Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 17. Juli 2018 - 2 L 46/17

bei uns veröffentlicht am17.07.2018

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen eine bauordnungsrechtliche Verfügung des Beklagten vom 02.07.2013, mit der ihm unter Androhung von Zwangsgeldern aufgegeben wurde, den Anbau eines Wohnhauses, der nach den Angaben des Klägers von einem Nachbar genutzt wird, sowie eine aus Bruchsteinmauerwerk bestehende Einfriedung auf dem Grundstück (B.) 82 in H-Stadt so instand zu setzen, das die Sicherheit dauerhaft gewährleistet wird, oder – alternativ – abzubrechen. Ferner wendet er sich gegen die mit Bescheid vom 31.01.2014 wegen Nichtbefolgung der Verfügung vorgenommene Festsetzung von Zwangsgeldern in Höhe von 2.000,00 € und 500,00 € sowie gegen eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 13.10.2015, mit der der Beklagte diese und weitere Zwangsgelder in Höhe von zusammen 9.000,00 € vollstreckt hat.

2

Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Die Klage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei bereits unzulässig, weil die Klage erst nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erhoben worden sei. Die Klage gegen die bauaufsichtliche Verfügung vom 02.07.2013 sei unbegründet. Die Verfügung sei rechtmäßig, insbesondere hinreichend bestimmt. Auch materiell-rechtlich bestünden keine Bedenken. Bei mehreren Ortsbesichtigungen sei festgestellt worden, dass sich am Anbau Ziegel gelöst hätten. Dies sei auf den dort angefertigten Fotos ohne weiteres erkennbar. Auf einem der Fotos sei deutlich zu erkennen, dass dies auch den Bereich weit oberhalb der offenen Schadstelle bis hin zum Dach betreffe. Es bestehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, dass sich weitere Ziegel – oberhalb des bereits offenen Bereiches – lösen und herabfallen. Zudem sei es möglich, dass dadurch die Tragfähigkeit der Außenwand beeinträchtigt werde und Teile des Daches einstürzen. Dadurch könnten Menschen verletzt werden, die sich in der Nähe aufhalten. Der verwahrloste und unbewachte Eindruck des Gebäudes könne auch Kinder und Jugendliche zu einem unbefugten Aufenthalt auf dem Grundstück verleiten. Auch aus der Bruchsteinmauer hätten sich Steine gelöst. Viele Steine seien locker und ohne Zusammenhang. Es bestehe die Gefahr, dass weitere Steine herabfallen und es dadurch zu Verletzungen komme, etwa bei Kindern, die in dem unmittelbar an der öffentlichen Straße gelegenen Bereich die Mauer besteigen oder dort spielen. Die Einwände des Klägers stellten die Annahme einer Gefahr nicht in Frage. Die von ihm vorgelegten Fotos bestätigen den vom Beklagten angenommenen Zustand. Der Anbau werde offensichtlich nicht hinreichend vom Nachbarn instandgehalten; eine Reparatur der Schadstellen sei ersichtlich nicht erfolgt. Hinsichtlich der Bruchsteinmauer habe der Kläger eingeräumt, dass Verletzungsgefahren bestünden, wenn jemand auf die Mauer steige. Auch die Zwangsgeldfestsetzung im Bescheid vom 31.01.2014 sei rechtmäßig.

II.

3

A. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

4

Die vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.06.2016 - 1 BvR 2453/12 -, juris, RdNr. 16). Das ist vorliegend nicht der Fall.

5

1. Der Kläger wendet ein, da das Verwaltungsgericht keinen Ortstermin durchgeführt, sondern sich allein auf die in der Akte befindlichen Lichtbilder gestützt habe, stelle sich die Frage, woher das Gericht seine Erkenntnisse nehme. dass sich mit erheblicher Wahrscheinlichkeit weitere Ziegel aus der Außenwand des Anbaus lösen und hierdurch auch deren Tragfähigkeit beeinträchtigt werde. Das Verwaltungsgericht sei seinem Einwand, dass eine solche Gefahr nicht bestehe, nicht nachgegangen und habe den Vortrag des Beklagten als wahr unterstellt. Es habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, weil es weder ein Sachverständigengutachten eingeholt noch sich selbst vor Ort ein Bild gemacht habe. Gleiches gelte für die Bruchsteinmauer. Der unbefangene Betrachter sehe auf dem vom Verwaltungsgericht bezeichneten Lichtbild (20160331_184658-jpg) eine an einer Stelle teilweise eingefallene Mauer, die im Übrigen jedoch einen recht soliden Eindruck mache. Ob die Gefahr bestehe, dass Steine herabfallen oder Mauerteile einstürzen, könne ein nicht bausachverständiger Laie anhand des Lichtbildes allein nicht beurteilen.

6

Diese Einwände, mit denen der Kläger eine unzureichende Sachverhaltsermittlung rügt, verfangen nicht.

7

Zwar können die Gründe, aus denen bei einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung bestehen, auch aus einer unzureichenden Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts resultieren (vgl. Beschl. d. Senats v. 03.01.2018 – 2 L 71/16 –, juris, RdNr. 15, m.w.N.). Werden ernstliche Zweifel aus einem Verfahrensfehler hergeleitet, wird ein Zulassungsgrund aber nur dann ausreichend dargelegt, wenn dem Darlegungserfordernis der Verfahrensrüge genügt wird; entspricht das Vorbringen diesen Anforderungen, kommt eine Zulassung nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge zu einer Zulassung führen würde (BayVGH, Beschl. v. 07.10.2015 – 15 ZB 14.2115 –, juris, RdNr. 19). Bei Einwänden gegen die freie, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene richterliche Überzeugung als tatsächliche Grundlage eines Urteils (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist von einer schlüssigen Gegenargumentation erst dann auszugehen, wenn gute Gründe dafür aufgezeigt werden, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung mit Blick auf eine entscheidungserhebliche Tatsache von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, oder wenn die vom Erstrichter vorgenommene Sachverhaltswürdigung im Lichte der Begründung des Zulassungsantrags fragwürdig erscheint, weil die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen. Wird eine fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts gerügt, ist der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst dann erfüllt, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts wahrscheinlich nicht zutreffend oder doch ernsthaft zweifelhaft sind (vgl. Beschl. d. Senats v. 03.01.2018, a.a.O., m.w.N.).

8

Gemessen daran hat der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung dargetan.

9

a) Insbesondere kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, das Verwaltungsgericht habe entgegen § 86 Abs. 1 VwGO und damit verfahrensfehlerhaft den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht aufgeklärt.

10

Die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Außerdem muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder auf Grund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.08.2017 – 9 B 68.16 –, juris, RdNr. 8, m.w.N.).

11

aa) Nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass das Verwaltungsgericht den Anbau und die Bruchsteinmauer nicht selbst in Augenschein genommen hat. Der Kläger legt schon nicht dar, hinsichtlich welcher konkreten entscheidungserheblichen Tatsachen Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche tatsächlichen Feststellungen bei Einnahme eines Augenscheins getroffen worden wären, die nicht bereits aus den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich sind. Zudem hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren nicht auf die Einnahme richterlichen Augenscheins hingewirkt, insbesondere hat er nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und einen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Aus seinen Darlegungen in der Zulassungsschrift ergibt sich auch nicht, dass sich dem Verwaltungsgericht eine solche Beweiserhebung ohne ein Hinwirken des Klägers hätte aufdrängen müssen.

12

Auszugehen ist von dem allgemeinen Grundsatz, dass das Gericht Umfang und Art der Tatsachenermittlung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Auch von den Beteiligten vorgelegte und zu den Akten genommene Karten, Lagepläne, Fotos und Luftbildaufnahmen können im Rahmen von § 86 Abs. 1 VwGO unbedenklich verwertbar sein, wenn sie die Örtlichkeit in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt. Ist dies der Fall, bedarf es unter dem Gesichtspunkt des Untersuchungsgrundsatzes keiner Durchführung einer Ortsbesichtigung. Das gilt nur dann nicht, wenn ein Beteiligter geltend macht, dass die Karten oder Lichtbilder in Bezug auf bestimmte, für die Entscheidung wesentliche Merkmale keine Aussagekraft besitzen, und dies zutreffen kann (zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 30.06.2014 - BVerwG 4 B 51.13 -, juris, RdNr. 4, m.w.N.).

13

Der Kläger legt nicht dar, welchen Erkenntnisgewinn eine Inaugenscheinnahme durch das Gericht in Bezug auf das Vorhandensein erkennbarer Schäden am Mauerwerk des Anbaus und der Buchsteinmauer hätte erbringen können. Dass die baulichen Anlagen die auf den Fotos sichtbaren Schäden aufweisen, stellt der Kläger nicht in Abrede. Was die Frage anbetrifft, wie sich diese Schäden auswirken (können), insbesondere ob die konkrete Gefahr besteht, dass sich weitere Steine lösen und herabfallen und dadurch ggf. die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauO LSA erforderliche Standsicherheit der Außenwand des Anbaus und der Bruchsteinmauer beeinträchtigt wird, ist nicht ersichtlich, weshalb die optische Wahrnehmung der baulichen Anlagen vor Ort eine bessere Bewertungsgrundlage geboten hätte als die vorgelegten Lichtbilder.

