Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 16. Feb. 2016 - 15 A 1035/14
Gericht
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beklagte ist eine kreisangehörige Gemeinde des Klägers und hatte als solche bis zum 1. Januar 2010 kein eigenes Jugendamt. Der Kläger verlangt von ihr die anteilige Erstattung von Investitionskostenzuschüssen, die er bis zum 31. Dezember 2009 an verschiedene anerkannte Träger der freien Jugendhilfe für Kindertageseinrichtungen im Stadtgebiet der Beklagten gewährt hatte.
3Am 17./24. Oktober 2012 schlossen der Kläger und die Beklagte einen Verfahrensvergleich. In dessen Präambel wird ausgeführt, dass die Aufgaben des örtlichen Trägers der Jugendhilfe mit der Errichtung eines Jugendamtes durch die Beklagte zum 1. Januar 2010 auf diese übergegangen seien. Nach §§ 22 ff. SGB VIII gehöre dazu auch die Sicherstellung eines ausreichenden Angebots an Tageseinrichtungen für Kinder. Zu diesem Zweck habe der Kläger in der Vergangenheit an anerkannte Träger der freien Jugendhilfe im Gebiet der Beklagten Investitionszuschüsse gewährt. Die Kosten für die Finanzierung dieser Förderung seien bis Ende 2009 über die Jugendamtsumlage abgerechnet worden. Die Zweckbindungsfristen aus diesen Zuwendungen liefen noch und die Einrichtungen würden auch nach dem 1. Januar 2010 weiter als Kindergarten genutzt. Der Kläger sei der Auffassung, dass die Beklagte ihn von allen noch verbliebenen Verpflichtungen aus den vorgenannten Forderungen freizustellen habe. Die Beklagte bestreite die Forderung des Klägers dem Grunde nach, so dass eine gerichtliche Klärung erforderlich sei. Vor dem Hintergrund der Kosten eines solchen Rechtsstreits schlössen die Beteiligten folgenden Verfahrensvergleich: Die Höhe und Zusammensetzung der Gesamtforderung des Klägers von 1.066.519,93 € ergebe sich aus den Anlagen, die Bestandteil dieser Vereinbarung seien. Die Zusammensetzung und die Gesamtsumme, die sich aus den einzelnen Förderungsmaßnahmen gemäß Anlagen 1 und 2 ergebe, seien zwischen den Parteien der Höhe nach unstreitig (Ziffer 1 des Vergleichs). Der Kläger werde einen Teilbetrag von 1 % seiner Forderung im Wege der Teilklage als Musterverfahren vor dem Verwaltungsgericht Minden geltend machen. Er werde hierzu eine Klage auf Zahlung von 10.665,20 € erheben (Ziffer 2). Die Beklagte werde die Gesamtforderung des Klägers nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit entsprechend dem Ausgang des Rechtsstreits im Sinne der vorstehenden Ziffer 1 erfüllen, wenn und soweit sie in dem Rechtsstreit unterliegen sollte (Ziffer 3).
4Der Kläger hat am 21. November 2012 Klage erhoben.
5Zur Begründung hat er vorgetragen, die Kosten für die Finanzierung der in Rede stehenden Investitionskostenzuschüsse seien ab dem 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2009 über seine Jugendamtsumlage abgerechnet worden. Die unterschiedlichen Zweckbindungsfristen aus diesen Zuwendungen liefen noch. Die Einrichtungen würden auch nach dem 1. Januar 2010 von Seiten der privaten Träger weiter genutzt. Hintergrund der Einbeziehung der Investitionsfördermaßnahmen bei der Berechnung der Jugendamtsumlage sei die Änderung des § 45 Abs. 4 KrO NRW a. F. mit Wirkung zum 1. Januar 1993. Danach hätten bei der Berechnung der Jugendamtsumlage nunmehr sämtliche Ausgaben im Bereich der Jugendhilfe mit Ausnahme der anteiligen allgemeinen Verwaltungs- und sonstigen Gemeinkosten berücksichtigt werden können. Soweit Investitionsförderungsmaßnahmen über Kreditaufnahmen finanziert worden seien, habe somit auch der anfallende Schuldendienst in die Berechnung der Jugendhilfeumlagen einfließen sollen. Die damalige Gesetzesänderung sei vor allem wegen der erheblichen Kosten im Bereich der Investitionsverpflichtungen der Jugendhilfeträger vorgenommen worden. Mit der damaligen Änderung der Kreisordnung habe der Gesetzgeber eine gerechtere Verteilung der Kosten erreichen wollen. Der Kläger habe diese Gesetzesänderung umgesetzt, indem er die für Investitionsmaßnahmen der freien Träger der Jugendhilfe im Zusammenhang mit dem Bau von Kindertageseinrichtungen und Jugendfreizeitstätten gewährten Fördermittel investiv im Vermögenshaushalt (Gruppe 98) veranschlagt und abgewickelt habe. Genauso sei mit den Landesmitteln verfahren worden, die für diese Maßnahmen bewilligt worden seien (investive Einnahmeveranschlagung bei Gruppe 36). Die Differenz zwischen den Einnahmen aus der Landesförderung und den geleisteten Investitionsausgaben (d. h. den Kreisanteil) habe der Kläger im Rahmen des Gesamtdeckungsprinzips durch Kredite finanziert. Der sich aus diesem Kreditbedarf ergebende Schuldendienst (Zins- und Tilgungsleistungen) sei bei der jährlichen Kalkulation der Jugendhilfeumlage berücksichtigt worden. Im Bereich der differenzierten Jugendamtsumlage - als gesondertem Finanzierungssystem - gebe es keine weitere Möglichkeit, sonstige Deckungserträge für diesen Investitionsbedarf zu generieren. Daher sei von einer vollständigen Kreditfinanzierung des Kreisanteils auszugehen. Die Kreditaufnahmen in den kommunalen Haushalten seien nie maßnahmenbezogen (d. h. für einzelne Investitionsvorhaben) erfolgt. Sie seien immer nach dem Prinzip der Gesamtdeckung vorgenommen worden. Die aus den Kreditaufnahmen resultierenden Mehrbelastungen nach § 56 Abs. 5 KrO NRW seien ausschließlich dem System der Jugendhilfeumlage zuzuordnen. Daher seien zur Ermittlung des Schuldendienstes für den Bereich der Jugendhilfe fiktive Zins- und Tilgungspläne für den jeweiligen investiven Zuschuss und den damit jeweils verbundenen Kreditbedarf aufgestellt worden. Mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Umstellung des kommunalen Rechnungswesens von der Kameralistik auf die Doppik nach dem Neuen Kommunalen Finanzmanagement habe auch die haushaltsmäßige Darstellung der vorgenannten Investitionsfördermaßnahmen verändert werden müssen. Gemäß § 43 Abs. 2 GemHVO NRW seien die geleisteten Investitionszulagen nunmehr als aktive Rechnungsabgrenzungsposten in der Bilanz des Kreises anzusetzen gewesen. Die in diesem Zusammenhang erhaltenen Landesmittel seien als passive Rechnungsabgrenzung zu bilanzieren. Entsprechend der Dauer der mit der geleisteten Zuwendung festgelegten Zweckbindung seien die gebildeten Bilanzpositionen aufzulösen, d. h. es erfolge eine periodengerechte Verteilung der Fördermittel über die Dauer der Zweckbindung der Mittel. Vor dem Hintergrund dieses Musters der maßgeblichen Refinanzierung der in Rede stehenden Investitionsfördermaßnahmen sei der zum Zeitpunkt des Aufgabenübergangs an die Beklagte relevante „Restbuchwert“ der Investitionsfördermaßnahmen zum Stichtag 31. Dezember 2009 ermittelt worden. Dazu habe