Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 01. Juni 2007 - 3 M 58/07
Gericht
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 26.05.2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass zusätzlich zu den durch das Verwaltungsgericht festgelegten Auflagen folgende Auflagen durch die Antragstellerin zu beachten sind:
1. Die Anzahl der Teilnehmer an der Mahnwache darf 15 nicht übersteigen.
2. Die Mahnwache muss eine Entfernung von mindestens 100 m von der Straße und 200 m von dem Zaun einhalten.
3. Die Teilnehmer müssen der Antragsgegnerin 24 Stunden vor Beginn der Mahnwache namentlich benannt werden.
4. Die Antragsgegnerin ist ermächtigt, gemäß § 15 Abs. 1 VersG weitere Modalitäten der somit gestatteten Versammlung unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch Auflagenbescheid selbst zu regeln.
5. Die Entscheidung ergeht unbeschadet privater Rechte Dritter.
Die Antragsgegnerin und die Antragstellerin tragen die Kosten je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Die Antragstellerin hat für den 05.06.2007 eine Versammlung in Form einer Mahnwache zum G 8-Gipfel in H angemeldet. Die Mahnwache soll am östlichen Eingang der technischen Sperre stattfinden. Mit am 17.05.2007 bekannt gegebener Allgemeinverfügung vom 16.05.2007 hat die Antragsgegnerin alle öffentlichen Versammlungen u.a. in einem Gebiet innerhalb der sog. technischen Sperre um H zuzüglich 200 m (Zone I) für den Zeitraum vom 30.05.2007 bis 08.06.2007 sowie im Gebiet um H (Zone II) alle unangemeldeten öffentlichen Versammlungen für den Zeitraum vom 30.05.2007 bis 08.06.2007 und alle öffentlichen Versammlungen für den Zeitraum vom 05.06.2007 bis 08.06.2007 untersagt. Der Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 16.05.2007 mit, dass die Mahnwache wegen Verstoßes gegen die Verbote der Allgemeinverfügung nicht stattfinden könne.
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Auf den Antrag der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin gegen die Allgemeinverfügung mit Auflagen teilweise wiederhergestellt. Danach darf die Mahnwache in oder bei dem Ort V nicht näher als 200 m vor der technischen Sperre stattfinden.
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Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde.
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Sie beantragt,
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unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts den Antrag zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin beantragt als Beschwerdeführerin,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie hält die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für nicht gegeben. Sie wendet sich gegen die Allgemeinverfügung soweit sie an sie selbst gerichtet ist.
II.
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Die Beschwerde ist nach Maßgabe des Vorbringens in der Beschwerdeschrift gemäß § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO zu beurteilen (vgl. BVerfG, B. v. 27.1.2006 – 1 BvQ 4/06).
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1. Der Antrag ist sachgerecht in der Hauptsache darauf gerichtet, festzustellen, dass die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin für die angemeldete Veranstaltung der Antragstellerin nicht gilt. Für die generelle Anfechtung der Allgemeinverfügung über die Regelungswirkung gegen die angemeldete Veranstaltung hinaus fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Dementsprechend ist der Antrag in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO darauf gerichtet, festzustellen, dass sich die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Allgemeinverfügung, die auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO gestützt ist, nicht auf die hier angemeldete Versammlung bezieht. Dieser Antrag hat aus dem in Tenor niedergelegten Umfang Erfolg.
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Bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass oder einen bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum bezogen sind, haben die Verwaltungsgerichte im Interesse des effektiven Schutzes der Versammlungsfreiheit schon im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO durch eine im Rahmen des Möglichen hinreichend intensive Prüfung der Rechtmäßigkeit der im Streit befindlichen behördlichen Maßnahme sowie des Sofortvollzugs dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Letzterer in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Weise führt (BVerfG, U. v. 03.03.2004 – 1 BvR 461/03).
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2. Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Allgemeinverfügung als rechtmäßig.
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a) Die Antragstellerin ist zu Unrecht der Auffassung, dass die Antragsgegnerin für den Erlass der angefochtenen Verfügungen nicht zuständig ist. Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich aus § 2 a der Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Versammlungsgesetz (VersG-ZustVO) vom 21.07.1994 – GVOBl. M-V 1994, S. 804 i.d.F. der Verordnung vom 19.1.2007 – GVOBl. M-V 2007, S. 30. Diese Vorschrift ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Dies ergibt sich aus der Chronologie der Zuständigkeitsregelungen für das Versammlungsgesetz.
