Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 08. Apr. 2014 - 10 L 247/12

bei uns veröffentlicht am08.04.2014

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin – 10. Kammer – vom 06.09.2012 wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der beizutreibenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die klagende Behörde betreibt gegen den Beklagten, einen 54-jährigen Polizeihauptmeister, ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst.

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Das dem Beklagten zur Last gelegte Dienstvergehen war Gegenstand eines Strafverfahrens.

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Am 11.03.2006 erließ das Amtsgericht A-Stadt – Az. X – gegen den Beklagten einen Haftbefehl, weil er dringend verdächtig sei, folgende Taten begangen zu haben:

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1.
Zu einem nicht mehr konkret bestimmbaren Zeitpunkt fotografierte der Beschuldigte u.a. das unbekleidete Geschlechtsteil der Geschädigten und deren After, wobei er das Geschlechtsteil der Geschädigten teilweise selbst spreizte und die Geschädigte auch aufforderte, dieses ebenfalls zu tun. Dieser Aufforderung des Beschuldigten kam die Geschädigte nach. Ferner berührte der Beschuldigte die Geschädigte an diesem Tag an deren unbedeckten Brust.

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2. und 3.
An zwei weiteren nicht mehr konkret feststellbaren Tagen im Jahr 2005 forderte der Beschuldigte die Geschädigte auf, sich vor ihn hinzuknien, wobei die Geschädigte an diesen Tagen wiederum unbekleidet war. Der Beschuldigte entkleidete sich selbst am Unterleib und hielt seinen Penis an das Geschlechtsteil der Geschädigten, wobei er diese Handlungen auch fotografierte.

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Die Anschuldigungen basierten insbesondere auf Aussagen der Stieftochter des Beklagten gegenüber der Polizei.

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Am 13.03.2006 ist die Stieftochter des Beklagten durch einen Amtsrichter als Zeugin angehört worden. Der Vollzug des Haftbefehls wurde am 15.03.2006 ausgesetzt.

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Mit Schreiben vom 03.05.2006 (Eingangsdatum) teilte die Stieftochter des Beklagten Folgendes mit:

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„Meine Eltern wissen von diesem Brief nichts. Ich will sagen, dass auch ich meinen Anteil an der Sache habe. Ich wusste, dass er gerne fotografiert und habe das ausgenutzt. Ich hatte ihm gesagt, dass er mich so fotografieren kann. 1 oder 2 Mal hatte er mich rausgeschickt, aber wenn ich etwas möchte, kann ich sehr hartnäckig sein. Mehr als diese paar Fotos ist aber auch nicht gewesen. Was jetzt draus geworden ist, wollte ich nicht. Mein Stiefvater hatte mich überhaupt nicht belästigt oder sonst was. Ich habe geglaubt, ich wäre alt genug und entscheide über mich selbst. Er redet jetzt nicht mehr mit mir. Hoffentlich sind Sie nicht so streng.“

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Durch rechtskräftigen Strafbefehl vom 18.05.2006 verhängte das Amtsgericht A-Stadt – Az. Y – gegen den Beklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Es legte dabei drei als Vergehen nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB bewertete Taten zugrunde:

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1.
An einem nicht mehr näher bestimmbaren Tag nach dem 15. Geburtstag Ihrer Stieftochter entkleidete sich M. in einem Zimmer der Familienwohnung auf Ihre Aufforderung vollständig, woraufhin Sie ihr entblößtes Genital und den Analbereich fotografierten. Dabei spreizten Sie die Schamlippen Ihrer Stieftochter mit einer Hand und berührten auch ihre Brust.

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2. und 3.
An zwei weiteren Tagen im zweiten Halbjahr 2005 forderten Sie M. in der Wohnung im B.-Weg auf, sich im entkleideten Zustand auf ein Bett zu knien, was Ihre Stieftochter auch tat. Nachdem Sie sich ebenfalls entblößt hatten, knieten Sie sich hinter Ihre Stieftochter und hielten Ihr erigiertes Glied an das Genital der Zeugin, wobei Sie diese Handlung jeweils fotografierten.

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Entsprechend einer ihm erteilten Bewährungsauflage zahlte der Beklagte einen Betrag von 1.500,- Euro an einen gemeinnützigen Verein.

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Das Landgericht B-Stadt wies durch Beschluss vom 16.11.2006 – Az.: Z. – den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Entnahme und molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen mittels Blutproben zurück. In den Gründen der Entscheidung heißt es u.a., es lägen keine erkennbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass aufgrund der Persönlichkeit des Beklagten weitere Straftaten von erheblicher Bedeutung zu erwarten seien. Der Beklagte sei Polizeibeamter, werde disziplinarische Maßnahmen hinnehmen müssen, dürfe aber seinen Dienst weiter ausüben.

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Mit weiterem Schreiben vom 10.04.2007 (Eingangsdatum) teilte die Stieftochter des Beklagten der Polizei Folgendes mit:

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„Ich schreibe Ihnen erneut, weil ich aus einem Gespräch zwischen meiner Mutter und meinem Stiefvater entnehmen konnte, dass Sie meine Schreiben nicht anerkennen. Insbesondere soll das Schreiben an den Anwalt meines Vaters durch meine Eltern beeinflusst worden sein. Ich will hier klarstellen, dass das nicht zutrifft. Ich habe diese Briefe geschrieben, weil es mir so leichter fällt meine Gedanken darzulegen als nochmals von einem Richter oder Polizisten vernommen zu werden. Was muss ich noch schreiben, damit Sie es akzeptieren? Jetzt schäme ich mich dafür und ich bereue es sehr, meinem Stiefvater das angehängt zu haben.