14

bb) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht sei nicht der Frage nachgegangen, ob tatsächlich die Gefahr bestehe, dass sich Steine aus der Außenwand des Anbaus und von der Bruchsteinmauer lösen bzw. herabfallen und dadurch auch die Standsicherheit der baulichen Anlagen beeinträchtigt werde, und hätte hierzu ein Sachverständigengutachten oder zumindest sachverständigen Rat einholen müssen.

15

Insoweit fehlt es an einer Darlegung, welche Feststellungen bei der Einholung eines Sachverständigengutachtens voraussichtlich getroffen worden wären. Ferner wurde auch insoweit kein Beweisantrag gestellt.

16

Dem Verwaltungsgericht musste sich eine solche Beweiserhebung auch nicht aufdrängen. Das Verwaltungsgericht hat aus dem auf den Lichtbildern erkennbaren Umstand, dass aus der Außenwand große Teile des Ziegelmauerwerks herausgebrochen sind, geschlussfolgert, dass sich weitere Teile aus dieser Wand lösen können, was Auswirkungen auf die Standfestigkeit der Außenwand und des Gebäudes insgesamt haben könne. Aus dem Umstand, dass in einem Abschnitt der Bruchsteinmauer ebenfalls Steine herausgebrochen waren, hat es den Schluss gezogen, dass sich auch dort weitere Steine lösen können, insbesondere wenn sie von Personen (Kindern) betreten werde. Diese Schlussfolgerungen wären unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht nur dann zu beanstanden, wenn sich das Verwaltungsgericht damit eine Sachkunde zugeschrieben hätte, die ihm keinesfalls zur Verfügung stehen kann, oder wenn seine Entscheidungsgründe auf mangelnde Sachkunde schließen ließen; dies ist nicht der Fall, wenn die Würdigungen und Schlussfolgerungen, die das Verwaltungsgericht vorgenommen hat, nicht außerhalb des Bereichs liegen, in dem ein Richter aufgrund seiner Lebenserfahrung urteilsfähig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.07.1987 – BVerwG 1 C 25.85 – juris, RdNr. 17, m.w.N.). Die vom Verwaltungsgericht gezogenen Schlussfolgerungen liegen jedoch durchaus noch im Bereich allgemeiner Lebenserfahrung. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass in absehbarer Zeit ein Schaden eintritt (§ 3 Nr. 3 Buchstabe a) SOG LSA) verlangt im Übrigen nicht die Gewissheit, dass der Schaden eintreten werde; vielmehr ist der Eintritt eines Schadens schon bei einer nach der Lebenserfahrung begründeten Befürchtung der Gefahrenverwirklichung hinreichend wahrscheinlich (vgl. Beschl. d. Senats v. 19.04.2010 – 2 L 15/10 –, juris, RdNr. 12, m.w.N.). Der Umstand, dass der Kläger – ohne dies näher zu begründen – nicht die Gefahr sieht, dass die vom Verwaltungsgericht genannten Folgen eintreten, vermag nichts daran zu ändern, dass sich dem Verwaltungsgericht die vom Kläger für erforderlich gehaltene Beweiserhebung nicht aufdrängen musste.

17

b) Auch ein Verstoß gegen das Gebot der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO lässt sich nicht feststellen. Der Kläger hat keine schlüssigen Gründe dafür aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung mit Blick auf eine entscheidungserhebliche Tatsache von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder seine tatsächlichen Feststellungen augenscheinlich nicht zutreffen. Die von der Vorinstanz anhand der vorgelegten Fotos getroffene Würdigung, aufgrund der darauf erkennbaren Schäden an der Außenwand des Anbaus und an der Einfriedungsmauer bestehe die Gefahr, dass sich weitere Ziegel bzw. Bruchsteine lösen und dadurch (bei dem Anbau) die Standsicherheit gefährdet wird, liegt – wie oben bereits dargelegt – noch im Bereich der allgemeinen Lebenserfahrung.

18

2. Der Kläger beanstandet ferner, das Verwaltungsgericht habe nicht beachtet, dass die wiederholte Festsetzung von Zwangsgeldern unverhältnismäßig sei, weil dem Beklagten bereits seit geraumer Zeit, insbesondere im Zusammenhang mit der Vollstreckung der das Wohnhaus betreffenden Verfügung vom 17.01.2011, bekannt gewesen sei, dass er, der Kläger, eine andere Rechtsauffassung vertrete als der Beklagte und deshalb einen Abbruch oder weitergehende Sicherungsmaßnahmen nicht vornehmen werde, so dass das Zwangsgeld nicht den vom Beklagten gewünschten Erfolg herbeiführen könne. Der Beklagte hätte, wenn er der Meinung sei, dass eine unmittelbare Gefahr drohe, im Wege der Ersatzvornahme vorgehen müssen. Er habe jedoch eine "Zwangsgeldspirale" in Gang gesetzt. Damit vermag der Kläger nicht durchzudringen.

19

Gemäß § 71 Abs. 1 VwVG LSA i.V.m. § 54 Abs. 3SOG LSA können Zwangsmittel so lange wiederholt und gewechselt werden, bis der Verwaltungsakt befolgt worden ist oder sich auf andere Weise erledigt hat. Dies entspricht der Eigenart und dem Wesen der Zwangsmittel als Beugemittel (OVG LSA, Beschl. v. 14.09.2007 – 4 L 242/06 –, juris, RdNr. 3, m.w.N.). Bezüglich der Auswahl der Zwangsmittel sehen die §§ 54 ff. SOG LSA keine gesetzliche Rangfolge vor; die Auswahl steht vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, bei dessen Ausübung der Zweck der Ermächtigung zu beachten ist und die gesetzlichen Grenzen einzuhalten sind (Beschl. d. Senats v. 30.01.1998 – B 2 S 381/97 –, juris, RdNr 10). Dabei ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, und bei gleicher Erfolgsaussicht muss das mildeste Mittel ausgewählt werden (Martell, SOG LSA, 5. Aufl., § 54 RdNr. 2). Sowohl der Vollstreckungsschuldner als auch die Allgemeinheit sollen durch die Vollstreckung möglichst wenig beeinträchtigt werden (Urt. d. Senats v. 21.11.2003 – 2 L 253/02 –, juris, RdNr. 28). Allerdings ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei vertretbaren Handlungen kein genereller Vorrang der Ersatzvornahme gegenüber dem Zwangsgeld. Die keine vorherige Festsetzung erfordernde Ausführung der Ersatzvornahme durch die Behörde oder von ihr beauftragte Dritte, die den Pflichtigen eigener Dispositionsmöglichkeiten hinsichtlich der Modalitäten der Befolgung „beraubt“, kann in den Auswirkungen gegenüber dem Zwangsgeld im Einzelfall das gravierendere Zwangsmittel darstellen, so dass es unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit von der Behörde möglicherweise erst dann angewandt werden darf, wenn das Zwangsgeld bezogen auf das Vollstreckungsziel erfolglos geblieben ist (vgl. SaarlOVG, Urt. v. 23.05.2016 – 2 A 240/15 –, juris, RdNr. 43). Eine Zwangsgeldfestsetzung kommt etwa auch dann in Betracht, wenn der Vollstreckungsschuldner zwar außerstande ist, die Kosten einer Ersatzvornahme zu tragen, aber in der Lage ist, die Handlung – eventuell unter Mithilfe eines Dritten – selbst auszuführen (Urt. d. Senats v. 21.11.2003, a.a.O.). Die Behörde darf an einem auferlegten Zwangsgeld festhalten und es gegebenenfalls wiederholen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass der Betroffene vielleicht doch noch veranlasst werden kann, der Verfügung nachzukommen; steht allerdings fest, dass der Zweck auch durch die Wiederholung des Zwangsgeldes nicht erreicht werden kann, ist dieses Zwangsmittel unzulässig (Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 525).

20

Gemessen daran stellen die im Bescheid vom 31.01.2014 festgesetzten Zwangsgelder geeignete Zwangsmittel zur Durchsetzung der Verfügung vom 02.07.2013 dar und können nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. Der Beklagte hat mit diesem Bescheid die in der Verfügung vom 02.07.2013 angedrohten Zwangsgelder in Höhe von 2.000,00 € und 500,00 € erstmalig festgesetzt. Die danach erfolgte Festsetzung und Androhung weiterer Zwangsgelder im Bescheid vom 07.09.2015 ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Auch der Umstand, dass der Beklagte bei der Vollstreckung der das Wohnhaus betreffenden, mittlerweile bestandskräftigen Ordnungsverfügung vom 17.01.2011 mit Bescheiden vom 30.05.2011 und 28.06.2013 bereits erfolglos Zwangsgelder gegen den Kläger festgesetzt hatte, führt nicht dazu, dass der Beklagte im Rahmen der Vollstreckung der Verfügung vom 02.07.2013 die darin angedrohten Zwangsgelder nicht festsetzen durfte, sondern eine Ersatzvornahme hätte durchführen müssen. Obwohl die Vollstreckung der Verfügung vom 17.01.2011 durch Zwangsgeld erfolglos geblieben war, stand noch nicht fest, dass auch die Vollstreckung der Verfügung vom 02.07.2013 durch Zwangsgeld erfolglos bleiben würde. Die dem Kläger in der Verfügung vom 17.01.2011 aufgegebenen Sicherungsmaßnahmen am Wohnhaus, die einen Einsturz des Dachtragwerks und der Deckenscheiben und damit ein Ausbrechen der straßenseitigen Giebelwand verhindern sollten, sind von anderer Qualität als die dem Kläger in der Verfügung vom 02.07.2013 aufgegebenen Sicherungsmaßnahmen, sie dürften insbesondere kostenintensiver sein. Zudem hat der Beklagte dem Kläger die Wahl gelassen, ob er an den baulichen Anlagen Sicherungsmaßnahmen durchführt oder die Anlagen abbricht. Vor diesem Hintergrund musste der Beklagte nicht davon ausgehen, dass sich der Kläger unter keinen Umständen durch die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Durchführung der in der Verfügung vom 02.07.2013 angeordneten Maßnahmen – ggf. mit Hilfe des Nachbarn, der den Anbau nach den Angaben des Klägers nutzt – bewegen lässt.

