Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 04. Juli 2014 - 2 L 126/12
Gericht
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Genehmigung einer Änderung seines Abwasserbeseitigungskonzepts dahin, dass das Grundstück der Beigeladenen aus seiner Beseitigungspflicht ausgeschlossen ist.
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Der Kläger ist ein in seinem Verbandsgebiet abwasserbeseitigungspflichtiger Zweckverband. Zu seinem Verbandsgebiet gehört die Gemeinde A-Stadt. Die Beigeladene ist ein Fruchtsafthersteller mit einer Betriebsstätte in A-Stadt.
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Anfang der neunziger Jahre wurde im Zuge der Erschließung des Gewerbegebiets in A-Stadt von der Firma N. GmbH, der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, und der Gemeinde A-Stadt eine gemeinschaftliche Kläranlage errichtet, in der sowohl die kommunalen als auch die betrieblichen Abwässer behandelt werden sollten. Hierzu wurde die Firma Entsorgungsgesellschaft ... mbH (... GmbH) als Kläranlagenbetreiber gegründet. Gesellschafter der ... GmbH waren bis 2009 der Kläger zu 60 % und die Beigeladene zu 40 %. Mit Wirkung zum 01.01.2010 verkaufte der Kläger seine Geschäftsanteile an die Firma A…GmbH (A. GmbH), eine Tochtergesellschaft der G. AG.
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In der Kläranlage der ... GmbH in A-Stadt wird sowohl das Abwasser der Beigeladenen als auch das Abwasser mehrerer weiterer in dem Gewerbegebiet „Das Neue Land“ in A-Stadt angesiedelter Gewerbebetriebe sowie das kommunale Abwasser der Gemeinde A-Stadt behandelt. Das Abwasser der Beigeladenen wird dabei über einen eigenständigen Zulauf in die Kläranlage geleitet und zunächst gesondert vorbehandelt. Nach dieser Vorbehandlung wird das Abwasser der Beigeladenen gemeinsam mit dem Abwasser der anderen Gewerbetreibenden und dem kommunalen Abwasser in der Belebungsstufe der Kläranlage gereinigt. Nach den Angaben des Klägers liegt der Anteil der Beigeladenen an der Einleitmenge in die Kläranlage A-Stadt bei ca. 60 % (ca. 194.000 m³ im Jahr 2010), während der Anteil des Klägers bei ca. 40 % (ca. 120.000 m³ im Jahr 2010) liegt.
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Die Mengen und Frachten des in der Kläranlage A-Stadt behandelten Abwassers wurden vom Beklagten im Jahr 2009 wie folgt angegeben:
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m³/d min
m³/d max
CSB mittel
in mg/lCSB min
in kg/dCSB max
in kg/dBeigeladene
0
1.300
2.500
0
3.250
Kläger
200
450
1.200
240
540
Zentrat des Dekanters
0
160
3.000
0
480
Zentrat Schlamm
0
200
3.000
0
600
Fremdwasser
0
1.000
300
0
300
Gesamt
200
3.110
240
5.170
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Bis Ende 2008 wurde die Entsorgung durch Rechnungslegung der ... GmbH gegenüber der Beigeladenen abgerechnet, was der Beigeladenen den Vorsteuerabzug ermöglichte. Diese Praxis wurde auf Drängen der Kommunalaufsicht zum 31.12.2008 beendet. Für das Jahr 2009 erließ der Kläger gegen die Beigeladene einen Gebührenbescheid, auf dem keine Umsatzsteuer ausgewiesen wurde.
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Um der Beigeladenen den Vorsteuerabzug wieder zu ermöglichen, beschloss die Verbandsversammlung des Klägers am 31.08.2009 eine Änderung des Abwasserbeseitigungskonzepts dahin, dass das Grundstück der Beigeladenen von der Beseitigungspflicht ausgeschlossen ist.