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Der wahre Grund für diese Lüge, welche eigentlich überhaupt nicht zur Polizei gelangen sollte, war der, dass ich mit 14 Jahren bereits einen wesentlich älteren Typ kennengelernt hatte und geglaubt hatte, diesen Typen zu lieben. Der Typ war über 20 Jahre älter als ich. Zu dem Ärger zwischen David und dem Stiefvater kam noch, weil mein Stiefvater davon was mitbekommen und es dadurch zwischen uns zu heftigen Streitereien gekommen war. Mein Stiefvater hatte sogar mit Anzeige gegen meinen damaligen Freund gedroht. Dafür habe ich ihn gehasst.

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Heute weiß ich, dass ich dumm war. Aus Angst vor der Strafe habe ich es dabei gelassen und erst später angefangen, darüber nachzudenken was ich getan hatte. Darauf dann nach und nach die Briefe. Doch es wollte mich keiner verstehen. Der Richter, an den ich geschrieben hatte, das alles nicht so gewesen ist, es war noch während der Ermittlungen, hatte den Brief an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Diese hat ihn aber wohl unter den Tisch fallen lassen. Ich habe dann irgendwann meiner Mutter die Wahrheit erzählt und das nur diese paar Fotos gemacht wurden und wozu ich ihn noch ermuntert hatte und ich mir das alles weitere nur ausgedacht hatte, um meine Eltern zu trennen. Ein paar Tage darauf hat meine Mutter versucht sich das Leben zu nehmen und Tabletten geschluckt. Eine Woche war sie auf Station und kämpfte mit dem Tod.

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Und das alles nur, weil ich zu egoistisch war und nur an mich dachte. Es tut mir alles so leid wie es gekommen ist.“

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Die Staatsanwaltschaft hat sodann erwogen, zugunsten des Beklagten ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 359 StPO und gegen dessen Stieftochter ein Ermittlungsverfahren wegen falscher Verdächtigung und falscher uneidlicher Aussage einzuleiten. Die Stieftochter des Beklagten wurde am 10.08.2007 erneut von einem Amtsrichter als Zeugin vernommen und erklärte nach Belehrung über ihre Rechte aus §§ 52 und 55 StPO:

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Ich habe schon so viele Briefe in der Sache geschrieben, weshalb ich hier eigentlich nicht mehr aussagen möchte.

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Die Staatsanwaltschaft hat im weiteren Verlauf weder ein Wiederaufnahmeverfahren zugunsten des Beklagten noch ein Ermittlungsverfahren gegen dessen Stieftochter betrieben.

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Durch Beschluss vom 26.11.2007 – 10 A 1870/06 VG SN – hat das Verwaltungsgericht Schwerin die vorläufige Dienstenthebung des Beklagten ausgesetzt. Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Beklagte die oben erwähnten drei Taten begangen habe und deswegen eine Zurückstufung „in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt (bis zum Polizeimeister) auszusprechen“ sei.

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Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Senat durch Beschluss vom 21.02.2008 – 10 L 275/07 – zurückgewiesen. In den Gründen der Entscheidung heißt es u. a., dass das „zum gegenwärtigen Zeitpunkt allein zugrunde zu legende Tatgeschehen gemäß Punkt 1. des Strafbefehls“ nicht die Annahme eines endgültigen Vertrauensverlustes rechtfertige. Die Tathandlung sei im unteren Bereich möglicher sexueller Handlungen im Sinne von § 174 f. StGB anzusiedeln. Insoweit schließe sich der Senat der im Aktenvermerk vom 01.05.2006 zum Strafbefehl niedergelegten Wertung der Staatsanwaltschaft an. Zudem sei zu berücksichtigen, „dass die Geschädigte zur Tatzeit 15 Jahre alt und damit kein Kind, sondern Jugendliche“ gewesen sei. Ihr sei die „sexuelle Bedeutung der Fotoaufnahmen“ für den Beklagten bewusst gewesen.

25

Auf die im Mai 2009 erhobene Disziplinarklage hat das Verwaltungsgericht am 06.09.2012 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der auch die Ehefrau und die Stieftochter des Beklagten als Zeuginnen geladen worden sind. Beide haben von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Durch Urteil vom 06.09.2012 hat das Verwaltungsgericht auf Entfernung des Beklagten aus dem Dienstverhältnis erkannt. In den Entscheidungsgründen heißt es u. a., das Gericht habe keine Überzeugungsgewissheit gewinnen können, dass der Beklagte die im Strafbefehl unter 2. und 3. aufgeführten Taten begangen habe. Aber auch unter alleiniger Berücksichtigung des Tatvorwurfs zu 1. liege ein so schweres Dienstvergehen vor, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen sei.

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Gegen diese am 27.11.2012 zugestellte Entscheidung hat der Beklagte am 07.12.2012 Berufung eingelegt und diese am 22.01.2013 begründet.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin – 10. Kammer – vom 06.09.2012 zu ändern und die Disziplinarklage abzuweisen,

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hilfsweise, eine mildere Disziplinarmaßnahme zu verhängen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

32

Die Stieftochter des Beklagten hat im März 2013 (Eingangsdatum: 11.03.2013) ein Schreiben mit folgendem Inhalt an das Oberverwaltungsgericht gerichtet:

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„Ich schreibe direkt an Sie, in der Hoffnung, dass Sie dieses ungerechte Urteil noch mal überdenken. Ich habe das Urteil gelesen und kann mich dessen Eindrucks nicht erwehren, mein Stiefvater wurde durch den Richter bestraft, weil keiner mehr was gesagt hat.

