Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 14. Mai 2013 - 8 A 10043/13

ECLI: ECLI:DE:OVGRLP:2013:0514.8A10043.13.0A
published on 14/05/2013 00:00
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 14. Mai 2013 - 8 A 10043/13
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Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 21. November 2012 wird abgelehnt.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Berufungszulassungsantrag ist nicht begründet.

2

Der geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

3

Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage gegen die mit Bescheid vom 20. September 2011 verfügte Rücknahme des positiven Bauvorbescheids vom 2. Februar 2011 im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, dass die Beklagte nicht ermächtigt gewesen sei, den positiven Bauvorbescheid nach § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG zurückzunehmen. Die Beklagte sei nicht befugt gewesen, die Rechtswidrigkeit des Bauvorbescheids mit der Begründung anzunehmen, der für die positive Bescheidung herangezogene Bebauungsplan „Münchfeld Teil II (H 28/II)“ sei hinsichtlich der Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche im südöstlichen Teil funktionslos. Für eine dahingehende Annahme fehle es der Beklagten an der Normverwerfungskompetenz. Einer solchen Normverwerfungskompetenz bedürfe es auch für die auf Funktionslosigkeit bauplanerischer Festsetzungen beruhende Ungültigkeit des Bebauungsplans.

4

1. Die gegen die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts geltend gemachten Gründe liegen nicht vor, weshalb der Berufungszulassungsantrag abzulehnen ist (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

5

Die Beklagte durfte von der Ermächtigung zur Rücknahme des positiven Bauvorbescheids deshalb keinen Gebrauch machen, weil sie gehindert war, sich auf die Ungültigkeit des Bebauungsplanes „Münchfeld Teil II (H 28/II)“ zu berufen und daraus die Rechtswidrigkeit des Bauvorbescheids vom 2. Februar 2011 herzuleiten.

6

Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche im südöstlichen Teil des Bebauungsplans bei dessen Ausfertigung und erneuter Bekanntmachung im Jahr 1991 funktionslos war, wie die Beklagte vorträgt. Hiervon dürfte allerdings mit dem Verwaltungsgericht auszugehen sein, weil von der ursprünglichen – 1965 als Satzung beschlossenen - Festsetzung mit einem kleineren Baufenster für ein Wohngebäude sowie einem größeren und deutlich tieferen Baufenster für ein „Treibhaus“ durch die seit den 1970er Jahren vollzogene Errichtung von vier Wohnhäusern entlang des Wohnwegs so deutlich abgewichen wurde, dass der Bebauungsplan seine ursprüngliche Gestaltungsfunktion für diesen Planbereich nicht mehr erfüllen kann und auch ein dahingehendes Vertrauen nicht mehr schutzwürdig ist (vgl. zu den Voraussetzungen der Funktionslosigkeit: BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 2001 - 4 B 33.01 -, NuR 2002, 218 und juris, Rn. 5).

7

Dass die Beklagte sich im Rahmen ihrer Tätigkeit als Bauaufsichtsbehörde nicht auf die Ungültigkeit der bauleitplanerischen Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche berufen darf, ergibt sich aus der fehlenden behördlichen Normverwerfungskompetenz. Insofern hat auch die Beklagte den Grundsatz nicht in Frage gestellt, dass (Bauaufsichts-) Behörden eine Kompetenz zur inzidenten Verwerfung eines als rechtswidrig erkannten Bebauungsplans in aller Regel nicht zusteht. Gründe der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie die Beachtung der Planungshoheit der Gemeinden sprechen dafür, behördliche Normverwerfungskompetenzen allenfalls in engen Grenzen anzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt dies nur in Betracht, wenn die Behörde vor der Inzidentverwerfung zunächst die Gemeinde auf den erkannten Fehler hinweist, um ihr Gelegenheit zu geben, den Fehler zu heilen oder den Bebauungsplan aufzuheben; darüber hinaus kann eine (akzessorische) Normverwerfungskompetenz der Behörden dann angenommen werden, wenn ein Verwaltungsgericht die Satzung in einem Parallelprozess bereits als ungültig behandelt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2001 - 6 CN 2.00 -, BVerwGE 112, 373 und juris, LS 2 und Rn. 25 f.; auch: BGH, Urteil vom 25. März 2004 - III ZR 227/02 -, DVBl. 2004, 947 [948]; ferner: OVG NRW, Urteil vom 30. Juni 2005 - 20 A 3988/03 -, NuR 2006, 191 [192 f.]).