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Mit Wirkung vom 21.06.1994 bestimmte Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform vom 05.05.1994 – GVOBl. M-V 1994, S. 566, dass die Aufgaben nach dem Versammlungsgesetz auf die Landkreise und die kreisfreien Städte übertragen werden, soweit nicht durch das Versammlungsgesetz oder durch Rechtsverordnung bestimmte Aufgaben staatlichen Behörden vorbehalten werden. Diese Aufgabendelegation erfolgte in den übertragenen Wirkungskreis der kommunalen Körperschaften. Von deren Inanspruchnahme im eigenen Wirkungskreis (pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben) oder in Form der Organleihe, wonach die Landräte bzw. die Oberbürgermeister (Bürgermeister) der kreisfreien Städte als untere staatliche Behörden bestimmt werden, wurde abgesehen (LT-Drs. 1/3835 S. 2). Damit stellt § 2 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Versammlungsgesetz (VersG-ZustVO) vom 21.07.1994 – GVOBl. M-V 1994, S. 804, der, gestützt auf § 1 Abs. 1 des Zuständigkeitsneuregelungsgesetzes vom 20.12.1990 – GVOBl. M-V S. 2, bestimmt, dass die Landräte und die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte als Kreisordnungsbehörden die nach dem Versammlungsgesetz sachlich zuständigen Behörden sind, lediglich eine Wiederholung des Grundsatzes von Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform dar.
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Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform enthält keine eigenständige Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung. Er bestimmt vielmehr, dass die Übertragung auf die Selbstverwaltungskörperschaften unter dem Vorbehalt steht, dass nicht bestimmte Aufgaben auf staatliche Behörde durch das Versammlungsgesetz oder Rechtsverordnung übertragen werden. Dies ist durch § 2a VersG-ZustVO geschehen. Ermächtigungsgrundlage dieser Regelung ist § 14 Abs. 1 S. 1 des Organisationsgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Landesorganisationsgesetz – LOG M-V) vom 14.03.2005 – GVOBl. M-V 2005, S. 98. Danach kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung die zuständige Behörde bestimmen, wenn zur Ausführung von Bundesrecht eine Behörde nicht bestimmt ist. Eine solche Bestimmung trifft Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform indes nicht, da er auf eine anderweitige Regelung durch Rechtsverordnung verweist. Nach Abs. 2 sind bei der Zuständigkeitszuweisung die Maßgaben des § 3 zu beachten; mit der Zuständigkeitszuweisung wird zugleich die Aufgabe übertragen. § 14 Abs. 1 LOG M-V genügt den Anforderungen nach Art. 57 Abs. 1 Satz 2 Landesverfassung M-V (LV). Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen im Gesetz bestimmt werden. Das Parlament soll sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht dadurch entäußern können, dass es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, ohne die Grenzen dieser Kompetenzen bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu haben, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. Die Ermächtigung muss in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein; sie hat nur hinreichend bestimmt zu sein. Dazu genügt es, wenn sich die dort geforderte Bestimmtheit durch Auslegung nach den allgemein gültigen Auslegungsmethoden ermitteln lässt. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm kann herangezogen werden. Welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist von den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes sowie der Intensität der Maßnahme abhängig. Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muss vor allem der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird. Greift die Regelung erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, so müssen höhere Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung gestellt werden, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert (vgl. BVerfG, B. v. 18.07.2005 – 2 BvF 2/01 – BVerfGE 113, 167 = NVwZ 2006, 559).
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Danach ist § 14 Abs. 1 LOG M-V wegen des Umstandes, dass er lediglich zu Regelungen der Zuständigkeit ermächtigt, hinreichend bestimmt, da nur eine eng begrenzte Ermächtigung ausgesprochen wird, die für sich genommen nicht geeignet ist, eine Verordnung mit Ermächtigung zu Maßnahmen zu erlassen. Dies gilt auch für § 14 Abs. 2 S. 2 LOG M-V, wonach mit der Zuständigkeitszuweisung auch die Aufgabe übertragen wird. Bei beiden Normen ist auch zu beachten, dass sich der Umfang der Zuständigkeit und der übertragenen Aufgabe durch das jeweilige Bundesgesetz ergibt.
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§ 2a VersG-ZustVO ist auch mit dem gesetzlichen Vorbehalt des Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform vereinbar, weil er "bestimmte Aufgaben" nach dem Versammlungsgesetz betrifft. Die Regelung soll eine generelle Verlagerung der Zuständigkeit durch Rechtsverordnung ausschließen. Als bestimmte Aufgabe kann aber auch die Regelung der Zuständigkeit im Zusammenhang mit einem Großereignis wie im vorliegenden Fall angesehen werden. Der Aspekt der Bündelungsfunktion als Regelungsinhalt des Artikels 7 des Gesetzes über die Funktionalreform wird nicht zuletzt aus der Begründung des Gesetzentwurfes, LT-Drs. 1/3835 S. 26, deutlich. Es erscheint ausgeschlossen anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine Regelung hat treffen wollen, nach der eine solche Bündelung auch bei einem möglicherweise sehr viel kurzfristiger angesetzten Großereignis durch Änderung der Zuständigkeiten nur durch Gesetz möglich sein sollte.