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Auch wenn ich mich nicht weiter äußern werde, verweise ich doch auf mein damaliges Schreiben. Ich habe meinen Anteil am damaligen Geschehen. Es ist nichts weiter gewesen außer diese Fotos. Nicht nur mein Stiefvater bereut, was geschehen ist, auch ich bereue es, ihn in solche schwierigen Lage gebracht zu haben.“

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten und Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Die erstinstanzliche Entscheidung ist zu ändern und die Klage gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 2 LDG M-V abzuweisen. Das vom Beklagten nach dem hier zugrunde zu legenden Sachverhalt begangene Dienstvergehen rechtfertigt weder die vom Kläger beantragte Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis nach §§ 7 Abs. 1 Nr. 5, 12 und 15 Abs. 2 LDG M-V noch eine Zurückstufung nach §§ 7 Abs. 1 Nr. 4 und 11 LDG M-V. Einer milderen Maßnahme wie etwa der Kürzung der Dienstbezüge nach §§ 7 Abs. 1 Nr. 3 und 10 LDG M-V steht § 16 Abs. 1 LDG M-V entgegen.

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Bei der Feststellung des Sachverhalts ist der Senat nicht an die im Strafverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Eine solche Bindungswirkung ist nach § 25 Abs. 1 LDG M-V bei rechtskräftigen Urteilen vorgesehen, nicht jedoch, wenn im Strafverfahren – wie hier – lediglich ein Strafbefehl ergangen ist. Für ein derartiges Verfahren eröffnet § 25 Abs. 2 LDG M-V allerdings die Möglichkeit, die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen „im Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zugrunde“ zu legen. Hiervon macht der Senat – wie auch bereits das Verwaltungsgericht – jedoch keinen Gebrauch, da es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Amtsgericht einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat.

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Der Senat geht bei der von ihm selbst vorzunehmenden Tatsachenfeststellung davon aus, dass sämtliche vorliegenden schriftlichen und mündlichen Einlassungen der Stieftochter des Beklagten verwertbar sind, auch wenn sie im Disziplinarverfahren von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat.

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Dem steht nach den besonderen Umständen des Falles die Regelung des § 58 Abs. 3 LDG M-V nicht entgegen. Danach gelten die Bestimmungen der StPO über die Pflicht, als Zeuge auszusagen, entsprechend. Diese im Teil 4 des Gesetzes stehende Regelung betrifft nach ihrer gesetzessystematischen Einordnung „das gerichtliche Disziplinarverfahren“ (siehe amtliche Überschrift von Teil 4 LDG M-V) und ist so zu verstehen, dass auch die Vorschriften über das Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht als Grenzen der Pflicht, „als Zeuge auszusagen“, erfasst sind (vgl. Weiss in GKÖD, Band II M, § 58 Rn. 117). Dies bedeutet zunächst, dass der Stieftochter als Verschwägerter des Beklagten ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO i.V.m. § 1590 BGB zusteht, möglicherweise zusätzlich ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO, worauf es hier aber nicht entscheidend ankommt. Davon ausgehend dürfte es folgerichtig sein, auch die Regelung des § 252 StPO grundsätzlich als anwendbar anzusehen, da es in dieser Norm um die Konsequenzen geht, die sich ergeben, wenn ein Zeuge „vor der Hauptverhandlung vernommen“ worden ist, aber erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht.

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Dies trifft hier aber allenfalls im Ansatz zu, denn die Stieftochter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, nachdem sie zuvor – nämlich beim Amtsgericht – Aussagen gemacht hatte. Dem Oberverwaltungsgericht hat die Stieftochter des Beklagten schriftlich mitgeteilt, dass sie „sich nicht weiter äußern“ werde. Die Zeugnisverweigerung ist aber nicht uneingeschränkt geschehen. Die Stieftochter des Beklagten hat im Zusammenhang mit der Verweigerung Ausführungen zur Sache gemacht und auf ihre schriftlichen Ausführungen verwiesen. Auf das, was sie geschrieben hat, hat sie außerdem auch bereits bei ihrer zweiten Vernehmung am 10.08.2007 vor dem Amtsgericht hingewiesen, bevor sie auch dort nach Belehrung über ihre Rechte aus §§ 52 und 55 StPO weitere Aussagen verweigert hat. Aus diesen Einschränkungen der Zeugnisverweigerung folgert der Senat, dass sowohl das Schreiben der Stieftochter des Beklagten im Berufungsverfahren wie auch ihre früheren Äußerungen verwertbar sind. Da es sich beim § 252 StPO um eine Schutzvorschrift zugunsten desjenigen handelt, dem ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, bleibt es dem Betreffenden unbenommen, auf diesen Schutz (ganz oder teilweise) zu verzichten. Die Verwertung der schriftlichen Äußerungen der Stieftochter des Beklagten ist aber nur dann sinnvoll, wenn man auch die erste Zeugenaussage gegenüber dem Amtsgericht einbezieht; denn um den Wahrheitsgehalt dieser Aussage geht es bei den nachfolgenden schriftlichen Einlassungen gerade. Entsprechendes gilt für die früheren Aussagen der Stieftochter des Beklagten gegenüber der Polizei.