21

3. Deshalb vermag der Kläger auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten vom 13.10.2015 sei rechtswidrig, weil die damit vollstreckten Zwangsgeldfestsetzungen unverhältnismäßig seien. Unabhängig davon greift der Kläger die insoweit tragende Begründung des Verwaltungsgerichts, die Klage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei bereits unzulässig, weil der Kläger nicht innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO Klage erhoben habe, nicht an.

22

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

23

C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 und 3 GKG. Hinsichtlich der Verfügung vom 02.07.2013 bemisst der Senat die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache (§ 52 Abs. 1 GKG) nach den voraussichtlichen Kosten für die Durchführung der angeordneten Maßnahmen und schätzt diese auf ca. 2.500,00 €. Bezüglich des Zwangsgeldfestsetzungsbescheides vom 31.01.2014 und der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 13.10.2015 ist gemäß § 52 Abs. 3 GKG die Höhe der darin angegebenen Beträge von 2.500,00 € und 9.000,00 € maßgebend.

24

D. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).


Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 17. Juli 2018 - 2 L 46/17

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 17. Juli 2018 - 2 L 46/17

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 17. Juli 2018 - 2 L 46/17 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


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(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. W

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 74


(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erho

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Tenor 1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Gru

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert

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(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Niedersachsen hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Verfahren aus dem Bereich des Schulrechts.

2

1. a) Der Beschwerdeführer besuchte ein öffentliches technisches Fachgymnasium. Da er an einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) leidet, beantragte er zum Nachteilsausgleich eine Schreibzeitverlängerung für die Anfertigung von Klausuren sowie die Nichtbewertung der Rechtschreibung (sog. Notenschutz). Die Schule lehnte dies ab.

3

b) Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Schule, dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei der Anfertigung schriftlicher Leistungsüberprüfungen außer in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern eine Schreibzeitverlängerung von 10 % der jeweiligen Bearbeitungszeit zu gewähren. Soweit der Eilantrag darüber hinaus auf vorläufige Gewährung eines Zeitzuschlages von 25 % und Notenschutz bezüglich der Rechtschreibleistung in allen Fächern sowie auf die ebenfalls bereits vorgerichtlich geltend gemachte Verpflichtung der Schule gerichtet war, ihn in Mathematik anwendungsbezogen auf das erste Prüfungsfach Elektronik zu unterrichten, blieb er ohne Erfolg. Eine vom Beschwerdeführer in dieser Sache erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 2129/08).

4

c) In der Hauptsache fasste das Verwaltungsgericht zunächst einen Beweisbeschluss zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines weitergehenden Nachteilsausgleichs. Dieser wurde jedoch nicht mehr ausgeführt, nachdem der Beschwerdeführer die Allgemeine Hochschulreife erworben hatte. Der Beschwerdeführer stellte seine Klage daraufhin um. Neben Feststellungsanträgen begehrte er, seine unter anderem auf Klausurabwertungen wegen Schreibfehlern (sog. "GRZ-Abzug") beruhenden Kursnoten im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 anzuheben.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die in der Jahrgangsstufe 12 erteilten Einzelnoten seien bestandskräftig geworden und daher nicht mehr anfechtbar. Der Zulässigkeit der Feststellungsanträge stehe teilweise der Subsidiaritätsgrundsatz und teilweise das Fehlen eines Feststellungsinteresses entgegen.

6

d) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss ab.

7

aa) Es könne offenbleiben, ob das Verwaltungsgericht die halbjährlichen Kursabschlussnoten als eigenständig anfechtbare Regelungen habe ansehen dürfen. Die Versäumung der Widerspruchsfrist sei insoweit jedenfalls unschädlich, da die Widerspruchsbehörde eine Sachentscheidung getroffen habe. Von der Bestandskraft der Einzelnoten könne daher nicht ausgegangen werden.

8

An der Richtigkeit der Ablehnung des Verpflichtungsantrags bestünden im Ergebnis gleichwohl keine ernstlichen Zweifel, da nicht ersichtlich sei, dass die den Kursnoten zugrunde liegenden Bewertungen fehlerhaft gewesen sein könnten. Es sei in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter einer Legasthenie leidenden Schülern zum Nachteilsausgleich nur Schreibzeitverlängerungen gewährt werden könnten oder die Nutzung technischer Hilfsmittel gestattet werden könne. Die Gewährung von Notenschutz (durch Nichtbewertung der Rechtschreibung) sei demgegenüber in der Regel nicht zulässig, da sie zu einer Benachteiligung von Schülern führen könne, denen aus sonstigen Gründen Rechtschreibfehler in größerem Umfang unterliefen. Darüber hinaus komme ein Ausgleich durch Notenschutz deswegen nicht in Betracht, weil sich die vom Beschwerdeführer beanstandeten Noten gerade auf das Fach Deutsch bezögen und in diesem unter anderem Rechtschreibung und Zeichensetzung zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen gehörten. Ein Anspruch auf Notenschutz folge selbst bei einem den Behinderungsbegriff erfüllenden Ausmaß der Legasthenie auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, da sich hieraus ein originärer subjektiver Leistungsanspruch nicht ableiten lasse. Unmittelbar aus Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl 2008 II S. 1419) ergäben sich ebenfalls keine entsprechenden Rechte. Schließlich sehe die geltende Erlasslage in gewissem Umfang eine differenzierte Bewertung vor und eröffne einen pädagogischen Bewertungsspielraum, der eine einzelfallgerechte Berücksichtigung des Erscheinungsbildes der Legasthenie ermögliche. Es sei nicht ersichtlich, dass bei der Bewertung der den beanstandeten Kursnoten zugrunde liegenden Deutschklausuren hiervon in willkürlicher Weise abgewichen worden sei.

9

bb) Auch das Feststellungsinteresse habe das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Ein Rehabilitationsinteresse könne nicht bejaht werden, da von den Einzelnoten und der Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses keine den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit diskriminierende Wirkung ausgehe. Die Bewertung im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 könne für sich gesehen nicht als diskriminierend angesehen werden, zumal sich die begehrte Anhebung nicht auf die Durchschnittsnote auswirken würde. Hinsichtlich anderer Einzelnoten habe der Beschwerdeführer nicht näher dargelegt, welche Punktzahl er für angemessen halte. Soweit er sein Feststellungsbegehren auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage stütze, habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass eine solche mangels Verschuldens offensichtlich aussichtslos sei.

10

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG in Verbindung mit der UN-Behindertenrechtskonvention sowie aus Art. 12 GG und führt dies näher aus. Insbesondere rügt er, das Ausgangsgericht habe zu keinem Zeitpunkt in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren durch Beweisaufnahme geprüft, welche Maßnahmen notwendig gewesen seien, um die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es aber uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar, ob ein in Prüfungen gewährter Nachteilsausgleich die Störung vollständig ausgeglichen habe, was gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu ermitteln sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 1992 - 1 BvR 1295/90 -, NJW 1993, S. 917 <918>). Das Oberverwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass er durch die Anlegung desselben Leistungsbemessungsmaßstabs wie bei seinen nicht behinderten Mitschülern in einem Bereich, in dem er aufgrund seiner Funktionsstörung nicht gleichermaßen leistungsfähig sein könne, benachteiligt worden sei. Aus fachärztlicher Sicht habe er in allen Fächern zusätzlich 25 % der üblichen Bearbeitungszeit benötigt, um die gleichen Chancen bei der Bearbeitung der anstehenden Aufgaben zu haben. Ein reiner Nachteilsausgleich führe, auch wenn er den Verzicht auf die Benotung der Rechtschreibung beinhalte, keineswegs zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit nichtbehinderter Mitschüler. Dadurch, dass es das Oberverwaltungsgericht versäumt habe, seine willkürliche Entscheidung aus dem Eilverfahren im Berufungszulassungsverfahren zu korrigieren, nehme es ihm die Möglichkeit der Rehabilitation und verschärfe damit die bereits erfolgte Diskriminierung. Damit werde zudem eine Amtshaftungsklage bewusst ausgeschlossen und würden legasthene Schüler in Niedersachsen im Ergebnis rechtlos gestellt.