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Das Zitiergebot nach Art. 57 Abs. 1 S. 3 LV ist beachtet. Der Einleitungssatz der "Erste(n) Landesverordnung zur Änderung der Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Versammlungsgesetz" vom 19.01.2007 enthält den Hinweis auf § 14 Abs. 1 S. 1 LOG M-V. Nicht erforderlich ist, dass Artikel 1 dieser Verordnung, der die Änderungsbefehle für die VersG-ZustVO enthält, seinerseits – nochmals – § 14 Abs. 1 S. 1 LOG M-V zitiert. Die Pflicht zur Bezeichnung der Rechtsgrundlage bezieht sich gemäß Art. 57 Abs. 1 S. 1 LV auf alle Normen, die – nicht sachwidrig – jeweils zu einer Rechtsverordnung als rechtstechnische Einheit zusammengefasst werden. Dies entspricht der Staatspraxis (Nierhaus in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80 Abs. 1 Rn. 323). Demgemäß entspricht es auch der Staatspraxis, dass bei dem Erlass oder der Änderung mehrerer Rechtsverordnungen in der Präambel der Mantelverordnung die jeweiligen Ermächtigungsgrundlagen für die nachfolgenden, jeweils einen einzelnen Artikel zugewiesenen Rechtsverordnungen genannt werden (Schneider: Gesetzgebung, 3. Auflage 2002, Rn. 241 Fußnote 21). Dass im vorliegenden Fall ein Hinweis auf Artikel 1 in der Präambel nicht enthalten ist, erklärt sich daraus, dass Artikel 2 lediglich die Inkrafttretens-Regelung der Änderungsverordnung enthält und somit keine dem Zitiergebot unterliegende eigenständige Regelung beinhaltet.
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b) Der Senat hält die Beschränkungen der Versammlungsfreiheit in der hier allein betroffenen Zone II durch die Allgemeinverfügung grundsätzlich für rechtmäßig.
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aa) Rechtsgrundlage der Allgemeinverfügung ist § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz. Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist. Es kann dahinstehen, ob diese Vorschrift ein sogenanntes "Flächenverbot" rechtfertigt (ablehnend Dietel/Gintzel/Kniesel: Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, 14. Aufl. § 15 Rn. 16; Köhler/Dürig-Friedl: Demonstrations- und Versammlungsrecht 4. Aufl. § 15 Rn. 6). Ein solches Flächenverbot steht hier nicht in Rede. Es liegt nur dann vor, wenn jedwede Versammlung unabhängig von Anlass und Zeitpunkt an einem bestimmten Ort untersagt wird (Kniesel/Poscher in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Rn. J 364). Hier beinhaltet die Allgemeinverfügung kein generelles Verbot zur Abhaltung von Versammlungen im Bereich der Zonen I oder II, sondern nur ein zeitlich beschränktes und auf einen bestimmten Anlass bezogenes generelles Verbot. Die Allgemeinverfügung verbietet nicht die Durchführung von Versammlungen, beschränkt aber für einen bestimmten Zeitraum die Modalitäten in örtlicher Hinsicht. Auf diese Weise wird das Recht zur Bestimmung des Orts einer Versammlung beschränkt.
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Der Allgemeinverfügung steht nicht entgegen, dass es sich nicht um eine Verfügung im Sinne von § 35 S. 2 zweite oder dritte Alternative VwVfG M-V handelt. Nach der hier allein in Betracht kommenden ersten Alternative dieser Vorschrift ist eine Allgemeinverfügung ein Verwaltungsakt auch dann, wenn er sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet. Es ist anerkannt, dass eine solche Allgemeinverfügung, die sich an eine Vielzahl von Veranstaltern richtet, im Sinne von § 35 Satz 2 Alt. 1 VwVfG M-V als Verbot an alle, die es angeht, auf § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz gestützt werden kann. Voraussetzung hierfür ist ein nach objektiven Merkmalen bestimmbares Gesamtgeschehen (Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 15 Rn. 17; Hättrich: Versammlungsrecht in der kommunalen Praxis Rn. 208). Im vorliegenden Fall wird durch die Allgemeinverfügung – lediglich – das Selbstbestimmungsrecht der Veranstalter auf die Bestimmung des Orts der Versammlung tangiert, soweit es um Versammlungen im konkreten Zusammenhang mit dem so genannten G 8-Gipfel geht.