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Disziplinarrechtliche Vorschriften, die diesem Zwischenergebnis entgegenstehen würden, sind nicht ersichtlich. Hinzuweisen ist allenfalls auf § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LDG M-V, wonach (im behördlichen Disziplinarverfahren) Zeugen nicht nur vernommen, sondern auch „ihre schriftliche Äußerung eingeholt werden“ kann. Dieser Regelung ist zu entnehmen, dass die Verwertung schriftlicher Äußerungen von Zeugen dem Wesen des Disziplinarverfahrens nicht völlig fremd ist.

42

Inwieweit diesen Einlassungen Glauben geschenkt wird, ist sodann eine Sache der Beweiswürdigung durch den Senat. Dabei gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“ zugunsten des Beamten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2013 – 1 D 1/12 –, Rn. 26, zitiert nach Juris).

43

Dies vorausgeschickt geht der Senat – wie auch schon das Verwaltungsgericht – davon aus, dass der Beklagte von seiner Stieftochter diejenigen Nacktfotos gemacht hat, die sich auch bei den Akten befinden. Diese Fotos sind an einem nicht mehr genau feststellbaren Tag nach dem 15. Geburtstag der Stieftochter entstanden. In diesem Punkt folgt der Senat den bereits auch vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen; insoweit besteht zu einer abweichenden Bewertung des Sachverhalts kein Anlass. Präzisierungsbedarf besteht allerdings im Hinblick auf das Zustandekommen der Fotos. Nach dem wiedergegebenen Schreiben der Stieftochter des Beklagten von Anfang Mai 2006 ist die Initiative hierzu von ihr ausgegangen. Außerdem ist anzunehmen, dass sie sich über die sexuelle Bedeutung für den Beklagten im Klaren war, zumal sie selbst schon mit 14 Jahren eine feste Beziehung hatte, wie sich aus ihrem bereits erwähnten Schreiben von April 2007 ergibt. Um von diesem Sachverhalt auszugehen, ist es nicht erforderlich, den schriftlichen Einlassungen der Stieftochter des Beklagten uneingeschränkt Glauben zu schenken. Vielmehr reicht es aus, wenn der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, die Stieftochter habe in ihren Schreiben gelogen, während sie zuvor, nämlich insbesondere bei der ersten Vernehmung vor dem Amtsgericht, die Wahrheit gesagt habe. Von einer Überzeugungsbildung im zuletzt beschriebenen Sinne kann jedoch keine Rede sein. Es ist ohne Weiteres nachvollziehbar, wenn die Stieftochter vorträgt, sie habe zu der einen Fotoaktion weitere Handlungen des Beklagten hinzuerfunden, weil sie ihn dafür gehasst habe, dass er ihre Beziehung zu einem „Typen“, der „20 Jahre älter als“ sie gewesen sei, habe beenden wollen und diesem sogar „mit Anzeige“ gedroht habe und dass sie zur Wahrheit zurückgekehrt sei, nachdem diese Beziehung geendet habe. Die schriftlichen Einlassungen der Stieftochter des Beklagten, wonach es nur die eine Fotoaktion gegeben habe, bei der sie vollkommen nackt gewesen sei, decken sich mit den Angaben des Beklagten (siehe u. a. Schriftsatz vom 24.03.2006). Demgegenüber hat der Beklagte die weitergehenden Angaben seiner Stieftochter also etwa, dass er sich bei weiteren „Fotosessions“ ebenfalls entkleidet und sein erigiertes Glied an ihre Scheide gehalten und diesen Vorgang ebenfalls fotografiert habe, stets als „schlicht falsch“ bezeichnet hat. Dafür, dass die Stieftochter aus Verärgerung weitere Vorfälle hinzu erfunden hat, spricht auch, dass in der beschlagnahmten Kamera des Beklagten lediglich die Fotos der einen - unstreitigen - Aufnahmeserie eingespeichert entdeckt werden konnten. Eine plausible Erklärung dafür, dass weitere Fotos, die zudem später aufgenommen worden sein sollen, nicht mehr auffindbar gewesen sein sollten, ist nicht ersichtlich. Auch auf dem PC des Beklagten sind – wie es im Auswertungsbericht vom 09.03.2006 heißt – „keine verfahrensrelevanten Bilddateien festgestellt“ worden, wie auch nicht nachzuweisen war, dass „an dem PC eine externe Festplatte angeschlossen war.“

44

Durch das beschriebene Verhalten hat der Beklagte ein außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne von § 85 Abs. 1 LBG M-V in der damals gültigen Fassung (jetzt: § 47 Abs. 1 BeamtStG) begangen. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift begeht der Beamte ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Berufsbeamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 85 Abs. 1 Satz 2 LBG M-V a.F.).

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Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der genannten Vorschrift sind hier erfüllt, weil das Verhalten des Beklagten als Straftat nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu bewerten ist. Nach dieser Vorschrift wird, wer sexuelle Handlungen an einer Person unter 16 Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen lässt, mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren bestraft. Im Hinblick auf das Vorliegen einer Straftat nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB folgt das Gericht der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die insoweit auch vom Beklagten in der Berufungsinstanz nicht in Zweifel gezogen worden ist. Seine Tat ist auch in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für das Amt und das Ansehen des Berufsbeamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Ein Polizeibeamter hat die Aufgabe, Straftaten zu verhindern und zu verfolgen. Damit ist es unvereinbar, selbst Straftaten zu begehen. Dies gilt jedenfalls für solche Straftaten, die sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Jugendlichen richten. Derartige Delikte begegnen in der Öffentlichkeit großem Unverständnis und schaden dem Ansehen der Polizei.

46

Für die Feststellung, dass ein Dienstvergehen vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob das Strafgericht die Möglichkeit gehabt hätte, von einer Bestrafung nach § 174 Abs. 4 StGB abzusehen.