11

3. Die Verfassungsbeschwerde ist dem Niedersächsischen Justizministerium und der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der vormaligen Schule des Beschwerdeführers, zugestellt worden. Diese haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.

12

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

13

2. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

14

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34>).

15

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

16

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies hat der Beschwerdeführer getan. Er hat aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht seinen Verpflichtungsantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt hat und die angenommene Unzulässigkeit der Feststellungsanträge betreffend den Notenschutz und den Umfang des ihm zustehenden Nachteilsausgleichs aus Subsidiaritätsgründen zumindest ernstlichen - vom Oberverwaltungsgericht selbst näher aufgezeigten - Zweifeln begegnet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

17

bb) Es begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere Gründe entscheidungstragend abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. BVerfGE 134, 106 <119 f. Rn. 40>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

18

Dass dem Beschwerdeführer vor Erlass der angegriffenen Entscheidung im Hinblick auf die neue Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Berufungszulassungsverfahren rechtliches Gehör gewährt worden wäre, lässt sich den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für einen Austausch der Begründung hiernach auch nicht vor.

19

(1) Hinsichtlich der auf den Notenschutz bezogenen Klageanträge ergibt sich dies schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht die angenommene inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Gründe stützt, denen ihrerseits grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Denn die Heranziehung von Erwägungen mit Grundsatzbedeutung zur Ablehnung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel verkürzt den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfGK 10, 208 <213 f. m.w.N.>).

20

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in der revisionszulassungsrechtlichen Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2011 - 1 BvR 1764/09 -, NVwZ-RR 2011, S. 963 <964>).

21

Nach diesen Maßstäben kam der vom Oberverwaltungsgericht verneinten Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Legasthenie so genannten Notenschutz in Form der Nichtbewertung der Rechtschreibung verlangen konnte, grundsätzliche Bedeutung zu. Denn ihre Beantwortung hat Bedeutung weit über den Einzelfall des Beschwerdeführers hinaus und betrifft den Umfang des verfassungsrechtlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (BVerfGE 52, 380 <388>) als auch des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfGE 96, 288<301 ff.>) bestehenden Anspruchs auf behinderungsbezogenen Nachteilsausgleich (zu der namentlich aus den verfassungsrechtlichen Bezügen abgeleiteten Grundsatzbedeutung der Rechtmäßigkeit der Bemerkung der Nichtberücksichtigung von Rechtschreibleistungen im Abiturzeugnis vgl. BayVGH, Urteile vom 28. Mai 2014 - 7 B 14.22 u.a. -, juris, Rn. 27). Die umstrittene Frage des Umfangs des Nachteilsausgleichs, der an Legasthenie leidenden Schülern zusteht, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht höchstrichterlich geklärt. Erst im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass aus dem Gebot der Chancengleichheit nur Ansprüche auf Änderung der Prüfungsbedingungen (Nachteilsausgleich), nicht aber solche auf Änderung des Maßstabs der Leistungsbewertung (Notenschutz) abgeleitet werden könnten (BVerwGE 152, 330). Hiergegen sind beim Bundesverfassungsgericht mittlerweile Verfassungsbeschwerden anhängig (Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15 und 1 BvR 2579/15), über die noch nicht entschieden ist.

22

Das Oberverwaltungsgericht konnte die Nichtzulassung der Berufung wegen inhaltlicher Richtigkeit daher hierauf nicht stützen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der flankierenden Erwägungen, im Fach Deutsch gehörten Rechtschreibung und Zeichensetzung gerade zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen und der Schutz des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beschränke sich auf seine Funktion als Abwehrrecht. Gleiches gilt für den Hinweis auf den nach den einschlägigen schulrechtlichen Ausführungsbestimmungen bestehenden pädagogischen Spielraum. Ob die erfolgten Abwertungen unter Berücksichtigung des Spielraums der Behinderung des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung trugen, wäre gegebenenfalls erst in einem Berufungsverfahren zu klären gewesen.

23

(2) Auch mit Blick auf das (verneinte) Feststellungsinteresse verkürzt das Oberverwaltungsgericht die verfassungsrechtlich garantierten Zugangsmöglichkeiten zum Berufungsverfahren. Soweit es ausführt, es fehle an dem (vom Verwaltungsgericht insoweit nicht geprüften) Feststellungsinteresse, weil die Ausweisung der Deutschnoten in der Jahrgangsstufe 12 mit Blick auf deren Auswirkungen auf das Abiturergebnis keinen diskriminierenden Charakter hätten und der Beschwerdeführer hinsichtlich der anderen Einzelnoten schon nicht näher dargelegt habe, welche Punktzahl er für erforderlich halte, lagen diese Erwägungen nicht ohne Weiteres auf der Hand und überschritten den statthaften Prüfungsumfang im Berufungszulassungsverfahren. Inhaltlich liegen sie auch eher fern, weil der Beschwerdeführer dargelegt hat, dass die Feststellung, welche Noten er mit der von ihm für notwendig gehaltenen längeren Schreibzeitverlängerung in allen Fächern erreicht hätte, im Nachhinein nicht möglich ist. Gerade deswegen blieb ihm aber nur die Möglichkeit eines Feststellungsantrags, um eine in den erreichten Noten gegebenenfalls fortwirkende Benachteiligung durch einen entsprechenden Feststellungsausspruch zu beseitigen. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist im Übrigen geklärt, dass sich das notwendige Feststellungsinteresse in einer solchen Situation bereits aus der Geltendmachung einer fortdauernden faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - BVerwG 1 WB 59.13 -, juris, Rn. 20; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 146 m.w.N.), die hier insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gerügt wird.

24

3. Auf die Beantwortung der weiteren vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen kommt es nicht an, da der angegriffene Beschluss die Berufungszulassung behandelt und keine Entscheidung zur Sache enthält.

III.

25

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf dem Verfassungsverstoß. Er ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

26

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).

Tenor

I.

Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

II.

Von den Kosten des Zulassungsverfahrens haben die Kläger zu 1 und 2 (Au 4 K 14.83) als Gesamtschuldner, der Kläger zu 3 (Au 4 K 14.84), die Klägerin zu 4 (Au 4 K 14.86), die Klägerin zu 5 (Au 4 K 14.87) und der Kläger zu 6 ( Au 4 K 14.88) jeweils ein Fünftel einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 18.750 Euro (Gesamtstreitwert) festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen den dem Beigeladenen vom Beklagten erteilten Vorbescheid vom 18. Dezember 2013 für den „Neubau eines Stalles für 140 Milchkühe und Neubau einer Güllegrube“ (Vorhaben) auf dem Grundstück FlNr. ... Gemarkung H. (Baugrundstück). Das Verwaltungsgericht wies die Klagen mit Urteil vom 6. August 2014 in der Sache ab. Hiergegen richten sich die Rechtsmittel der Kläger. Das Vorhaben des Beigeladenen wurde inzwischen bauaufsichtlich genehmigt; die Baugenehmigung wurde ebenfalls angefochten.

II.

Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg.

1. Die Kläger berufen sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, vom Umfang des mit Bauvorbescheid genehmigten Bauvorhabens des Beigeladenen seien keine schädlichen, den Klägern unzumutbaren Umwelteinwirkungen zu erwarten. Das Verwaltungsgericht stützt sich bei seiner tatrichterlichen Bewertung auf die Stellungnahme des Fachbereichs Immissionsschutz am Landratsamt vom 22. April 2014, der die VDI-Richtlinie 3894 Blatt 2 zugrunde lag (Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen - Methode zur Abstandsbestimmung Geruch, November 2012) und die durch die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht vom 6. August 2014 ergänzt wurde. Danach sei an den Grundstücken der Kläger bzw. deren Wohnhäusern eine belästigungsrelevante Kenngröße (richtig: belästigungsrelevante Geruchsstundenhäufigkeit) von 6% bis 10% (richtig: von 6% bis 15%) zu erwarten. Da sowohl der in der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) für Dorfgebiete genannte Immissionswert von 15% als auch der für den Außenbereich genannte Immissionswert von 25% an sämtlichen Immissionsorten der Kläger eingehalten werde, könne dahingestellt bleiben, ob die Grundstücke der Kläger im Außenbereich bzw. im Dorfgebiet liegen. Überdies gelte es zu beachten, dass in einem Dorfgebiet, das durch landwirtschaftliche Betriebe mit Tierhaltung geprägt sei, auch Gerüche zumutbar sein könnten, die 15% der Jahresstunden überschreiten würden. Diese Ausführungen sind nicht ernstlich zweifelhaft.

a) Der Einwand, die Bewertung der zu erwartenden Geruchs- und Lärmimmissionen durch den Beklagten klammere fälschlicherweise den vorhandenen Stall des Beigeladenen und die bestehende Milchkammer aus, führt nicht zur Zulassung der Berufung.

