriebs Beauftragten untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit dieser Personen in Bezug auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen dartun, und die Untersagung zum Wohl der Allgemeinheit geboten ist. Dem Betreiber der Anlage kann auf Antrag die Erlaubnis erteilt werden, die Anlage durch eine Person betreiben zu lassen, die die Gewähr für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage bietet. Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden.

(1) Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen bedürfen einer Genehmigung. Mit Ausnahme von Abfallentsorgungsanlagen bedürfen Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, der Genehmigung nur, wenn sie in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen. Die Bundesregierung bestimmt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen, die einer Genehmigung bedürfen (genehmigungsbedürftige Anlagen); in der Rechtsverordnung kann auch vorgesehen werden, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist, wenn eine Anlage insgesamt oder in ihren in der Rechtsverordnung bezeichneten wesentlichen Teilen der Bauart nach zugelassen ist und in Übereinstimmung mit der Bauartzulassung errichtet und betrieben wird. Anlagen nach Artikel 10 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2010/75/EU sind in der Rechtsverordnung nach Satz 3 zu kennzeichnen.

(2) Anlagen des Bergwesens oder Teile dieser Anlagen bedürfen der Genehmigung nach Absatz 1 nur, soweit sie über Tage errichtet und betrieben werden. Keiner Genehmigung nach Absatz 1 bedürfen Tagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen sowie die zur Wetterführung unerlässlichen Anlagen.

(1) Kommt der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage einer Auflage, einer vollziehbaren nachträglichen Anordnung oder einer abschließend bestimmten Pflicht aus einer Rechtsverordnung nach § 7 nicht nach und betreffen die Auflage, die Anordnung oder die Pflicht die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage, so kann die zuständige Behörde den Betrieb ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Auflage, der Anordnung oder der Pflichten aus der Rechtsverordnung nach § 7 untersagen. Die zuständige Behörde hat den Betrieb ganz oder teilweise nach Satz 1 zu untersagen, wenn ein Verstoß gegen die Auflage, Anordnung oder Pflicht eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit verursacht oder eine unmittelbare erhebliche Gefährdung der Umwelt darstellt.

(1a) Die zuständige Behörde hat die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer genehmigungsbedürftigen Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist und gewerblichen Zwecken dient oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung findet, ganz oder teilweise zu untersagen, solange und soweit die von dem Betreiber getroffenen Maßnahmen zur Verhütung schwerer Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU oder zur Begrenzung der Auswirkungen derartiger Unfälle eindeutig unzureichend sind. Bei der Entscheidung über eine Untersagung berücksichtigt die zuständige Behörde auch schwerwiegende Unterlassungen in Bezug auf erforderliche Folgemaßnahmen, die in einem Überwachungsbericht nach § 16 Absatz 2 Nummer 1 der Störfall-Verordnung festgelegt worden sind. Die zuständige Behörde kann die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer Anlage im Sinne des Satzes 1 ganz oder teilweise untersagen, wenn der Betreiber die in einer zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU erlassenen Rechtsverordnung vorgeschriebenen Mitteilungen, Berichte oder sonstigen Informationen nicht fristgerecht übermittelt.

(2) Die zuständige Behörde soll anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen oder zu beseitigen ist. Sie hat die Beseitigung anzuordnen, wenn die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht auf andere Weise ausreichend geschützt werden kann.

(3) Die zuständige Behörde kann den weiteren Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage durch den Betreiber oder einen mit der Leitung des Betriebs Beauftragten untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit dieser Personen in Bezug auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen dartun, und die Untersagung zum Wohl der Allgemeinheit geboten ist. Dem Betreiber der Anlage kann auf Antrag die Erlaubnis erteilt werden, die Anlage durch eine Person betreiben zu lassen, die die Gewähr für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage bietet. Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden.

(1) Zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten können nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung Anordnungen getroffen werden. Wird nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung festgestellt, dass die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist, soll die zuständige Behörde nachträgliche Anordnungen treffen.

(1a) Bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie ist vor dem Erlass einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 Satz 2, durch welche Emissionsbegrenzungen neu festgelegt werden sollen, der Entwurf der Anordnung öffentlich bekannt zu machen. § 10 Absatz 3 und 4 Nummer 1 und 2 gilt für die Bekanntmachung entsprechend. Einwendungsbefugt sind Personen, deren Belange durch die nachträgliche Anordnung berührt werden, sowie Vereinigungen, welche die Anforderungen von § 3 Absatz 1 oder § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Für die Entscheidung über den Erlass der nachträglichen Anordnung gilt § 10 Absatz 7 bis 8a entsprechend.