8

Entgegen der Auffassung der Beklagten bedarf es einer behördlichen Normverwerfungskompetenz nicht nur in Fällen anfänglicher Unwirksamkeit des Bebauungsplans infolge Verstoßes gegen zwingende Planungsschranken oder das Abwägungsgebot, sondern auch dann, wenn die Ungültigkeit einer bauplanerischen Festsetzung auf deren Funktionslosigkeit beruht. Der Senat teilt hierzu die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es für die Frage der Verwerfungskompetenz für als ungültig erkannte Bebauungspläne auf den Grund der Ungültigkeit nicht ankommt (vgl. Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB - BauNVO, 6. Aufl. 2010, § 30 Rn. 39).

9

Soweit die Beklagte auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verweist, wonach funktionslose bauplanerische Festsetzungen ipso iure, also kraft Gesetzes und ohne förmlichen Aufhebungsakt ungültig werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1977 - IV C 39.75 -, BVerwGE 54, 5 und juris, Rn. 34; Urteil vom 3. August 1990 - 7 C 41 bis 43.89 -, BVerwGE 85, 273 und juris, Rn. 16), rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn insofern hat die Beklagte lediglich auf die materielle Rechtsfolge bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Funktionslosigkeit bauplanerischer Festsetzungen hingewiesen, die sich allerdings nicht von der Rechtsfolge im Falle eines ursprünglichen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unterscheidet (vgl. Jäde, a.a.O., § 30 Rn. 31). Auch in diesem Fall tritt die Unwirksamkeit der bauplanerischen Festsetzung ipso iure ein, weshalb der Unwirksamkeitserklärung im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle auch nur deklaratorische Wirkung zukommt (vgl. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 47, Rn. 355). Wie das Bundesverwaltungsgericht in dem zitierten Urteil vom 31. Januar 2001 bereits ausgeführt hat, ist die Frage der materiell-rechtlichen Nichtigkeitsfolge rechtserheblicher Mängel (oder - wie hier - der Funktionslosigkeit) eines Bebauungsplans von der Frage zu unterscheiden, wie Behörden vorzugehen haben, wenn sie überzeugt sind, ein für ihre Entscheidung erheblicher Bebauungsplan sei unwirksam (vgl. a.a.O., juris, Rn. 23). Die oben angeführten Gründe für eine nur auf Ausnahmen beschränkte Normverwerfungskompetenz der Behörden (Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie Respekt vor dem Satzungsgeber) treffen auf Fälle der Ungültigkeit eines Bebauungsplans infolge Funktionslosigkeit indessen gleichermaßen zu. Dies gilt in besonderem Maße für einen Fall – wie hier -, bei dem der Bebauungsplan lange Jahre nach dem Satzungsbeschluss und zwischenzeitlicher Behebung eines Ausfertigungsmangels bereits mit funktionslosem Inhalt in Kraft getreten ist, also ebenfalls ein Fall anfänglicher Unwirksamkeit vorgelegen hat (vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 12. März 2008 - 4 BN 5.08 -, BauR 2008, 1417).

10

Der Pflicht der Behörde zur vorherigen Unterrichtung der Gemeinde über die festgestellte Ungültigkeit der bauplanerischen Festsetzung entspricht in den Fällen, in denen die Gemeinde selbst Trägerin der Bauaufsichtsbehörde ist - wie hier -, deren Pflicht zur Unterrichtung des kommunalrechtlich für die Aufstellung der Bebauungspläne zuständigen Organs, hier also des Stadtrats. Da hier seitens der Bauaufsichtsbehörde der Beklagten eine solche Unterrichtung nicht erfolgt war, war sie nicht befugt, im Rahmen ihrer bauaufsichtlichen Tätigkeit von der Ungültigkeit des Bebauungsplans „Münchfeld Teil II (H 28/II)“ auszugehen. Sollte der Stadtrat der Beklagten im Nachgang zu diesem Rechtsstreit die hier umstrittene Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche aufheben, so bleibt es der Bauaufsichtsbehörde unbenommen, den Widerruf des positiven Bauvorbescheids vom 2. Februar 2011 nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG zu erwägen.