aa) Der Beigeladene hat seine Bau- und Nutzungsabsichten im Vorbescheidsverfahren umfassend dargestellt. Nach der zum Vorbescheidsantrag eingereichten Bauvorlage vom 28. November 2013 (eingegangen am 2.12.2013; Bauvoranfrage zum Neubau eines Stalles - offene Fragen zu den Immissionen) werden nach dem Neubau im neuen Stall 140 Milchkühe gehalten; an der Westseite werden 15 Kälber bis zu einem Alter von 1 Monat in Iglus untergebracht (aufgerundet insg. 171 GV). Im vorhandenen Stallgebäude sollen noch 20 Kalbinnen über 2 Jahre, 70 weibliche Rinder von 1 bis 2 Jahren, 35 weibliche Rinder von 0,5 bis 1 Jahr und 30 weibliche Kälber bis 0,5 Jahr gehalten werden (aufgerundet insg. 86 GV); die Kälberiglus um das vorhandene Stallgebäude werden entfernt. Der Vorbescheid nimmt auf diese am 2. Dezember 2013 beim Landratsamt eingegangenen „konkretisierenden Angaben“ ausdrücklich Bezug. Von diesen, das Vorhaben „konkretisierenden Angaben“ ist der fachliche Immissionsschutz beim Landratsamt deshalb zu Recht ausgegangen. Denn mit der Bezeichnung seines Vorhabens in den dem Vorbescheidsantrag beigefügten Bauvorlagen hat der Beigeladene den Gegenstand des Vorbescheidsverfahrens festgelegt. Inhalt, Reichweite und Umfang des angefochtenen Vorbescheids sind danach eindeutig erkennbar; Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit der Vorbescheids (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) bestehen nicht. Hiervon ausgehend bestand keine Veranlassung, den durch den Vorbescheidsantrag konkret bezeichneten Umfang der künftigen Tierhaltung durch Nebenbestimmungen (Art. 71 Satz 4 i. V. m. Art. 68 Abs. 3 BayBO, Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG) zum Vorbescheid festzulegen (vgl. BayVGH, B. v. 25.3.2014 - 15 ZB 12.2014 - juris Rn. 5 m. w. N.).

bb) Was eine Nutzung der bestehenden Milchkammer zu etwaigen Immissionsbelastungen der Kläger beitragen soll, wird nicht hinreichend dargelegt.

b) Der Vortrag, es sei keine Lärmprognose in Bezug auf den Transportverkehr für Kühe und Milch erfolgt, welcher auf der E.-straße und damit unmittelbar entlang der Wohngrundstücke der Kläger stattfinde, ist nicht berechtigt. Nach der Lärmbeurteilung durch den fachlichen Immissionsschutz vom 22. April 2014 sind die hinzukommenden landwirtschaftlichen Fahrten, die überwiegend auf öffentlicher Straße stattfänden, nach der TA Lärm nicht relevant, weil insgesamt die Grenzwerte der 16. BImSchV nicht überschritten werden. Diese Bewertung unterliegt keinem Zweifel. Insoweit ist zu beachten, dass die TA Lärm für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen - wie hier - unmittelbar ohnehin keine Anwendung findet (Nr. 1 Abs. 2 Buchst. c TA Lärm). Davon abgesehen sind Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen nach Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm u. a. nur insoweit beachtlich, als sie den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöhen (was eine Verdoppelung des gesamten Verkehrsaufkommens auf der öffentlichen Verkehrsfläche erfordert) und die Immissionsrichtwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) erstmals oder weitergehend überschritten werden. Dass diese Voraussetzungen hier gegeben sein könnten, ist weder dargelegt noch ernstlich in Betracht zu ziehen.

c) Die weitere Kritik an der Berechnung und Nachvollziehbarkeit der vom Beklagten angestellten Prognose geht ins Leere. Denn die Kläger haben im Zulassungsverfahren eine von ihnen eingeholte Geruchsimmissionsprognose des Ingenieurbüros a. vom 22. Oktober 2014 vorgelegt, auf die sie sich beziehen und die die Einhaltung der Immissionswerte nach GIRL an den Wohnhäusern der Kläger bestätigt.

aa) Soweit vorgetragen wird, auch die selbst in Auftrag gegebene Untersuchung von a. sei defizitär, weil der Gutachterin nicht alle für die Berechnung erforderlichen Daten zur Verfügung gestellt worden seien, betrifft dies nach Darlegung der Kläger die aus datenschutzrechtlichen Gründen vom Amt für Landwirtschaft und Ernährung nicht herausgegebenen Betriebsdaten weiterer landwirtschaftlicher Betriebe und Daten des Beklagten zur Windrichtungsverteilung (synthetische Winddaten des Bayerischen Landesamts für Umwelt, die nach den Ausführungen des Beklagten jedermann käuflich erwerben könne).

Hinsichtlich der aktuellen Tierzahlen der weiteren landwirtschaftlichen Tierhaltungsbetriebe hat a. Angaben der Einwohner und Landwirte aus dem Ortsteil H. herangezogen. Die Plausibilität der Angaben wurde von a. im Rahmen einer Ortseinsicht sowie auf Grundlage der Stallgrößen aus dem Orthophoto von H. überprüft (vgl. Geruchsimmissionsprognose vom 22. Oktober 2014 S. 10). Weshalb und inwiefern die von a. ermittelten und in der Geruchsimmissionsprognose detailliert aufgeführten Daten über die Tierplatzzahlen sowie der Silage- und Festmistlager der im Einzelnen genannten Tierhaltungsbetriebe nicht valide sein sollten, wird von den Klägern nicht ansatzweise ausgeführt.

Hinsichtlich der Windrichtungsverteilung hat a. auf die Stationsdaten der DWD-Station L. abgestellt, deren Repräsentativität mit einer detaillierten Prüfung der Übertragbarkeit nachgewiesen wurde (vgl. Geruchsimmissionsprognose vom 22. Oktober 2014 S. 12). Auch hier wird nicht substantiiert in Frage gestellt, dass die von a. herangezogenen Daten zur Windrichtungs- und Windgeschwindigkeitsverteilung unzutreffend wären.

bb) Der Vortrag, die Geruchsimmissionsprognose von a. vom 22. Oktober 2014 komme zu dem Ergebnis, „dass die vom Beklagten in seinen Schriftsätzen eingenommene Auffassung unzutreffend ist und bei einer Gesamtschau und Berücksichtigung der Vorbelastung, der topographischen Verhältnisse und der Windverhältnisse unzumutbare erhebliche Geruchsbelästigungen an den Grundstücken der Kläger entstehen“, trifft nicht zu.

(1) Soweit es die Wohnhäuser der Kläger betrifft (IP_4 bis IP_8), werden die Immissionswerte der GIRL nach der Geruchsimmissionsprognose vom 22. Oktober 2014 eingehalten (vgl. S. 19 Tabelle 3 und Seite 22 Nr. 9 der Geruchsimmissionsprognose vom 22. Oktober 2014: IP_4/Kläger zu 3 = 15%, IP_5/Klägerin zu 4 = 9%, IP_6/Klägerin zu 5 = 8%, IP_7/Kläger zu 6 = 9%, IP_8/Kläger zu 1 und 2 = 12%). Die in der Geruchsimmissionsprognose vom 22. Oktober 2014 ermittelte Überschreitung der Immissionswerte für Dorfgebiete betrifft andere Grundstücke.

(2) Anders als der Beklagte und das Verwaltungsgericht bezieht die Geruchsimmissionsprognose vom 22. Oktober 2014 auch das unbebaute Grundstück der Kläger zu 1 und 2 FlNr. ... („Einordnung/Gebietsart: Außenbereich“) in seine Bewertung mit ein, ermittelt insoweit beurteilungsrelevante Immissionswerte von zwischen 19% und 39% und stellt diesen einen Beurteilungswert von 20% gegenüber. Dieser Ansatz ist verfehlt. Der Immissionswert von 20% ist nach der Begründung und den Auslegungshinweisen zur GIRL zwar als Zwischenwert zwischen Dorfgebieten und Außenbereich genannt (vgl. zu Nr. 3.1. GIRL). Die in der GIRL und der VDI-Richtlinie 3894 Blatt 2 genannten Immissionswerte beziehen sich aber auf Nutzungsbereiche, „in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten“, also „gegenüber schutzbedürftigen Nutzungen wie Wohnhäusern“ (vgl. z. B. Nr. 3.1 GIRL; VDI-Richtlinie 3894 Blatt 2 Nr. 1 Anwendungsbereich sowie Anhang F). Dieser Bezug auf schutzwürdige Nutzungen entspricht in etwa dem der Vorsorgeregelung in Nr. 5.4.7.1 TA Luft, wonach bestimmte „Mindestabstände zur nächsten vorhandenen oder in einem Bebauungsplan festgesetzten Wohnbebauung“ nicht unterschritten werden sollen. In der Rechtsprechung wird hierfür eine zusammenhängende Wohnbebauung gefordert (vgl. BVerwG, U. v. 23.7.2015 - 7 C 10/13 - juris Rn. 33 m. w. N.). Hiervon ausgehend ist das unbebaute Grundstück FlNr. ... der Kläger zu 1 und 2 gegenüber Geruchsbelästigungen nicht schutzbedürftig, weil auf ihm keine auf Dauer für den Aufenthalt von Personen angelegte und schutzbedürftige bauliche Nutzung ausgeübt wird. Ob und inwieweit die Kläger zu 1 und 2 eine bauliche Nutzung ihres Grundstücks FlNr. ... anstreben und eine konkretisierte privilegierte oder sonstige Nutzung auch in Betracht kommt, die einen Schutz vor Gerüchen aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Anspruch nehmen kann, wird nicht dargelegt.

d) Nicht zutreffend ist im Übrigen der Vortrag im Schriftsatz der Kläger vom 16. Juni 2015, der nach Ablauf der Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO eingereicht wurde, wonach es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entspreche, dass zur Klärung, ob die umliegende Wohnbebauung durch das Vorhaben schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt ist, die VDI-Richtlinie 3894 Blatt 2 als Auslegungshilfe heranzuziehen sei. Die GIRL oder die auf der GIRL aufbauende VDI-Richtlinie 3894 Blatt 2 kann zwar im Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung als Orientierungshilfe herangezogen werden, eine irgendwie geartete Bindungswirkung oder ein Vorrang vor anderen Bewertungsmethoden besteht aber nicht (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2014 - 15 CS 13.1910 - juris Rn. 25 m. w. N.); dies gilt jedenfalls für Vorhaben, die - wie hier - keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen.