47

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 LDG M-V nach der Schwere des Dienstvergehens. Das Persönlichkeitsbild das Beamten ist angemessen zu berücksichtigen (§ 15 Abs. 1 Satz 3 LDG M-V). Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat (§ 15 Abs. 1 Satz 4 LDG M-V). Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherren oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 LDG M-V). Aus diesen gesetzlichen Vorgaben folgt die Verpflichtung des Disziplinarspruchkörpers, die Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.03.2012 – 2 A 11/10 –, Rn. 71, m.w.N., zitiert nach Juris).

48

Nach der Schwere des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens kommt im vorliegenden Fall als Disziplinarmaßnahme weder eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis noch eine Zurückstufung in Betracht. Nicht jede Straftat eines Polizeibeamten nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB führt dazu, dass er in seinem Amt nicht mehr tragbar wäre. Ein anderes Ergebnis kommt insbesondere dann in Betracht, wenn nach den besonderen Umständen des Einzelfalls das Unrecht der Tat gering ist (vgl. § 174 Abs. 4 StGB). So liegt der Fall hier.

49

Die vom Beklagten begangene Straftat ist schon im Strafbefehl mit lediglich 4 Monaten Freiheitsstrafe geahndet worden, d. h. an der unteren Grenze des nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgesehenen Strafrahmens von 3 Monaten bis zu 5 Jahren. Das Amtsgericht hat aber den Sachverhalt nicht so zugrunde gelegt, wie dies nach den obigen Ausführungen im Disziplinarverfahren zu geschehen hat. Ergänzend zu den Erwägungen des Amtsgerichts ist zu berücksichtigen, dass die Initiative von der Stieftochter des Beklagten ausgegangen ist. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall in einem wesentlichen Punkt von dem, der der Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 29.05.2005 – 8 DO 330/02 – zugrunde lag. Darin heißt es zwar, dass ein außerdienstliches Sittlichkeitsdelikt gegenüber einer im Obhutsverhältnis stehenden Minderjährigen grundsätzlich das Vertrauensverhältnis zum Beamten zerstört. Das Gericht macht aber auch deutlich, dass es den Fall anders beurteilt hätte, wenn § 174 Abs. 4 StGB einschlägig gewesen wäre, etwa bei frühreifem oder provozierendem Verhalten der Minderjährigen (vgl. Rn. 57, zitiert nach Juris). Diese Überlegung entspricht auch der Bewertung durch das Bundesverwaltungsgericht, wonach ein Sittlichkeitsdelikt an einer Schutzbefohlenen dann umso schwerer wiegt, wenn die Betroffene noch im Kindesalter und sexuell unerfahren ist (vgl. Urteil vom 20.10.1976 – I D 23.76 –, Rn. 16 f., zitiert nach Juris). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bewertet sexuellen Missbrauch an Kindern als besonders schwerwiegend (vgl. Urteil vom 12.11.2013 – 5786/08 –, Rn. 81 ff., NJW 2014, S. 607 ff.). Für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme im Falle des Beklagten ist in zweifacher Hinsicht vom Vorliegen von Milderungsgründen auszugehen. Zum einen war die Stieftochter zur Tatzeit ersichtlich sexuell erfahren, zum anderen hat sie den Beklagten aufgefordert, die Fotos von ihr zu machen. Außerdem zog sich das Dienstvergehen im vom Thüringer Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall über mehrere Jahre hin und begann, als die Schutzbefohlene noch im Kindesalter war. Auch der Sachverhalt, der der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17.09.2012 – 80 K 10.12 OL – zugrunde lag, unterscheidet sich von dem des Beklagten. Das Verwaltungsgericht Berlin ist von einem mittelschweren Vergehen nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausgegangen, hat den § 174 Abs. 4 StGB nicht als gegeben angesehen und trotzdem nicht auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt, sondern die Klage abgewiesen. In diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken, dass das Verwaltungsgericht Berlin nach dem dortigen Landesrecht die Kriminalstrafe auch als einer Zurückstufung entgegen stehend angesehen hat.

50

Für die Frage, ob eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis auszusprechen ist, kommt es für den Senat nicht darauf an, dass die Tat inzwischen etwa 9 Jahre zurückliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.03.2012, a.a.O., Rn. 84 f.). Weder die lange Dauer des Verfahrens noch das lange Zurückliegen des Dienstvergehens rechtfertigen es, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, wenn diese Maßnahme geboten ist. Hier war aber eine solche Maßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens von vornherein nicht geboten. Diese Auffassung wurde – wie dargestellt – bereits sowohl vom Verwaltungsgericht als auch vom Senat im Verfahren der vorläufigen Dienstenthebung vertreten, erkennbar aber auch vom Landgericht B-Stadt im ebenfalls bereits erwähnten Beschluss vom 16.11.2006, in dem es davon ausgegangen ist, der Beklagte „dürfe seinen Dienst weiter ausüben.“ In diesen Einschätzungen hat aber – soweit ersichtlich – der Umstand, dass die Initiative von der Stieftochter des Beklagten ausgegangen ist, noch nicht einmal eine Rolle gespielt. Die Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds des Beklagten führt zu keinem für ihn ungünstigeren Ergebnis. Er ist weder vor noch nach dem hier zu ahndenden Dienstvergehen straf- oder disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Beklagte einen starken Sexualtrieb besitzt, rechtfertigt dies allein nicht die Annahme, dass mit weiteren Sexualstraftaten zu rechnen ist. Für sonstige kriminelle Neigungen bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Auch aus den dienstlichen Beurteilungen des Beklagten ergeben sich keine relevanten Besonderheiten. Sein Privatleben gibt ebenfalls keinen Anlass zu einer abweichenden Betrachtungsweise. Seine Ehefrau hat ihm verziehen, der Beklagte lebt weiter mit ihr zusammen; seine Stieftochter hat zumindest bis zum Jahre 2012, also als längst Volljährige, bei ihm gewohnt.