der Kläger sämtliche Investitionsmaßnahmen im Stadtgebiet der Beklagten zusammengestellt, soweit die jeweiligen Zweckbindungsfristen am 31. Dezember 2009 noch nicht abgelaufen gewesen seien. Auf dieser Grundlage sei die Investitionssumme des Kapitalwerts ermittelt worden. Der abgestimmte Restwert belaufe sich zum Stichtag auf 1.066.519,93 €. Er beziehe sich auf rund 50 geförderte Einrichtungen in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2009. Diesen Betrag hätten die Beteiligten im Verfahrensvergleich vom 17./24. Oktober 2012 unstreitig gestellt. Vereinbarungsgemäß mache der Kläger lediglich einen erstattungsfähigen Teilbetrag in Höhe von 1 % seiner Gesamtforderung, insgesamt also 10.665,20 €, mit seiner Klage geltend. Die Klage sei aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs begründet. Bei den zwischen dem 1. Januar 1993 und dem 31. Dezember 2009 mit Zweckbindung an verschiedene Träger der freien Jugendhilfe gerichteten Zuwendungsbescheiden handele es sich um eine rechtsnachfolgefähige Position, die im Zuge des Zuständigkeitswechsels bezüglich der Trägerschaft der Jugendhilfe in der Sonderform einer Funktionsrechtsnachfolge von dem Kläger auf die Beklagte übergegangen sei. Daraus folge, dass die Beklagte berechtigt und verpflichtet sei, die Einhaltung der sich aus den Zuwendungsbescheiden ergebenden Zweckbindungen zu überwachen und bei Verstößen gegen die Zweckbindung durch die freien Träger die Zuwendungsbescheide zu widerrufen und dafür Sorge zu tragen, dass die jeweiligen freien Träger die Zuwendungsbeträge zurückzahlten. Eine andere Betrachtungsweise hätte die widersinnige Konsequenz, dass die Zuständigkeit für den Widerruf der Bescheide und die mit dem Vorteil der Nutzung der jeweiligen Einrichtung verbundene Rechtsposition auseinander fielen, zumal die mit den Zuwendungsbescheiden bezweckte Sicherung der Versorgung mit Plätzen ausschließlich der Beklagten bezogen auf ihr Stadtgebiet zugutekomme. Mit dem Übergang der Rechtsposition aus den Zuwendungsbescheiden gingen auch die sich aus diesen ergebenden (Finanzierung-)Lasten auf die Beklagte über. Die Vermögensverschiebung habe im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung stattgefunden. Diese ergebe sich aus der funktionellen Rechtsnachfolge. Bei einer nicht abgeschlossenen Maßnahme, die der Funktionsnachfolger übernehme, habe dieser auch im Verhältnis zum Funktionsvorgänger die bisherigen Kosten zu tragen. Die Beklagte sei durch den Zuständigkeitswechsel Rechtsnachfolgerin des Klägers in allen verwaltungsrechtlichen Rechtsverhältnissen geworden, die dieser als Träger der Jugendhilfe begründet habe. Dadurch sei es auf Seiten des Klägers zu einer Entreicherung und auf Seiten der Beklagten zu einem Vermögensvorteil gekommen. Die übergegangenen Vermögensvorteile lägen in den durch die Zuwendungsbescheide festgelegten Zweckbindungen. Der Kläger sei als Träger der Jugendhilfe bis zum 31. Dezember 2009 aufgrund rechtmäßig erlassener Bewilligungsbescheide und der darin festgeschriebenen Zweckbindungen gegenüber den Trägern der Einrichtungen berechtigt gewesen zu verlangen, dass diese die geförderten Einrichtungen als Kindertageseinrichtung betrieben. Durch die Zweckbindung und die dementsprechende Vorhaltung der geförderten Einrichtungen durch die Träger habe der Kläger seine ihm bis zum 31. Dezember 2009 obliegenden gesetzlichen Vorhaltepflichten nach § 24 Abs. 3 SGB VIII a. F. erfüllt. Er habe damit die Voraussetzungen geschaffen, dass die Rechtsansprüche von Kindern über drei Jahren auf einen Kindergartenplatz im Stadtgebiet der Beklagten erfüllt gewesen seien. Zu der Rechtsnachfolge gehörten auch die durch die Bewilligungsbescheide begründeten Rechtsverhältnisse gegenüber den Trägern der geförderten Einrichtungen und die sich daraus ergebende Vorhaltung von Kindertageseinrichtungen durch die freien Träger, mit der die Beklagte ihre gesetzliche Verpflichtung aus § 24 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 SGB VIII für die Zukunft - und zwar konkret im Rahmen der zum 31. Dezember 2009 noch nicht verstrichenen Zweckbindungsfristen - erfülle. Dadurch würden die Bewilligungen zu einem eindeutig bezifferbaren wirtschaftlichen Wert. Die Funktionsnachfolge wirke nicht nur für die Zukunft, sondern auch in die Vergangenheit. Die Investitionsmaßnahmen seien zum Zeitpunkt der Funktionsnachfolge noch nicht abgeschlossen gewesen. Auf den Entstehungszeitpunkt der Leistungsverpflichtung komme es nicht an. Zwar sei das Geld schon an die privaten Träger ausgezahlt worden. Jedoch sei die Zweckbindungsfrist bei allen in Rede stehenden Investitionsmaßnahmen noch gelaufen. Ferner könne sie sich jederzeit in eine finanzielle Begünstigung für die Beklagte wandeln, sobald gegen die Zweckbindung verstoßen werde. Ebenso bestehe eine Begünstigung der Beklagten dahingehend, dass nur sie allein von der fortbestehenden Bindung aus den Zuwendungen profitiere. Die Beklagte habe durch die Funktionsnachfolge auch deswegen bereits eine vermögenswerte Position aus den Zuwendungsbescheiden erhalten, weil sie bilanziell in einem aktiven Rechnungsabgrenzungsposten i.S.v. §§ 42 Abs. 1, 43 Abs. 2 Satz 2 GemHVO NRW abgebildet werde. Dass die Beklagte diese Werthaltigkeit selbst erkenne, zeige sich daran, dass sie eine etwaige Rückforderung nur in enger Abstimmung mit dem Kläger vornehmen wolle, um eine Bereicherung zu vermeiden. Die Vermögensverschiebung sei rechtsgrundlos auf sonstige Weise durch den Trägerwechsel erfolgt. Sie beruhe auf der Entscheidung der Beklagten, ab dem 1. Januar 2010 ein eigenes Jugendamt vorzuhalten. Das von ihr Erlangte bestehe in den tatsächlich ersparten Aufwendungen, also den Mitteln, die der Hoheitsträger hätte aufbringen müssen. Durch den geltend gemachten Erstattungsanspruch werde die Beklagte so gestellt, als wäre sie von Anfang an Trägerin der Jugendhilfe gewesen. Dieses Ergebnis entspreche der Billigkeit, weil die Beklagte sich ohne eine derartige Ausgleichspflicht beim Zuständigkeitswechsel einer finanziellen Belastung entziehen könnte, die sie vorher über die Jugendamtsumlage mitgetragen habe. Auch sei es unbillig, dass ansonsten alle kreisangehörigen Gemeinden diese Belastung über die Kreisumlage mitzutragen hätten, auch wenn sie seit jeher über ein eigenes Jugendamt verfügten. Wollte man die bis zum 31. Dezember 2009 über die Jugendamtsumlage gedeckten Kosten nicht auf die Beklagte abwälzen, müssten die übrigen Gemeinden des Kreises diese Aufwendungen für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 über die allgemeine Kreisumlage aufbringen, weil es sich nunmehr bei diesen Kosten nicht mehr um „Kosten des Jugendamtes des Klägers“ handele.