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Mit Antrag vom 07.10.2009 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Genehmigung dieser Änderung seines Abwasserbeseitigungskonzepts. Hierbei wies er darauf hin, dass nach dem Vertrag über den Verkauf der Geschäftsanteile der ... GmbH an die A. GmbH als Voraussetzung für die vollständige Kaufpreiszahlung vorgesehen sei, dass eine Möglichkeit gefunden werde, der Beigeladenen wieder den Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Zur Begründung des Antrags führte er aus, die Voraussetzungen des § 151 Abs. 5 Nr. 1 WG LSA a.F. seien erfüllt. Das Abwasser der Beigeladenen könne wegen seiner Art oder Menge nicht zusammen mit dem in Haushaltungen anfallenden Abwasser beseitigt werden, denn es unterscheide sich in der Schmutzfracht deutlich von den üblichen Abwässern aus Haushaltungen und werde über eigene Rohrleitungssysteme in die Anlage geleitet. Bisher habe die Behandlung gemeinsam mit den kommunalen Abwässern stattgefunden, was für alle Beteiligten den Nachteil von unnötig hohen Kosten zur Folge habe. Auf Grund seiner Beschaffenheit mit einer rund zehnfach höheren CSB-Konzentration als das kommunale Abwasser erfordere das Abwasser der Beigeladenen eine individuelle Vorbehandlung. Daher werde speziell für dieses Abwasser von der A. GmbH eine anaerobe Vorbehandlung errichtet, die ohne Zugabe von Sauerstoff die CSB-Fracht überwiegend in Methangas umwandle. Auf diese Weise würden rund 80 % der Verschmutzung des Abwassers abgebaut. In diesem Prozess werde möglicherweise eine geringe Menge des kommunalen Abwassers als Nährstoffträger zugegeben. Anschließend erfolge die gemeinsame Behandlung des vorgereinigten Abwassers der Beigeladenen mit dem kommunalen Abwasser in der Belebungsstufe der Kläranlage. Hiermit werde faktisch eine gesonderte Behandlung des Abwassers der Beigeladenen durchgeführt. § 151 Abs. 5 Nr. 1 WG LSA a.F. erfasse nicht nur Fälle der absoluten Unmöglichkeit der gemeinsamen Beseitigung, sondern auch Fälle, in denen eine getrennte Beseitigung zweckmäßiger sei. Nach der ursprünglichen Fassung des § 151 Abs. 5 WG LSA sei eine Freistellung der Gemeinde von der Pflicht zur Beseitigung von Abwasser aus gewerblichen Betrieben möglich gewesen, soweit das Abwasser wegen seiner Art oder Menge zweckmäßiger von demjenigen beseitigt werde, bei dem es anfalle. Durch die Neufassung des § 151 Abs. 5 WG LSA durch das Vierte Gesetz zur Änderung des WG LSA im Jahr 2005 sei eine Änderung des Zweckmäßigkeitskriteriums nicht beabsichtigt gewesen. Hierunter falle vor allem eine wirtschaftlichere Beseitigung. Selbst wenn hier kein Fall der Unmöglichkeit der gemeinsamen Entsorgung vorliegen sollte, liege jedenfalls ein überwiegendes öffentliches Interesse an dem Ausschluss von der Beseitigungspflicht im Sinne des § 151 Abs. 5 Nr. 3 WG LSA a.F. vor. Mit dem Begriff des öffentlichen Interesses seien alle möglichen Interessen der Allgemeinheit erfasst. Eine Beschränkung auf Gründe des Gewässer- oder Umweltschutzes lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen. Bei den Abwasserkosten handele es sich für die Beigeladene um eine relevante Kostenposition. Insoweit sei es aus wirtschaftspolitischen Gründen geboten, hier eine Lösung zu finden, die bei vollständiger Wahrung der wasserrechtlichen Verpflichtungen eine preisgünstigere Lösung für die Beigeladene ermögliche. Dies stelle auch einen anderen Grund des überwiegenden öffentlichen Interesses dar. Das öffentliche Interesse überwiege auch das wasserrechtliche Interesse an der Abwasserbeseitigung durch ihn, da sich tatsächlich weder an der Methode noch an der Anlage der Abwasserentsorgung etwas ändere. Eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit sei nicht gegeben. Die geplante anaerobe Vorbehandlung führe auch zu einer besseren Reinhaltung der Gewässer. Wirtschaftliche Voraussetzung sei jedoch der Ausschluss der Abwässer der Beigeladenen aus der Beseitigungspflicht. Die Befreiung sei auch geboten. Ausreichend sei, dass es keine bessere Alternative gebe. Es sei nicht zu erkennen, warum andere Modelle, etwa das Konzessionsmodell, besser oder günstiger seien als die hier vorgeschlagene Befreiung. Beide Möglichkeiten seien vielmehr gleichrangig. Bei gleichwertigen Alternativen müsse die Wahl vor dem Hintergrund der kommunalen Selbstverwaltung im Ermessen des Entsorgungspflichtigen stehen. Ermessensfehler seien nicht erkennbar.