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bb) Die Allgemeinverfügung mit dem Verbot in Zone II für die Zeit vom 05. bis 08.06.2007 ist auch inhaltlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 31.05.2006 – 3 M 53/07 ausgeführt:
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"aa. In einem ersten Schritt sind die Rechtsgüter und deren Gewicht zu ermitteln, die mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit kollidieren.
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Eines dieser Rechtsgüter sind die Beziehungen des Bundes zu auswärtigen Staaten. Deren Pflege ist gem. Art. 32 Abs. 1 GG Sache des Bundes. Wenn – wie hier – der Besuch ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungschefs in der Bundesrepublik Deutschland nach der gerichtlich nicht zu überprüfenden Einschätzung der zuständigen Organe des Bundes der Wahrung der guten Beziehungen zu ausländischen Staaten dient, ist dieser gemäß Art. 32 GG verfassungsrechtlich geschützte Belang Teil der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. BVerfG 1. Senat 2. Kammer, B. v. 10.09.1987 – 1 BvR 1112/87 – NJW 1987, 3245; Rojahn in: von Münch/Kunig: Grundgesetzkommentar, 5. Aufl. Bd. II Art. 32 Rn. 28). Das Gewicht dieses Belanges kann nicht dadurch infrage gestellt oder gemindert werden, dass die Veranstalter der Versammlungen die Legitimität der Konferenz und deren Anliegen bezweifeln. Dies würde auf eine unzulässige politische Bewertung durch das Gericht hinauslaufen. Eine etwaige politische Einschätzung der Veranstalter können sie vielmehr im Rahmen der nach Art. 8 Abs. 1 GG garantierten Versammlungsfreiheit nach Maßgabe der oben dargelegten Abwägungsgrundsätze mit Wirkung für die Öffentlichkeit äußern. Soweit auswärtige Beziehungen durch Demonstrationen und Kundgebungen gegenüber fremden Staaten, die eine Duldung derartiger Vorgänge als unfreundlichen Akt empfinden, belastet werden, können daher die zuständigen Behörden – unter Beachtung von Art. 8 GG – eingreifen (Rojahn a.a.O.). Zu den relevanten außenpolitischen Gesichtspunkten zählt nach Auffassung des Senats auch die Frage der persönlichen Sicherheit der Staatsgäste. Eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit im Hinblick auf den Ort einer Veranstaltung ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht erst dann gerechtfertigt, wenn die konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines der Staatsgäste oder der Delegationen dargelegt ist. Vielmehr darf die Antragsgegnerin grundsätzlich davon ausgehen, dass es im außenpolitischen Interesse liegt, wenn Gefahren bereits im Vorfeld einer konkreten Gefährdung nach Möglichkeit abgewendet werden. Insoweit verweist die Allgemeinverfügung in ihrer Begründung S. 3 unter II. 1 Abs. 1 rechtlich unangreifbar auch auf das Ansehen der Bundesrepublik, die als Gastgeberstaat für den Schutz der Staatsgäste verantwortlich ist. Wie die Vertreter der Antragsgegnerin im Erörterungstermin dargelegt haben, legen die Mitglieder der Delegationen größten Wert darauf, dass die Zone I ein uneingeschränktes Sicherheitsfeld darstellt und sich dort nur überprüfte Personen aufhalten dürfen.
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Als weiteres Rechtsgut ist das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Recht auf körperliche Unversehrtheit zu berücksichtigen. Unmittelbar verfassungsgeboten ist danach auch die Gefahrenvorsorge durch Rechtsetzung und weitere Maßnahmen staatlicher Steuerung (vgl. Kunig in Münch/Kunig, a.a.O., Bd. I Art. 2 Rn. 68). Diese lassen vorliegend für die in der Zone I anwesenden Personen (neben den Staatsgästen etwa deren Delegationsmitglieder, Sicherheits- und Servicepersonal und nicht zuletzt die Einwohner von Heiligendamm) eine ausreichende Vorsorge gegenüber gewalttätigen Übergriffen wie auch das Vorhalten ausreichender Rettungs- und medizinischen Versorgungsmöglichkeiten, wie sie dem unten unter 4. näher dargelegten Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin zugrunde liegen, für erforderlich erscheinen.
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Auf der anderen Seite ist das Gewicht des Grundrechtes aus Art. 8 Abs. 1 GG einzustellen. Art. 8 GG schützt allerdings ein Selbstbestimmungsrecht über die Art der kommunikativen Äußerung nicht, soweit durch sie Rechtsgüter anderer beeinträchtigt werden. Diese Beschränkung betrifft auch die Verwirklichung des von Art. 5 und 8 GG grundsätzlich miterfassten Anliegens, mit der Äußerung Aufmerksamkeit bei Anwesenden (und in den Medien) zu erzielen (vgl. BVerfG, 1. Senat 1. Kammer, B. v. 26.03.2001, a.a.O.). Die Versammlungsfreiheit ist als wesentliches Element der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung geschützt (vgl. BVerfG, B. v. 14.05.1985 – 1 BvR 233/81 u.a. –, BVerfGE 69, 315) und kann grundsätzlich nicht für die Durchsetzung einer unmittelbaren persönlichen Meinungsäußerung gegenüber dem politischen Gegner herangezogen werden.
