Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 11. Feb. 2015 - 13 B 1296/14
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 16. Oktober 2014 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Münster zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe befindet, ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat den auf vorläufige Zulassung zum Bachelorstudiengang Lehramt an Grundschulen gerichteten Antrag der Antragstellerin zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, es fehle an einem hinreichenden Grund für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, weil die Antragstellerin bereits einen Studienplatz für das Lehramt an Grundschulen an der Universität Passau innegehabt habe. Sie habe trotz gerichtlicher Aufforderung nicht mitgeteilt, aus welchen Gründen sie diesen Studienplatz aufgegeben habe (1.). Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht (2.).
31. Ein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die wie hier auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, besteht, wenn dem Antragsteller ohne deren Erlass schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die nachträglich durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden können. Ein solcher wesentlicher Nachteil ist eine erhebliche Ausbildungsverzögerung und der damit verbundene unwiederbringliche Verlust von Studienzeit.
4Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 2004 - 1 BvR 356/04 -, NVwZ 2004, 1112, = juris, Rn. 21 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 4. März 2014 - 13 B 200/14 -, NWVBl. 2014, 272 = juris, Rn. 11, und vom 20. März 2013 - 13 C 91/12 -, juris, Rn. 12.
5An einem solchen Nachteil fehlt es, wenn der Studienbewerber das Studium im gewünschten Studiengang vorläufig an einer anderen Hochschule aufnehmen kann, etwa weil er dort bereits über einen Studienplatz verfügt oder einen solchen ohne Weiteres noch zeitnah erlangen kann. Ist dies der Fall und hat der Studienbewerber durch die vorläufige Aufnahme des Studiums an einer anderen Hochschule auch keine sonstigen erheblichen Nachteile zu erwarten,
6vgl. hierzu etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Juli 2013 - 13 C 21/13 -, juris, Rn. 8 (Berücksichtigung späterer Wechselmöglichkeiten an die Wunschuniversität), vom 12. Juli 2011 - 13 B 674/11 ‑, juris, Rn. 11 (persönliche Bindungen an den Studienort),
7kann er in zumutbarer Weise darauf verwiesen werden, das Bestehen des geltend gemachten Zulassungsanspruchs im Hauptsacheverfahren klären zu lassen.
8Ob der Studienbewerber in der Vergangenheit einen Studienplatz im gewünschten Studiengang bei einer anderen Hochschule hätte erlangen können, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, führte dies nicht dazu, dass die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ausscheidet.
9Anders noch OVG NRW, Beschluss vom 23. September 2011 - 13 C 58/11 -, juris, Rn. 2.
10Auch in einem solchen Fall fehlte es im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung,
11vgl. OVG NRW, Beschlüsse 4. März 2014 - 13 B 200/14 -, juris, Rn. 9, und vom 20. März 2013 - 13 C 91/12 -, NWVBl. 2013, 340 = juris, Rn. 7 ff.,
12weder an der Eilbedürftigkeit noch müsste sich der Studienbewerber regelmäßig entgegenhalten lassen, diese vorwerfbar oder mutwillig herbeigeführt zu haben.
13Zu diesem Gesichtspunkt: Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 84.
14Ausgehend hiervon hat die Antragstellerin einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie verfügt zwar über einen Studienplatz für den Studiengang Lehramt an Grundschulen (Staatsexamen) an der Universität Passau. Dort hat sie das Studium auch aufgenommen. Auf die vorläufige Fortführung des Lehramtsstudiums in Passau kann die Antragstellerin aber nicht verwiesen werden. Zwar mag allein der Umstand, dass das Lehramtsstudium in Passau nicht mit dem Bachelor, sondern mit dem Staatsexamen abschließt, für sich gesehen noch keinen wesentlichen Nachteil im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO darstellen.
15Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Juli 2013 - 13 C 21/13 -, juris, Rn. 8.