(1b) Absatz 1a gilt für den Erlass einer nachträglichen Anordnung entsprechend, bei der von der Behörde auf Grundlage einer Verordnung nach § 7 Absatz 1b oder einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 Absatz 1b weniger strenge Emissionsbegrenzungen festgelegt werden sollen.

(2) Die zuständige Behörde darf eine nachträgliche Anordnung nicht treffen, wenn sie unverhältnismäßig ist, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Anordnung verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit der Anordnung angestrebten Erfolg steht; dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und technische Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen. Darf eine nachträgliche Anordnung wegen Unverhältnismäßigkeit nicht getroffen werden, soll die zuständige Behörde die Genehmigung unter den Voraussetzungen des § 21 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 ganz oder teilweise widerrufen; § 21 Absatz 3 bis 6 sind anzuwenden.

(2a) § 12 Absatz 1a gilt für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie entsprechend.

(2b) Abweichend von Absatz 2a kann die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen, wenn

1.
wegen technischer Merkmale der Anlage die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und die Behörde dies begründet oder
2.
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
§ 12 Absatz 1b Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Absatz 1a gilt entsprechend.

(3) Soweit durch Rechtsverordnung die Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 abschließend festgelegt sind, dürfen durch nachträgliche Anordnungen weitergehende Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen nicht gestellt werden.

(3a) Die zuständige Behörde soll von nachträglichen Anordnungen absehen, soweit in einem vom Betreiber vorgelegten Plan technische Maßnahmen an dessen Anlagen oder an Anlagen Dritter vorgesehen sind, die zu einer weitergehenden Verringerung der Emissionsfrachten führen als die Summe der Minderungen, die durch den Erlass nachträglicher Anordnungen zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten bei den beteiligten Anlagen erreichbar wäre und hierdurch der in § 1 genannte Zweck gefördert wird. Dies gilt nicht, soweit der Betreiber bereits zur Emissionsminderung auf Grund einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 oder einer Auflage nach § 12 Absatz 1 verpflichtet ist oder eine nachträgliche Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 getroffen werden soll. Der Ausgleich ist nur zwischen denselben oder in der Wirkung auf die Umwelt vergleichbaren Stoffen zulässig. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für nicht betriebsbereite Anlagen, für die die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb erteilt ist oder für die in einem Vorbescheid oder einer Teilgenehmigung Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 festgelegt sind. Die Durchführung der Maßnahmen des Plans ist durch Anordnung sicherzustellen.

(4) Ist es zur Erfüllung der Anordnung erforderlich, die Lage, die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage wesentlich zu ändern und ist in der Anordnung nicht abschließend bestimmt, in welcher Weise sie zu erfüllen ist, so bedarf die Änderung der Genehmigung nach § 16. Ist zur Erfüllung der Anordnung die störfallrelevante Änderung einer Anlage erforderlich, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und wird durch diese Änderung der angemessene Sicherheitsabstand erstmalig unterschritten, wird der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten oder wird eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst, so bedarf die Änderung einer Genehmigung nach § 16 oder § 16a, wenn in der Anordnung nicht abschließend bestimmt ist, in welcher Weise sie zu erfüllen ist.

(4a) Zur Erfüllung der Pflichten nach § 5 Absatz 3 soll bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 auch eine Sicherheitsleistung angeordnet werden. Nach der Einstellung des gesamten Betriebs können Anordnungen zur Erfüllung der sich aus § 5 Absatz 3 ergebenden Pflichten nur noch während eines Zeitraums von einem Jahr getroffen werden.

(4b) Anforderungen im Sinne des § 12 Absatz 2c können auch nachträglich angeordnet werden.

(5) Die Absätze 1 bis 4b gelten entsprechend für Anlagen, die nach § 67 Absatz 2 anzuzeigen sind oder vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 16 Absatz 4 der Gewerbeordnung anzuzeigen waren.

