Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 20. Sept. 2012 - 1 L 124/11

ECLI: ECLI:DE:OVGST:2012:0920.1L124.11.0A
published on 20/09/2012 00:00
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 20. Sept. 2012 - 1 L 124/11
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Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zum Handwerkskammerbeitrag für das Jahr 2009. Zwischen den Beteiligten ist vor allem streitig, ob die durch die Beklagte vorgenommene Bildung von Rücklagen dem Grunde und der Höhe nach ordnungsgemäß erfolgt ist und ob dies Auswirkungen auf die Rechtsmäßigkeit der Beitragserhebung hat.

2

Die Klägerin ist selbständige Kosmetikerin und Mitglied der Beklagten. Mit Beitragsbescheid vom 28. Mai 2009 setzte die Beklagte für das Beitragsjahr 2009 gegenüber der Klägerin einen Gesamtbeitrag in Höhe von 234,50 Euro fest, der sich aus einem Grundbeitrag in Höhe von 66,00 Euro und einem Zusatzbeitrag in Höhe von 168,50 Euro zusammensetzt. Zugleich gab die Beklagte zur Kenntnis, dass ein Rückstand vor Veranlagung in Höhe von 14,60 Euro bestehe, so dass sich der im Bescheid ausgewiesene, zu zahlende Gesamtbetrag auf 249,10 Euro belief.

3

Die Beitragserhebung stützte die Beklagte auf ihrer Beitragsordnung vom 10. Juli 1997, zuletzt geändert mit Wirkung zum 1. Januar 2004, in Verbindung mit dem Beschluss der Vollversammlung der Beklagten vom 16. April 2009 über den Handwerkskammerbeitrag für 2009. Danach beträgt der Grundbeitrag 66,00 Euro, und der Zusatzbeitrag ist je nach Höhe des Gewerbeertrages/Gewinns degressiv prozentual gestaffelt. Der vorgenannte Beschluss der Vollversammlung ist als § 2 Bestandteil der Haushaltssatzung der Beklagten für das Rechnungsjahr 2009, die mit Bescheid des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt vom 17. Juni 2009 unter lfd. Nr. 7 genehmigt wurde; die Beitragsfestsetzung wurde als Punkt II der Beschlussfassung der Vollversammlung der Beklagen vom 16. April 2009 im Mitteilungsblatt der Beklagten „Norddeutsches Handwerk“ vom 25. Juni 2009 veröffentlicht.

4

Auf der Grundlage von § 106 Abs. 1 Nr. 6 HandwO i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 14 der Satzung der Beklagten i. d. F. vom 18. Dezember 1995 hat die Vollversammlung der Beklagten am 17. September 2005 eine überarbeitete Fassung ihrer Haushalts- Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO) vom 4. Dezember 1991 beschlossen, die in Bezug auf eine Rücklagenbildung folgende Regelung enthält:

5

§ 28
Rücklagen

6

(1) Es ist eine Ausgleichsrücklage und eine Betriebsmittelrücklage zu bilden. Nach Bedarf können weitere Rücklagen gebildet werden.

7

(2) Höhe und Zweckbestimmung sind in einer gesonderten Rücklagenordnung zu regeln, die von der Vollversammlung zu beschließen ist.

8

Bereits mit Beschluss vom 4. Dezember 1991 hatte die Vollversammlung der Beklagten eine Rücklagenordnung beschlossen, die neben Regelungen für die Betriebsmittel- und Ausgleichsrücklage und für alle Rücklageformen geltende Bestimmungen in Bezug auf „Sonderrücklagen“ folgende Regelungen enthält:

§ 1

9

Die Handwerkskammer hat eine Betriebsmittelrücklage und eine Ausgleichsrücklage anzusammeln.

10

Sie kann auch Sonderrücklagen bilden.

§ 5

11

Sonderrücklagen können auf Beschluss der Vollversammlung gebildet werden, wenn künftige Ausgaben voraussichtlich nicht aus Mitteln des jährlichen Haushaltsplanes bestritten werden können.