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Bei der Gewichtung der Interessen der Veranstaltung von Versammlungen ist in diesem Zusammenhang folgendes zu berücksichtigen: Es ist nicht von vornherein unverhältnismäßig zu verhindern, dass Demonstranten in emotionalisierende Nähe eines politischen Besuchers gelangen. Die Verlagerung von Demonstrationen in einen Bereich außerhalb der eigentlichen Sicht- und Hörweite, in dem der Staatsbesuch stattfindet, berührt das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG jedenfalls dann nicht, wenn der kommunikative Zweck der Versammlung, der sich an die Öffentlichkeit richtet, nicht verfehlt oder auch erheblich beeinträchtigt wird (vgl. BVerfG, 1. Senat 1. Kammer, B. v. 26.03.2001 a.a.O).
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bb. Zwischen den Belangen, das heißt den so umschriebenen außenpolitischen Interessen, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und dem ebenfalls fundamentalen Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG ist auch im konkreten Fall eine praktische Konkordanz herzustellen. Daraus ergibt sich, dass die Berufung auf Art. 8 Abs. 1 GG nur solange zulässig ist, als die Staatsveranstaltung in ihrer Durchführung nicht wesentlich beeinträchtigt wird (Kniesel in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts 3. Aufl. Kap. H Rn. 18). Dies wiederum setzt eine Prognose voraus, ob bestimmte Ereignisse eintreten können und diese geeignet sind, die Durchführung der Staatsveranstaltung wesentlich zu beeinträchtigen. Damit ist zugleich gesagt, dass ein gänzliches Zurücktreten der Demonstrationsfreiheit verfassungsrechtlich unzulässig ist.
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cc. Die von der Antragsgegnerin dargelegten abstrakten Gefahren für die Staatsgäste sind für den Senat im Bereich der Zone I nachvollziehbar. Bei dem oben angeführten allgemeinen Interesse der Bundesrepublik Deutschland kommt es hierbei nicht darauf an, ob insoweit konkrete Gefahren nachweisbar sind. Aus den Darlegungen der Antragsgegnerin in der angefochtenen Allgemeinverfügung wie auch aus den Darlegungen im Erörterungstermin vor dem Senat in dem Verfahren 3 M 53/07 ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass im Interesse der Sicherheit der Staatsgäste der Raum innerhalb des bereits errichteten Zauns zunächst einmal von einer großen Anzahl von Demonstranten freigehalten werden muss. Die Antragsgegnerin hat schlüssig dargelegt, dass die Sicherheit der Staatsgäste nicht zu gewährleisten ist, wenn eine große Anzahl von Demonstrationsteilnehmern in die Nähe des Veranstaltungsortes kommen kann, ohne dass die Polizei in der Lage ist, Personenkontrollen vorzunehmen. Dies räumen die Antragsteller in ihrer Beschwerdeschrift im übrigen ausdrücklich ein.
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4. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts rechtfertigt die besondere Situation in der weiteren Umgebung von Heiligendamm nach Auffassung des Senats auch das für die Zone II verhängte Versammlungsverbot, jedenfalls soweit es die hilfsweise beantragte Versammlung der Antragsteller betrifft. Diese besondere Situation wird deutlich durch die Darstellung der örtlichen Gegebenheiten und dem zu erwartenden Protestgeschehen in der angefochtenen Allgemeinverfügung, den Ausführungen in der Beschwerdebegründung und das im Erörterungstermin mit Bildern untersetzte näher dargelegte Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin.
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a. Ausgehend von dem oben unter 3. als rechtmäßig erachteten Versammlungsverbot für die Zone I kann die ursprüngliche Form der von den Antragstellern angemeldeten Versammlung nicht mehr durchgeführt werden. Mit dem Wegfall von Heiligendamm als dem Ort des Zusammentreffens der "Strahlen" des Sternmarsches bleiben lediglich einzelne Teilmärsche ohne gemeinsamen Ausgangs- bzw. Endpunkt. Diese "Restmärsche" sind damit vergleichbar mit den im Kooperationsgespräch vom 10.05.2007 von der Antragsgegnerin vorgeschlagenen Ersatzstrecken, so dass sich das Versammlungsverbot für die Zone II bezogen auf die Versammlung der Antragsteller (lediglich) auf den Versammlungsort auswirkt.