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Mit Bescheid vom 04.12.2009 lehnte der Beklagte die Genehmigung der Änderung des Abwasserbeseitigungskonzepts des Klägers ab und führte zur Begründung aus, der Ausschluss der Abwässer der Beigeladenen von der Abwasserbeseitigungspflicht des Klägers verstoße gegen geltendes Recht. Die kommunalen Körperschaften seien zur Abwasserbeseitigung vorrangig verpflichtet. Eine Überwälzung der Beseitigungspflicht auf private Nutzungsberechtigte komme nur in Ausnahmefällen in Betracht, denn diese böten nicht in gleichem Maße wie öffentlich-rechtliche Träger die Gewähr dafür, dass das anfallende Abwasser ordnungsgemäß gereinigt und entsorgt werde. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss von der Beseitigungspflicht nach § 151 Abs. 5 Nr. 1 WG LSA a.F. lägen nicht vor. Zwar werde das Abwasser der Beigeladenen mit einer hohen organischen Schmutzfracht in die Kläranlage A-Stadt eingeleitet. Es erfolge jedoch eine Behandlung zusammen mit den kommunalen Abwässern, wenn auch nur in Teilen der Anlage. Die Mehrkosten bei der Reinigung der stark belasteten Gewerbeabwässer könnten nach dem Verursacherprinzip umgelegt oder durch Vorgaben nach § 151 Abs. 2 WG LSA a.F. ausgeschlossen werden. Auch nach der geplanten Vorreinigung in einer anaeroben Vorbehandlungsanlage werde im weiteren Reinigungsprozess sämtliches der Kläranlage zugeführtes Abwasser mit biologischen Behandlungsmethoden gemeinsam gereinigt und danach über eine gemeinsame Einleitstelle in die Vorflut Ohre eingeleitet. Hierfür existiere auch nur eine wasserrechtliche Erlaubnis. In A-Stadt sei von Anfang an eine gemeinsame Behandlung der kommunalen und gewerblichen Abwässer beabsichtigt gewesen. Auch zukünftig werde durch die auf der Kläranlage geplanten Maßnahmen keine gesonderte Behandlung der Abwässer der Beigeladenen erfolgen. Vor diesem Hintergrund wäre auch nach alter Rechtslage eine Freistellung des Klägers nicht möglich gewesen. Auch die Voraussetzungen für einen Ausschluss von der Beseitigungspflicht nach § 151 Abs. 5 Nr. 3 WG LSA a.F. lägen nicht vor. Finanzielle Gründe könnten nur dann zur Begründung der Freistellung herangezogen werden, wenn sie die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens ernsthaft beeinträchtigten und damit dessen Fortbestand gefährdeten. Das sei hier nicht der Fall, da es im Kern um die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs für die Behandlung der betrieblichen Abwässer gehe. Der Gesichtspunkt der Vorsteuerabzugsberechtigung könne für die spezifisch wasserrechtliche Frage des Ausschlusses von der Abwasserbeseitigungspflicht nicht von entscheidender Bedeutung sein.
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Am 08.12.2009 wurde der Entsorgungsvertrag zwischen dem Kläger und der ... GmbH dahingehend abgeändert, dass die von der ... GmbH erbrachten Leistungen bezüglich der Abwasserentsorgung des industriellen Abwassers der Beigeladenen von der ... GmbH gegenüber der Beigeladenen im eigenen Namen und für eigene Rechnung abgerechnet werden. Eine befreiende Aufgabenübertragung auf die ... GmbH im Sinne einer Privatisierung der Aufgabe oder Beleihung sei damit nicht verbunden. Die Abwasserbeseitigung für das industrielle Abwasser der Beigeladenen bleibe eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe des Klägers. Zur öffentlichen Anlage des Klägers gehöre auch die Kläranlage A-Stadt.
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Mit Schreiben vom 04.01.2010 legte der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten vom 04.12.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung wiederholte und vertiefte er die Argumentation aus dem Antrag vom 07.10.2009.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2010 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss von der Beseitigungspflicht lägen nicht vor. Das Abwasser der Beigeladenen könne ohne weiteres nach seiner Art und Menge zusammen mit den in Haushaltungen anfallenden Abwassermengen beseitigt werden. Eine gesonderte Behandlung der Abwässer der Beigeladenen sei auch in Zukunft nicht vorgesehen. Der Ausschluss von der Beseitigungspflicht sei nur für solche Fälle vorgesehen, in denen im Abwasser bestimmte Stoffe enthalten seien, die behandlungsbedürftig seien, aber in einer kommunalen Kläranlage nicht behandelt würden oder durch die Vermischung mit anderem Abwasser einer Behandlung nicht mehr oder nicht mehr so gut zugänglich seien (z.B. Schwermetalle). Wenn eine Behandlung solcher Stoffe in der Kläranlage nicht möglich sei, liege ein Ausschlussgrund vor. Das sei aber bei den gewerblichen Abwässern der Beigeladenen nicht so. Zwar weise Abwasser aus der Lebensmittelproduktion betriebsbedingt einen höheren CSB-Gehalt auf als kommunale Abwässer. In ihrem Schadstoffspektrum seien beide Abwässer jedoch nicht wesentlich verschieden, so dass eine gemeinsame Behandlung beider Abwässer möglich sei. Dies sei auch seit Inbetriebnahme der Kläranlage so gehandhabt worden. Die Errichtung einer anaeroben Vorbehandlung ändere daran nichts. Es lägen auch keine anderen Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses vor, die einen Ausschluss gebieten würden. Der Ausschluss des gewerblichen Abwassers der Beigeladenen aus der Abwasserbeseitigungspflicht des Klägers diene allein ihrem wirtschaftlichen Interesse. Der Kläger habe kein Ermessen, um eine preisgünstige Entsorgung für die Beigeladene zu ermöglichen. Es sei sachwidrig, das Abwasserbeseitigungskonzept nach den wirtschaftlichen Bedürfnissen und Interessen eines einzelnen Beitrags- und Gebührenzahlers auszurichten. Es seien auch keine Gründe erkennbar, weshalb das unternehmerische Interesse der Beigeladenen an niedrigen Abwasserkosten das öffentliche Interesse an einer funktionierenden und ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung überwiegen soll. Ein Ausschluss des Abwassers der Beigeladenen von der Beseitigungspflicht sei auch nicht geboten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger in dem Vertrag über den Verkauf der Geschäftsanteile der ... GmbH an die A. GmbH die Kaufpreiszahlung daran geknüpft habe, dass die Beigeladene zum Vorsteuerabzug für die Abwasserbeseitigung berechtigt sei. Damit habe sich der Kläger auf eine Bedingung eingelassen, die er nicht gewährleisten könne.
