Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 04. Nov. 2011 - 8 A 10888/11
Gericht
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 30. Juni 2011 – 4 K 124/11.NW – wird abgelehnt.
Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 21.524,86 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
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Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht gegeben.
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Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klagen gegen den Bescheid des Beklagten vom 30. November 2009, mit dem den Klägern die Beseitigung der alten Tragwerkskonstruktion im Dachstuhl ihres Anwesens aufgegeben, ein Nutzungs- und ein Betretungsverbot ausgesprochen, die Anbringung von Absperrungen angeordnet sowie die Ersatzvornahme und ein Zwangsgeld angedroht wurde, ebenso als unbegründet abgewiesen wie deren Klage gegen den Leistungsbescheid vom 8. Februar 2010 bezüglich der Kosten der Ersatzvornahme sowie gegen den Bescheid vom 19. Januar 2010 über Mahnforderungen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die drei angefochtenen Bescheide seien sämtlich rechtmäßig und verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Verfügung vom 30. November 2009 sei hinsichtlich aller Regelungsinhalte zu Recht auf §§ 59 Abs. 1 Satz 1, 13 LBauO gestützt worden, weil die alte Tragwerkskonstruktion auf dem Dach des klägerischen Wohnhauses akut einsturzgefährdet gewesen sei und die Kläger als Eigentümer nach § 54 Abs. 2 LBauO für die Beseitigung dieses Gefahrenzustandes verantwortlich seien. Die akute Einsturzgefahr der alten Tragwerkskonstruktion sei nachvollziehbar von dem vom Beklagten beauftragten Prüfingenieur festgestellt worden. Die dagegen vorgebrachten Einwände der Kläger seien nicht stichhaltig. Der Beklagte habe die Kläger auch ermessensfehlerfrei als Eigentümer herangezogen, obwohl sich die akute Einsturzgefahr erst nach dem Abriss des Dachstuhls auf dem Nachbaranwesen ergeben habe. Mit der Verfügung sei nicht die vorläufige Sicherung während der Bauphase, sondern die endgültige Beseitigung eines konstruktiv mangelhaften Zustandes auf dem Anwesen der Kläger bezweckt worden. Hierzu sei nicht der Nachbar als Bauherr des Bauvorhabens auf seinem Grundstück verantwortlich. Vielmehr sei die dauerhafte Sicherung vor einer Einsturzgefahr der Unterhaltungsphase zuzuordnen, die in die Verantwortung der Kläger als Eigentümer der konstruktiv mangelhaften Anlage gefallen sei. Vor diesem Hintergrund erwiesen sich auch die übrigen Inhalte der Verfügung sowie der Leistungsbescheid über die Kosten der Ersatzvornahme und die Mahnforderungen als rechtmäßig.
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Dieses Urteil begegnet keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zu Recht entschieden, dass die Kläger für die Beseitigung des Gefahrenzustandes nach § 54 Abs. 2 LBauO verantwortlich waren und der Beklagte auch keine ermessensfehlerhafte Adressatenauswahl getroffen hat. Die dagegen von den Klägern im Zulassungsverfahren vorgebrachten Einwände greifen nicht durch:
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1. Das Verwaltungsgericht hat zunächst überzeugend darauf abgestellt, dass eine akute Einsturzgefahr der alten Tragwerkskonstruktion bestand, die ursächlich auf konstruktive Mängel derselben zurückzuführen war, auch wenn dieser Zustand erst durch die Beseitigung des alten Dachstuhls auf dem Nachbaranwesen, der der klägerischen Tragwerkskonstruktion gleichsam als Stütze diente, offenbar geworden ist. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht nicht beanstandet, dass sich der Beklagte bei dieser Gefahreneinschätzung auf die Feststellungen des Prüfingenieurs T. vom 25. November 2009 gestützt hat. Die Richtigkeit dieser Feststellungen wird auch von den Klägern letztlich nicht substantiiert in Frage gestellt, wenn sie im Zulassungsverfahren einräumen, dass jedenfalls eine „latente Standunsicherheit“ ihrer alten Tragwerkskonstruktion gegeben gewesen sei und diese „in der Hauskonstruktion bereits angelegte Einsturzgefahr“ lediglich „gebannt“ worden sei, solange der alte Dachstuhl des Nachbaranwesens nicht beseitigt wurde.