16Die Antragstellerin hat aber zutreffend darauf hingewiesen, dass es an der Vergleichbarkeit der Studiengänge,
17vgl. zu diesem Erfordernis OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2010 - 13 C 408/09 -, juris, Rn. 11,
18fehle, weil das Ausbildungsziel des von ihr angestrebten sechssemestrigen Bachelorstudiums ein anderes sei als das des siebensemestrigen Lehramtsstudiengangs in Passau. Sie hat weiterhin mit Schriftsatz vom 16. Januar 2015 nachvollziehbar dargelegt, dass sich die Studiengänge in Passau und Münster auch hinsichtlich ihres Gegenstandes und der Gewichtung der Fächer maßgeblich unterscheiden (Münster: Lernbereiche Mathematik, Deutsch und Sachunterricht; Passau: Sozialkunde, Didaktik in Mathematik, Deutsch und Kunst). Diesem Vortrag ist die Antragsgegnerin nicht ansatzweise entgegengetreten. Sie hat lediglich unter Verweis auf einen hier nicht einschlägigen Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 3. Juli 2013 - 2 ME 228/13 – (betreffend einen Masterstudiengang) ausgeführt, ihrer Ansicht nach komme es entscheidend (nur) darauf an, dass die Antragstellerin das Berufsziel „Lehramt an Grundschulen“ auch in Passau verfolgen könne. Damit lässt die Antragsgegnerin unberücksichtigt, dass es auf die Vergleichbarkeit der Studiengänge und nicht allein der Studienabschlüsse bzw. der Berufsziele ankommt, weil das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht des Studienbewerbers auf freie Wahl des Studiums auch das Recht umfasst, dessen inhaltliche Ausrichtung und Schwerpunktbildung frei zu wählen.
19Unklar insoweit OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2010 - 13 C 120/10 -, juris, Rn. 7.
20Der Verlust dieses Rechts würde in Kauf genommen, wenn der Anordnungsgrund stets schon mit der Begründung verneint werden könnte, der Betreffende könne an einer anderen Hochschule den gleichen Studienabschluss erwerben.
21Ist der Anordnungsgrund bereits wegen der fehlenden Vergleichbarkeit der Studiengänge zu bejahen, bedarf es keiner Erörterung der Frage, welche Bedeutung in diesem Zusammenhang dem Umstand beizumessen ist, dass Art. 12 Abs. 1 GG über das Recht auf eine freie Berufswahl auch das Recht gewährt, die Ausbildungsstätte und damit möglichst auch den Ausbildungsort frei zu wählen.
22Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1972 -1 BvL 32/70, 1 BvL 21 BvL 25/71 -, juris, Rn. 59, 71; BVerwG, Urteil vom 23. März 2011 - 6 CN 3.10 -, NVwZ 2011, 1135 = juris, Rn. 25.
232. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Die Voraussetzungen des entsprechend anzuwendenden § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen vor. Das Verwaltungsgericht hat noch nicht in der Sache selbst entschieden und die Beteiligten haben die Zurückverweisung beantragt.
24Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
25Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 2. Januar 2014 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Köln zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat Erfolg.
3I. Sie ist zulässig. Der Antragstellerin ist gemäß § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zu gewähren. Sie hat glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter ohne Verschulden verhindert war, die 2-Wochen-Frist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzuhalten. Auch wenn die Vollmacht ihn zur Einlegung von Rechtsmitteln ermächtigt, durfte er von der Einlegung eines Rechtsbehelfs (zunächst) absehen, weil er auf seine rechtzeitig abgesandte schriftliche Anfrage vom 8. Januar 2014, ob Beschwerde gegen den ihm am 6. Januar 2014 zugestellten Beschluss erhoben werden soll, nicht innerhalb der bis zum 20. Januar 2014 laufenden Beschwerdefrist eine Antwort seiner Mandantin erhalten hatte. Eine Sorgfaltspflichtverletzung der Antragstellerin oder ihres Prozessbevollmächtigten ist insoweit nicht anzunehmen. Das Schreiben ist nach der eidesstattlichen Versicherung der Mutter erst am 28. Januar 2014 zugegangen. Der Prozessbevollmächtigte verfügte nur über die Anschrift der Antragstellerin, unter der sie bisher erreichbar gewesen war; Anhaltspunkte für Schwierigkeiten bei der Postzustellung bestanden nicht.
4Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 8. März 1984 – 9 B 15204/82 -, NVwZ 1984, 521 (für das Asylrecht); Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 19. August 2002 – 1 K 288/02 -, juris.
5II. Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe befindet, ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat den auf die Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität bezogenen Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, sie habe ihn zu spät bei Gericht gestellt (1.). Dies führt zur Zurückverweisung (2.).