6Der Kläger hat beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.665,20 € zuzüglich 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Sie hat vorgetragen, dem Kläger stehe weder ein öffentlicher-rechtlicher Erstattungsanspruch noch ein sonstiger Zahlungsanspruch zu. Es fehle an einer unmittelbaren Vermögensverschiebung. Im Verhältnis der Beteiligten sei in Bezug auf noch nicht abgewickelte Kreditverbindlichkeiten des Klägers weder eine Gesamtrechtsnachfolge noch eine Einzelrechtsnachfolge eingetreten. Auf den Gesichtspunkt der Funktionsnachfolge könne der Kläger keine Forderung stützen. Die Beklagte habe nur die Funktion des Jugendamtes übernommen. Sie trage hierfür auch die Kosten. Da es für den Funktionsübergang keine speziellen gesetzlichen Regelungen gebe, müsse davon ausgegangen werden, dass dieser nur in die Zukunft wirke. Abgeschlossene Abwicklungsvorgänge seien nicht erfasst. Es sei unstreitig, dass in all den Fällen, die hier in Rede stünden, die entsprechenden Zuschüsse bewilligt und ausgezahlt worden seien. Der Übergang einer Rechtsposition spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle. Diese Rechtsposition sei zunächst nur theoretischer Natur, da bislang in keinem der Bewilligungsfälle die Voraussetzungen für eine Rückforderung vorlägen. Eine etwaige konkrete Rückforderung würde die Beklagte nur in enger Abstimmung mit dem Kläger vornehmen, um eine eigene Bereicherung zu vermeiden. Die vermeintliche Rechtsposition, die auf die Beklagte übergegangen sei, sei mit keiner Begünstigung verbunden. Sie bestehe in Bezug auf die Bewilligungsfälle nur in der Pflicht zur Überwachung der Einhaltung der Bewilligungsbestimmungen. Insoweit trage die Beklagte auch die Kosten. Ob Gesichtspunkte der Billigkeit als Anspruchsgrundlage taugten, könne offen bleiben. Unbilligkeit könne allenfalls bei den weiterhin mit der Jugendamtsumlage durch den Kläger belasteten Gemeinden eintreten. Allerdings sollten kreisangehörige Gemeinden mit eigenem Jugendamt nicht über die allgemeine Kreisumlage an der Finanzierung von Kreisaufgaben beteiligt werden, die ihnen nicht zugutekämen. Eine solche Verpflichtung träte neben die Aufwendungen, die für den Betrieb des eigenen Jugendamtes ohnehin zu leisten wären. Es bestehe auch keine regelungsbedürftige Lücke im Gesetz. Schließlich stehe einem Erstattungsanspruch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen, weil dem Kläger kein Vermögensnachteil entstanden sei. Er könne die fraglichen Kosten über die Jugendamtsumlage decken.
11Mit Urteil vom 21. März 2014 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte. Die Beklagte habe ersparte Aufwendungen für die Erfüllung einer eigenen Aufgabe - die Sicherstellung eines ausreichenden Angebots an Tageseinrichtungen für Kinder nach §§ 22 ff. SGB VIII - in sonstiger Weise zulasten des Klägers erlangt. Die Ersparnis eigener Aufwendungen liege in den zunächst aus dem Vermögen des Klägers erbrachten Investitionszuschüssen. Die Vermögensverschiebung sei unmittelbar und ohne Rechtsgrund eingetreten, weil sich die Funktionsnachfolge auf die Frage der Aufgabenerledigung beschränke. Sie könne damit keinen Rechtsgrund für die damit verbundene Vermögensverschiebung darstellen. Der Kläger könne die fraglichen Kosten nach Übergang des Jugendamts auf die Beklagte auch nicht weiter über die Jugendamtsumlage decken.
12Mit Beschluss vom 23. Juni 2015 hat der Senat die Berufung der Beklagten zugelassen.
13Zu deren Begründung trägt die Beklagte vor, der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch sei in Bezug auf Aufwendungen des früheren Funktionsträgers zur Erfüllung seiner Aufgaben gesperrt, wenn das Gesetz im Falle eines Funktionsübergangs von einer Behörde auf eine andere keine Ausgleichs- oder Entschädigungsregelungen treffe. Das Bestehen allgemeiner Ansprüche würde auf eine - wenn auch eingeschränkte - Rechtsnachfolge hinauslaufen. Habe sich der Gesetzgeber dafür entschieden, keine Funktionsnachfolge in Gestalt von Ansprüchen des vorherigen Rechtsträgers gegen den neuen Rechtsträger vorzusehen, könne dies für einen Ausschluss derartiger Ansprüche sprechen. Die Funktionsnachfolge beschränke sich auf die Frage der Aufgabenerledigung. Hier sei der Fördervorgang mit der Gewährung der Investitionskostenzuschüsse für noch existierende Einrichtungen abgeschlossen. Die theoretische Möglichkeit einer Rückabwicklung, wenn der Bewilligungsempfänger innerhalb der Bindungsfrist gegen die Zweckbindung verstoße, würde sich auf einen bereits abgewickelten Fördervorgang beziehen, aus dem sich für den Funktionsnachfolger keine finanziellen Verpflichtungen mehr ergeben könnten. Eine Forderung könne nur eine gesicherte Rechtsposition sein, wenn sie entstanden sei. An einer derartigen Forderung fehle es. Auch ein etwaiges Anwartschaftsrecht hinsichtlich einer solchen Forderung müsste rechtlich gesichert sein. Ungeklärt sei auch, wer für eine eventuelle Rückforderung einer Investitionsförderung zuständig wäre. Im Übrigen sei völlig ungewiss, ob ein Rückforderungsfall durch einen Verstoß gegen die Zweckbindung eintreten werde. Offensichtlich sei, dass diese vermeintliche Anwartschaft nicht bereits heute in einen fälligen Zahlungsanspruch umschlagen könne. Allenfalls müsse die Anwartschaft herausgegeben werden, was außergerichtlich und auch in der Klageerwiderung angeboten worden sei. Die Forderung sei zudem unbestimmt. Dies schlage auch auf die Anwartschaft durch. Es sei nicht erkennbar, dass die Dauer der Zweckbindung mit der Finanzierungsdauer in Gestalt der fiktiven Kreditaufnahme des Klägers übereinstimme. Die fiktive Fremdfinanzierung sage höchstens etwas über die Höhe von Zinsen aus, nicht aber über die Tilgungsdauer. Die Tilgungsdauer könne weit über die Zweckbindung hinausgehen. Es komme hinzu, dass nach Ablauf der Zweckbindung nicht ohne Weiteres ein erneuter Finanzierungsbedarf entstehe. Es sei ferner kein Vermögensvorteil in Gestalt der Befreiung von einer Verbindlichkeit ersichtlich. Als der Kläger zum Zwecke der Investitionsförderung eigene Mittel bereitgestellt habe, habe er eine eigene Pflicht erfüllt und nicht die Beklagte von einer Pflicht befreit. Im Zeitpunkt des Funktionsübergangs habe diese Pflicht nicht mehr bestanden, weil sie erfüllt gewesen sei. Eine Pflicht der Beklagten sei noch nicht entstanden gewesen. Die Sicherstellung eines ausreichenden Angebots i.S.d. §§ 22 ff. SGB VIII könne nach Wahl des Trägers der Jugendhilfe durch Investitionsförderung, aber auch durch laufende Geldleistung durch Bewilligung an das jeweilige Kind erfolgen. Einzelheiten regele das Landesrecht. Was einen Vermögensvorteil durch ersparte Aufwendungen anbelange, nutze die Beklagte keinen rechtlich geschützten Vermögensvorteil des Klägers. Einen Vermögensvorteil habe lediglich der Förderungsempfänger. Es treffe nicht zu, dass sich die Beklagte zur Erfüllung konkreter Verpflichtungen der fraglichen Einrichtungen bediene. Sie erspare allenfalls Aufwendungen, wenn sie diese heute fördern müsste, was sie aber aktuell nicht müsse. Der Kläger habe der Beklagten nichts zugewandt, sondern dem Förderungsempfänger. Diese Förderung sei zur Befreiung von einer eigenen Verbindlichkeit des Klägers und nicht zugunsten irgendwelcher sich bis dahin überhaupt nicht abzeichnender Rechts- oder Funktionsnachfolger geschehen. In jeder Hinsicht fehle es an der unmittelbaren Verknüpfung von Vermögensvorteil und Vermögensnachteil. Da sich die Beklagte der in Rede stehenden Einrichtungen nicht bediene, könne auch nicht von einer Vermögensverschiebung ausgegangen werden. Der Beklagten liege kein Förderantrag vor. Wegen der im SGB VIII statuierten Subsidiarität der Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Verhältnis zu den freien Trägern stehe auch nicht die Errichtung einer solchen Einrichtung in Rede. Es fehle also auch an der Erfüllung einer eigenen Aufgabe. Wenn das Angebot sichergestellt sei, bedürfe es keiner weiteren Tätigkeit der Beklagten.