(1) Kommt der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage einer Auflage, einer vollziehbaren nachträglichen Anordnung oder einer abschließend bestimmten Pflicht aus einer Rechtsverordnung nach § 7 nicht nach und betreffen die Auflage, die Anordnung oder die Pflicht die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage, so kann die zuständige Behörde den Betrieb ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Auflage, der Anordnung oder der Pflichten aus der Rechtsverordnung nach § 7 untersagen. Die zuständige Behörde hat den Betrieb ganz oder teilweise nach Satz 1 zu untersagen, wenn ein Verstoß gegen die Auflage, Anordnung oder Pflicht eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit verursacht oder eine unmittelbare erhebliche Gefährdung der Umwelt darstellt.

(1a) Die zuständige Behörde hat die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer genehmigungsbedürftigen Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist und gewerblichen Zwecken dient oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung findet, ganz oder teilweise zu untersagen, solange und soweit die von dem Betreiber getroffenen Maßnahmen zur Verhütung schwerer Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU oder zur Begrenzung der Auswirkungen derartiger Unfälle eindeutig unzureichend sind. Bei der Entscheidung über eine Untersagung berücksichtigt die zuständige Behörde auch schwerwiegende Unterlassungen in Bezug auf erforderliche Folgemaßnahmen, die in einem Überwachungsbericht nach § 16 Absatz 2 Nummer 1 der Störfall-Verordnung festgelegt worden sind. Die zuständige Behörde kann die Inbetriebnahme oder Weiterführung einer Anlage im Sinne des Satzes 1 ganz oder teilweise untersagen, wenn der Betreiber die in einer zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU erlassenen Rechtsverordnung vorgeschriebenen Mitteilungen, Berichte oder sonstigen Informationen nicht fristgerecht übermittelt.

(2) Die zuständige Behörde soll anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen oder zu beseitigen ist. Sie hat die Beseitigung anzuordnen, wenn die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht auf andere Weise ausreichend geschützt werden kann.

(3) Die zuständige Behörde kann den weiteren Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage durch den Betreiber oder einen mit der Leitung des Betriebs Beauftragten untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit dieser Personen in Bezug auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen dartun, und die Untersagung zum Wohl der Allgemeinheit geboten ist. Dem Betreiber der Anlage kann auf Antrag die Erlaubnis erteilt werden, die Anlage durch eine Person betreiben zu lassen, die die Gewähr für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage bietet. Die Erlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden.

Die zuständige Behörde kann anordnen, dass der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage oder, soweit § 22 Anwendung findet, einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage Art und Ausmaß der von der Anlage ausgehenden Emissionen sowie die Immissionen im Einwirkungsbereich der Anlage durch eine der von der zuständigen Behörde eines Landes bekannt gegebenen Stellen ermitteln lässt, wenn zu befürchten ist, dass durch die Anlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden. Die zuständige Behörde ist befugt, Einzelheiten über Art und Umfang der Ermittlungen sowie über die Vorlage des Ermittlungsergebnisses vorzuschreiben.

(1) Eine nach diesem Gesetz erteilte rechtmäßige Genehmigung darf, auch nachdem sie unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf gemäß § 12 Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 vorbehalten ist;
2.
wenn mit der Genehmigung eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Genehmigungsbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die Genehmigung nicht zu erteilen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Genehmigungsbehörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, die Genehmigung nicht zu erteilen, soweit der Betreiber von der Genehmigung noch keinen Gebrauch gemacht hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.

(2) Erhält die Genehmigungsbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf einer Genehmigung rechtfertigen, so ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig.

(3) Die widerrufene Genehmigung wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Genehmigungsbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt.

(4) Wird die Genehmigung in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 3 bis 5 widerrufen, so hat die Genehmigungsbehörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand der Genehmigung vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand der Genehmigung hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Genehmigungsbehörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Genehmigungsbehörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(5) Die Länder können die in Absatz 4 Satz 1 getroffene Bestimmung des Entschädigungspflichtigen abweichend regeln.

(6) Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten nicht, wenn eine Genehmigung, die von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird.

(1) Die Genehmigung kann unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Zur Sicherstellung der Anforderungen nach § 5 Absatz 3 soll bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 auch eine Sicherheitsleistung auferlegt werden.

(1a) Für den Fall, dass eine Verwaltungsvorschrift nach § 48 für die jeweilige Anlagenart keine Anforderungen vorsieht, ist bei der Festlegung von Emissionsbegrenzungen für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie in der Genehmigung sicherzustellen, dass die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten.