61. Für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung fehlen nicht deshalb Anordnungsgrund oder Anordnungsanspruch, weil die Antragstellerin den auf die vorläufige außerkapazitäre Zulassung gerichteten Antrag erst am 27. November 2013 bei Gericht gestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bestehe kein Bedürfnis mehr, weil der Antrag bei Gericht erst zu einem Zeitpunkt nach Beginn des Wintersemesters 2013/2014 rechtshängig geworden sei, zu dem ein sinnvoller Einstieg in dieses Semester nicht mehr möglich sei; dabei hat es ausdrücklich offen gelassen, ob dies die Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung oder das Fortbestehen des Teilhaberechts nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG betreffe. Dem ist nicht zu folgen. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest, dass es für den Erfolg eines Eilantrags auf Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Kapazität ausschlaggebend ist, ob der Bewerber im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit noch ordnungsgemäß in den laufenden Studienbetrieb eingegliedert werden kann und seine erfolgreiche Teilnahme an den Lehrveranstaltungen des Bewerbungssemesters gewährleistet ist.
7Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 2012 - 13 C 76/11 -, juris, vom 15. Mai 2008 - 13 C 165/08 -, NVwZ-RR 2008, 703 -, vom 19. Oktober 2007 - 13 C 144/07 -, juris, und vom 12. Mai 2004 - 13 C 507/04 -, juris.
8Er schließt sich damit im Ergebnis der Rechtsprechung anderer Obergerichte an.
9Vgl. BayVGH, Beschluss vom 27. April 2005 – 7 CE 05.10057 u.a. -, juris Rn. 8 ff. (bis zum Ende des Bewerbungssemesters), OVG Saarl., Beschluss vom 16. November 2009 – 2 B 469/09.NC -, NVwZ-RR 2010, 434 (bis zum Ende des Bewerbungssemesters); wie hier auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 11. August 2003 – NC 9 S 28/03 -, NVwZ-RR 2004, 37 = juris Rn. 5, Hess.VGH, Beschluss vom 15. März 2002 – 8 WX 407/02 -, NVwZ-RR 2002, 750 = juris Rn. 5, sowie Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Auflage 2003, Rn. 34; a. A. OVG M.-V., Beschluss vom 22. April 2009 – 1 M 22/09 -, juris (sinnvoller Einstieg); OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 13. Januar 2003 – 6 D 11940/02 -, juris (sinnvoller Einstieg); Sächs. OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2011 – NC 2 B 315/11 -, SächsVBl. 2012, 90 (1. Vorlesungstag, es sei denn gerichtliche Entscheidung wird nicht verzögert); OVG Hamburg, Beschlüsse vom 5. Juli 2002 - 3 Nc 6/02 -, juris, und vom 24. Juni 1991 – Bs III 193/91 -, NVwZ-RR 1992, 22 (1. Vorlesungstag bzw. 2 Wochen nach Bekanntgabe des innerkapazitären Ablehnungsbescheids); offen gelassen vom Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2012 – 2 NB 220/12 -, juris Rn. 6 f.; Rechtsprechungsüberblick bei Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Band 1, 2011, Rn. 137 ff.
10a. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Anordnungsgrund ist zu bejahen, wenn eine vorläufige gerichtliche Entscheidung notwendig ist, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Ist dies der Fall, ist es ihm nicht zuzumuten, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. März 2013 – 13 C 91/12 -, NWVBl. 2013, 340 = juris, Rn. 7 ff.; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 123 Rn. 80.
12Hiervon ausgehend besteht für die Gewährung von Eilrechtsschutz für die vorläufige Zulassung zum Studium grundsätzlich ein Anordnungsgrund, wenn - wie hier - mit dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens regelmäßig erst nach längerer Prozessdauer zu rechnen ist. Die unwiederbringlich verlorene Studienzeit durch eine rechtsfehlerhaft verweigerte Zulassung stellt schon für sich genommen einen nicht hinnehmbaren Nachteil dar.
13Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. März 2013 – 13 C 91/12 -, juris, Rn. 12.
14Es kann offen bleiben, ob ausnahmsweise eine andere Betrachtung geboten ist, wenn die Dringlichkeit und die vom Antragsteller befürchteten Nachteile auf einem vorwerfbaren Verhalten beruhen, mit der Folge, dass er auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden dürfte.
15Vgl. zu diesem Gesichtspunkt Puttler, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 123 Rn. 84.