14Die Beklagte beantragt,
15das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
16Der Kläger beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Er verteidigt unter Bezugnahme auf seine bisherigen Schriftsätze das verwaltungsgerichtliche Urteil. Ergänzend trägt er vor, der Vermögensvorteil, den die Beklagte erlangt habe, liege in der durch den von ihm jeweils erlassenen Bewilligungsbescheid begründeten, im Wege des Zuständigkeitswechsels und der damit verbundenen Funktionsnachfolge auf die Beklagte übergegangenen, noch nicht „verbrauchten“ Zweckbindung. Die Beklagte habe dadurch eine öffentlich-rechtlich durch Nebenbestimmung abgesicherte Rechtsposition erlangt, die sie davon befreie, entsprechende eigene Aufwendungen für die nun ihr obliegende Aufgabe der Jugendhilfe zu tätigen. In der Konsequenz habe der Kläger der Beklagten mit dem Zuständigkeitswechsel alle Verfahrensakten zu den Investitionsfördermaßnahmen übergeben, in denen die Zweckbindungsfristen noch nicht abgelaufen gewesen seien. Die Beklagte selbst sei insoweit von dem von ihr nun in Abrede gestellten Zuständigkeitsübergang ausgegangen. Der Kläger habe im Haushaltsjahr 1993 einen Kredit aufgenommen. Die Schuldentilgung dieses Kredits, genauer gesagt des Anteils des Kredits, der zur Finanzierung von Jugendeinrichtungen eingesetzt worden sei, sei in einer Umlage auf alle kreisangehörigen Gemeinden verteilt worden. Die hieraus zur Verfügung stehenden liquiden Mittel seien dann u. a. zum Aufbau von und zu Investitionen in Jugendeinrichtungen im Gemeindegebiet der Beklagten eingesetzt worden. Dieser Anteil lasse sich - wie dargestellt - genau beziffern und abgrenzen. Die Investition dieser Mittel - gewissermaßen eines „fiktiven Kredits Jugendhilfe“ - sei zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt. Damit seien diese Mittel in den Einrichtungen gebunden gewesen. Breche man den „fiktiven Kredit Jugendhilfe“ im Wege einer bilanziellen Abschreibung auf die einzelnen Jahre der Kreditlaufzeit herunter, werde deutlich, dass sich diese Schuldentilgungsraten in der Zweckbindung der finanziellen Mittel in den Einrichtungen widerspiegelten. Die Zweckbindungsbestimmungen erfolgten, um dem gesetzgeberischen Auftrag nachzukommen, in ausreichendem Maß Jugendeinrichtungen vorzuhalten und sicherzustellen. Dass die Einrichtungen von freien Trägern geführt würden, ändere nichts daran, dass es sich bei § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII um einen Staatsauftrag handele. Der Kläger sei diesem Auftrag nachgekommen. Seit dem 1. Januar 2010 obliege der Auftrag der Beklagten. Mit der Aufgabenübernahme sei sie auch in die Rechtsposition des Klägers in Relation zu den freien Trägern der nunmehr gemeindlichen Jugendeinrichtungen eingetreten. Es obliege nun ihr, im Falle eines Zweckverstoßes die finanziellen Mittel zurückzufordern. Damit habe sie mit der Funktionsübernahme bereits eine werthaltige Position inne. Dieses potentielle Rückforderungsrecht sei in der Bilanz gemäß § 42 Abs. 1 GemHVO NRW zu aktivieren. Würde davon ausgegangen, dass der Kläger weiterhin die Schuldentilgung des „fiktiven Kredits Jugendhilfe“ übernehme, wäre die Beklagte in der Position, bei einem Zweckverstoß die gebundenen Kreditmittel zurückzuverlangen, während die Finanzierung des Projekts weiter dem Kläger obläge. Kreditbindung und Zweckbindung würden auseinanderfallen, wohingegen es gerade der Zweck der Zweckbindungen sei, die Kreditbindung abzusichern. Dies könne der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Diese Gesetzeslücke solle das Institut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs schließen. Die Vermögensverschiebung zugunsten der Beklagten und zulasten des Klägers liege darin, dass die Beklagte zum Nachteil des Klägers diese Kostenlast, die sie nach ihrem Staatsauftrag zu tragen habe, nicht übernehme. Der Kredit sei ein Dauerschuldverhältnis, das erst mit der Rückzahlung der letzten Rate abgeschlossen sei. Damit sei auch der Verwaltungsvorgang erst mit Ablauf der Zweckbindung abgeschlossen. Es gehe nicht darum, dass die Beklagte irgendwelche Kredite des Klägers aus vergangenen Investitionen zurückzahlen solle. Es könne und müsse aber verlangt werden, dass sie die Jugendeinrichtungen, die sie ab dem 1. Januar 2010 übernehme, auch finanziere. Verneinte man einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, sei zu bedenken, dass der Kläger die Finanzierungskosten auch für die Einrichtungen, die allein der Beklagten zugutekämen, nur noch gemäß § 56 Abs. 5 KrO NRW auf die Gemeinden umlegen könne, die sich nicht dazu entschieden hätten, ein eigenes Jugendamt zu führen. Ein solches Ergebnis sei mit § 242 BGB nicht vereinbar.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der von dem Kläger vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Bezug genommen wird außerdem auf den Inhalt der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Minden - 6 K 1798/05 -.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
21Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
22Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 10.665,20 € zuzüglich 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit.
23Der (Haupt-)Anspruch des Klägers lässt sich auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch stützen. Dessen Voraussetzungen liegen vor (dazu 1.). Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus § 291 BGB analog in Verbindung mit Ziffer 3 des von den Beteiligten geschlossenen Verfahrensvergleichs vom 17./24. Oktober 2012 (dazu 2.).
241. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 10.665,20 € aus dem allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch.
25Leistungen ohne Rechtsgrund und sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen müssen rückgängig gemacht werden. Dieser Rechtsgedanke, der sich unmittelbar aus der Forderung nach wiederherstellender Gerechtigkeit ergibt, hat sich im öffentlichen Recht in einer Vielzahl von Vorschriften niedergeschlagen, in denen für das jeweilige Rechtsgebiet die Rückgewähr des rechtsgrundlos Erlangten geregelt ist. Aber auch dort, wo es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung fehlt, müssen rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden. Hierzu dient der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der seit langem - gewohnheitsrechtlich - anerkannt ist.
26Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 2009 - 9 B 24.09 -, juris Rn. 5, Urteile vom 18. Januar 2001 - 3 C 7.00 -, BVerwGE 112, 351 = DVBl. 2001, 991 = juris Rn. 16, vom 30. November 1995 - 7 C 56.93 -, BVerwGE 100, 56 = NVwZ 1996, 595 = juris Rn. 14, vom 30. November 1990 - 7 A 1.90 -, BVerwGE 87, 169 = DVBl. 1991, 389 = juris Rn. 18, und vom 12. März 1985 - 7 C 48.82 -, BVerwGE 71, 85 = DVBl. 1985, 850 = juris Rn. 12.
27Er kann dabei auch im Verhältnis zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts Anwendung finden.
28Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1995 - 7 C 56.93 -, BVerwGE 100, 56 = NVwZ 1996, 595 = juris Rn. 14, und vom 17. September 1970 - II C 48.68 -, BVerwGE 36, 108 = DÖV 1971, 348 = juris Rn. 35; speziell im Hinblick auf einen Vermögensausgleich nach einer Funktionsnachfolge: ThürOVG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 2 KO 701/00 -, NVwZ-RR 2003, 830 = juris Rn. 34 ff.
29Soweit die Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs - wie hier - nicht spezialgesetzlich geregelt sind, decken sie sich mit denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs gemäß §§ 812 ff. BGB. Ausnahmen davon sind lediglich zu machen, wenn und soweit den §§ 812 ff. BGB eine abweichende Interessenbewertung zugrunde liegt, die nicht in das öffentliche Recht übertragbar ist.
30Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Oktober 2009 - 9 B 24.09 -, juris Rn. 5, vom 16. November 2007 - 9 B 36.07 -, NJW 2008, 601 = juris Rn. 12, Urteil vom 12. März 1985 - 7 C 48.82 -, BVerwGE 71, 85 = DVBl. 1985, 850 = juris Rn. 15.
31Das Bestehen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs hängt somit davon ab, ob die Beklagte durch eine unmittelbare Vermögensverschiebung zulasten des Klägers ohne Rechtsgrund einen Vermögensvorteil erlangt hat. Dies ist der Fall, wenn der herausverlangte Vermögensvorteil nach der maßgebenden rechtlichen Güterzuordnung ausschließlich dem Bereicherungsgläubiger zugewiesen ist.
32Vgl. insoweit wiederum BVerwG, Urteile vom 18. Januar 2001 - 3 C 7.00 -, BVerwGE 112, 351 = DVBl. 2001, 991 = juris Rn. 16, und vom 30. November 1990 - 7 A 1.90 -, BVerwGE 87, 169 = DVBl. 1991, 389 = juris Rn. 18.
33Wie im Zivilrecht erfolgt auch beim öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Erstattungsausgleich im Grundsatz nur innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch kann seine Funktion, eine dem materiellen Recht nicht entsprechende Vermögensverschiebung zu korrigieren, nur unter Berücksichtigung derjenigen Rechtsbeziehungen erfüllen, in denen es zu dieser Vermögensverschiebung gekommen ist.
34Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. November 2007 - 9 B 36.07 -, NJW 2008, 601 = juris Rn. 13 f., Urteil vom 16. Dezember 2004 - 5 C 71/03 ‑, DVBl. 2005, 781 = juris Rn. 16.
35Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger gegen die Beklagte der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Form einer Nichtleistungskondiktion entsprechend § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zu.
36a) Die Beklagte hat ab dem 1. Januar 2010 einen Vermögensvorteil („etwas“) erlangt, indem sie ihren Aufgaben als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach §§ 2, 22 ff. SGB VIII mit Kindertageseinrichtungen nachkommen kann, die der Kläger auch aus eigenen (kreditfinanzierten) Mitteln durch Zuwendungen an die freien Träger dieser Einrichtungen mit einer Zweckbindung über den 1. Januar 2010 hinaus bezuschusst hat.
37Vgl. zu einer strukturell ähnliche Fallgestaltung ThürOVG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 2 KO 701/00 -, NVwZ-RR 2003, 830 = juris Rn. 34 ff.
38Der Begriff „etwas erlangt“ setzt auf Seiten des Begünstigten einen Vorteil voraus, der sein wirtschaftliches Vermögen irgendwie vermehrt hat.
39Vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1994 - V ZR 4/94 -, NJW 1995, 53 = juris Rn. 12.
40Zu den kondiktionsfähigen vermögensrechtlich nutzbaren Vorteilen zählen nicht nur alle absoluten Rechte, der Besitz sowie Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten, sondern ebenso alle vorteilhaften Rechtsstellungen sonstiger Art.
41Vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 187/10 -, BGHZ 192, 204 = NJW 2012, 2034 = juris Rn. 36.
42Ob zu diesen Vorteilen generell „ersparte Aufwendungen“ als solche zu rechnen sind, ist unerheblich. Herauszugeben ist in diesen Fällen jedenfalls der Wert der gezogenen Nutzung bzw. des Gebrauchs des Vorteils, der auch mit der Ersparnis eigener Aufwendungen zu einem bestimmten Zweck verbunden sein kann.
43Vgl. insoweit BGH, Urteile vom 9. Oktober 2001 - X ZR 153/99 -, BauR 2002, 775 = juris Rn. 27, vom 6. März 1998 - V ZR 244/96 -, MDR 1998, 891 f. = juris Rn. 22 ff., vom 8. Oktober 1987 - VII ZR 185/86 -, BGHZ 102, 41 = NJW 1988, 258 = juris Rn. 21, vom 18. Dezember 1986 - I ZR 111/84 -, BGHZ 99, 244 = NJW 1987, 2869 = juris Rn. 39, und vom 4. Juni 1975 - V ZR 184/73 -, BGHZ 64, 322 = NJW 1975, 1510 = juris Rn. 16.
44Eine derartige Konstellation ist gegeben.
45Die Beklagte hat bei der Funktionsnachfolge/dem Zuständigkeitswechsel ab dem 1. Januar 2010 (vgl. zu diesem § 69 Abs. 1 SGB VIII, §§ 1 ff. AG-KJHG NRW) eine Infrastruktur an Kindertageseinrichtungen vorgefunden, die der Kläger bezuschusst hat. Die Beklagte wird dadurch in die Lage versetzt, auf diese Einrichtungen zurückzugreifen, um ihre Aufgabe als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu erfüllen, ohne dass sie dafür eigene finanzielle Aufwendungen hätte tätigen müssen oder tätigen muss.
46Darin liegt ein geldwerter Vorteil, weil die Beklagte als nunmehr zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe unmittelbar die objektiv-rechtliche Pflicht des § 24 SGB VIII hat, ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertageseinrichtungen vorzuhalten. Sie trifft insoweit seit dem 1. Januar 2010 eine unbedingte Garantie- und Gewährleistungshaftung unabhängig von ihrer jeweiligen finanziellen Situation. Gegen die freien Träger, die eine Kindertageseinrichtung betreiben, richten sich etwaige Ansprüche aus § 24 SGB VIII trotz der Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII nicht. Das Kind kann nur einen öffentlich-rechtlichen Verschaffungsanspruch haben, der den Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, eine Einrichtung bzw. Tagespflegeperson zu organisieren. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe kann den Anspruch auf einen Kita-Platz bei Einrichtungen in eigener Trägerschaft, in der Trägerschaft eines anderen öffentlichen Trägers oder bei einem freien Träger beschaffen. Eine Pflicht der (staats-)freien Träger, Plätze zur Verfügung zu stellen, besteht nicht. Nach Maßgabe seiner Bedarfsplanung muss der Träger der öffentlichen Jugendhilfe entsprechende Vereinbarungen mit den freien Trägern abschließen.
47Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Januar 2015 - 12 A 2189/13 -, juris Rn. 15; Bay. VGH, Beschluss vom 17. November 2015 - 12 ZB 15.1191 -, juris Rn. 24 ff.; OVG Bremen, Beschluss vom 11. Dezember 2002 - 2 B 308/02 -, NVwZ-RR 2003, 362 = juris Rn. 18; zur weiteren Genese der Vorschrift und zu dem Normverpflichteten siehe Rixen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2014, § 24 Rn. 2 ff. und Rn. 29 ff.; Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2014, § 3 Rn. 10 und 24.
48Da bereits der Kläger für eine solche Bedarfsdeckung im Stadtgebiet der Beklagten über den 31. Dezember 2009 hinaus gesorgt hat, ist die Beklagte im Umfang der von dem Kläger herbeigeführten Zweckbindungen davon befreit, diese erst durch eigene Investitionen bzw. Fördermaßnahmen an freie Träger der Jugendhilfe herbeiführen zu müssen. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der Kläger habe diese Verbindlichkeit bereits abschließend erfüllt, so dass kein geldwerter Vorteil auf sie übergangen sei. Denn die objektiv-rechtliche Vorhaltepflicht des § 24 SGB VIII ist eine Dauerverpflichtung, die sich an den jeweils zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe wendet. Die Beklagte hat insoweit auch nicht vorgetragen, dass die von dem Kläger - auf der Grundlage von zu keiner Zeit in Frage gestellten Bedarfsprognosen - bezuschusste Infrastruktur ein Überangebot darstellt, das für ihren tatsächlichen Bedarf an Kindertageseinrichtungen inzwischen wertlos ist. In der Berufungsverhandlung vor dem Senat hat die Beklagte ebenfalls nicht konkret geltend gemacht, dass die ihr seit dem 1. Januar 2010 zur Verfügung stehenden Kindergartenplätze über die Nachfrage oder das von ihr vorzuhaltende Angebot hinausgehen.