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Am 03.12.2010 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und zur Begründung die Argumente aus dem Antrag vom 07.10.2009 und dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend hat er ausgeführt, wegen der Mehrbelastung der Beigeladenen in Höhe der Umsatzsteuer von 19 % sei der Standort in A-Stadt gefährdet. Zudem lägen die Voraussetzungen eines Ausschlusses aus der Beseitigungspflicht nach § 78 Abs. 6 Satz 2 des neuen Wassergesetzes vom 16. März 2011 vor.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 04.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 03.11.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die am 07.10.2009 beantragte Änderung seines Abwasserbeseitigungskonzeptes zu genehmigen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat den angefochtenen Bescheid sowie den Widerspruchsbescheid verteidigt und ergänzend ausgeführt, die Voraussetzungen des neuen § 78 Abs. 6 Satz 2 WG LSA lägen nicht vor. Diese Vorschrift sei eine Nachfolgeregelung zu § 151 Abs. 8 WG LSA (sog. Leuna-Paragraph), die auf Industrie- oder Gewerbegebiete verweise, die mit den Großflächen der früheren Kombinate vergleichbar seien.
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Die Beigeladene hat den gleichen Antrag wie der Kläger gestellt.
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Mit dem angefochtenen Urteil vom 06.06.2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Genehmigung der am 31.08.2009 beschlossenen Änderung seines Abwasserbeseitigungskonzepts, denn dieses verstoße gegen Rechtsvorschriften. Der Ausschluss des Grundstücks der Beigeladenen aus der Beseitigungspflicht des Klägers sei unzulässig, da die Voraussetzungen des § 78 Abs. 6 WG LSA nicht vorlägen. § 78 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 WG LSA greife nicht ein, weil seit 17 Jahren die gemeinsame Abwasserbeseitigung stattfinde. Auch die Voraussetzungen des § 78 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 WG LSA seien nicht gegeben, weil eine drohende Standortschließung kein wasserrechtliches öffentliches Interesse darstellen könne. Zudem enthalte der Vortrag insoweit keine hinreichende Substantiierung. Die bis 2008 praktizierte Rechnungslegung gegenüber der Beigeladenen mit der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs könne nicht fortgesetzt werden, da diese rechtswidrig gewesen sei. Die Abwässer der Beigeladenen seien nicht aus der Abwasserbeseitigungspflicht des Klägers entlassen und damit gebührenfähig. Auf die vom Kläger gegenüber der Beigeladenen zu erbringende Leistung dürfe keine Umsatzsteuer erhoben werden. Der Anwendungsbereich des § 78 Abs. 6 Satz 2 WG LSA sei ebenfalls nicht eröffnet, denn die Kläranlage A-Stadt sei keine technisch selbständige Abwasserbeseitigungseinrichtung. Die Einleitmenge bestehe zu 60 % aus den industriellen Abwässern der Beigeladenen und im Übrigen aus den häuslichen Abwässern des Entsorgungsgebietes des Klägers. Das Abwasser weise daher auch nicht überwiegend gewerbliche oder industrielle Anteile auf.
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Mit Schriftsatz vom 26.07.2012 hat der Kläger gegen das ihm am 04.07.2012 zugestellte Urteil die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 29.08.2012 begründet.