16Die Antragstellung bei schon fortgeschrittenem Bewerbungssemester reicht hierfür jedenfalls nicht aus. Nicht daraus resultiert die Dringlichkeit, sondern aus dem Umstand, dass der Teilhabeanspruch bei einem Abwarten des Hauptsacheverfahrens zunächst nicht verwirklicht werden kann. Darin liegt der wesentliche Nachteil. Hiervon ausgehend entfällt die Dringlichkeit auch nicht mit Semesterbeginn oder zu dem Zeitpunkt, an dem ein sinnvoller Einstieg in das Bewerbungssemester und die erfolgreiche Teilnahme an den Lehrveranstaltungen dieses Semesters nicht mehr möglich sind. Der Antragsteller im gerichtlichen Eilverfahren begehrt nicht die Teilnahme an den Lehrveranstaltungen, sondern die (vorläufige) Zulassung zum Studium nach den Rechtsverhältnissen des Bewerbungssemesters.
17Vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 1. September 2008 - 7 CE 08.1857 -, NVwZ-RR 2009, 113.
18Auch wenn ein geordnetes, das vorgegebene Curriculum abdeckendes Studium die Teilnahme an allen für das Semester vorgesehenen Pflichtveranstaltungen über das gesamte Semester voraussetzt, ist der einstweilige Rechtsschutzantrag nicht auf den tatsächlichen Zugang zu diesen Lehrveranstaltungen, sondern auf die vorläufige Zuteilung eines Studienplatzes gerichtet. Der Antragsteller möchte nach den für das Bewerbungssemester maßgeblichen Regeln und tatsächlichen Verhältnissen zum Studium zugelassen werden. Dieser Anspruch bedarf zur Vermeidung wesentlicher Nachteile der Regelung durch eine einstweilige Anordnung.
19Auf eine erneute Antragstellung für das nächste Semester kann der Studienbewerber schon deshalb nicht verwiesen werden, weil die Verfügbarkeit und Zuteilung außerkapazitärer Studienplätze ungewiss ist. Die Verwirklichung des Teilhabeanspruchs hängt von der Bewerbungssituation ab, die sich rechtlich und tatsächlich von Semester zu Semester ändern kann.
20Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1973 – VII C 7.71 –, BVerwGE 42, 296 = juris Rn. 16.
21Bei nur jährlich beginnenden Studiengängen ginge zudem ein weiteres Semester, bei einem Abwarten des Hauptsacheverfahrens regelmäßig noch mehr Zeit unwiederbringlich verloren.
22Es wäre mangels entsprechender Normierung einer Antragsfrist auch mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar, den Anordnungsgrund nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO mit einer durch die Gerichte selbst definierten Zeitgrenze zu verknüpfen. Im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Individualrechtsschutzverfahrens, das der Durchsetzung eines verfassungsmäßig gewährleisteten Rechts dient, dürfen die Fachgerichte etwa bestehende Regelungslücken nicht in der Weise schließen, dass die effektive Rechtsdurchsetzung darunter leidet. Der Anordnungsgrund kann im Hinblick auf die Gewähr effektiven Rechtsschutzes insbesondere dann nicht vom Zeitpunkt der Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes abhängig gemacht werden, wenn das Verwaltungsgericht ohnehin bis zum Tag der Rechtshängigkeit nicht in den sonstigen Eilverfahren über die Zuteilung außerkapazitärer Studienplätze entschieden hatte. Abgesehen davon schließt es die Verfahrensdauer über zwei Instanzen in der Regel aus, dass der Antragsteller, selbst wenn er frühzeitig seinen Eilantrag anhängig macht, noch an Lehrveranstaltungen des Bewerbungssemesters teilnehmen kann. Scheitert ein sinnvolles Studium im Bewerbungssemester am Zeitablauf bei Gericht, ist dies aus verfahrensrechtlicher Sicht unerheblich. Es besteht für das Gericht auch kein prozessuales Hindernis, in eine nachträgliche Entscheidung über außerkapazitäre Anträge Antragsteller einzubeziehen, die erst im Laufe des betreffenden Semesters einen entsprechenden Antrag gestellt haben.
23Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2005 – 1 BvR 584/05 -, juris Rn. 17; siehe auch BVerfG, Beschlüsse vom 18. März 2005 – 1 BvR 584/05 -, juris Rn. 11, und vom 4. Februar 2003 – 1 BvR 89/03 -, NVwZ 2003, 857 = juris Rn. 9; BayVGH, Beschlüsse vom 27. April 2005 – 7 CE 05.10057 u.a. -, juris Rn. 13; OVG Saarl., Beschluss vom 16. November 2009 – 2 B 469/09.NC -, juris Rn. 53; Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, S. 781 ff.
