Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 26. Nov. 2013 - 2 A 1227/13
Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 7.500,- € festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor.
4Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
5Derartige Zweifel weckt das Antragsvorbringen nicht.
6Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
7die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 14. Dezember 2010 zu verpflichten, gegen den auf den Grundstücken Gemarkung F. , Flur 17, Flurstücke 422, 669 und 668, betriebenen Getränkemarkt bauaufsichtlich einzuschreiten,
8hilfsweise die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
9im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Einschreiten nach § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW lägen nicht vor. Es könne offen bleiben, ob die Umwandlung des vormaligen Lebensmittelmarkts in einen reinen Getränkemarkt einer Baugenehmigung bedurft hätte. Auf eine formelle Illegalität könnten die Kläger sich nicht berufen. Der Betrieb des Getränkemarkts verstoße nicht zu Lasten der Kläger gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Der nach der TA Lärm für das Wohngrundstück der Kläger maßgebliche Immissionsrichtwert für Kerngebiete werde nicht überschritten.
10Die dagegen von den Klägern erhobenen Einwände haben keinen Erfolg.
11Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Kläger nicht allein deshalb einen Anspruch auf Einschreiten haben können, weil eine etwa erforderliche Nutzungsänderungsgenehmigung für den Getränkemarkt fehlt. Die Bestimmungen über die Genehmigungsbedürftigkeit sind nicht drittschützend.
12Vgl. dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 29. August 2012 - 2 B 940/12 -, juris Rn. 8.
13Aus dem Gedanken des nachbarrechtlichen Bestimmtheitsgebots,
14vgl. zu dessen Inhalt zuletzt OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2013 - 2 A 3009/11 -, BauR 2013, 1640 = juris Rn. 41,
15folgt vorliegend nichts anderes. Tatsächlich kann man, wie der Zulassungsantrag es tut, erwägen, ob der Bestimmtheitsgrundsatz sich nachbarrechtlich auch gegenüber ungenehmigten Vorhaben auswirkt. Es kann zu einer Vermutung der Nachbarrechtswidrigkeit erstarken oder zumindest in eine Umkehr der Feststellungslast zum Vorteil des Nachbarn resultieren, wenn ein genehmigungsbedürftiges Vorhaben ungenehmigt in Betrieb geht und den Nachbarn mit Immissionen konfrontiert, deren Ausmaß ungeprüft ist und die bei typisierender Betrachtung das objektiv erkennbare Potential in sich tragen, konkret rücksichtslos zu sein. Der sich nicht rechtstreu verhaltende Vorhabenträger soll auch insofern nicht besser stehen, als der Vorhabenträger, der sich rechtmäßig verhält und ein Genehmigungsverfahren durchläuft.
16Eine solche Lage wird von dem Zulassungsantrag indes nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Es liegen schalltechnische Erkenntnisse über das Immissionsverhalten des Getränkemarkts vor. Diese sprechen gegen dessen Unzumutbarkeit für die Kläger. Der Beigeladene zu 2. hat unter dem 20. September 2010 einen Bauantrag eingereicht und ein schalltechnisches Gutachten der B. GmbH vom 11. Oktober 2010 vorgelegt. Diesem zufolge wird der maßgebende Kerngebietsimmissionswert der Nr. 6.1 c) TA Lärm von 60 dB(A) am Tag - der Beigeladene zu 2. hat erklärt, die Öffnungszeiten auf 7 Uhr bis 21 Uhr begrenzt zu haben - mit einem Beurteilungspegel von 59 dB(A) am Grundstück der Kläger eingehalten.
17Eine für sie günstigere Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 TA Lärm oder Sonderfallprüfung im Sinne der Nr. 3.2.2 TA Lärm können die Kläger nicht erreichen. Den diesbezüglichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts ist zuzustimmen. Sollte das Wohnhaus der Kläger in dem Kerngebiet materiell rechtswidrig sein, würde diese Illegalität die Zwischenwertbildung bzw. Sonderfallprüfung nicht zu ihren Gunsten beeinflussen können.