Der weitere im Schreiben vom 16. Juni 2015 erhobene Einwand, die südlich der E.-straße gelegene Wohnbebauung sei als „faktisches reines Wohngebiet einzustufen“, ist angesichts der vorhandenen landwirtschaftlichen Nutzungen der näheren Umgebung nicht nachvollziehbar und davon abgesehen wegen § 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO auch nicht berücksichtigungsfähig.

Gleiches gilt für die nicht näher substantiierte Behauptung, das Vorhaben des Beigeladenen halte die zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Bioaerosole erforderlichen Mindestabstände nicht ein.

e) Soweit schließlich geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt unzureichend ermittelt, werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils aus einem Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts hergeleitet. In diesen Fällen wird ein Zulassungsgrund nur dann ausreichend dargelegt, wenn dem Darlegungserfordernis der Verfahrensrüge genügt wird. Entspricht das Vorbringen diesen Anforderungen, kommt eine Zulassung nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge zu einer Zulassung führen würde (vgl. BayVGH, B. v. 15.1.2014 - 15 ZB 12.163 - juris Rn. 4 m. w. N.). Insoweit kann auf die nachstehenden Ausführungen unter Nr. 3 verwiesen werden.

2. Die Rechtssache wirft keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Entgegen der Annahme der Kläger bestehen, wie vorstehend ausgeführt wurde, weder im Rahmen der Klärung der Vorbelastung noch im Hinblick auf deren Bewertung besondere Schwierigkeiten. Insbesondere ist nicht ersichtlich und wird nicht dargelegt, was an den Datengrundlagen zu den auch von a. empirisch ermittelten Vorbelastungen fehlerhaft sein soll. Welche rechtlichen Schwierigkeiten bei der Bewertung der Vorbelastung auftreten, wird nicht dargelegt und ist auch nicht nachzuvollziehen.

3. Den Darlegungen im Zulassungsantrag lässt sich schließlich kein Verfahrensmangel entnehmen, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

a) Der Vortrag, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht richtig aufgeklärt, weil die Bewertung der Geruchsbelastung durch den behördlichen Immissionsschutz, auf die sich das Verwaltungsgericht stütze, auf Daten und Berechnungen beruhe, die nicht transparent, nachprüfbar und offen dargelegt worden seien, führt nicht zur Zulassung der Berufung.

Das Verwaltungsgericht hat zur Stellungnahme des Fachbereichs Immissionsschutz am Landratsamt vom 22. April 2014 ausgeführt, es habe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass in diese Stellungnahme falsche oder unsachgemäße Daten eingeflossen seien. Insbesondere habe der Umweltingenieur bei seinen Berechnungen sachgerecht die neueste VDI-Richtlinie 3894 Blatt 2 zugrunde gelegt. Diese tatrichterliche Bewertung ist nicht zu beanstanden.

Der Umweltingenieur des Landratsamts hat nachvollziehbar dargestellt, auf welcher Grundlage und nach welchem Verfahren er seine Berechnungen angestellt hat. Inwieweit die Ausgangsdaten und Verarbeitungsschritte einer gutachterlichen Stellungnahme offen gelegt werden müssen, um deren Verwertbarkeit zu überprüfen zu können, ist eine Frage der Beweiswürdigung und der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO; vgl. BVerwG, B. v. 28.3.2013 - 4 B 15/12 - BauR 2013, 1248 = juris Rn. 20 m. w. N.). Seine Beweiswürdigung und richterliche Überzeugungsbildung hat das Verwaltungsgericht nicht nur auf die schriftlich abgefasste Stellungnahme des Umweltingenieurs vom 22. April 2014 gestützt, sondern gleichermaßen auf die Ausführungen des Umweltingenieurs in der mündlichen Verhandlung. Aus der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 6. August 2014 ergibt sich, dass der Umweltingenieur des Landratsamts zur Verhandlung erschienen war, seine Stellungnahme erläutert und die ihm gestellten Fragen nachvollziehbar beantwortet hat. Dass die Kläger in der mündlichen Verhandlung weitere Fragen an den Umweltingenieur gerichtet, insbesondere die Offenlegung bestimmter Datengrundlagen gefordert hätten, wird zwar eingewandt, ergibt sich aber nicht aus der Niederschrift (vgl. § 98 VwGO, § 415 ZPO). Vor diesem Hintergrund erweist sich die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags, ein (Anm.: weiteres) „Sachverständigengutachten einzuholen zu der Behauptung, dass die Grundstücke der Kläger nach deren Lage bei Verwirklichung des mit dem Bauvorbescheid beschriebenen Vorhabens einer unzumutbaren Geruchshäufigkeit ausgesetzt sind“ mit der vom Verwaltungsgericht gegebenen Begründung, „Es wurde nicht substantiiert dargelegt, inwieweit die beantragte Beweiserhebung andere bzw. bessere Erkenntnisse erbringen würde als die in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörterte Stellungnahme des Umweltingenieurs des Landratsamts vom 22. April 2014“, als gerechtfertigt. Aus denselben Gründen liegt in der Ablehnung des Beweisantrags auch kein Gehörsverstoß (vgl. BVerwG, B. v. 2.10.2013, a. a. O., juris Rn. 13 m. w. N.).

b) Der weitere Vortrag, das Verwaltungsgericht habe nicht aufgeklärt, wie weit der Stall nach den einschlägigen Richtlinien von der Bebauung entfernt sein solle, obwohl das Verwaltungsgericht dies beim Ortstermin (Anm.: Augenscheinstermin vom 7.7.2014) ausdrücklich verlangt habe, lässt keinen Verfahrensmangel erkennen, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Die Berichterstatterin hatte zwar ausweislich der Niederschrift zum Augenscheinstermin vom 7. April 2014 darum gebeten, baldmöglichst eine Stellungnahme des Umweltingenieurs zu der Frage einzuholen, wie weit der streitgegenständliche Stall nach den einschlägigen Richtlinien von der Bebauung entfernt sein solle. Dem ist das Landratsamt mit Schriftsatz vom 2. Mai 2014 aber nachgekommen, der auch die Stellungnahme des Umweltingenieurs vom 22. April 2014 enthielt. Dass es dem Verwaltungsgericht angesichts der gegenständlichen Nachbarklagen nicht darauf ankam, welchen Abstand ein Stall wie der des Beigeladenen von jeglicher Bebauung einhalten müsste, sondern darauf, ob der tatsächliche Abstand zwischen dem Standort des Stalls und der schutzwürdigen Wohnbebauung der Kläger ausreicht, um insoweit schädliche Umwelteinwirkungen auszuschließen, liegt auf der Hand.

c) Von Vorstehendem abgesehen führt der von den Klägern behauptete Verfahrensmangel auch deshalb nicht zur Zulassung der Berufung, weil er für den Ausgang des Berufungsverfahrens nicht oder nicht mehr von Bedeutung wäre (vgl. BayVGH, B. v. 12.2.2015 - 15 ZB 13.1578 - juris Rn. 44 m. w. N.).

Ausweislich der Geruchsimmissionsprognose des Ingenieurbüros a. vom 22. Oktober 2014, die die Kläger im Zulassungsverfahren vorgelegt haben und auf die sich das Zulassungsvorbringen stützt, werden die Immissionswerte der GIRL/VDI-Richtlinie DIN 3894 Blatt 2 an den allein maßgeblichen Wohngebäuden der Kläger eingehalten. Dass die selbst in Auftrag gegebene Untersuchung von a. nicht deshalb defizitär ist, weil der Gutachterin nicht alle für die Berechnung erforderlichen Daten zur Verfügung gestellt worden seien, wurde bereits ausgeführt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden. Der Gesamtstreitwert setzt sich aus fünf Einzelstreitwerten von jeweils 3.750 Euro zusammen.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Gründe

1

I. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren zweiter Instanz hat keinen Erfolg, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz. 1 ZPO).

2

Um die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Zulassung der Berufung beurteilen zu können, muss der Rechtsmittelführer zunächst einen Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO darlegen. Dass bereits im erstinstanzlichen Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, ist für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ohne Belang (vgl. Beschl. d. Senats v. 25.05.2007 – 2 L 28/07 –, Juris). Ein anwaltlich nicht vertretener Kläger muss die Erfolgsaussichten des Zulassungsantrags allerdings nur so weit darlegen, wie dies ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist (vgl. zur Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 VwGO: BVerwG, Beschl. v. 08.09.2008 – 3 PKH 3/08 –, Juris). Von diesem kann nicht verlangt werden, dass er die einzelnen Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO in der Weise darlegt, wie dies für den Zulassungsantrag selbst erforderlich wäre (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO); es genügt, wenn sich aus der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags das Vorliegen eines Zulassungsgrundes in groben Zügen erkennen lässt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.09.2008, a. a. O.).