12

Soweit die Rücklagenordnung mit Beschluss der Vollversammlung der Beklagten vom 16. April 2009 überarbeitet wurde und mit Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde, die am 17. Juni 2009 erteilt wurde, in Kraft treten sollte, betrafen die Änderungen die Umstellung der DM-Beträge für die Mindestrücklagenhöhe der Betriebsmittel- und der Ausgleichsrücklage auf Euro in den §§ 2 und 3 der Rücklagenordnung sowie eine ausdrückliche Bestimmung der Vermögensanlagegeschäfte der Handwerkskammer in § 7 als anlagesichere Geschäfte. §§ 1 und 5 RLO 1991 blieben von der Änderung unberührt.

13

Hinsichtlich der Bildung von Sonderrücklagen gab es im Jahr 2009 folgende Beschlussfassung:

14

Am 16. April 2009 beschloss die Vollversammlung der Beklagten eine neue Rücklagenstruktur, die zu einer Umverteilung und neuen Zuordnung der Finanzmittel anstelle der bis zum 31. Dezember 2008 bestehenden Rücklagenstruktur führte.

15

So wurde die Betriebsmittelrücklage in Höhe von (bislang) 9.051.072,10 € reduziert auf 7.120.000,00 €, wobei zugleich nicht rückführbare Entnahmen für 2009 in Höhe von insgesamt 4.320.000,00 € erfolgten, so dass die verbleibende Betriebsmittelrücklage künftig 2.800.000,00 € betragen sollte. Die ursprüngliche Ausgleichsrücklage in Höhe von 8.606.241,59 € wurde reduziert auf 600.000,00 €. Der Restbetrag sowie die bisherigen Rücklagen „BBZ“, „Internat BBZ“ und „Altersteilzeit“ wurden nunmehr als „Sonderrücklagen“ deklariert und wie folgt verteilt:

16

 - für Altersteilzeit

  435.252,04 €,

 - für notwendige Instandhaltungs-, Wiederbeschaffungs- und Modernisierungsinvestitionen

 2.466.344,19 €,

 - für besondere Verwendungszwecke

 9.200,000,00 €.

17

Die Sonderrücklage „besondere Verwendungszwecke“ setzte sich ihrerseits zusammen aus der Rücklage

18

-Haus des Handwerks

 in Höhe von 6.200.000,00 €,

-Struktur KHS

 in Höhe von 1.000.000,00 €,

-Stiftung

 in Höhe von 2.000.000,00 €.

19

Mit Bescheid vom 17. Juni 2009 genehmigte das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt unter lfd. Nr. 5 den Beschluss zur Struktur der Rücklagen, der mit Zeichnung durch den Präsidenten und die Hauptgeschäftsführerin am 16. April 2009 in Kraft getreten ist.

20

Am 22. Juni 2009 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Magdeburg Klage erhoben. Zu deren Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt:

21

Für eine Beitragserhebung fehle es an einer wirksamen Beitragsordnung der Beklagten.

22

Neben einer fehlenden Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung sei auch die „Rücklagenhandhabung“ der Beklagten nicht gesetzeskonform erfolgt. Die Beklagte haben Vermögenswerte dem Einsatz zur Kostendeckung entzogen, indem Rücklagen für nicht notwendige Aufgaben formell und materiell fehlerhaft gebildet und der Haushalt mit vermeintlichen Ausgabepositionen künstlich „aufgebläht“ worden sei.

23

Der Beschluss der Vollversammlung vom 16. April 2009 zur „Struktur der Rücklagen“ verstoße gegen § 28 Abs. 2 HKRO, wonach Höhe und Zweckbestimmung der Rücklagen in einer gesonderten Rücklagenordnung zu regeln seien, die von der Vollversammlung zu beschließen sei.

24

In Bezug auf die Rücklagenordnung vom 4. Dezember 1991 fehle jeglicher Nachweis für deren ordnungsgemäßes Zustandekommen. Die Änderung der Rücklagenordnung vom 16. April 2009 sei erst mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde am 17. Juni 2009 in Kraft getreten und habe damit keine wirksame Rechtsgrundlage für den Beschluss der Vollversammlung vom 16. April 2009 über die „Struktur der Rücklagen“ gebildet.

25

Hinsichtlich der bis zum 31. Dezember 2008 gebildeten Rücklagen „BBZ“, „Internat BBZ“, „Altersteilzeit“ mangele es bereits an entsprechenden Beschlussfassungen der Vollversammlung über die Bildung von Sonderrücklagen. Auch die „neue Rücklagenstruktur“ sei der Sache und der Höhe nach zu beanstanden.