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Zur Begründung trägt er vor: Die Änderung seines Abwasserbeseitigungskonzepts verstoße nicht gegen Rechtsvorschriften. Die Voraussetzungen des Ausschlusses aus der Beseitigungspflicht nach § 78 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 WG LSA lägen vor. Eine gemeinsame Beseitigung der Abwässer des Klägers und der Beigeladenen sei nicht möglich. Aufgrund seiner Beschaffenheit mit einer rund zehnfach höheren CSB-Konzentration als das kommunale Abwasser erfordere das Abwasser der Beigeladenen eine individuelle Vorbehandlung. Erst danach erfolge die gemeinsame Behandlung des vorgereinigten Abwassers der Beigeladenen mit dem kommunalen Abwasser in der Belebungsstufe der Kläranlage. Die Vorschrift erfasse zudem auch Fälle, in denen eine getrennte Beseitigung - wie hier - zweckmäßiger sei. Zudem sei der Ausschluss aus der Beseitigungspflicht auch gemäß § 78 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 WG LSA wegen überwiegender öffentlicher Interessen geboten. Bei der Ermessensentscheidung über die inhaltliche Ausgestaltung eines Abwasserbeseitigungskonzepts sei der Gemeinde ein weites Ermessen eingeräumt. Hierbei sei die Begrenzung der Kosten für die Abwassererzeuger maßgeblich zu berücksichtigen. Bei den Abwasserkosten für die Beigeladene handele es sich um eine relevante Kostenposition eines großen privaten Arbeitgebers im Verbandsgebiet. Insofern sei auch aus wirtschaftspolitischen Gründen eine Lösung geboten, die bei vollständiger Wahrung der wasserrechtlichen Verpflichtungen eine preisgünstigere Entsorgung für die Beigeladene ermögliche. Dieses öffentliche wirtschaftspolitische Interesse überwiege auch das wasserrechtliche Interesse an der Abwasserbeseitigung durch ihn, da sich tatsächlich weder an der Methode noch an der Anlage der Abwasserentsorgung etwas ändere. Der Ausschluss sei auch geboten, da es keine bessere Alternative gebe. Der Ausschluss aus der Beseitigungspflicht und das Konzessionsmodell seien materiell gleichwertige Möglichkeiten. Das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend gewürdigt, dass die fehlende Vorsteuerabzugsfähigkeit der Beigeladenen negative wirtschaftliche und wasserrechtliche Auswirkungen habe. Eine Standortschließung würde nicht nur in der Region Arbeitsplätze vernichten und zu Steuerausfällen führen, sondern sich auch negativ auf die kommunale Wasserwirtschaft auswirken. Bei einer Standortschließung und dem damit verbundenen Wegfall der Einleitmengen der Beigeladenen wäre eine deutliche Gebührenerhöhung notwendig. Die gesonderte Beseitigung der Abwässer der Beigeladenen stelle auch keine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit dar. Eine derartige Praxis sei bis 2008 mit der Rechnungslegung der ... GmbH gegenüber der Beigeladenen geduldet worden und werde durch die derzeit geltende Konzessionslösung fortgeführt. Auch die Voraussetzungen des § 78 Abs. 6 Satz 2 WG LSA seien erfüllt. Das Abwasser der Beigeladenen weise vollständig gewerbliche oder industrielle Anteile auf, da es zu 100 % aus der Getränkeherstellung stamme. Das Abwasser werde auch in einem Gebiet über eine technisch selbständige Abwasserbeseitigungseinrichtung beseitigt. Die Kläranlage A-Stadt sei in diesem Sinne technisch selbständig, denn sie benötige zur ordnungsgemäßen Behandlung des Abwassers der Beigeladenen technisch nicht das kommunale Abwasser. Die Regelung gebe allen Gemeinden die Möglichkeit zum Ausschluss von industriellen Abwässern aus ihrer Beseitigungspflicht, die durch die industriellen oder gewerblichen Erzeuger ohne ihr Zutun in technisch selbständigen Anlagen beseitigt werden könnten. Zweck des Gesetzes sei der haftungsrechtliche und wirtschaftliche Schutz der Gemeinden vor Gefahren gewerblicher oder industrieller Abwässer. Die Übernahme des Abwassers der Beigeladenen in die gemeindliche Abwasseranlage sei auch nicht erforderlich.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 6. Juni 2012 – 9 A 23/11 MD – zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 04.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 03.11.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die am 07.10.2009 beantragte Genehmigung der Änderung seines Abwasserbeseitigungskonzepts zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung trägt er vor: Die Voraussetzungen des § 78 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 WG LSA lägen nicht vor. In der Kläranlage A-Stadt würden die kommunalen Abwässer und die Abwässer der Beigeladenen gemeinsam behandelt. Beide Abwasserströme durchliefen nach ihrer Zusammenführung in einem Mischtank gemeinsam sämtliche Verfahrensstufen der Abwasserreinigung. Die Voraussetzungen des § 78 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 WG LSA seien ebenfalls nicht erfüllt. Die Vorschrift erfasse allein wasserrechtliche öffentliche Interessen. Wollte man andere als wasserrechtliche Interessen für den Ausschluss von Abwasser aus der Beseitigungspflicht der Gemeinde genügen lassen, so wäre damit die gesetzgeberische Grundentscheidung für eine Abwasserbeseitigung durch die öffentlichen kommunalen Aufgabenträger unterlaufen, denn dann wäre die weit reichende Möglichkeit eröffnet, ganz unterschiedliche wasserrechtsfremde Gründe geltend zu machen und mit ihrer Hilfe Abwasser aus der Beseitigungspflicht des öffentlichen Aufgabenträgers herauszulösen. Der Gesetzgeber habe jedoch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen den Ausschluss aus der gemeindlichen Abwasserentsorgung zulassen wollen. Auch die Voraussetzungen des § 78 Abs. 6 Satz 2 WG LSA seien nicht erfüllt. Die Regelung unterscheide zwischen gemeindlichen Abwasseranlagen und technisch selbständigen Abwasserbeseitigungseinrichtungen in einem Gebiet. Die Bestimmung setze daher zwei technisch voneinander unabhängige und in diesem Sinne selbständige Abwasserbeseitigungssysteme voraus. Die Kläranlage A-Stadt sei in diesem Sinne nicht selbständig. Der Kläger könne die Änderung seines Abwasserbeseitigungskonzepts auch deshalb nicht auf § 78 Abs. 6 Satz 2 WG LSA stützen, weil nach dieser Vorschrift eine Ermessensentscheidung erforderlich sei, an der es fehle.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Zur beabsichtigten Entscheidungsform sind die Beteiligten angehört worden.
