Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 02. Juni 2014 - 15 A 628/14
Gericht
Tenor
Der Antrag wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig. Er wurde nicht fristgerecht begründet. Die vom Kläger beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren.
3Der Kläger hat die in § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO geregelte zweimonatige Antragsbegründungsfrist versäumt. Mit Blick auf die an den Kläger erfolgte Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 15. Februar 2014 war die vorgenannte Frist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am 15. April 2014 abgelaufen, die am 16. April 2014 erfolgte Begründung des Zulassungsantrags mithin zu spät. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einwendet, dass die Zustellung beim Kläger an einem Samstag durch Einlegung in den Postbriefkasten der Geschäftsräume erfolgt sei, was von einem Teil der Literatur als Zustellung zur Unzeit qualifiziert werde, weshalb die Einreichung der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung am 16. April 2014 fristgerecht gewesen sei, folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Die hier an einem Samstag erfolgte Zustellung des angegriffenen Urteils steht einer Ersatzzustellung nach § 180 Satz 1 ZPO und dem Eintritt der Zustellfiktion nach § 180 Satz 2 ZPO nach Sinn und Zweck der Regelung nicht entgegen.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. August 2007 ‑ 2 B 20/07 -, NJW 2007, 3222 f.; BGH, Beschluss vom 24. April 2007 – AnwZ (B) 93/06 -, NJW 2007, 2186; Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl., 2012 § 180 Rn. 3b; Musielak, ZPO, 8. Aufl., 2011, § 180 Rn. 2.
5Für die Annahme einer Zustellung zur Unzeit wäre grundsätzlich nur Raum bei einer Zustellung zur Nachtzeit oder an Sonn- und Feiertagen.
6Kessen, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Aufl., 2012, § 180 Rn. 2 i. V. m. § 179 Rn. 3.
7Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO war dem Kläger zu versagen. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben nicht glaubhaft gemacht, ohne Verschulden an der Einhaltung der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO verhindert gewesen zu sein. Das Verschulden seiner Bevollmächtigten muss sich der Kläger zurechnen lassen (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO). Verschuldet ist die Fristversäumnis dann, wenn die Einhaltung der Frist nach den gesamten Umständen zumutbar war.
8OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 2013 ‑ 15 A 973/13 -.
9Davon ausgehend haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Nichteinhaltung der in Rede stehenden Begründungsfrist verschuldet. Sie haben schuldhaft das Ende dieser Frist nicht selbst ermittelt. Sie durften sich nicht allein darauf verlassen, dass die im Fristenzettel und im Fristenkalender eingetragenen Rechtsmittelfristen richtig berechnet und wie üblich durch das Fristenteam gegengerechnet worden waren. Namentlich waren sie von einer Pflicht zur nochmaligen Nachrechnung nicht deshalb entbunden, weil an der (fehlerhaften) Ermittlung der Begründungsfrist eine Stationsreferendarin mitgewirkt hat, die im Führen eines Fristenkalenders geschult und die mit dieser Tätigkeit vertraut war. Vielmehr war der die Sache bearbeitende Rechtsanwalt in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers bei Bearbeitung der Angelegenheit im Zeitpunkt der Vorfrist am 9. April 2014 trotz Einschaltung einer Rechtsreferendarin bei der Fristberechnung verpflichtet, in eigener Verantwortung festzustellen, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten wurde.
10BSG, Beschluss vom 10. März 2008 ‑ B 1 KR 29/07 R -, juris Rn. 3; BGH, Beschluss vom 5. November 2002 – VI ZB 40/02 -, NJW 2003, 437; Bay. VGH, Beschluss vom 15. November 2007 ‑ 16b D 07.952 -, juris Rn. 38.
11Hätte der sachbearbeitende Rechtsanwalt des Klägers entsprechend diesen Anforderungen am 9. April 2014 das Fristende selbst und eigenverantwortlich geprüft, hätte er den Fehler noch rechtzeitig entdecken und die Zulassungsbegründung rechtzeitig beim Oberverwaltungsgericht einreichen können. Indem diese Prüfung unterblieb, hat der die Sache in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers bearbeitende Rechtsanwalt die für ihn im Zeitpunkt der Bearbeitung der Angelegenheit zur Vorfrist bestehende Verpflichtung verletzt, eigenverantwortlich zu prüfen, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten ist.
12Soweit der Kläger meint, die vorzitierte Rechtsprechung greife hier nicht, weil sie Fälle betreffe, in denen keine – hier aber vorgenommene – doppelte Fristberechnung und –kontrolle unter Einbindung einer juristisch-akademisch ausgebildeten Person stattgefunden habe, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung des Falles.
13Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein Rechtsanwalt, der ein System doppelter Fristenkontrolle vorgesehen hat, bei Versagen eines überobligatorischen Systembestandteils nicht schlechter gestellt werden darf, als wenn er neben der ausreichenden Fristenkontrolle überhaupt keine zusätzliche Überwachungsmaßnahme vorgesehen hätte.
14Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 4. September 2012 ‑ 15 A 965/10 -, juris.
15Darum geht es hier aber nicht. Der Kläger rügt hier nicht eine letztlich ihn treffende Schlechterstellung durch das vorliegend angewandte System der doppelten Fristberechnung in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten. Er verlangt vielmehr wegen dieses überobligatorischen Systems der Fristenberechnung eine Besserstellung in der Form, dass der die Sache bearbeitende Rechtsanwalt namentlich unter Berücksichtigung der bei der Fristberechnung eingeschalteten Stationsreferendarin von der Verantwortung entbunden wird, bei Bearbeitung der Sache zur Vorfrist selbstständig das Fristende zu ermitteln und festzuhalten.
16Für eine Entbindung von dieser Pflicht ist jedoch kein Raum. Die eigenverantwortliche Fristenkontrolle durch den Rechtsanwalt im Zeitpunkt der Vorfrist überspannt die Anforderungen an die anwaltliche Fristenkontrolle und deren Organisation ersichtlich nicht. Es ist nicht erkennbar, warum es für einen Anwalt unzumutbar sein sollte, im Zeitpunkt der Vorfrist die in aller Regel für einen Volljuristen unproblematische Berechnung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels noch einmal selbst vorzunehmen, auch wenn zuvor die Frist durch einen Stationsreferendar berechnet worden ist. Ganz im Gegenteil: Bearbeitet ein Rechtsanwalt im Zeitpunkt der Vorfrist einen Vorgang, ist es ihm als unabhängigen Organ der Rechtspflege ohne Weiteres zumutbar, die prozessualen und materiell-rechtlichen Fragen des Falles selbst im Blick zu halten.
17Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlagen in §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG.
18Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.
(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.
(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.
(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.
(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.