26

Die Klägerin hat beantragt,

27

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 28. Mai 2009 aufzuheben.

28

Die Beklagte hat beantragt,

29

die Klage abzuweisen.

30

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Beitragserhebung finde ihre Grundlage in der zum 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Beitragsordnung i. d. F. der von der Vollversammlung am 9. Dezember 2003 sowie 15. März 2004 beschlossenen Änderungen i. V. m. dem Beitragsfestsetzungsbeschluss vom 16. April 2009.

31

Weder die bisherige noch die neue Rücklagenstruktur sei zu beanstanden.

32

Die Rücklagenstruktur bis zum 31. Dezember 2008 sei Bestandteil des Jahresabschlusses 2008, der am 20. Oktober 2008 von der Vollversammlung beschlossen worden sei. Die durch die Vollversammlung am 16. April 2009 beschlossene und am 17. Juni 2009 genehmigte neue Rücklagenstruktur sei sowohl in Bezug auf die Zweckbindung wie die Höhe der einzelnen Rücklagen gerechtfertigt.

33

Mit Urteil vom 29. Juni 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:

34

Der angefochtene Bescheid finde in § 113 Abs. 1 HandwO i. V. m. der Beitragsordnung der Beklagen eine hinreichende Rechtsgrundlage.

35

Hinsichtlich der Rücklagenbildung habe sich die Beklagte eine Rücklagenordnung gegeben, die durch Beschluss der Vollversammlung vom 16. April 2009 geändert und am 17. Juni 2009 durch die Aufsichtsbehörde genehmigt worden sei. Die Genehmigung sei auch hinsichtlich der Beschlüsse der Vollversammlung zur Struktur der Rücklagen, der Änderung der Rücklagenordnung und der Haushaltssatzung sowie des Haushaltsplans 2009 „vor dem Hintergrund“ erfolgt, dass mitgeteilt worden sei, welche Maßnahmen unter den Sonderrücklagen „Stiftung“ und „Struktur der KHS“ zu verstehen seien und was diesbezüglich geplant sei. Die Rücklagenordnung müsse keine detaillierte Aufzählung der einzelnen Sonderrücklagen enthalten. Die Konkretisierung obliege der Beschlussfassung durch die Vollversammlung, wie sie am 16. April 2009 erfolgt sei.

36

Im Weiteren führt das Verwaltungsgericht aus, weshalb die einzelnen Rücklagen der Sache und Höhe nach rechtlich nicht zu beanstanden seien.

37

Gegen das der Klägerin am 14. Juli 2011 zugestellte Urteil hat der Senat auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 15. Februar 2012 die Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zugelassen.

38

Mit am 13. März 2012 beim Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt eingegangenem Schriftsatz vom 12. März 2012 begründet die Klägerin ihre Berufung wie folgt:

39

Sie wiederholt und vertieft ihr Klagevorbringen; insbesondere erhebt sie weiterhin Einwände gegen die Rücklagenbildung der Beklagten. Hinsichtlich der geänderten Rücklagenzwecke hätten diese weder vor noch nach der Änderung der Rücklagenstruktur die erforderliche Regelung in der Rücklagenordnung gefunden. Auch hätten die Voraussetzungen für Zweckänderungen nicht vorgelegen.

40

Ihre rechtlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit der Hauptsatzungen der Beklagten und deren Beitragsordnung vom 10. Juli 1997 erhält sie dagegen nicht weiter aufrecht.

41

Die Klägerin beantragt,

42

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 3. Kammer - vom 29. Juni 2011 den Beitragsbescheid der Beklagten vom 28. Mai 2009 aufzuheben.

43

Die Beklagte beantragt,

44

die Berufung zurückzuweisen.

45

Zur Begründung führt sie aus, dass sie sich auf wirksam in Kraft gesetztes Beitragsrecht stützen könne und der Beitrag in der Vollversammlung vom 23. Februar 2010 unter TOP 5 ordnungsgemäß beschlossen und bekannt gemacht worden sei.