18Vgl. zu den Parametern der Zwischenwertbildung: OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2013 - 2 B 1336/12 -, BauR 2013, 1078 = juris Rn. 24 ff.; zur Sonderfallbetrachtung: OVG NRW, Urteil vom 6. September 2011 - 2 A 2249/09 -, BRS 78 Nr. 89 = juris Rn. 178 ff.
19Der Zulassungsantrag zeigt im Weiteren nicht auf, dass die gutachterliche Einschätzung der B. GmbH fehlerhaft ist.
20Lärmgutachten haben sich an einem typischen, realistischen Betriebsgeschehen zu orientieren. Dabei kann der Sachverständige auf Betreiberangaben zurückgreifen.
21Vgl. insofern OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2013 - 2 A 3010/11 -, BauR 2013, 1817 = juris Rn. 85, Beschlüsse vom 12. Februar 2013 - 2 B 1336/12 -, BauR 2013, 1078, juris Rn. 51, vom 16. November 2012 - 2 B 1095/12 - , juris Rn. 83, und vom 14. Juni 2012 - 2 B 379/12.NE -, juris Rn. 30 ff.
22Ausgehend davon ist es nicht zu beanstanden, dass die B. GmbH angenommen hat, für die Betriebszeit zwischen 20 Uhr und 21 Uhr sei nach Betreiberangaben im Wesentlichen von fußläufiger Kundschaft auszugehen. Es entspricht lebensnaher typisierender Betrachtung, dass Kunden auch eines Getränkemarkts nach 20 Uhr eher Kleinigkeiten einkaufen, für deren Transport kein Pkw benötigt wird, und der Hauptteil der Kunden größere (Familien-)Einkäufe vor 20 Uhr bewältigen wird. Die integrierte Lage des Getränkemarkts und seine Nähe zu Wohnbebauung unterstützt diese Annahme.
23Vgl. zu einem ähnlichen Fall: OVG NRW, Beschluss vom 16. November 2012 - 2 B 1095/12 - , juris Rn. 79.
24Die gutachterliche Aussage, Kunden des Drogeriemarkts benutzten in der Regel keine Einkaufswagen zum Transport der eingekauften Waren zum Auto und das Kundenaufkommen eines Drogeriemarkts sei geringer als das Kundenaufkommen eines Getränkemarkts, ist ebenfalls nicht durchgreifend fehlerhaft. Die Hypothese zur Benutzung der Einkaufswagen ist nach der Alltagserfahrung ohne Weiteres realistisch, die Erwägung zum niedrigeren Kundenaufkommen des Drogeriemarkts in der Lärmprognostik konservativ mitberücksichtigt. Die Flächenschallquelle F1 modelliert die Parkplatzlärmemissionen des gemeinsamen (gesamten) Kundenparkplatzes des Getränkemarkts und des nördlich angrenzenden Drogeriemarkts, der 34 Stellplätze umfasst. Die B. GmbH geht dafür von 1.200 Pkw-Bewegungen (je Kunde eine An- und Abfahrt) von Montag bis Freitag und von 1.600 Pkw-Bewegungen an Samstagen aus. Da das Kunden-Pkw-Aufkommen des Getränkemarkts dessen Verkaufsfläche zugrunde gelegt demgegenüber nur auf ca. 400 von Montag bis Donnerstag, auf bis zu 600 an Freitagen und auf bis zu 800 samstags geschätzt wird, beinhaltet die angesetzte Flächenschallquelle F1 im Mittel genug Spielraum für eine hinreichend sichere Erfassung auch des dem Drogeriemarkt zurechenbaren Parkplatzlärmgeschehens. Warum die Vorbelastung gleichwohl ergebnisrelevant zum Nachteil der Kläger unterschätzt worden sein soll, legt der Zulassungsantrag nicht dar.
25Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO.
26Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
27Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
28Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.
(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.
(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.
(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.