49Die von der Beklagten erlangte Infrastruktur an Kindertageseinrichtungen ist des Weiteren durch die Zweckbindungen der von dem Kläger gewährten Zuwendungen an die freien Träger der Jugendhilfe über den 1. Januar 2010 hinaus rechtlich gesichert.
50Wie der von dem Kläger vorgelegte Verwaltungsvorgang hinsichtlich der Förderung des Baus einer Tageseinrichtung für Kinder - der integrativen St.‑G. -Kindertagesstätte in der M.-----straße 91, die vom B. -L. -Kindergarten W. e. V. getragen wird - beispielhaft zeigt, ist diese Förderung mit einer Zweckbindung versehen, die weit über den 1. Januar 2010 hinausreicht. Der ursprüngliche Zuwendungsbescheid des Klägers vom 30. Dezember 1998 an den B. -L. -Kindergarten W. e. V. beziffert die Dauer der Zweckbindung auf 30 Jahre. Dies hat in Verbindung mit den diesem Zuwendungsbescheid als Nebenbestimmung beigefügten Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P, siehe dort deren Nr. 4.1) zur Folge, dass Gegenstände, die zur Erfüllung des Zuwendungszwecks erworben oder hergestellt werden, für den Zuwendungszweck zu verwenden sind und der Zuwendungsempfänger über sie vor Ablauf der im Zuwendungsbescheid festgelegten zeitlichen Bindung nicht verfügen darf. Entsprechendes geht aus den Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an Gemeinden (ANBest-G, siehe dort deren Nr. 4) hervor. In gleicher Weise sind die Zuwendungsbescheide an die Evangelische Kirche W. vom 6. Februar 2009 und vom 6. Oktober 2009 zur Förderung von Investitionen in Kindertageseinrichtungen zum Ausbau von Plätzen für Kinder unter 3 Jahren Am C. 10 konstruiert, die der Kläger während des gerichtlichen Verfahrens vorgelegt hat. Hiernach beträgt die Dauer der Zweckbindung für hergerichtete Grundstücke und Räume 5 Jahre, für Neubauten und hergerichtete Grundstücke 20 Jahre. Gleiches gilt für die Kindergärten, Kindertageseinrichtungen und Jugendhäuser, die der Kläger den Anlagen 1 und 2 zum Verfahrensvergleich vom 17./24. Oktober 2012 zufolge im Stadtgebiet der Beklagten durch Investitionszuschüsse seit Ende der 1980er Jahre gefördert hat. Keine der Zweckbindungen für die bezuschussten baulichen Erweiterungen liegt danach unter 30 Jahren.
51Soweit der Kläger einen Vermögensvorteil der Beklagten auch darin sieht, dass diese seit der Funktionsnachfolge/dem Zuständigkeitswechsel für einen etwaigen Widerruf der von dem Kläger erlassenen Zuwendungsbescheide gemäß § 49 VwVfG NRW und eine damit verbundene Rückforderung der Zuwendung nach § 49 a VwVfG NRW sachlich zuständig ist,
52vgl. zu dieser Rechtsfolge BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 1999 - 7 C 42.98 -, BVerwGE 110, 226 = NJW 2000, 1512 = juris Rn. 14; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10. Dezember 2013 - 6 S 2112/13 -, juris Rn. 44, Urteil vom 25. August 2008 - 13 S 201/08 -, juris Rn. 27; allgemein zur Behandlung von Zuständigkeitswechseln im Widerrufsverfahren Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 49 Rn. 77a,
53hat dies keine eigenständige Bedeutung. Zum einen zeichnet sich ein Widerrufs- und Rückforderungsfall nicht konkret ab. Zum anderen hätte die Beklagte einen künftigen Vermögenszufluss infolge einer anteilig zurückgeforderten Zuwendung bereits durch die von ihr - wie noch auszuführen sein wird - an den Kläger zu leistende anteilige Erstattung des Restbuchwerts der kreditfinanzierten Investitionskostenzuschüsse abgegolten, so dass er keinen eigenständigen Bereicherungsgrund bilden kann.
54b) Die Beklagte hat den Vermögensvorteil in Gestalt der ersparten Aufwendungen für die vom Kläger bezuschusste Infrastruktur an Kindertageseinrichtungen in ihrem Stadtgebiet bzw. den entsprechenden geldwerten Gebrauchsvorteil unmittelbar auf Kosten des Klägers erlangt.
55aa) Dem Vermögensvorteil der Beklagten entspricht auf Seiten des Klägers ein Vermögensnachteil. Dieser ist gemeindehaushaltsrechtlicher bzw. bilanzieller Natur. Der Kläger hat ihn in seiner Klagebegründung und Berufungserwiderung zutreffend im Detail beschrieben. Nach seinen Erläuterungen hat der Kläger ab dem 1. Januar 1993 mit Blick auf den damals für die Jugendamtsumlage einschlägigen § 45 Abs. 4 KrO NRW a. F. - der Vorgängernorm des § 56 Abs. 5 KrO NRW - für die Errichtung von Kindertageseinrichtungen und Jugendfreizeitstätten durch freie Träger der Jugendhilfe neben Landesgeldern auch eigene Fördermittel gewährt und diese investiv in seinem Vermögenshaushalt veranschlagt. Die Differenz zwischen den Einnahmen aus der Landesförderung und den geleisteten Investitionsausgaben finanzierte der Kläger im Rahmen des Gesamtdeckungsprinzips durch Kredite. Da die Kreditaufnahmen nicht maßnahmenbezogen (d. h. für einzelne Investitionsvorhaben) erfolgten, sondern immer nach dem Prinzip der Gesamtdeckung vorgenommen wurden, und die aus den Kreditaufnahmen resultierenden Mehrbelastungen nach § 56 Abs. 5 KrO NRW ausschließlich dem System der Jugendhilfeumlage zuzuordnen waren, hat der Kläger zur Ermittlung des Schuldendienstes für den Bereich der Jugendhilfe fiktive Zins- und Tilgungspläne für den jeweiligen investiven Zuschuss und den damit jeweils verbundenen Kreditbedarf aufgestellt. Im Zusammenhang mit der Umstellung des kommunalen Rechnungswesens nach dem Neuen Kommunalen Finanzmanagement musste der Kläger auch die haushaltsmäßige Darstellung der vorgenannten Investitionsfördermaßnahmen verändern. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 GemHVO NRW wurden die geleisteten Investitionszulagen als aktive Rechnungsabgrenzungsposten auf der Aktivseite der Bilanz des Klägers angesetzt (vgl. § 41 Abs. 3 Nr. 3 GemHVO NRW). Die in diesem Zusammenhang erhaltenen Landesmittel wurden als passive Rechnungsabgrenzungsposten bilanziert. Entsprechend der Dauer der mit der jeweiligen Zuwendung festgelegten Zweckbindung waren die gebildeten Bilanzpositionen aufzulösen. Es erfolgte dazu eine periodengerechte Verteilung der Fördermittel über die Dauer der ausgesprochenen Zweckbindung der Mittel, die sich als „Restbuchwert“ zum 31. Dezember 2009 - unmittelbar vor der Funktionsnachfolge der Beklagten - darstellen lässt. Die Einzelheiten dieses Berechnungsmodus einer bilanziellen bzw. haushälterischen Abschreibung über die Jahre hinweg hat der Kläger in der tabellarischen Übersicht der Anlage 2 zu seiner Klagebegründung abgebildet. Mit der Funktionsnachfolge/dem Zuständigkeitswechsel ist die Möglichkeit für den Kläger entfallen, die geleisteten Zuwendungen nach § 43 Abs. 2 Satz 2 GemHVO NRW als Vermögensbestandteil in seiner Bilanz zu aktivieren. Haushaltsrechtlich verfügt der Kläger wegen der Funktionsnachfolge ab dem 1. Januar 2010 also über einen Aktivposten weniger bei gleichbleibender finanzieller Belastung durch seine Kreditrückzahlungsverpflichtungen hinsichtlich des von ihm so bezeichneten „fiktiven Kredits Jugendhilfe“. Demgegenüber kann die Beklagte mit den von dem Kläger bezuschussten Kindertageseinrichtungen einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten i.S.d. §§ 42 Abs. 1, 43 Abs. 2 Satz 2 GemHVO NRW mehr in ihren Haushalt einstellen, ohne dass sie für diesen finanzielle Verpflichtungen eingegangen ist oder wird eingehen müssen.