46

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte im anhängigen Verfahren sowie zu den Verfahren 1 L 136/11 und 3 A 185/10 MD und die jeweils vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

47

Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 3. Kammer - vom 29. Juni 2011 gerichtete Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

48

Ihre Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Denn der Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2009 über die Beitragsfestsetzung für das Jahr 2009 in Höhe von 234,50 Euro ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

49

Die Vollversammlung der Beklagten hat über die Bildung von Rücklagen formal unter Verstoß gegen untergesetzliches, von ihr selbst gesetztes normatives Recht beschlossen, weil sie Sonderrücklagen gebildet hat, ohne deren Höhe und Zweckbestimmung in der Rücklagenordnung zu regeln, wie dies die Haushalts-Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO) der Beklagten verpflichtend vorschreibt. Aufgrund der fehlerhaften Rücklagenbildung standen der Beklagten für das Beitrags-/Haushaltsjahr 2009 zur Deckung der Kosten ihrer Tätigkeit zusätzliche rechtlich ungebundene finanzielle Mittel zur Verfügung, die das für 2009 vorgesehene Beitragsaufkommen um ein Mehrfaches überschritten haben. Ein Anlass für eine Beitragserhebung wegen anderweitig nicht gedeckter Kosten ist hiernach nicht feststellbar.

50

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Beiträgen durch die Handwerkskammer ist § 113 Abs. 1 HandwO i. d. F. der Bekanntmachung vom 24. September 1998 (BGBl. I, S. 3074, ber. 2006 I S. 2095), bei Erlass des angefochtenen Bescheides zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2418). Danach werden die durch die Errichtung und Tätigkeit der Handwerkskammer entstehenden Kosten, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, von den Inhabern eines Betriebs eines Handwerks und eines handwerksähnlichen Gewerbes sowie den Mitgliedern der Handwerkskammer nach § 90 Abs. 3 HandwO nach einem von der Handwerkskammer mit Genehmigung der obersten Landesbehörde festgesetzten Beitragsmaßstab getragen.

51

Die Handwerkskammer darf hiernach Beiträge nur zur Deckung der Kosten, die durch Errichtung und die laufende Tätigkeit verursacht werden, erheben. Sie darf dies zudem nur insoweit, als sie nicht durch anderweitige Einnahmen gedeckt sind. Die Kammer ist nicht befugt, planmäßig ein Kammervermögen schlicht anzusammeln. Es ihr aber andererseits nicht verwehrt, höhere Beiträge als sie zur Kostendeckung notwendig sind, zu erheben und daraus Rücklagen für die Finanzierung eines Vorhabens zu bilden, das der Erfüllung ihrer Aufgaben dient.

52

Hieran gemessen erweist sich die Heranziehung der Klägerin, die zwar als Kosmetikerin und Inhaberin eines handwerksähnlichen Gewerbes gem. Anlage B, Abschn. 2, Nr. 48 der Handwerksordnung zum Kreis der Beitragspflichtigen gehört, als rechtswidrig, weil sie nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, soweit nur „nicht anderweitig“ gedeckte Kosten Anlass für eine Beitragserhebung geben können; der streitgegenständliche Beitrag dient vorliegend auch nicht der Bildung einer Rücklage. Vielmehr verfügte die Beklagte im hier zugrundeliegenden Beitragsjahr über Geldvermögen, das infolge nicht ordnungsgemäßer Rücklagenbildung zur Kostendeckung hätte eingesetzt werden können und gemäß § 113 Abs. 1 HandwO müssen.

53

Die Rücklagenbildung ist in der Handwerksordnung nicht geregelt. Der Gesetzgeber hat aber in der Gestaltung des Kammerhaushalts eine wesentliche Selbstverwaltungsangelegenheit gesehen, die auch den Erlass kammereigener haushaltsrechtlicher Bestimmungen rechtfertigt (vgl. Hess. VGH, Urt. v. 15. Oktober 1986 - 5 UE 236/84 -, GewArch 1987, 395 [396]). Hiervon hat die Beklagte in der Weise Gebrauch gemacht, als sie durch Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO) für die Handwerkskammer A-Stadt vom 4. Dezember 1991 in der durch Beschluss der Vollversammlung vom 27. September 2005 überarbeiteten Fassung mittels Satzung eine normative Regelung zur Rücklagenbildung getroffen hat. An deren Beachtung muss sich die Beklagte festhalten und messen lassen. Bedenken gegen das wirksame Zustandekommen der HKRO haben die Verfahrensbeteiligten nicht erhoben; solche sind auch für den Senat nicht ersichtlich.