(1b) Abweichend von Absatz 1a kann die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen, wenn

1.
eine Bewertung ergibt, dass wegen technischer Merkmale der Anlage die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre, oder
2.
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
Bei der Festlegung der Emissionsbegrenzungen nach Satz 1 sind insbesondere mögliche Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen; ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt ist zu gewährleisten. Emissionsbegrenzungen nach Satz 1 dürfen die in den Anhängen der Richtlinie 2010/75/EU festgelegten Emissionsgrenzwerte nicht überschreiten und keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufen.

(2) Die Genehmigung kann auf Antrag für einen bestimmten Zeitraum erteilt werden. Sie kann mit einem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden, wenn die genehmigungsbedürftige Anlage lediglich Erprobungszwecken dienen soll.

(2a) Die Genehmigung kann mit Einverständnis des Antragstellers mit dem Vorbehalt nachträglicher Auflagen erteilt werden, soweit hierdurch hinreichend bestimmte, in der Genehmigung bereits allgemein festgelegte Anforderungen an die Errichtung oder den Betrieb der Anlage in einem Zeitpunkt nach Erteilung der Genehmigung näher festgelegt werden sollen. Dies gilt unter den Voraussetzungen des Satzes 1 auch für den Fall, dass eine beteiligte Behörde sich nicht rechtzeitig äußert.

(2b) Im Falle des § 6 Absatz 2 soll der Antragsteller durch eine Auflage verpflichtet werden, der zuständigen Behörde unverzüglich die erstmalige Herstellung oder Verwendung eines anderen Stoffes innerhalb der genehmigten Betriebsweise mitzuteilen.

(2c) Der Betreiber kann durch Auflage verpflichtet werden, den Wechsel eines im Genehmigungsverfahren dargelegten Entsorgungswegs von Abfällen der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das gilt ebenso für in Abfallbehandlungsanlagen erzeugte Abfälle. Bei Abfallbehandlungsanlagen können außerdem Anforderungen an die Qualität und das Schadstoffpotential der angenommenen Abfälle sowie der die Anlage verlassenden Abfälle gestellt werden.

(3) Die Teilgenehmigung kann für einen bestimmten Zeitraum oder mit dem Vorbehalt erteilt werden, dass sie bis zur Entscheidung über die Genehmigung widerrufen oder mit Auflagen verbunden werden kann.

(1) Eine nach diesem Gesetz erteilte rechtmäßige Genehmigung darf, auch nachdem sie unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf gemäß § 12 Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 vorbehalten ist;
2.
wenn mit der Genehmigung eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Genehmigungsbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die Genehmigung nicht zu erteilen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Genehmigungsbehörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, die Genehmigung nicht zu erteilen, soweit der Betreiber von der Genehmigung noch keinen Gebrauch gemacht hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.

(2) Erhält die Genehmigungsbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf einer Genehmigung rechtfertigen, so ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig.

(3) Die widerrufene Genehmigung wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Genehmigungsbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt.

(4) Wird die Genehmigung in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 3 bis 5 widerrufen, so hat die Genehmigungsbehörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand der Genehmigung vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand der Genehmigung hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Genehmigungsbehörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Genehmigungsbehörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(5) Die Länder können die in Absatz 4 Satz 1 getroffene Bestimmung des Entschädigungspflichtigen abweichend regeln.

(6) Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten nicht, wenn eine Genehmigung, die von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird.

(1) Zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten können nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung Anordnungen getroffen werden. Wird nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Absatz 1 angezeigten Änderung festgestellt, dass die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist, soll die zuständige Behörde nachträgliche Anordnungen treffen.

(1a) Bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie ist vor dem Erlass einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 Satz 2, durch welche Emissionsbegrenzungen neu festgelegt werden sollen, der Entwurf der Anordnung öffentlich bekannt zu machen. § 10 Absatz 3 und 4 Nummer 1 und 2 gilt für die Bekanntmachung entsprechend. Einwendungsbefugt sind Personen, deren Belange durch die nachträgliche Anordnung berührt werden, sowie Vereinigungen, welche die Anforderungen von § 3 Absatz 1 oder § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Für die Entscheidung über den Erlass der nachträglichen Anordnung gilt § 10 Absatz 7 bis 8a entsprechend.

(1b) Absatz 1a gilt für den Erlass einer nachträglichen Anordnung entsprechend, bei der von der Behörde auf Grundlage einer Verordnung nach § 7 Absatz 1b oder einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 Absatz 1b weniger strenge Emissionsbegrenzungen festgelegt werden sollen.