51

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass auch eine Zurückstufung nach der Schwere des Dienstvergehens nicht gerechtfertigt ist. Diese erweist sich aber zudem als nicht mehr vereinbar mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.03.2012, a.a.O., Rn. 84). Der Beklagte ist vom Amtsgericht bereits – wie ausgeführt – in mehrfacher Hinsicht zu hart bestraft worden, hat kurzzeitig in Untersuchungshaft gesessen, war längere Zeit vom Dienst suspendiert und stand viele Jahre unter dem Druck des auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerichteten Disziplinarverfahrens.

52

Den zu erwägenden milderen Disziplinarmaßnahmen (etwa Kürzung der Dienstbezüge), steht § 16 Abs. 1 Nr. 2 LDG M-V entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen derartige Maßnahmen, wenn gegen den Beamten im Strafverfahren unanfechtbar eine Strafe verhängt worden ist, nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten oder wenn dies zur Wahrung des Ansehens des Berufsbeamtentums angezeigt ist. Die Vorschrift ist so zu verstehen, dass eine Disziplinarmaßnahme neben einer Kriminalstrafe die Ausnahme sein soll. Sie setzt die Gefahr voraus, dass sich die durch das Fehlverhalten zutage getretenen Eigenarten des Beamten trotz der strafrechtlichen Sanktion auch in Zukunft in für den Dienst bedeutsamer Weise auswirken könnten (vgl. VG Berlin, a.a.O., Rn. 91, m.w.N.). Dafür gibt es im vorliegenden Verfahren jedoch keine Anhaltspunkte. Außerdem ist auch im Hinblick auf die Verhängung milderer Maßnahmen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Insofern kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

53

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 77 Abs. 4 LDG M-V, 154 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 3 LDG M-V, 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

54

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nicht ersichtlich sind.

Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 08. Apr. 2014 - 10 L 247/12

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 08. Apr. 2014 - 10 L 247/12

Referenzen - Gesetze

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 08. Apr. 2014 - 10 L 247/12 zitiert 14 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 47 Nichterfüllung von Pflichten


(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße g

Strafgesetzbuch - StGB | § 174 Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen


(1) Wer sexuelle Handlungen 1. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsver

Strafprozeßordnung - StPO | § 52 Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt 1. der Verlobte des Beschuldigten;2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteh

Strafprozeßordnung - StPO | § 359 Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten


Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig, 1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;2. wenn der Ze

Strafprozeßordnung - StPO | § 252 Verbot der Protokollverlesung nach Zeugnisverweigerung


Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1590 Schwägerschaft


(1) Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft bestimmen sich nach der Linie und dem Grade der sie vermittelnden Verwandtschaft. (2) Die Schwägerschaft dauert fort, auch w

Referenzen - Urteile

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 08. Apr. 2014 - 10 L 247/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 08. Apr. 2014 - 10 L 247/12 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 29. Okt. 2013 - 1 D 1/12

bei uns veröffentlicht am 29.10.2013

Tatbestand 1 Der Beamte ist im Jahr 1956 geboren. Er wurde 1973 bei der Landespolizei H. als Polizist im mittleren Dienst eingestellt. Nach Erlangung der Fachhochschulre

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 29. März 2012 - 2 A 11/10

bei uns veröffentlicht am 29.03.2012

Tatbestand 1 Der 19.. geborene Beklagte schloss im Jahr 19.. die Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt (FH) ab. 19.. trat er als Angestellter in den Dienst des Bundesnac

Referenzen

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig,

1.
wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;
2.
wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zuungunsten des Verurteilten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern die Verletzung nicht vom Verurteilten selbst veranlaßt ist;
4.
wenn ein zivilgerichtliches Urteil, auf welches das Strafurteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist;
5.
wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu begründen geeignet sind,
6.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft bestimmen sich nach der Linie und dem Grade der sie vermittelnden Verwandtschaft.

(2) Die Schwägerschaft dauert fort, auch wenn die Ehe, durch die sie begründet wurde, aufgelöst ist.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen werden.

Tatbestand

1

Der Beamte ist im Jahr 1956 geboren. Er wurde 1973 bei der Landespolizei H. als Polizist im mittleren Dienst eingestellt. Nach Erlangung der Fachhochschulreife wurde er zum 1. Oktober 1979 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Polizeiwachtmeister (gehobener Dienst) im Bundesgrenzschutz eingestellt. Mit Wirkung vom 2. Oktober 1982 wurde er unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Probe zum Polizeikommissar im Bundesgrenzschutz zur Anstellung ernannt. Am 6. September 1985 folgte die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit. Am 2. März 1993 wurde der Beamte zum Polizeihauptkommissar im Bundesgrenzschutz ernannt.

2

Ab Ende Januar 1998 war der Beamte als Sachbearbeiter Einsatz/Organisation in der Bundesgrenzschutzinspektion S. (...; heute: Bundespolizeiinspektion M.) tätig und übte dort die Funktion des stellvertretenden Inspektionsleiters aus.