56Diesen Vermögensnachteil haben die Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 16. Februar 2016 nochmals veranschaulicht. Dabei haben sie auch darauf hingewiesen, dass die in dem von den Beteiligten geschlossenen Verfahrensvergleich vom 17./24. Oktober 2012 der Höhe nach unstreitig gestellte Forderungsgesamtsumme von 1.066.519,93 € beim Kläger derzeit einen Negativposten bildet, der im Unterliegensfall von dem Kläger bilanziell als Verlust abzuschreiben bzw. anderweitig zu refinanzieren wäre. Diese Konsequenz eines eventuellen Prozessverlusts für den Kläger zeigt im Umkehrschluss auch, dass der dem Verfahrensvergleich vom 17./24. Oktober 2012 zugrunde gelegte Berechnungsmodus eines „Restbuchwerts“ für einen an die Zweckbindung der geförderten Jugendhilfeeinrichtungen geknüpften „fiktiven Kredits Jugendhilfe“ sachgerecht ist.
57bb) Die Bereicherung der Beklagten ist auch unmittelbar auf Kosten des Klägers erfolgt.
58Zwischen der Bereicherung und der Entreicherung muss ein unmittelbarer Zurechnungszusammenhang bestehen. Die setzt im Grundsatz die Einheitlichkeit des Bereicherungsvorgangs voraus. Die Vermögensverschiebung darf nicht auf einem rechtlich selbständigen Umweg über ein fremdes Vermögen erfolgt sein. Vielmehr muss ein und derselbe Vorgang auf der einen Seite den Gewinn und auf der anderen Seite den Verlust unmittelbar herbeigeführt haben. Der Verlust des Entreicherten und der Gewinn des Bereicherten müssen sich aber nicht vollständig decken.
59Vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 2001 - X ZR 153/99 -, BauR 2002, 775 = juris Rn. 29, vom 30. Januar 1987 - V ZR 32/86 -, BGHZ 99, 385 = NJW 1987, 1631 = juris Rn. 15, vom 19. April 1985 - V ZR 152/83 -, BGHZ 94, 160 = NJW 1985, 1952 = juris Rn. 18.
60Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
61Die Vermögensverschiebung ist unmittelbar aufgrund der Funktionsnachfolge/des Zuständigkeitswechsels am 1. Januar 2010 eingetreten. Wie ausgeführt, verfügt die Beklagte seitdem über die von dem Kläger aus eigenen (kreditfinanzierten) Mitteln bezuschusste und zweckgebundene Infrastruktur an Kindertageseinrichtungen in ihrem Stadtgebiet, mit der sie ihre objektiv-rechtliche Vorhaltepflicht aus § 24 SGB VIIII erfüllen kann.
62Eine unmittelbare Vermögensverschiebung zum Nachteil des Klägers kann nicht mit der Erwägung in Frage gestellt werden, der Vermögensvorteil der Beklagten beruhe auf Vorgängen, die auf Seiten des Klägers bereits vor der Funktionsnachfolge/dem Zuständigkeitswechsel wirtschaftlich vollständig abgeschlossen und daher schon „vermögensneutral“ gewesen seien.
63Gehen mit der erstmaligen Einrichtung eines Jugendamtes durch eine kreisangehörige Gemeinde, die davor - wie die Beklagte vor dem 1. Januar 2010 - nicht über ein eigenes Jugendamt verfügte, die (Sach-)Aufgaben eines örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe auf diese über, erstreckt sich diese Funktionsübernahme prinzipiell auf alle zu dem konkreten Zuständigkeitsbereich gehörenden Aufgaben, was ggf. auch die (finanzielle) Abwicklung von noch nicht abgeschlossenen Vorgängen aus der Zeit vor dem Zuständigkeitswechsel einschließt. Diese Funktionsnachfolge betrifft damit auch die Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe, d. h. die tatsächlichen Hilfen (einschließlich Nebenkosten), soweit sie noch nicht abgeschlossen sind. Eine - erstattungsrechtlich rückabwicklungsfähige - Funktionsnachfolge ist erst dann nicht mehr gegeben, wenn und soweit die Aufgabenerfüllung durch den vormals zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe in der Vergangenheit nach Art und Umfang klar abgegrenzt werden kann und sie sich von der vom Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels an erfolgenden Aufgabenerfüllung deutlich unterscheidet.
64Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 14. März 1986 - 8 A 2886/83 -, OVGE MüLü 38, 239, 241; VG Aachen, Urteil vom 25. Februar 2010 - 1 K 2514/08 -, juris Rn. 24 f.; zur regelmäßig umfassenden Wirkung einer Funktionsnachfolge siehe außerdem OVG NRW, Beschluss vom 14. Juli 2006 - 16 A 1536/04 -, juris Rn. 9; zum Übergang eines Schuldverhältnisses allein im Wege einer Funktionsnachfolge durch Zuständigkeitswechsel: OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 26. November 2014 - OVG 9 B 59.11 -, juris Rn. 38.
65Ausgehend hiervon kann von einer vor dem 1. Januar 2010 komplett abgeschlossenen Vermögensdisposition des Klägers keine Rede sein. Wenngleich die Fördermittel an den jeweiligen Zuwendungsempfänger ausgekehrt worden und die geförderten Einrichtungen zu diesem Zeitpunkt bereits in Betrieb waren, wird die vermögensrechtliche Relevanz dieser Zuwendungen auch nach der Funktionsnachfolge/dem Zuständigkeitswechsel über die gemeindehaushaltsrechtliche Wirksamkeit des „fiktiven Kredits Jugendhilfe“ und dessen „Restbuchwert“ - dazu sogleich - sowie die langfristige Zweckbindung der Förderung hergestellt.
66c) Die Vermögensverschiebung ist ohne Rechtsgrund erfolgt.
67Die Beklagte hat die Funktionsnachfolge in die Stellung eines örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe ab dem 1. Januar 2010 durch eine eigene Willensentscheidung herbeigeführt. Der Kläger hatte auf den Zuständigkeitswechsel gemäß § 69 Abs. 1 SGB VIII, §§ 1 ff. AG-KJHG NRW keinen Einfluss. Da diese Bestimmungen sich auf die Regelung der Zuständigkeiten im Bereich der öffentlichen Jugendhilfe beschränken, geben sie der Beklagten keinen Rechtfertigungsgrund, von dem Kläger aus eigenen (kreditfinanzierten) Mitteln bezuschusste Kindertageseinrichtungen zur Aufgabenerfüllung nach §§ 2, 22 ff. SGB VIII heranziehen zu dürfen, ohne dem Kläger dafür einen Vermögensausgleich zu zahlen.
68Dem Kommunalrecht sind ebenfalls keine Normen zu entnehmen, die die Vermögensverschiebung rechtfertigen und damit der Anwendung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs entgegenstünden. Aus dem Regelungsgefüge der Kreisumlage in § 56 KrO NRW ergibt sich geradezu das Gegenteil:
69Soweit die sonstigen Erträge eines Kreises die entstehenden Aufwendungen nicht decken, ist gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW eine Umlage nach den hierfür geltenden Vorschriften von den kreisangehörigen Gemeinden zu erheben (Kreisumlage). Die Kreisumlage ist ein wesentliches Instrument zur Erfüllung der gemäß § 53 Abs. 1 KrO NRW i.V.m. § 75 Abs. 2 GO NRW bestehenden Pflicht des Kreises zum Haushaltsausgleich. Mit der Kreisumlage soll, ohne dass eine Zurechnung zu bestimmten Aufgaben erfolgt, also ohne Berücksichtigung des Gesichtspunktes von Leistung und Gegenleistung und insofern steuerähnlich, der anderweitig nicht abgedeckte Finanzbedarf des Kreises von den Mitgliedskörperschaften nach ihrer finanziellen Leistungskraft befriedigt werden (sog. Grundsatz der Nachrangigkeit).
70Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. Februar 2005 - 15 A 130/04 -, DVBl. 2005, 652 = juris Rn. 23, vom 27. August 1996 - 15 A 4171/93 -, NWVBl. 1997, 75 = juris Rn. 5, und vom 5. März 1996 - 15 A 1190/93 -, NWVBl. 1996, 376 = juris Rn. 28; Klieve, in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Band II, Loseblatt, Januar 2015, § 56 KrO Anm. 1.2.
71Für den Bereich der Jugendhilfe trifft § 56 Abs. 5 KrO NRW jedoch eine besondere Kostenregelung. Sie stellt eine Abweichung vom dargestellten Ausgleichsprinzip der Kreisumlage dar, weil sie nur bestimmte kreisangehörige Gemeinden, die von der Aufgabenwahrnehmung durch den Kreis profitieren, mit einer Sonderumlage belastet, also äquivalent die Kosten zurechnet. Allerdings wird auch das Äquivalenzprinzip nicht in Reinform umgesetzt, da zwischen den von der Sonderumlage betroffenen Gemeinden nicht danach differenziert wird, welcher von ihnen die Aufgabenwahrnehmung durch den Kreis in besonders großem oder besonders geringem Maß zustattenkommt. Vielmehr wird ein Teil der kreisangehörigen Gemeinden, denen die Kosten des Kreises für die Jugendhilfe zugerechnet werden können, aus der Gesamtheit der Gemeinden des Kreises herausgelöst. Innerhalb dieser Gruppe herrscht jedoch wieder das Solidaritäts- und Ausgleichsprinzip vor, indem die Kosten nicht nach dem Verursachungsbeitrag verteilt werden, sondern wie bei der allgemeinen Kreisumlage.
72Vgl. Klieve, in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Band II, Loseblatt, Januar 2015, § 56 KrO Anm. 7.1; siehe außerdem OVG NRW, Urteil vom 20. November 2001 - 15 A 2905/97 -, NWVBl. 2002, 222 = juris Rn. 25 (zu § 45 Abs. 4 KrO NRW a. F.).
73In die Berechnung der Jugendamtsumlage können auch die Schuldendienste für zurückliegende Investitionen aus der Zeit vor der Änderung der Kreisordnung durch das Solidarbeitragsgesetz zum 1. Januar 1993 einbezogen werden. § 56 Abs. 5 KrO NRW stellt lediglich darauf ab, ob die Aufwendungen - nunmehr einschließlich Zinsen, kalkulatorischer Kosten und Ausgaben des Vermögenshaushalts - durch den Betrieb des Jugendamtes durch den Kreis entstanden sind. Damit fordert die Vorschrift eine kausale Verknüpfung zwischen der Wahrnehmung der Aufgabe und den hierfür notwendigen Aufwendungen im der Umlage zugrunde liegenden Haushaltsjahr. Zu der Frage des der Berechnung der Mehrbelastung zugrunde zulegenden Zeitraums, in dem die Investitionen getätigt wurden, trifft sie keine Aussage.
74Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. November 2001 - 15 A 2905/97 -, NWVBl. 2002, 222 = juris Rn. 9 ff. (zu § 45 Abs. 4 KrO NRW a. F.); Klieve, in: Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Band II, Loseblatt, Januar 2015, § 56 KrO Anm. 7.3.
75Aus dieser Zweckbestimmung und Systematik des § 56 KrO NRW lässt sich nicht ableiten, dass vor einer Funktionsnachfolge/einem Zuständigkeitswechsel getätigte, den Kreis weiter belastende Investitionskostenzuschüsse an freie Träger der Jugendhilfe für Einrichtungen der Jugendhilfe ohne Vermögensausgleich durch den neuen Träger der öffentliche Jugendhilfe bleiben. Im Gegenteil folgt aus § 56 Abs. 5 KrO NRW, der auch Fremdfinanzierungskosten des Kreises zur Erfüllung seiner Aufgaben als Träger der öffentlichen Jugendhilfe als umlagefähig ansieht, dass wegen damit verbundener Aufwendungen im Verhältnis zwischen dem Kreis und derjenigen kreisangehörigen Gemeinde, die davon profitiert, grundsätzlich ein Ausgleich stattfinden soll. Da dieser Ausgleich in Fallkonstellationen der vorliegenden Art nicht länger über § 56 Abs. 5 KrO NRW erfolgen kann und eine Einbeziehung der Aufwendungen in die allgemeine Kreisumlage dem Zweck der Vorschrift ebenfalls zuwiderliefe, kann die vermögens- und erstattungsrechtliche Lücke nur durch die Heranziehung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs geschlossen werden.
76d) Zuletzt kann die Beklagte dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch des Klägers keine Einwendungen entgegenhalten.
77§ 818 Abs. 3 und Abs. 4 BGB sowie § 819 BGB sind auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht entsprechend anwendbar. Die Ausübung dieses Anspruchs ist lediglich durch das Prinzip von Treu und Glauben begrenzt.
78Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2013 - 5 B 66.13 -, juris Rn. 5 und 13, Urteile vom 16. Dezember 2004 - 5 C 71/03 -, DVBl. 2005, 781 = juris Rn. 15, vom 18. Januar 2001 - 3 C 7.00 -, BVerwGE 112, 351 = DVBl. 2001, 991 = juris Rn. 27 ff., vom 12. März 1985 - 7 C 48.82 -, BVerwGE 71, 85 = DVBl. 1985, 850 = juris Rn. 14, und vom 18. Dezember 1973 - I C 34.72 ‑, NJW 1974, 2247 = juris Rn. 126.
79Aus dem Vorstehenden ergibt sich jedoch, dass der streitige Erstattungsanspruch gerade der normativen Güterzuordnung im Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten entspricht. Seine Geltendmachung kann daher nicht treuwidrig sein.
802. Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus § 291 BGB analog in Verbindung mit Ziffer 3 des von den Beteiligten geschlossenen Verfahrensvergleichs vom 17./24. Oktober 2012.
81Vgl. zum gesetzlichen Hintergrund dieses Zinsanspruchs zuletzt etwa BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D -, NVwZ 2014, 1523 = juris Rn. 44 f.
82Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
83Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, Nr. 11, 711 ZPO.
84Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
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(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn
- 1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder - 2.
die Erziehungsberechtigten - a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind, - b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder - c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.
(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe werden durch Landesrecht bestimmt.
(2) (weggefallen)
(3) Für die Wahrnehmung der Aufgaben nach diesem Buch errichtet jeder örtliche Träger ein Jugendamt, jeder überörtliche Träger ein Landesjugendamt.
(4) Mehrere örtliche Träger und mehrere überörtliche Träger können, auch wenn sie verschiedenen Ländern angehören, zur Durchführung einzelner Aufgaben gemeinsame Einrichtungen und Dienste errichten.
(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn
- 1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder - 2.
die Erziehungsberechtigten - a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind, - b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder - c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.
(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.
(1) Die öffentliche Jugendhilfe soll mit der freien Jugendhilfe zum Wohl junger Menschen und ihrer Familien partnerschaftlich zusammenarbeiten. Sie hat dabei die Selbständigkeit der freien Jugendhilfe in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben sowie in der Gestaltung ihrer Organisationsstruktur zu achten.
(2) Soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können, soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen.
(3) Die öffentliche Jugendhilfe soll die freie Jugendhilfe nach Maßgabe dieses Buches fördern und dabei die Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und Eltern stärken.
(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn
- 1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder - 2.
die Erziehungsberechtigten - a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind, - b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder - c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.
(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.
(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
- 1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat; - 3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,
- 1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.
(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.
(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe werden durch Landesrecht bestimmt.
(2) (weggefallen)
(3) Für die Wahrnehmung der Aufgaben nach diesem Buch errichtet jeder örtliche Träger ein Jugendamt, jeder überörtliche Träger ein Landesjugendamt.
(4) Mehrere örtliche Träger und mehrere überörtliche Träger können, auch wenn sie verschiedenen Ländern angehören, zur Durchführung einzelner Aufgaben gemeinsame Einrichtungen und Dienste errichten.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre.
(2) Verstößt der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten, so ist er von dem Empfang der Leistung an in der gleichen Weise verpflichtet.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.