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Allein aus dem Umstand, dass die in den konstruktiven Mängeln der alten Tragwerkskonstruktion der Kläger angelegte Einsturzgefahr erst durch die Beseitigung des alten Dachstuhls auf dem Nachbaranwesen in eine akute Einsturzgefahr umschlug, war jedoch – wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat – nicht zu folgern, dass vorrangig der Nachbar als Bauherr und nicht die Kläger als Eigentümer für die Beseitigung des Gefahrenzustandes herangezogen werden durften. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zu Recht nicht beanstandet, dass der Beklagte mit der Anordnung der Beseitigung der alten Tragwerkskonstruktion eine dauerhafte Beseitigung der – in deren konstruktiven Mängeln begründeten – Einsturzgefahr bezweckt hat. Für eine dauerhafte Sicherung waren aber die Kläger als Eigentümer, nicht der Nachbar als Bauherr verantwortlich. Dies ergibt sich – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – aus der Systematik des § 54 LBauO (vgl. dazu Schmidt, in: Jeromin, LBauO, 2. Aufl., § 54, Rn. 5 f., 10, 13). Danach fallen, wenn etwa durch eine Abrissmaßnahme im Zuge eines Bauvorhabens eine latente Einsturzgefahr auf dem Nachbaranwesen zu einer aktuellen Gefahr wird, lediglich vorläufige Maßnahmen der Sicherung in die „Bauphase“ und damit nach § 54 Abs. 1 LBauO in die Verantwortung des Bauherrn, während dauerhafte Maßnahmen zur Herstellung der Standsicherheit der Unterhaltungsphase und damit nach § 54 Abs. 2 LBauO dem Verantwortungsbereich des Eigentümers des einsturzgefährdeten Anwesens zuzuordnen sind (so überzeugend das im angefochtenen Urteil zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 1. Juli 2010 – 7 K 352/10.KO –, juris, Rn. 31 und 37; bestätigt durch Beschluss des OVG RP vom 15. November 2010 – 1 A 10938/10.OVG –).
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Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht ein rechtlich geschütztes Interesse der Kläger, vorrangig den Nachbarn zu dauerhaften Sicherungsmaßnahmen – etwa in Form einer dauerhaften Abstützung der in sein Anwesen hineinragenden alten Tragwerkskonstruktion – heranzuziehen, zu Recht nicht anerkannt. Denn hierdurch wäre eine vom Grundstück der Kläger ausgehende, rechtswidrige Veränderung des vorherigen Zustands – das rechtswidrige Hineinragen ihrer alten Tragwerkskonstruktion in den Luftraum über dem Grundstück des Nachbarn – perpetuiert worden und hätte den Nachbarn dauerhaft an der Ausführung seines Bauvorhabens gehindert, obwohl dieses – wie der Senat mit weiterem Beschluss vom 4. November 2011 im Verfahren 8 A 10889/11.OVG bestätigt hat – keine im dortigen Verfahren zu prüfenden nachbarschützenden Rechte der Kläger verletzt.
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Dass der Nachbar vom Beklagten nicht vorrangig zu vorläufigen Sicherungsmaßnahmen herangezogen wurde, hat das Verwaltungsgericht im Übrigen ebenfalls zu Recht nicht beanstandet. Zum einen erwiesen sich vorläufige Sicherungsmaßnahmen im Hinblick auf den rechtswidrigen Zustand des Hineinragens der alten Tragwerkskonstruktion der Kläger in das Nachbaranwesen als sinnlos, weil sie diesen rechtswidrigen Zustand unberührt gelassen hätten. Zum anderen waren sie im Hinblick auf die bestehende Einsturzgefahr unzweckmäßig, weil sie einen zusätzlichen, ähnlich hohen Kostenaufwand wie die endgültige Gefahrenbeseitigung durch Abriss der alten Konstruktion erfordert hätten, ohne die Einsturzgefahr dauerhaft zu beseitigen.
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2. Die Kläger können auch nicht mit Erfolg geltend machen, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass ihnen die in der angegriffenen Verfügung auferlegte Beseitigung der alten Tragwerkskonstruktion weder rechtlich noch tatsächlich möglich gewesen sei, weil die Beseitigung nur vom Nachbargrundstück aus durchgeführt werden konnte, es aber an einer entsprechenden Duldungsverfügung gegenüber dem Nachbarn fehlte.
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Einer solchen Duldungsverfügung bedurfte es nicht. Denn der Nachbar hatte sich von Anfang an ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass erforderliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Beseitigung der von der alten Tragwerkskonstruktion der Kläger ausgehenden Einsturzgefahr von seinem Grundstück aus vorgenommen werden konnten und dieses dazu betreten werden durfte. Dies ergibt sich aus dem Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 16. November 2009 (Bl. 16 der Verwaltungsakte) sowie aus dem dieses bestätigenden Schreiben des Beklagten vom selben Tage (Bl. 18 f. der Verwaltungsakte). Letztlich hat der Nachbar auch tatsächlich gestattet, dass sein Grundstück betreten werden konnte, um von dort aus die alte Tragwerkskonstruktion im Wege der Ersatzvornahme zu beseitigen (vgl. Bl. 169 der Verwaltungsakte).
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3. Bestehen danach an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts keine ernstlichen Zweifel, ohne dass es noch einer weiteren Sachaufklärung im Berufungsverfahren bedürfte, besteht für den Senat auch kein Anlass, die von den Klägern mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2011 begehrten weiteren Bauakten beizuziehen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG, wobei sich der Senat der Festsetzung der Einzelstreitwerte für die verschiedenen Streitgegenstände durch die Vorinstanz anschließt.
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.