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b. Das von der Versammlungsfreiheit miterfasste Bestimmungsrecht von Ort und Zeit von Versammlungen erlaubt es dem Veranstalter, eigenständig zu konkretisieren, wie er sein Versammlungsinteresse umsetzen möchte. Kollidiert sein Grundrecht der Versammlungsfreiheit mit anderen Rechtsgütern, steht ihm aber nicht auch ein Bestimmungsrecht darüber zu, wie gewichtig diese Rechtsgüter in die Abwägung einzubringen sind und wie die Interessenkollision rechtlich bewältigt werden kann. Insoweit bleibt ihm die Möglichkeit, seine Vorstellungen im Zuge von Kooperationsgesprächen mit der Verwaltungsbehörde in das Verfahren einzubringen. Dies ist vorliegend geschehen und es ist nicht erkennbar, dass die Versammlungsbehörde die Vorstellungen der Antragsteller nicht in ihre Erwägungen einbezogen hat. Die anschließende Abwägung, ob und wieweit gegenläufige Interessen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit rechtfertigen, obliegt der Versammlungsbehörde und den mit der rechtlichen Überprüfung befassten Gerichten (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, B. v. 26.01.2001 – 1 BvQ 9/01 –; 26.03.2001 – 1 BvQ 15/01 – DVBl 2001, 797 = NJW 2001, 1411).
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Die Allgemeinverfügung muss auf der Einschätzung aufbauen, die Durchführung von Versammlungen in dem von der Allgemeinverfügung erfassten Bereich führe zu unmittelbaren Gefährdungen beziehungsweise Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die entsprechenden Schutzgüter müssen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Beschränkungen der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 2 GG rechtfertigen. Dabei ist auch hier zu berücksichtigen, dass die Allgemeinverfügung nicht die Durchführung von Versammlungen zu den von den Antragstellern verfolgten Zwecken verbietet, sie aber für einen bestimmten Zeitraum die Modalitäten der Durchführung solcher Versammlungen in örtlicher Hinsicht beschränkt.
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c. Das Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin geht zunächst von der technischen Sperre mit zwei Zugangsmöglichkeiten aus, die zum einen den Zugang für die Einwohner von Heiligendamm gewährleisten und zum anderen dem Zugang der Delegationen und des Zulieferverkehrs dienen. Die räumliche Ausdehnung der Zone II dient der Absicherung der Landesstraße L 12, neben der nur unzureichend befahrbare Wege zur Verfügung stehen. Der Zustand der neben der L 12 vorhandenen Straßen und Wege wird durch das von der Antragsgegnerin vorgelegte Bildmaterial belegt. Hieraus wird deutlich, dass diese Wege sowohl für die nach den Darlegungen der Antragsgegnerin erforderliche schnelle Verlegung von Polizeikräften zur Reaktion auf Versammlungsgeschehen als auch zur Vorhaltung von Rettungswegen für eine größere Zahl von Fahrzeugen und wegen der mangelnden Befahrbarkeit mit schwereren Fahrzeugen und höherer Geschwindigkeit ungeeignet erscheinen. Von daher ist es nicht zu beanstanden, wenn die räumliche Bemessung der Zone II sich an den außerhalb der technischen Sperre nächstgelegenen, für die genannten Zwecke geeigneten Straßenverbindungen orientiert. Die flächenmäßig erhebliche Ausdehnung der so festgelegten Zone II ist nachvollziehbar schlicht dem Umstand geschuldet, dass sich die entsprechenden Verbindungen erst in relativ großer Entfernung zur technischen Sperre befinden. In diesem Sinne rechtfertigen die topografischen Gegebenheiten um Heiligendamm die räumliche Festlegung der Zone II. Dazu kommen die polizeitaktischen Erwägungen der Antragsgegnerin, nach denen die Zone II auch deshalb erforderlich ist, um ein Ausbrechen von Versammlungsteilnehmern in Richtung der technischen Sperre und ein Herandrängen der Polizeikräfte an diese zu verhindern.
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Soweit die Antragsteller diesem Sicherheitskonzept entgegenhalten, dass es der permanenten Freihaltung der Zufahrtsstraßen und -wege in der Zone II nicht bedürfe und die Durchführung der Versammlung etwa bei Freihaltung der L 12 als Rettungs- und Verbindungsweg möglich sei, trägt dies dem Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin nicht hinreichend Rechnung. So muss dieses etwa auch dem Verlangen von Sicherheitskräften ausländischer Staatsgäste nach mindesten zwei alternativen Rettungswegen nachkommen, wenn dieses Verlangen – wie hier – jedenfalls erkennbar nicht der Verhinderung von Demonstrationen dient sondern begründeten Sicherheitsbelangen Rechnung trägt.