54

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 HKROist eine Ausgleichsrücklage und eine Betriebsmittelrücklage zu bilden. Gem. Satz 2 dient die Ausgleichsrücklage der Sicherstellung des Haushaltsausgleichs und die Betriebsmittelrücklage der Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Kreditermächtigungen. Nach Satz 3 können weitere Rücklagen gebildet werden. Die Bildung angemessener Rücklagen gehört zu einer geordneten Haushaltsführung (so BVerwG, Urt. v. 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 -, juris).

55

Soweit die Vollversammlung der Beklagten mit ihrem Beschluss vom 16. April 2009 über eine neue Rücklagenstruktur neben der nach der HKRO zwingend zu bildenden Betriebsmittel- und Ausgleichsrücklage auch verschiedene „Sonderrücklagen“ gebildet hat, ist dies also grundsätzlich möglich. Dabei ist die sich aus ihrem Selbstverwaltungsrecht ergebende Eigenverantwortlichkeit und der damit verbundene weite Gestaltungsspielraum der Beklagten zu berücksichtigen. Bei der Beurteilung dessen, was die Beklagte im Einzelnen für erforderlich und welche Rücklagen sie in welcher Höhe für angemessen hält, steht ihr ein weiter Entscheidungsspielraum zu, der einerseits dadurch begrenzt wird, dass die durch Rücklage zu finanzierende Maßnahme dem Aufgabenbereich der Beklagten unterfallen muss und andererseits die Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung nicht offenkundig überschritten werden dürfen bzw. ein mit den Grundsätzen eines vernünftigen Wirtschaftens schlechthin unvereinbares Verhalten der Beklagten feststellbar ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13. April 2011 - 6 A 11076/10 -, juris, RdNr. 22; VG Lüneburg, Urt. v. 23. November 2004 - 3 A 5/01 -, juris).

56

In Bezug auf die Angemessenheit der Rücklagenhöhe ist zu berücksichtigen, dass die Rücklagenbildung aufgrund der mit ihr bezweckten Sicherung eines zukünftigen Finanzbedarfs in der Regel aufgrund einer Prognose und Schätzung künftiger Kosten erfolgt und ebenso im normativen Ermessen der Kammer steht wie die Entscheidung, ob und inwieweit sie umlagefähige Kosten außer durch Grundbeiträge auch durch Zusatzbeiträge oder Sonderbeiträge decken will. Das normative Ermessen des Normgebers wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. April 2006 - 6 C 19.05 -, juris).

57

Vorliegend kann indes dahingestellt bleiben, inwieweit die einzelnen Rücklagen, insbesondere die „Sonderrücklagen“, diesen Anforderungen genügen. Der Senat sieht daher - anders als das Verwaltungsgericht - keine Veranlassung, sich im Rahmen dieses Rechtsstreits mit der Frage der Angemessenheit der Mittelveranschlagung für einzelne Vorhaben bzw. Projekte der Beklagten, zu befassen. Denn die Vollversammlung der Beklagten hat weder bei der Beschlussfassung zur Neubildung der Rücklagenstruktur vom 16. April 2009 noch bei der angeblich im Rahmen des Jahresabschlusses 2008 beschlossenen, bis 31. Dezember 2008 geltenden Rücklagenstruktur beachtet, dass nach § 28 Abs. 2 HKRO Höhe und Zweckbestimmung (der Rücklagen) in einer gesonderten Rücklagenordnung zu regeln sind, die von der Vollversammlung zu beschließen ist.

58

Entgegen der Auffassung der Beklagten genügte es auch nicht, auf der Grundlage der (lediglich) allgemeinen Regelung in § 5 der Rücklagenordnung der Handwerkskammer über die Bildung von Sonderrücklagen durch einen einfachen Beschluss der Vollversammlung – etwa im Rahmen der jeweiligen Haushaltsberatungen - zu entscheiden, wie dies durch den Beschluss vom 16. April 2009 erfolgt ist. Eine solche Verfahrensweise verstieße gegen die eindeutigen Vorgaben in § 28 Abs. 2 S. 2 HRKO.