24Im Übrigen könnte der Antragstellerin hier schon deshalb nicht vorgeworfen werden, nicht alles Mögliche und Zumutbare getan zu haben, weil sie sich nach ihren glaubhaften Angaben zunächst – den Vorgaben der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts entsprechend – bemüht hat, Hochschulen zu ermitteln, an denen der begehrte Studiengang zulassungsfrei ist. Als sich dies als erfolglos erwies, hat sie beim Verwaltungsgericht den vorläufigen Rechtsschutzantrag gestellt.
25b. Auch der Anordnungsanspruch, d.h. der materiell-rechtliche Anspruch auf Zulassung zum Studium, ist wegen der späten Antragstellung bei Gericht nicht zu verneinen. Der Anspruch auf Teilhabe an vorhandenen Studienplatzkapazitäten aus Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG, dessen Wahrung der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung dient, ist nicht dadurch erloschen, dass die Antragstellerin ihren Rechtsschutzantrag erst zu einem Zeitpunkt anhängig gemacht hat, in dem nach Auffassung des Verwaltungsgerichts eine sinnvolle Eingliederung in das laufende Semester nicht mehr möglich war.
26Insoweit ist zwischen der rechtzeitigen außerkapazitären Bewerbung an der Universität und der Stellung des Antrags nach § 123 VwGO zu unterscheiden.
27Vgl. in diese Richtung auch OVG M.-V., Beschluss vom 22. April 2009 – 1 M 22/09 -, juris Rn. 17; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 11. August 2003 – NC 9 S 28/03 -, juris Rn. 5; Hess.VGH, Beschluss vom 15. März 2002 – 8 WX 407/02 -, NVwZ-RR 2002, 750 = juris Rn. 4.
28Wird der Antrag auf außerkapazitäre Zulassung so spät bei der Universität gestellt, dass er nicht mehr erfüllt werden kann, ist er auf etwas Unmögliches gerichtet und ein materiell-rechtlicher Anspruch deshalb zu verneinen. Will ein Studienbewerber in das Verfahren zur Verteilung ungenutzter Studienplatzkapazitäten einbezogen werden, muss er sich im eigenen sowie im Interesse der Hochschule und der Mitbewerber zu einem Zeitpunkt bei ihr bewerben, in welchem dies sowie ein sinnvolles Studium noch möglich sind, die etwa vorhandene Kapazität also auch noch genutzt werden kann.
29Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2005 - 1 BvR 584/05 -, juris Rn. 20; OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Oktober 2007 - 13 C 144/07 -, juris Rn. 3 ff., vom 12. Mai 2004 – 13 C 507/04 -, juris, und vom 24. März 1977 – XIII B 19/77 -, DÖV 1977, 711 = juris, Rn. 6 ff.; OVG M.-V., Beschluss vom 22. April 2009 – 1 M 22/09 -, juris.
30Die Antragstellerin hat rechtzeitig innerhalb der in Nordrhein-Westfalen seit dem Wintersemester 2008/2009 ohnehin geltenden Ausschlussfrist des § 23 Abs. 5 Satz 1 VergabeVO NRW, die für das Wintersemester eine Antragstellung bis zum 1. Oktober verlangt, einen außerkapazitären Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt. Mit dieser Frist wird gewährleistet, dass bereits zu Beginn des maßgeblichen Semesters und vor Beginn der Vorlesungen die Bewerbersituation überschaubar ist und die Auswahl- und Vergabeverfahren unter allen Bewerbern zeitgerecht bis zum Beginn der Vorlesungen in dem Semester abgeschlossen werden, und ihnen damit ein ordnungsgemäßes Studium über das gesamte Semester ermöglicht wird.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2010 – 13 C 122/10 -, juris Rn. 9.