3

In der Regelbeurteilung zum 1. März 1998 wurde der Beamte mit 6 Punkten (bei einer 9 Punkte umfassenden Notenskala) beurteilt. Über einen hiergegen gerichteten Abänderungsantrag wurde nach Bekanntwerden der hier in Rede stehenden Vorwürfe nicht mehr entschieden.

4

Der Beamte ist wiederverheiratet und hat aus erster Ehe zwei Kinder. In straf- und disziplinarrechtlicher Hinsicht ist er - abgesehen von den Vorgängen, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind - nicht in Erscheinung getreten.

5

Mit Verfügung vom 8. Juli 1999 ordnete der Leiter des Bundesgrenzschutzamtes F. die Vorermittlungen gegen den Beamten an; gleichzeitig wurden diese mit Blick auf das sachverhaltsidentische Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft F. ausgesetzt. Mit Verfügung vom 4. August 1999 leitete der Präsident des Grenzschutzpräsidiums ... das förmliche Disziplinarverfahren nach den Vorschriften der Bundesdisziplinarordnung (BDO) gegen den Beamten unter gleichzeitiger Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge ein. Die vorgenannte Anordnung dauert an.

6

Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts F. vom 16. August 2005 - 27 Ns 55/05 - wurde der Beamte wegen Geheimnisverrats (§ 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVG) in acht Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung (§ 369, § 370 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 AO) in 24 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt, ferner wegen einer Ordnungswidrigkeit (§ 43 Abs. 2 Nr. 3 BDSG) zu drei Geldbußen zu je 100 €. Gegenstand dieser strafgerichtlichen Verurteilung waren die Anschuldigungspunkte 1 und 2 des vorliegenden Disziplinarverfahrens. Wegen weiterer Tatvorwürfe (Gebrauch einer gefälschten Urkunde in Tateinheit mit Steuerhinterziehung im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1996; Betrug durch dienstlich abgerechnete Kosten für private Fotoaufnahmen) wurde der Beamte freigesprochen.

7

Nach Abschluss des strafgerichtlichen Verfahrens und der disziplinarrechtlichen Untersuchungen legte der Präsident des Bundespolizeipräsidiums ... dem Beamten mit Anschuldigungsschrift vom 10. November 2005 zur Last, ein Dienstvergehen begangen zu haben, in dem er

1. während des Dienstes in einer Vielzahl von Fällen ZEVIS- und INPOL-Daten aus dienstlichen Dateien abgefragt habe, ohne dass hierfür ein dienstlicher Anlass bestanden habe, und diese Dateien an seinen Bekannten P. weitergegeben habe;

2. in 24 Fällen jeweils eine Stange Zigaretten von P. nach Deutschland eingeführt habe, ohne die dafür vorgesehenen Zollabgaben zu entrichten; bei mindestens 2 Gelegenheiten habe er diese Zigaretten während seiner Dienstzeit eingeführt, indem er im Dienstfahrzeug und in Dienstuniform über die Grenze gefahren sei;

3. private Telefonate auf Kosten des Dienstherrn geführt habe, wobei der Anschuldigungsschrift als Anlage 1 eine Auflistung der einzelnen Telefonate (nach Datum, Uhrzeit, Zielrufnummer, Dauer, Einheiten und Gebühren sowie Ortsnetz bzw. Land) beigefügt war.

8

Mit Urteil vom 23. Februar 2010 hat das Verwaltungsgericht den Beamten aus dem Dienst entfernt. Auf die dagegen erhobene Berufung des Beamten hat der Senat mit Beschluss vom 22. September 2010 (BVerwG 1 D 1.10) das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen schwerer Verfahrensmängel aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

9

Mit dem nun angefochtenen Urteil vom 6. März 2012 hat das Verwaltungsgericht den Beamten (erneut) aus dem Beamtenverhältnis entfernt und ihm einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 % des erdienten Ruhegehalts für ein halbes Jahr bewilligt. Es hat die angeschuldigten Vorwürfe als erwiesen erachtet. Wegen der Anschuldigungspunkte 1 und 2 hat es sich auf die strafgerichtlichen Feststellungen gestützt; wegen des dritten Vorwurfs hat es die Feststellungen der Staatsanwaltschaft bzw. Einleitungsbehörde für zutreffend erachtet. Der Beamte habe schuldhaft ein Dienstvergehen i.S.v. § 77 Abs. 1 BBG begangen, weil er vorsätzlich gegen seine Pflichten gemäß § 54 Satz 1 und 3 sowie § 55 Satz 2 BBG verstoßen habe. Als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass bereits bei einer Würdigung der Anschuldigungspunkte zu 1 und 2 nach deren Schwere die Entfernung des Beamten aus dem Dienst angemessen sei, hinzu komme noch der Anschuldigungspunkt zu 3. Entlastende Umstände von erheblichem Gewicht fehlten.

10

Mit seiner gegen dieses Urteil vollumfänglich eingelegten Berufung beantragt der Beamte,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 6. März 2012 aufzuheben und auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienst zu erkennen.

11

Die Einleitungsbehörde beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Berufung des Beamten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme.

13

Da das behördliche Disziplinarverfahren durch Verfügung vom 4. August 1999 eingeleitet worden ist, mithin bevor das Bundesdisziplinargesetz (BDG) in Kraft getreten ist (1. Januar 2002), ist das gerichtliche Verfahren noch nach altem Recht, d.h. nach den Vorschriften der Bundesdisziplinarordnung (BDO) fortzuführen (§ 85 BDG). Dabei übt der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts selbst die Disziplinarbefugnis aus, bestimmt also - im Rahmen des angeschuldigten Sachverhalts und des Verböserungsverbots - selbst die angemessene Disziplinarmaßnahme.