11

2. Soweit die Beklagte schließlich sinngemäß einen Verfahrensmangel wegen unterbliebener notwendiger Beiladung der Nachbarin des Klägers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren rügt, rechtfertigt auch dies nicht die Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Denn die Nachbarin war nicht notwendig beizuladen.

12

Eine Pflicht zur Beiladung besteht nach § 65 Abs. 2 VwGO dann, wenn Dritte an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Diese Voraussetzung liegt nur vor, wenn die begehrte Sachentscheidung des Gerichts nicht wirksam getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig und unmittelbar in Rechte der Dritten eingegriffen wird, d.h. ihre Rechte gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 1999 - 11 C 8.97 -, NVwZ 1999, 296 und juris, Rn. 2). Dies ist im Falle des Erlasses eines belastenden Verwaltungsakts - wie hier des Rücknahmebescheids - danach zu beurteilen, ob Adressat der behördlichen Entscheidung nur die von ihr belastete Person ist oder auch ein Dritter; ob die Behörde auch den Dritten zum Bescheid-Adressaten gemacht hat oder nicht, ist eine Frage der Auslegung des Bescheides, und zwar vorrangig des Bescheidtenors; diese Interpretation wird regelmäßig ergeben, dass der Dritte nicht Adressat der behördlichen Anordnung ist (vgl. Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 24. EL. 2012, § 65 Rn. 20; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 65 Rn. 17 [Fn. 37]).

13

Die Beklagte hat im Tenor des Rücknahmebescheids vom 20. September 2011 nicht zu erkennen ergeben, dass sie mit der Rücknahme des Bauvorbescheids vom 2. Februar 2011 auch einem Begehren der Nachbarin nachkommen und deren Berechtigung anerkennen will. Zwar wird in der Begründung des Rücknahmebescheids von einer Verletzung der Nachbarin in ihrem subjektiven Recht auf Beachtung des Rücksichtnahmegebots ausgegangen. Der Bescheidtenor und der überwiegende Teil der Begründung sprechen indes für ein Vorgehen der Behörde zur Durchsetzung der objektiven Rechtslage. Die Begünstigung der Nachbarin stellt sich damit als Rechtsreflex dar, ohne dass sie ausdrücklich zum Adressaten der Verfügung gemacht worden wäre. Gegen die Annahme einer Abhilfeentscheidung zugunsten der Nachbarin spricht schließlich auch, dass sie die für die Rücknahme ausschlaggebende Frage der Vereinbarkeit des Bauvorhabens des Klägers mit den bauplanerischen Vorgaben zur überbaubaren Grundstücksfläche ausdrücklich nicht zum Gegenstand ihres Widerspruchs gegen den Bauvorbescheid gemacht hat (vgl. Protokoll der Sitzung des Stadtrechtsausschusses vom 29. Juli 2011, Bl. 215 der Behördenakte).

14

Demzufolge hätte die Nachbarin (einfach) beigeladen werden können. Ein Fall notwendiger Beiladung und damit ein Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts lag indes nicht vor. Die Rechtsposition der Nachbarin bleibt von der letztlich aus formalen Gründen (fehlende Normverwerfungskompetenz) erfolgten Aufhebung des Rücknahmebescheids unberührt, da ihr Widerspruchsverfahren gegen den positiven Bauvorbescheid vom 2. Februar 2011 weiterhin anhängig ist.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

16

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 52 GKG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 227/02 Verkündet am: 25. März 2004 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 839 Fe S
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published on 13/02/2014 00:00

Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitslei
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Annotations

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).

(3) Kommt nach Absatz 2 die Beiladung von mehr als fünfzig Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluß anordnen, daß nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluß ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Er muß außerdem in Tageszeitungen veröffentlicht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muß mindestens drei Monate seit Veröffentlichung im Bundesanzeiger betragen. In der Veröffentlichung in Tageszeitungen ist mitzuteilen, an welchem Tage die Frist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist gilt § 60 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(4) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Die Beiladung ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.