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Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens im Einzelnen wird auf die Schriftsätze in beiden Rechtszügen und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die Berufung kann durch Beschluss entschieden werden, da der Senat das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a VwGO). Die Ausführungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 03.07.2014 geben dem Senat keinen Anlass, von einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO abzusehen.
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I. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
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Der Bescheid des Beklagten vom 04.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 03.11.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Genehmigung der am 31.08.2009 beschlossenen Änderung seines Abwasserbeseitigungskonzepts (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Die Genehmigungsfähigkeit der vom Kläger beschlossenen Änderung seines Abwasserbeseitigungskonzepts ist anhand der Vorschriften des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt (WG LSA) vom 16.03.2011 (GVBl. S. 492) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften vom 21. März 2013 (GVBl. S. 116) zu beurteilen, da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung des Senats maßgeblich ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass bei der Entscheidung über Verpflichtungsklagen grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.06.2003 - BVerwG 4 B 14.03 -, Juris RdNr. 9). So liegt es mangels einer abweichenden materiell-rechtlichen Regelung auch hier, wobei an die Stelle der letzten mündlichen Verhandlung bei einer Entscheidung gemäß § 130a VwGO der Zeitpunkt der Beschlussfassung tritt.
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Die am 31.08.2009 beschlossene Änderung des Abwasserbeseitigungskonzepts ist nicht genehmigungsfähig, da sie gegen Rechtsvorschriften verstößt. Nach § 79 Abs. 3 Satz 1 WG LSA bedarf das von den Gemeinden aufzustellende Schmutzwasserbeseitigungskonzept der Genehmigung durch die Wasserbehörde, die gemäß § 79 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 WG LSA zu versagen ist, wenn es gegen Rechtsvorschriften verstößt. So liegt es hier. Der Ausschluss von Abwasser aus der Beseitigungspflicht der Gemeinde ist nur unter den in § 79a Abs. 1 WG LSA genannten Voraussetzungen zulässig, die hier nicht vorliegen.
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1. Die Voraussetzungen eines Ausschluss des Abwassers der Beigeladenen aus der Beseitigungspflicht des Klägers gemäß § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WG LSA sind nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausschluss von Abwasser aus der Beseitigungspflicht vorzunehmen, wenn das Abwasser wegen seiner Art oder Menge nicht zusammen mit dem in Haushaltungen anfallenden Abwasser beseitigt werden kann und eine gesonderte Beseitigung des Abwassers das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt. Die Vorschrift hat die bislang in § 78 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 WG LSA enthaltene Regelung unverändert übernommen (vgl. Drs. 6/1423, S. 87) und stimmt in ihren Voraussetzungen mit der früheren Regelung des § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 WG LSA a.F. in der Fassung des Gesetzes vom 15. April 2005 (GVBl. S. 208) überein. Grundlegende Voraussetzung eines Ausschlusses nach § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WG LSA ist die fehlende Möglichkeit, das Abwasser in der kommunalen, für das in Haushaltungen anfallende Abwasser ausgelegten Kläranlage zu beseitigen mit der Folge, dass eine gesonderte Beseitigung des Abwassers außerhalb der Abwasserbeseitigungsanlage der Gemeinde erforderlich ist. Vor dem Hintergrund der vorrangigen Beseitigungspflicht der kommunalen Körperschaften gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 WG LSA kommt ein Ausschluss nach § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WG LSA nur dann in Betracht, wenn die Möglichkeit einer gemeinsamen Beseitigung auch durch vorgeschaltete Maßnahmen im Sinne des § 78 Abs. 2 WG LSA, insbesondere durch eine Vorbehandlung, nicht geschaffen werden kann. Soweit das betreffende Abwasser nach einer Vorbehandlung im Sinne des § 78 Abs. 2 Nr. 2 WG LSA in der Kläranlage der Gemeinde zusammen mit dem kommunalen Abwasser behandelt werden kann, liegen die Voraussetzungen eines Ausschlusses nach § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WG LSA nicht vor.