59

Die von der Vollversammlung der Beklagten am 4. Dezember 1991 beschlossene Rücklagenordnung enthält ebenso wie die am 16. April 2009 beschlossene und erst mit Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde vom 17. Juni 2009 in Kraft getretene Änderung der Rücklagenordnung zur Sonderrücklagenbildung lediglich die Regelung in § 5,wonach Sonderrücklagen auf Beschluss der Vollversammlung gebildet werden können, wenn künftige Ausgaben voraussichtlich nicht aus Mitteln des jährlichen Haushaltsplanes bestritten werden können. Eine Bestimmung zur „Höhe“ der Sonderrücklage ist damit nicht getroffen.

60

Auch genügt der Begriff „Sonderrücklage“ und die sich aus der Rücklagenordnung ergebende Voraussetzung für deren Bildung nicht den Anforderungen des § 28 Abs. 2 HKRO an die Regelung der „Zweckbestimmung“. Der Begriff „Sonderrücklage“ ist insoweit zu unbestimmt und sagt nichts darüber aus, für welche Aufgaben und Projekte die Mittelansparung gebildet wird und verwandt werden darf (vgl. § 8 Satz 1 RLO). Auch erlaubt der Begriff „Sonderrücklage“ in Anbetracht der unterschiedlichen konkreten Ausformungen, die er gemäß der Beschlussfassung der Vollversammlung der Beklagten am 16. April 2009 zur Bildung einer neuen Rücklagenstruktur gefunden hat, keine Prüfung einer Zweckänderung i. S. d. § 9 RLO. Der Bestimmung über die Voraussetzung, unter der eine Sonderrücklage gebildet werden darf, kann ebenfalls nicht entnommen werden, welchem Zweck sie dient.

61

Anhaltspunkte dafür, dass Beschlussfassungen der Vollversammlung der Beklagten über die alte und/oder neue Rücklagenstruktur wenigstens zum Bestandteil der Rücklagenordnung gemacht und damit formgerecht in diese inkorporiert wurden, bestehen ebenfalls nicht, so dass eine Regelung von Höhe und Zweckbestimmung der Sonderrücklagen mittels Rücklagenordnung im Sinne von § 28 Abs. 2 HKRO nicht festgestellt werden kann.

62

Damit fehlt es aber an einem (formal) ordnungsgemäßen Beschluss des hierzu berufenen Gremiums über die Bildung von Rücklagen für das Beitragsjahr 2009. Infolge dessen standen der Kammer für das Beitragsjahr 2009 rechtlich ungebundene finanzielle Geldmittel in beträchtlicher Höhe zur Verfügung, aus denen sie die durch ihre Tätigkeit entstehenden Kosten decken konnte. Dieser Umstand stand gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 HandwO der Erhebung von Beiträgen entgegen.

63

Den im Haushaltsplan 2009 in Ansatz gebrachten Einnahmen aus Handwerkskammerbeiträgen für das laufende Rechnungsjahr von 3 Mio. Euro (vgl. Titel 09110) standen aufgrund der von der Vollversammlung der Beklagten am 16. April 2009 beschlossenen neuen Rücklagenstruktur formal nicht wirksam gebildete Sonderrücklagen mit einem Wert von über 12 Mio. Euro gegenüber. Selbst die bis zum 31. Dezember 2008 neben der Betriebsmittel- und Ausgleichsrücklage ausgewiesenen Rücklagen (BBZ/Internat BBZ/Altersteilzeit) beliefen sich auf 2.165.000,00 Euro. Die mit 8,6 Mio. Euro ausgewiesene (alte) Ausgleichsrücklage erscheint bereits angesichts ihrer Verminderung in der neuen Rücklagenstruktur auf 600.000,00 Euro derart überhöht, dass auch nach der Rücklagenstruktur bis zum 31. Dezember 2008 (die gleichermaßen nicht den Anforderungen des § 28 Abs. 2 HKRO genügte) ausreichend finanzielle Mittel für eine „anderweitige Kostendeckung“ i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 HandwO zur Verfügung standen.

64

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

65

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

66

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Annotations

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.