3

Der (derzeit) anwaltlich nicht vertretene Kläger beanstandet zunächst eine mangelhafte bzw. unvollständige Sachverhaltsaufklärung sowie eine Verletzung rechtlichen Gehörs und rügt damit Verfahrensmängel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Er hält ferner Teile der Begründung des erstinstanzlichen Urteils für fehlerhaft und macht damit der Sache nach auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend. Sein Vorbringen im Einzelnen lässt aber nicht erkennen, dass diese Zulassungsgründe tatsächlich vorliegen.

4

1. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs begründet der Kläger damit, dass sich das Verwaltungsgericht nicht mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt habe, die Beklagte sei auch im Rahmen der von ihr zwischenzeitlich vorgenommenen Ersatzvornahme nicht in der Lage gewesen, die von ihr auferlegten „Auflagen“ zu erfüllen, und habe zudem in den Verwaltungsakten falsche Sachverhaltsdarstellungen gegeben. Dies dürfte für eine erfolgreiche Gehörsrüge nicht ausreichen.

5

Der Senat hat wiederholt entschieden (vgl. z. B. Beschl. v. 04.02.2002 – 2 L 242/00 –, Juris), schon einfaches Verfahrensrecht (§§ 108 Abs. 1 Satz 2; 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) verlange nicht, dass sich die Entscheidungsgründe mit jeder Einzelheit des Vorbringens befassten; es genüge die Angabe der Gründe, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gebietet dem Gericht gleichfalls nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, Beschl. v. 17.11.1992 – 1 BvR 168,1509/89, 638,639/90 –, BVerfGE 87, 363 [392 f]). Art. 103 Abs. 1 GG fordert allein, dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG, Beschl. v. 19.05.1992 – 1 BvR 986/91 –, BVerfGE 86, 133 [145]), und ist erst verletzt, wenn das Gericht gegen diesen Grundsatz erkennbar verstoßen hat. Das Bundesverfassungsgericht geht grundsätzlich davon aus, dass ein Gericht dem Verfassungsgebot entsprochen hat (BVerfGE 86, 133 [146]; 87, 363 [392]). Als Indiz für die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist erst anzusehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Parteivortrags zu einer Frage von zentraler Bedeutung nicht eingegangen ist, sofern das Vorbringen vom Gericht nicht für unerheblich oder offensichtlich unsubstanziiert gehalten wird (BVerfGE 86, 133 [146]).

6

Den Gründen des angefochtenen Urteils lässt sich entnehmen, dass das Verwaltungsgericht das Vorbringen des Klägers, die Beklagte habe – entgegen ihrer Darstellung in den Verwaltungsvorgängen – im Rahmen der von ihr zwischenzeitlich vorgenommenen Ersatzvornahme nicht die von ihm abverlangten Maßnahmen durchgeführt, für offensichtlich unsubstanziiert gehalten hat. Auf Seite 8 des Urteilsabdrucks hat es ausgeführt, dass der Kläger den Feststellungen der Beklagten über lose Bauwerksteile nicht substantiiert entgegengetreten sei. Dies gibt zu Beanstandungen keinen Anlass. Die mit der Durchführung der Ersatzvornahme beauftragte Fa. (...) listete in ihrer Rechnung vom 13.06.2008, der eine Fotodokumentation beigefügt war, die im Einzelnen vorgenommenen Arbeiten auf. Dazu gehörten insbesondere das Entfernen defekter Fensterscheiben, loser Bretter am Dachgesims, des losen Putzes von der Fassade und loser Stuckteile sowie das Entfernen der offenbar zum Beschweren der Dacheindeckung aufgelegten Mauerziegel im Kantenbereich (Traufe) des Daches. Diese von der Beklagten am 16.06.2008 abgenommenen Arbeiten sind genau die Maßnahmen, die dem Kläger in der angefochtenen Sicherungsverfügung vom 09.08.2007 aufgegeben wurden. Konkrete Anhaltspunkte, auf Grund derer das Verwaltungsgericht Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen hätte haben müssen, waren nicht ersichtlich. Soweit der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat, einzelne Teile hätten gar nicht oder nur unter Einsatz von Werkzeugen entfernt werden können, seien also gar nicht „lose“ gewesen, und hierzu schriftsätzlich die Vernehmung der ausführenden Mitarbeiter der Fa. (...) als Zeugen angeregt hat, ist ihm entgegenzuhalten, dass er in der mündlichen Verhandlung, in der er (noch) anwaltlich vertreten war, keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat. Auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs kann sich nicht berufen, wer die im konkreten Fall gegebenen prozessualen Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, nicht genutzt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.04.1990 – 2 B 37.90 –, DokBer B 1990, 198).

7

2. Auch die geltend gemachten Aufklärungsmängel liegen aller Voraussicht nach nicht vor.

8

Wird ein Aufklärungsmangel behauptet, muss der Rechtsmittelführer nicht nur darlegen, hinsichtlich welcher Tatsachen Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären; er muss auch darlegen, dass bereits in der Vorinstanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.07.1998 – 6 B 67.98 –, Juris, m. w. Nachw.; Beschl. d. Senats v. 21.02.2007 – 2 L 156/05 –, Juris). Daran fehlt es hier.

9

2.1. Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe nicht aufgeklärt, ob tatsächlich lose Bauteile vorhanden waren, insbesondere keine Zeugen und Sachverständigen gehört, sondern sich auf unwahre Darstellungen in den Akten und wenig aussagekräftige Lichtbilder gestützt, ist hiernach nicht stichhaltig.

10

Einen Beweisantrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Auch musste sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsermittlung nicht aufdrängen. Die Behauptung, die Inaugenscheinnahme, auf der die bestrittenen Behauptungen der Beklagten beruhen, hätten unqualifizierte Mitarbeiter durchgeführt, hat der Kläger durch nichts unterlegt. Er hat auch nicht dargelegt, welche konkreten weiteren Ermittlungen das Verwaltungsgericht hätte vornehmen müssen, um im Nachhinein feststellen zu können, dass keine „losen“ Gebäudeteile vorhanden waren. Da die Fa. (...) die einzelnen von ihr durchgeführten Arbeiten dokumentierte, hat es sich jedenfalls nicht aufgedrängt, deren ausführende Mitarbeiter im Rahmen einer förmlichen Beweisaufnahme hierzu zu befragen. Ob der Kläger zu einem früheren Zeitpunkt Sicherungsmaßnahmen durchgeführt hatte, ist nicht entscheidungserheblich. Auch wenn dies der Fall gewesen sein sollte, durfte die Beklagte, soweit diese Arbeiten nicht ausreichend waren, um eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch herabstürzende Bauteile zu beseitigen, vom Kläger die Durchführung weiterer Sicherungsmaßnahmen fordern.

11

2.2. Ein Aufklärungsmangel wird entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht darin zu sehen sein, dass das Verwaltungsgericht nicht (durch ein Sachverständigengutachten) ermittelt hat, ob die auf dem Dach zur Beschwerung der Dachbahnen aufgelegten Mauerziegel bei starkem Wind eine Gefahr darstellen. Auch hierzu hat der in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretene Kläger keinen Beweisantrag gestellt. Eine weitere Aufklärung musste sich dem Verwaltungsgericht nicht aufdrängen.

12

Gemäß § 3 Nr. 3 Buchstabe a) SOG LSA ist eine Gefahr im ordnungsrechtlichen Sinne eine Sachlage, bei der im einzelnen Falle die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Dabei lässt sich die Frage, ob ein Schaden hinreichend wahrscheinlich ist, nur auf Grund einer Prognose beurteilen, die der zur Gefahrenabwehr Handelnde seinem Einschreiten zu Grunde zu legen hat. Diese Prognose ist auf der Grundlage der im Zeitpunkt des behördlichen Handelns zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten zu treffen. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit verlangt dabei nicht Gewissheit, dass der Schaden eintreten werde; vielmehr ist der Eintritt eines Schadens schon bei einer nach der Lebenserfahrung begründeten Befürchtung der Gefahrenverwirklichung hinreichend wahrscheinlich. Dabei ist hinsichtlich des Grades der Wahrscheinlichkeit insoweit zu differenzieren, als zum einen der Rang des Rechtsguts zu berücksichtigen ist, in das eingegriffen werden soll, und zum anderen aber auch das Gut, zu dessen Schutz vorgegangen werden soll. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit gestellt werden können. Insoweit geht in die Prognose eine wertende Abwägung ein (vgl. zum Ganzen: OVG NW, Urt. v. 26.03.2003 – 7 A 4491/99 –, NWVBl 2003, 386, m. w. Nachw.).