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Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen des § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WG LSA hier ersichtlich nicht vor. Das Abwasser der Beigeladenen kann zusammen mit dem kommunalen Abwasser der Gemeinde A-Stadt beseitigt werden. Es wird auch tatsächlich seit Inbetriebnahme der Kläranlage A-Stadt im Jahr 1993 zusammen mit diesem in dieser Kläranlage beseitigt. Ohne Belang ist, dass das Abwasser der Beigeladenen zunächst über eine eigenständige Zuleitung in die Kläranlage gelangt und in einem gesonderten Speichertank vorbehandelt wird. Dies ändert nichts daran, dass das Abwasser nach dieser Vorbehandlung in einem Mischtank mit dem kommunalen Abwasser vermischt wird und anschließend alle weiteren Behandlungsstufen der Kläranlage, einschließlich der anaeroben Vorbehandlung, soweit diese realisiert wird, durchläuft. Von einer fehlenden Möglichkeit der gemeinsamen Beseitigung des Abwassers der Beigeladenen mit kommunalem Abwasser im Sinne des § 79a Abs. 1 Satz 1 WG LSA kann daher keine Rede sein. Der Einholung des vom Kläger zuletzt in seinem Schriftsatz vom 03.07.2014 beantragten Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob die von der Beigeladenen in die Kläranlage A-Stadt eingeleiteten Industrieabwässer gemeinsam mit den getrennt hiervon in die Kläranlage eingeleiteten Abwässern aus Haushaltungen beseitigt werden können, bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.
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Zu Unrecht macht der Kläger unter Berufung auf die ursprüngliche Fassung des § 151 Abs. 5 WG LSA geltend, ein Ausschluss von der Beseitigungspflicht müsse auch dann möglich sein, wenn die gemeinsame Beseitigung zwar nicht unmöglich, eine getrennte Entsorgung aber zweckmäßiger sei. Nach § 151 Abs. 5 Satz 1 WG LSA in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. April 1998 (GVBl. S. 186) konnte die Wasserbehörde die Gemeinde auf ihren Antrag befristet und widerruflich ganz oder teilweise von der Pflicht zur Beseitigung von Abwasser aus gewerblichen Betrieben und anderen Anlagen freistellen und diese Pflicht auf den Inhaber des gewerblichen Betriebs und den Betreiber der Anlage übertragen, soweit Abwasser wegen seiner Art oder Menge zweckmäßigerweise von demjenigen beseitigt wird, bei dem es anfällt. Mit der Neufassung des § 151 Abs. 5 WG LSA durch das Gesetz vom 15. April 2005 ist die Möglichkeit einer Freistellung von der Beseitigungspflicht allein aus Zweckmäßigkeitsgründen weggefallen und stattdessen an konkrete Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft worden (vgl. Drs. 4/1789, S. 94). Darüber hinaus setzte auch die Freistellung von der Beseitigungspflicht nach § 151 Abs. 5 Satz 1 WG LSA in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. April 1998 voraus, dass die Beseitigung des Abwassers statt von der Gemeinde von demjenigen, bei dem es anfällt, vorgenommen wird. Daher wäre im vorliegenden Fall auch unter den Voraussetzungen dieser Fassung des § 151 Abs. 5 WG LSA a.F. eine Freistellung von der Beseitigungspflicht nicht möglich, da nach den Vorstellungen des Klägers das Abwasser der Beigeladenen zwar aus seiner Beseitigungspflicht ausgeschlossen werden, die Beseitigung des Abwassers jedoch weiterhin unverändert durch ihn selbst in der zu seiner öffentlichen Einrichtung gehörenden Kläranlage A-Stadt erfolgen soll.
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An der Zugehörigkeit der Kläranlage A-Stadt zur öffentlichen Einrichtung des Klägers bestehen keine Zweifel. Dies wird auch im 1. Nachtrag zum Entsorgungsvertrag vom 08.12.2009 zwischen der ... GmbH und dem Kläger unter § 1 Abs. 1 Satz 3 noch einmal bekräftigt. Auch bei der hier vorgenommenen Erteilung einer sog. Konzession an die ... GmbH betreibt der Dritte - hier: die ... GmbH - eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 06.09.2011 - 5 B 205/10 -, Juris RdNr. 51).
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2. Das Abwasser der Beigeladenen kann auch nicht gemäß § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WG LSA aus der Beseitigungspflicht des Klägers ausgeschlossen werden. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausschluss aus der Beseitigungspflicht auch dann vorzunehmen, wenn dies aus anderen Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses geboten ist und eine gesonderte Beseitigung des Abwassers das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt. Diese Vorschrift hat die bislang in § 78 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 WG LSA enthaltene Regelung unverändert übernommen und stimmt in ihren Voraussetzungen mit der früheren Regelung des § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WG LSA a.F. in der Fassung des Gesetzes vom 15. April 2005 überein. Wie sich aus dem Merkmal der „gesonderte(n) Beseitigung des Abwassers“ in § 79a Abs. 1 Satz 1 WG LSA sowie aus dem systematischen Zusammenhang mit der Regelung des § 79 Abs. 2 Nr. 3 WG LSA ergibt, setzt auch ein Ausschluss aus der Beseitigungspflicht nach § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WG LSA wegen überwiegenden öffentlichen Interesses voraus, dass das betreffende (gewerbliche oder industrielle) Abwasser nicht durch die Abwasserbeseitigungsanlagen der Gemeinde, sondern gemäß § 79a Abs. 2 Satz 1 WG LSA durch denjenigen, bei dem das Abwasser anfällt, beseitigt wird.