32Davon zu unterscheiden ist die Frage der gerichtlichen Geltendmachung. Deren Zeitpunkt wirkt sich auf das Bestehen des materiell-rechtlichen Teilhabeanspruchs nicht aus. Der rechtzeitig bei der Hochschule geltend gemachte Anspruch auf Teilhabe an bisher nicht ausgeschöpften Kapazitäten steht dem Bewerber – auch zu einem späten Zeitpunkt im Semester – weiterhin zu, solange die Hochschule ihn nicht bestandskräftig abschlägig bescheidet. Hier ist, soweit ersichtlich, bis heute kein ablehnender Bescheid ergangen. Andernfalls sichert eine rechtzeitige Klageerhebung den materiellen Anspruch. Der mit dem vorläufigen Rechtsschutzantrag verfolgte Teilhabeanspruch wird auch nicht durch Zeitablauf gegenstandslos, wenn das Semester schon begonnen hat oder so weit fortgeschritten ist, dass das Ausbildungsziel des Semesters nicht mehr erreicht werden kann. Der Antragsteller im gerichtlichen Eilverfahren begehrt, wie ausgeführt, nicht die Teilnahme an den Lehrveranstaltungen, sondern die Zuweisung des Studienplatzes nach den Rechtsverhältnissen des Bewerbungssemesters. Dieser Anspruch ist auch dann noch erfüllbar, wenn ein sinnvoller Einstieg in das Semester nicht mehr möglich ist; tatsächlich befriedigt wird er durch die Teilnahme an den Lehrveranstaltungen ab dem nächst möglichen Termin. Dementsprechend erledigt sich nach der ständigen und verfassungsgerichtlich gebilligten Rechtsprechung ein Zulassungsbegehren auch nicht mit dem Ende des Bewerbungssemesters und ist für die gerichtliche Entscheidung auf die für die Zulassung maßgeblichen Regeln und tatsächlichen Verhältnisse im Bewerbungssemester abzustellen. Das Recht auf Zulassung zum Studium wird durch die in jedem Semester verschiedenen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs konkretisiert und damit auch verselbständigt.
33Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1973 - VII C 7.71 -, BVerwGE 42, 296 = juris Rn. 16 f.; BVerfG, Beschlüsse vom 9. April 1975 – 1 BvR 344/73 -, BVerfGE 39, 258 = juris Rn. 45 ff., und vom 3. Juni 1980 – 1 BvR 967/78 u.a. -, BVerfGE 54, 173 = juris Rn. 59.
34Dass diese Rechtsprechung verfassungsrechtlich geboten ist, weil die Verwirklichung der Grundrechte nicht darunter leiden darf, dass das Gericht erst spät, ggf. erst nach Semesterende, entscheidet, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Würde der materiell-rechtliche Anspruch durch Zeitablauf erlöschen, müsste das in gleicher Weise für zu Semesterbeginn gestellte, aber erst nach Ablauf zur Entscheidung anstehende Rechtsschutzanträge gelten. Vielmehr wird der prozessuale Bestandsschutz dadurch erreicht, dass der materielle Anspruch vor inhaltlicher Entleerung durch bloßen Zeitablauf dadurch geschützt wird, indem sich das Verfahren rechtlich weiter auf ein bestimmtes, nämlich das Antragssemester bezieht. Ist aber aus Gründen des materiellen Rechts die Realisierung des Zulassungsantrags losgelöst vom Lehrbetrieb des Bewerbungssemesters, muss die rechtliche Verselbstständigung des Zulassungsanspruchs gegenüber dem Semesterlauf auch für die Geltendmachung des Anordnungsanspruchs gelten.
35Vgl. Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, S. 777, 783 f.
362. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Die Voraussetzungen des hier entsprechend anzuwendenden § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen vor. Das Verwaltungsgericht hat noch nicht in der Sache selbst entschieden und die Antragstellerin hat die Zurückverweisung beantragt. An dieser Beurteilung ändert der Umstand nichts, dass das Verwaltungsgericht es offen gelassen hat, ob die aus seiner Sicht verspätete Antragstellung zur fehlenden Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes oder des Anordnungsanspruchs führe. Das Gericht hat über den außerkapazitären Zulassungsanspruch in der Sache nicht entschieden, insbesondere die Kapazitätsunterlagen nicht angefordert und die erforderliche Kapazitätsberechnung nicht vorgenommen.
37Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.
38Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
39Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Das Oberverwaltungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Das Oberverwaltungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Verwaltungsgericht nur zurückverweisen,
- 1.
soweit das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist oder - 2.
wenn das Verwaltungsgericht noch nicht in der Sache selbst entschieden hat
(3) Das Verwaltungsgericht ist an die rechtliche Beurteilung der Berufungsentscheidung gebunden.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.