13

Gemessen hieran begegnet die Annahme der Beklagten, bei starkem Wind gehe eine Gefahr im (bau-)ordnungsrechtlichen Sinne von den auf dem Dach aufliegenden Mauersteinen aus, keinen durchgreifenden Bedenken. Nach der Lebenserfahrung liegt ein Herabfallen der Steine bei solchen Wetterlagen jedenfalls nicht fern. Hinzu kommt, dass dann Leib und Leben Dritter bedroht sind. Demgegenüber fallen die Nachteile, die dem Kläger durch die Entfernung der Mauersteine entstehen, nur wenig ins Gewicht. Die Dachbahnen können auch auf andere, sicherere Weise befestigt werden.

14

2.3. Ohne Erfolg rügt der Kläger weiter, das Verwaltungsgericht habe den Feuerwehreinsatz im Oktober 2006 unaufgeklärt gelassen. Unabhängig davon, dass der Kläger auch diesbezüglich keinen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, musste sich dem Verwaltungsgericht auch insoweit keine weitere Sachaufklärung aufdrängen. Denn selbst wenn – wie der Kläger geltend macht – bei diesem Einsatz einzelne lose Bauteile beseitigt wurden, bedeutet dies nicht, dass in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verfügung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 17.07.2008 keine losen Bauteile mehr vorhanden waren.

15

3. Das Vorbringen des Klägers im Übrigen wird voraussichtlich auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begründen können.

16

3.1. Ohne Erfolg dürfte insbesondere sein Einwand bleiben, der angefochtenen Verfügung fehle die erforderliche Bestimmtheit.

17

Der Bestimmtheitsgrundsatz (§ 37 Abs. 1 VwVfG) verlangt, dass der Entscheidungsinhalt für den Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus verständlich ist und den Adressaten in die Lage versetzt zu erkennen, was genau von ihm gefordert wird (BVerwG, Urt. v. 15.02.1990 – 4 C 41.87 –, BVerwGE 84, 338). Der Wille der Behörde muss vollständig zum Ausdruck kommen und unzweideutig für die Beteiligten des Verfahrens erkennbar sein; der Verwaltungsakt darf keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich sein; die Bestimmbarkeit des Regelungsinhalts genügt allerdings (Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 4. Aufl., § 37, RdNr. 11). Es reicht aus, wenn aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den den Beteiligten bekannten Umständen im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 37 RdNr. 12, m. w. N.). Auch bei bauaufsichtlichen Anordnungen muss der Adressat in die Lage versetzt werden zu erkennen, was von ihm gefordert wird; der Verwaltungsakt muss eine geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können (vgl. OVG NW, Beschl. v. 11.05.2000 – 10 B 306/06 –, BauR 2000, 1477).

18

Im Entscheidungstenor des angefochtenen Bescheids kommt unmissverständlich zum Ausdruck, welche Arten von Bauteilen der Kläger entfernen sollte, nämlich (nur) die defekten Fensterscheiben im Erd- und Dachgeschoss, die losen Bretter am Dachgesims, den losen Putz der Fassade, die losen Stuckteile und die auf dem Dach zum Beschwerden der Dacheindeckung aufgelegten Mauerziegel. Hingegen war es nicht erforderlich, näher zu bezeichnen, welche konkreten Fenster defekt waren und welche konkreten Bretter am Dachgesims sowie Fassaden- und Stuckteile als „lose“ zu betrachten sind. Ob eine Fensterscheibe defekt oder ein Bauteil „lose“ ist, lässt sich auch ohne Bausachverständigen feststellen. Auch hatte die mit der Ersatzvornahme beauftragte Fa. (…) letztlich keinerlei Probleme, den Auftrag der Beklagten auszuführen. Die Annahme der Beklagten, dass von defekten Fensterscheiben eine Gefahr ausgehen kann, gerade wenn bereits zu einem früheren Zeitpunkt Teile von Fensterscheiben auf die Straße stürzten, begegnet ebenfalls keinen Bedenken.

19

3.2. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das Herabstürzen von Fassadenteilen bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtfertige die Befürchtung, dass weitere Teile des Gebäudes sich lösen und herabstürzen könnten, steht entgegen der Ansicht des Klägers keineswegs „im Widerspruch zu allgemeinen Denkansätzen“. Es mag zutreffen, dass eine vollständige Gefahrenbeseitigung an der Fassade – langfristig – nur durch eine vollständige Entfernung des Putzes und der Stuckteile erfolgen kann. Es ist aber nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte dem Kläger als milderes Mittel (zunächst) aufgibt, nur die (derzeit) losen Teile zu entfernen. Den vom Kläger bezeichneten Lichtbildern vom 06.08.2007 (Bl. 102 bis 104 der Beiakte A) lässt sich auch nicht entnehmen, dass er alle losen Fassadenteile bereits vor Erlass der streitgegenständlichen Verfügung selbst entfernt hatte.

20

3.3. Ernstlichen Zweifeln begegnet auch nicht die Annahme der Vorinstanz, die Beseitigung der losen Putzteile stelle gegenüber der vom Kläger für wirksamer gehaltenen Anbringung eines Schutznetzes das mildere Mittel dar. Der vom Kläger hiergegen erhobene Einwand, die Anbringung eines Schutznetzes sei für die Gefahrenabwehr wegen des fortschreitenden Verschleißes der Fassade geeigneter als die Entfernung loser Bauteile, greift nicht durch.

21

Die Geeignetheit einer Maßnahme zur Gefahrenabwehr wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Zweck voraussichtlich (noch) nicht vollständig erreicht wird (vgl. Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., F 33 RdNr. 222). Kommen zur Gefahrenabwehr mehrere Mittel in Betracht, so genügt es, wenn eines davon bestimmt wird (§ 6 Abs. 2 Satz 1 SOG LSA). Dass die Entfernung loser Fassadenteile geeignet ist, die Gefahr für Passanten zumindest vorübergehend zu beseitigen, kann nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 SOG LSA ist zwar der betroffenen Person auf Antrag zu gestatten, ein anderes, ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird. Es ist allerdings schon zweifelhaft, ob Schutznetze auf Dauer geeignet sind, das Herabfallen auch schwerer Fassadenteile in den öffentlichen Verkehrsraum zu verhindern. Ferner hat der Kläger nicht dargelegt, dass er die zur Sprache gebrachte Anbringung eines Schutznetzes der Beklagten bereits vor Durchführung der Ersatzvornahme als Austauschmittel angeboten hat. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Anbringung eines Schutznetzes gegenüber der Entfernung loser Fassadenteile das mildere Mittel darstellt. Der Einwand des Klägers, die von ihm vorgeschlagene Maßnahme sei kostengünstiger, bleibt unsubstanziiert. Die für die Ersatzvornahme angefallenen Kosten beliefen sich auf insgesamt 1.040,06 €. Der Kläger hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, die die Annahme begründen könnten, dass für eine hier abzudeckende Fassadenfläche von – geschätzt – etwa 150 m² ein Schutznetz einschließlich Montage zu einem geringeren Preis zu bekommen ist.

22

3.4. Schließlich rechtfertigen die Bedenken des Klägers an der Rechtmäßigkeit der im Bescheid vom 09.08.2007 enthaltenen Zwangsgeldandrohung nicht die Zulassung der Berufung. Dabei kann offen bleiben, ob – wie das Verwaltungsgericht angenommen hat – das Zwangsgeld trotz Mittellosigkeit des Klägers angedroht werden konnte. Da Zulassungsverfahren und Berufungsverfahren einen einheitlichen Rechtszug im Sinne von § 166 VwGO i. V. m. § 119 Abs. 1 ZPO und daher in Ansehung der Prozesskostenhilfe eine Bewilligungseinheit bilden, kommt es für die Frage der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung auf den Rechtszug insgesamt an; eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur für das Zulassungsverfahren kommt nicht in Betracht. Prozesskostenhilfe kann daher grundsätzlich nicht allein deswegen gewährt werden, weil ein Zulassungsantrag als solcher Erfolg versprechend erscheint, vielmehr muss auch die zuzulassende Berufung hinreichende Erfolgsaussicht bieten (vgl. Beschl. d. Senats v. 25.05.2007, a. a. O.). Daran fehlt es hier hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung. Eine Berufung könnte insoweit schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an deren Aufhebung bereits vor Klageerhebung am 26.06.2008 entfallen ist. Er könnte mit der Aufhebung der Zwangsgeldandrohung seine Rechtsstellung nicht mehr verbessern. Die Beklagte hat bereits im Schreiben vom 20.12.2007 klargestellt, dass die Zwangsgeldfestsetzung vom 11.12.2007 mit dem Bescheid vom 12.12.2007 aufgehoben wurde und das Zwangsgeld nicht mehr weiterverfolgt werde. Daran dürften auch die Widerspruchsbescheide vom 17.07.2008 nichts geändert haben, in denen das Landesverwaltungsamts die Zwangsgeldandrohung und -festsetzung für rechtmäßig befand. Insbesondere dürfte darin keine neue Zwangsgeldfestsetzung zu erkennen sein. Nachdem die Beklagte die Verfügung vom 09.08.2007 mit einem anderen Zwangsmittel, der Ersatzvornahme, am 13.06.2008 durchgesetzt hat, kann sie auf der Grundlage der Zwangsmittelandrohung auch nicht erneut ein Zwangsgeld festsetzen.

23

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 1 GKG und § 166 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.