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Hiernach sind auch die Voraussetzungen des § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WG LSA nicht gegeben. Dabei kann dahingestellt bleiben, aus welchen Gründen sich ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne dieser Vorschrift im Allgemeinen ergeben kann und ob hierzu auch der Wunsch nach wirtschaftlichen Vergünstigungen für einen Großeinleiter zur Vermeidung einer Standortschließung gehört. Dies dürfte indessen sehr zweifelhaft sein, da das Gesetz mit der in § 79a WG LSA nur für Ausnahmefälle zugelassenen Durchbrechung der Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinden von der Erwägung ausgeht, dass die Wahrnehmung der Aufgabe unter der Verantwortung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in besonderer Weise Gewähr dafür bietet, dass das Abwasser schadlos und ohne das Wohl der Allgemeinheit zu beeinträchtigen beseitigt wird. Das gilt nicht nur deshalb, weil die Gemeinde als Träger öffentlicher Aufgaben eher in der Lage ist, zu übersehen, welchen Anforderungen sie nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik bei der schadlosen Abwasserbeseitigung zu genügen hat, sondern insbesondere deshalb, weil der den Wasserbehörden entstehende Überwachungsaufwand durch eine Verringerung der Zahl der Direkteinleiter auf das unabdingbare Maß gesenkt wird (vgl. OVG LSA, Urt. v. 04.11.2004 - 1 K 345/03 -, Juris RdNr. 41). Ein Ausschluss des Abwassers der Beigeladenen aus der Beseitigungspflicht gemäß § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WG LSA kommt in vorliegenden Fall jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil eine gesonderte Beseitigung dieses Abwassers im Sinne dieser Vorschrift nicht vorgesehen ist. Wie bereits ausgeführt, soll nach den Vorstellungen des Klägers das Abwasser der Beigeladenen aus seiner Beseitigungspflicht ausgeschlossen, aber weiterhin unverändert durch ihn in der zu seiner öffentlichen Einrichtung gehörenden Kläranlage A-Stadt beseitigt werden. Diese Konstruktion ist mit § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WG LSA nicht vereinbar.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft bei der Aufstellung eines Abwasserbeseitigungskonzepts ein regelmäßig als Planungsermessen bezeichneter Gestaltungsspielraum zukommt, der seine Grenze erst im Willkürverbot findet (vgl. OVG LSA, Urt. v. 28.10.2009 - 4 L 117/07 -, Juris RdNr. 26). Hierbei dürfte auch der Gesichtspunkt der Begrenzung der Kosten für die Abwassererzeuger zu berücksichtigen sein. Hieraus ergibt sich jedoch nichts für den Umfang der Befugnis zum Ausschluss von Abwasser aus der Beseitigungspflicht, denn dieser ist an die Tatbestandsvoraussetzungen des § 79a Abs. 1 WG LSA gebunden, die hier nicht vorliegen.
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3. Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für einen Ausschluss aus der Beseitigungspflicht nach § 79a Abs. 1 Satz 2 WG LSA nicht vor. Diese Vorschrift hat die bislang in § 78 Abs. 6 Satz 2 WG LSA enthaltene Regelung unverändert übernommen. In diese Vorschrift war aus systematischen Gründen die Regelung des § 151 Abs. 8 WG LSA a.F. in der Fassung des Gesetzes vom 15. April 2005 integriert worden, ohne dessen Regelungsinhalt zu ändern (vgl. Drs. 5/2875, S. 97). Nach § 79a Abs. 1 Satz 2 WG LSA ist ein Ausschluss aus der Beseitigungspflicht zulässig, wenn das Abwasser überwiegend gewerbliche oder industrielle Anteile aufweist, es in einem Gebiet über eine technisch selbstständige Einrichtung zur Abwasserbeseitigung beseitigt wird und die Übernahme des Abwassers in gemeindliche Abwasseranlagen nicht erforderlich ist. Diese Vorschrift setzt ebenso wie § 79a Abs. 1 Satz 1 WG LSA voraus, dass das aus der Beseitigungspflicht auszuschließende Abwasser gesondert beseitigt wird, also keiner gemeindlichen Abwasseranlage, sondern einer „technisch selbstständigen Einrichtung zur Abwasserbeseitigung“ zugeführt wird, die die „in einem Gebiet“ anfallenden Abwässer mit überwiegend gewerblichen oder industriellen Anteilen aufnimmt und - getrennt vom kommunalen Abwasser - beseitigt. Das ist hier nicht der Fall. Wie bereits ausgeführt, soll das Abwasser der Beigeladenen auch nach dem Ausschluss aus der Beseitigungspflicht der Kläranlage A-Stadt zugeführt werden. Bei dieser handelt es sich indessen gerade nicht um eine für einen Ausschluss nach § 79a Abs. 1 Satz 2 WG LSA erforderliche technisch selbstständige Einrichtung, sondern um eine gemeindliche Abwasseranlage.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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IV. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
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Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.