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Zu berücksichtigen ist auch die – wenn nach Angaben der Antragsteller auch nicht beabsichtigte – rein faktische Blockadewirkung von Versammlungsmärschen bei der beschriebenen topografischen Situation. Wie die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung zu den vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss genannten vier Routen und auch die Erörterung alternativer Versammlungsrouten im Erörterungstermin gezeigt hat, fehlt es innerhalb der Zone II an für die erwartete Teilnehmerzahl von insgesamt 8.000 - 11.000 ausreichenden Straßen, Wegen und öffentlichen Flächen, die etwa eine Abschlusskundgebung oder auch nur den geordneten An- und Abmarsch der Teilnehmer und das Wenden der Lautsprecherwagen ermöglichen, ohne dass das Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin nachhaltig in Frage gestellt wäre. Zwar sind mit der Ausübung des Versammlungsrechts häufig unvermeidbar gewisse nötigende Wirkungen in Gestalt von Behinderungen Dritter verbunden. Derartige Behinderungen Dritter und Zwangswirkungen sind durch Art. 8 GG (nur) gerechtfertigt, soweit sie als sozial-adäquate Nebenfolge mit rechtmäßigen Demonstrationen verbunden sind und sich durch zumutbare Auflagen nicht vermeiden lassen (BVerfG, U. v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83 u.a. –, BVerfGE 73, 206 <250>). Eine Versammlung, die eine unerwünschte Tätigkeit durch eine Blockade der Verkehrswege verhindern will, ist in der Realisierung der Blockade nicht durch Art. 8 GG geschützt (Hoffmann-Riem in AK-GG, Art. 8 Rn. 55 m.w.N.). Die objektive Blockadewirkung der beantragten Demonstrationszüge erscheint vorliegend deshalb nicht als reine sozial-adäquate Nebenfolge im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, weil die einer Versammlung zuzusprechende öffentliche Beachtungswirkung im vorliegenden Fall nicht zwingend mit den beantragten Demonstrationszügen verbunden ist. Eine gleichwertige Beachtungswirkung könnte auch durch eine stationäre Veranstaltung oder einen Demonstrationsmarsch in der näheren Umgebung bewirkt werden. Dies gilt hier insbesondere deshalb, weil sich das wesentliche Element des Zusammentreffens des Sternmarsches in der Zone I nach obigen Ausführungen nicht verwirklichen läßt. Ein solcher Verweis auf eine andere Versammlungsform ist mit Art. 8 GG jedenfalls dann vereinbar, wenn diese nicht aus inhaltlichen Gründen des Demonstrationsanliegens gewählt ist, so das etwa durch einen Wechsel des Ortes kein schwerer Nachteil entstehen kann (vgl. BVerfG, B. v. 02.12.2005 – 1 BvQ 35/05 –, EuGRZ 2006, 303). Vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit ist nur ein Verhalten erfasst, das die Meinungsbildung in der betreffenden Angelegenheit ermöglichen soll, nicht etwa die unmittelbare Durchsetzung des von den Versammlungsteilnehmern eingenommenen Standpunktes selbst (Hoffmann-Riem, a.a.O.).
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Entsteht eine derartige faktische Blockadewirkung bereits durch eine friedlich verlaufende Versammlung, kommt es entscheidungserheblich nicht darauf an, ob die Blockadewirkung beabsichtigt und wem die daraus resultierende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit möglicherweise zuzurechnen ist.
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Da sich das in der Allgemeinverfügung auch für die Zone II verfügte Versammlungsverbot als rechtmäßig erweist, bedarf es auch keiner weiteren Ausführungen zum dem innerhalb dieser Zone liegenden 200 m – Streifen vor der technischen Sperre und der Frage, wie weit die Demonstrationszüge an diese heranreichen dürfen. Gleichfalls sind weitergehende Ausführungen zu den vom Verwaltungsgericht dargelegten, in der Zone II befindlichen Alternativrouten nicht erforderlich."
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3. Im vorliegenden Fall ist indes zu berücksichtigen, dass das Anliegen der Versammlung nicht verwirklicht werden könnte, wenn sie nicht in der Nähe des Zauns, d.h. zugleich in der Zone II stattfinden könnte. Nach dem Anliegen der Versammlung kommt sowohl dem Zeitpunkt des 05.06.2007 wie auch dem Ort entscheidende Bedeutung zu. Die Antragstellerin hat dargelegt, dass der Zeitpunkt sich auf den 40. Jahrestag des sogenannten "6-Tage-Krieges" bezieht. Sie hat weiter hinsichtlich des Ortes ausgeführt, er habe deswegen entscheidende Bedeutung für die Aussagekraft der Versammlung, weil hierin auf den von Israel zu den im 6-Tage-Krieg besetzten Gebieten errichteten Zaun hingewiesen werde und hiergegen protestiert werden solle. Eine Auflage, die Veranstaltung außerhalb der Zone II durchzuführen, würde daher im Ergebnis die Untersagung der Versammlung bedeuten. Eine solche Untersagung ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig, die vorliegend nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht gegeben sind.