(2) Die zuständige Behörde darf eine nachträgliche Anordnung nicht treffen, wenn sie unverhältnismäßig ist, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Anordnung verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit der Anordnung angestrebten Erfolg steht; dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und technische Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen. Darf eine nachträgliche Anordnung wegen Unverhältnismäßigkeit nicht getroffen werden, soll die zuständige Behörde die Genehmigung unter den Voraussetzungen des § 21 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 ganz oder teilweise widerrufen; § 21 Absatz 3 bis 6 sind anzuwenden.

(2a) § 12 Absatz 1a gilt für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie entsprechend.

(2b) Abweichend von Absatz 2a kann die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen, wenn

1.
wegen technischer Merkmale der Anlage die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und die Behörde dies begründet oder
2.
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
§ 12 Absatz 1b Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Absatz 1a gilt entsprechend.

(3) Soweit durch Rechtsverordnung die Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 abschließend festgelegt sind, dürfen durch nachträgliche Anordnungen weitergehende Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen nicht gestellt werden.

(3a) Die zuständige Behörde soll von nachträglichen Anordnungen absehen, soweit in einem vom Betreiber vorgelegten Plan technische Maßnahmen an dessen Anlagen oder an Anlagen Dritter vorgesehen sind, die zu einer weitergehenden Verringerung der Emissionsfrachten führen als die Summe der Minderungen, die durch den Erlass nachträglicher Anordnungen zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten bei den beteiligten Anlagen erreichbar wäre und hierdurch der in § 1 genannte Zweck gefördert wird. Dies gilt nicht, soweit der Betreiber bereits zur Emissionsminderung auf Grund einer nachträglichen Anordnung nach Absatz 1 oder einer Auflage nach § 12 Absatz 1 verpflichtet ist oder eine nachträgliche Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 getroffen werden soll. Der Ausgleich ist nur zwischen denselben oder in der Wirkung auf die Umwelt vergleichbaren Stoffen zulässig. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für nicht betriebsbereite Anlagen, für die die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb erteilt ist oder für die in einem Vorbescheid oder einer Teilgenehmigung Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 festgelegt sind. Die Durchführung der Maßnahmen des Plans ist durch Anordnung sicherzustellen.

(4) Ist es zur Erfüllung der Anordnung erforderlich, die Lage, die Beschaffenheit oder den Betrieb der Anlage wesentlich zu ändern und ist in der Anordnung nicht abschließend bestimmt, in welcher Weise sie zu erfüllen ist, so bedarf die Änderung der Genehmigung nach § 16. Ist zur Erfüllung der Anordnung die störfallrelevante Änderung einer Anlage erforderlich, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und wird durch diese Änderung der angemessene Sicherheitsabstand erstmalig unterschritten, wird der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten oder wird eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst, so bedarf die Änderung einer Genehmigung nach § 16 oder § 16a, wenn in der Anordnung nicht abschließend bestimmt ist, in welcher Weise sie zu erfüllen ist.

(4a) Zur Erfüllung der Pflichten nach § 5 Absatz 3 soll bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 auch eine Sicherheitsleistung angeordnet werden. Nach der Einstellung des gesamten Betriebs können Anordnungen zur Erfüllung der sich aus § 5 Absatz 3 ergebenden Pflichten nur noch während eines Zeitraums von einem Jahr getroffen werden.

(4b) Anforderungen im Sinne des § 12 Absatz 2c können auch nachträglich angeordnet werden.

(5) Die Absätze 1 bis 4b gelten entsprechend für Anlagen, die nach § 67 Absatz 2 anzuzeigen sind oder vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 16 Absatz 4 der Gewerbeordnung anzuzeigen waren.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch das Prozessgericht. Es kann sich auf die Ernennung eines einzigen Sachverständigen beschränken. An Stelle der zuerst ernannten Sachverständigen kann es andere ernennen.

(2) Vor der Ernennung können die Parteien zur Person des Sachverständigen gehört werden.

(3) Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es erfordern.

(4) Das Gericht kann die Parteien auffordern, Personen zu bezeichnen, die geeignet sind, als Sachverständige vernommen zu werden.

(5) Einigen sich die Parteien über bestimmte Personen als Sachverständige, so hat das Gericht dieser Einigung Folge zu geben; das Gericht kann jedoch die Wahl der Parteien auf eine bestimmte Anzahl beschränken.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.