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Die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit hat zum einen nur dann zurückzutreten, wenn eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Die behördliche Eingriffsbefugnis wird zum anderen dadurch begrenzt, dass Verbote und Auflösungen nur bei einer "unmittelbaren Gefährdung" der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung statthaft sind. Durch das Erfordernis der Unmittelbarkeit werden die Eingriffsvoraussetzungen stärker als im allgemeinen Polizeirecht eingeengt. Erforderlich ist im konkreten Fall jeweils eine Gefahrenprognose. Diese enthält zwar stets ein Wahrscheinlichkeitsurteil; dessen Grundlagen können und müssen aber ausgewiesen werden. Demgemäß bestimmt das Gesetz, dass es auf "erkennbaren Umständen" beruhen muss, also auf Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen Einzelheiten; bloßer Verdacht oder Vermutungen können nicht ausreichen. Unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde insbesondere bei Erlass eines vorbeugenden Verbotes keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen, zumal ihr bei irriger Einschätzung noch die Möglichkeit einer späteren Auflösung verbleibt. Insgesamt ist § 15 VersG jedenfalls dann mit Art 8 GG vereinbar, wenn bei seiner Auslegung und Anwendung sichergestellt bleibt, dass Verbote und Auflösungen nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und nur bei einer unmittelbaren, aus erkennbaren Umständen herleitbaren Gefährdung dieser Rechtsgüter erfolgen (BVerfG, B. v. 14.05.1985 – 1 BvR 233/81 u.a. –, BVerfGE 69, 315 <352>).
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Gemessen daran überwiegt das grundrechtlich geschützte Interesse der Antragstellerin an der beantragten Versammlung nach Maßgabe der Beschränkungen, die im Tenor dieses Beschlusses niedergelegt sind, das Interesse der Antragsgegnerin, dass die Zone II grundsätzlich von Versammlungen freigehalten wird. Wie oben ausgeführt, beruht die Festsetzung dieser Zone im Hinblick auf Art. 8 GG im wesentlichen darauf, dass durch größere Versammlungen die tatsächliche Blockade der Verkehrsverbindungen in diesem Bereich bewirkt werden. Zudem beruht die Verhältnismäßigkeit dieser Anordnung darauf, dass Demonstrationszüge in der Zone II auch ohne wesentliche Beeinträchtigung ihres Beachtungserfolgs außerhalb der unmittelbaren Nähe durchgeführt werden können. Diese Gesichtspunkte greifen im vorliegenden Fall nicht bzw. jedenfalls nur mit einem Gewicht ein, dass es nicht gerechtfertigt ist, gegenüber dem bedeutsamen Rechtsgut nach Art. 8 GG die hier betroffene Versammlung gänzlich zu verbieten. Durch die Auflagen des Senats ist sichergestellt, dass die von der Antragsgegnerin für erforderlich gehaltenen Sicherheitsabstände zu dem Zaun und den Verbindungswegen eingehalten werden, so dass angesichts der durch den Senat angeordneten höchstmöglichen Anzahl von Demonstrationsteilnehmern jederzeit gewährleistet werden kann, dass etwaige Störungen – für die dem Senat nichts ersichtlich ist – unterbunden werden können.
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Diese Beurteilung ist geboten, auch wenn die Allgemeinverfügung als solche unbeschränkte Anwendung gebietet. Sie ist nämlich ihrerseits im Lichte des Grundrechts nach Art. 8 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszulegen. Im Sinne einer ermächtigungskonformen Auslegung dieser Allgemeinverfügung ist daher davon auszugehen, dass sie in den Fällen nur eingeschränkt anzuwenden ist, in denen ihre vollumfängliche Anwendung zu einer Grundrechtsverletzung führen würde. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass eine derartige Auslegung allerdings nur bei solchen Versammlungen in Betracht kommt, die von Art und Umfang her eine von der der Allgemeinverfügung bereits zugrunde liegenden Rechtsgüterabwägung abweichende Beurteilung erfordern. Dies trifft für die Versammlung der Antragstellerin mit o.g. Maßgaben zu. Damit ist die Anwendbarkeit der Allgemeinverfügung als solche nicht in Frage gestellt, sondern ihr Anwendungsbereich durch Auslegung näher bestimmt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes.
(2) Vor dem Abschlusse eines Vertrages, der die besonderen Verhältnisse eines Landes berührt, ist das Land rechtzeitig zu hören.
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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
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(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.