14

Der Disziplinarsenat ist aufgrund des festgestellten Sachverhalts (1.), von dem er aufgrund der bindenden strafgerichtlichen Feststellungen bzw. seiner eigenen Beweisaufnahme ausgeht, zu der Überzeugung gelangt, dass der Beamte ein Dienstvergehen begangen hat (2.), das bei Abwägung aller disziplinarrechtlich relevanten Gesichtspunkte mit der im Tenor ausgesprochenen Zurückstufung in ein um zwei Stufen niedrigeres Amt mit geringerem Endgrundgehalt zu ahnden ist (3.).

15

1. Hinsichtlich der einzelnen Anschuldigungspunkte geht der Disziplinarsenat von folgendem Sachverhalt aus:

16

a) Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 1 hält es der Senat für erwiesen, dass der Beamte in elf Fällen eine Vielzahl von Kfz-Halterdaten aus den (polizei-) behördlichen EDV-Datensystemen ZEVIS (Zentrales Verkehrs-Informationssystem des Kraftfahrt-Bundesamts) und INPOL (bundeseinheitliches polizeiliches Informationssystem des Bundeskriminalamts und der Landespolizeien) entweder selbst abgefragt oder ihm unterstellte Bedienstete mit solchen Abfragen beauftragt und die Daten an den polnischen Rückführungsunternehmer P. weitergeleitet hat.

17

aa) Hierzu hat das Landgericht F. in seinem rechtskräftig gewordenen Urteil vom 7. Juni 2004 - 25 Ns 110/03 - im Einzelnen festgestellt:

"Der Angeklagte ... war von Januar 1998 bis Juni 1999 stellvertretender Inspektionsleiter und Sachbearbeiter Einsatz/Organisation in der Bundesgrenzschutzinspektion S. Der Angeklagte P. betreibt gewerbsmäßig die entgeltliche Rückholung in Deutschland entwendeter Kraftfahrzeuge aus P. und anderen osteuropäischen Staaten und hat zu diesem Zweck Kontakte zu polnischen Polizeidienststellen. Von diesen und aus anderen Quellen erhält er Informationen über den Standort von Kraftfahrzeugen, die unter anderem in P. sichergestellt worden sind, da der Verdacht besteht, dass es sich um gestohlene Fahrzeuge handelt. Der Angeklagte P. gelangte so in der Regel an die Fahrzeugidentifizierungsnummer der Fahrzeuge und war bestrebt, herauszufinden, ob die dazugehörenden Fahrzeuge als gestohlen registriert und wer der Halter der jeweiligen Fahrzeuge ist. Um an die Halterdaten und Inpoldaten zu gelangen, wandte er sich an den Angeklagten ..., den er bereits seit 1996 kannte.

Dieser beauftragte mit der jeweiligen Recherche entweder Mitarbeiter der Inspektion in der Regel den Zeugen S., der aufgrund seiner dienstlichen Obliegenheiten Zugriff auf die jeweiligen Datensysteme hatte, oder der Angeklagte ... recherchierte selbst am Computer an der Grenzübergangsstelle ..., obwohl er wusste, dass er dazu nicht berechtigt war. Die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften des Bundesgrenzschutzgesetzes, des Straßenverkehrsgesetzes und des Bundesdatenschutzgesetzes waren dem Angeklagten ... ebenso bekannt wie die entsprechenden dienstlichen Anweisungen, welche insbesondere die Erteilung von Halterauskünften an den Angeklagten P. durch das Bundesgrenzschutzamt bereits im Jahre 1995 untersagten und auch den Mitarbeitern der Grenzschutzstelle und der Inspektionen im Umlaufwege zur Kenntnis gegeben worden waren.

Zur Übermittlung der erhobenen Daten nutzte der Angeklagte ... vorrangig ein privates Faxgerät, welches er mit Billigung der Behördenleitung in seinem Dienstzimmer betrieb. Über die tatsächlichen Hintergründe der Abfragen und deren Verwendung ließ er sowohl den Zeugen S. als auch seine unmittelbare Mitarbeiterin Frau L., die verschiedentlich vom Angeklagten P. stammende Auflistungen von Fahrzeugidentifizierungsnummern an ihn weiterleitete, im Unklaren. Der Zeuge S. ging bei der Ausführung der Aufträge des Angeklagten davon aus, dass die Abfragen im Zusammenhang mit dienstlichen Obliegenheiten der Ermittlungsgruppe stünden.

Im Einzelnen kam es zu folgenden Datenerhebungen:

Am 30.12.1998 in der Zeit von 11:05 Uhr bis 12:19 Uhr nahm der Zeuge S. im Auftrag des Angeklagten ... eine Mehrzahl von Halterabfragen in dem Zentralen Fahrzeugregister des Kraftfahrt-Bundesamtes (ZEVIS) vor. Unter anderem fragte er die Halterdaten aus dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... ab und erhielt die Daten des F.. Das Ergebnis seiner Abfrage übergab der Zeuge S. dem Angeklagten .... Dieser übermittelte die festgestellten Halterdaten dem Angeklagten P.

Am 13.01.1999 in der Zeit von 09:30 Uhr bis 09:41 Uhr tätigte der Zeuge S. erneut im Auftrag des Angeklagten ... eine Mehrzahl von Abfragen im ZEVIS. Unter anderem gab er das Autokennzeichen ... des S. ein und fertigte einen 'erweiterten' ZEVIS-Ausdruck, auf dem zusätzlich zu den Halterdaten vermerkt war: 'Fahrzeug gestohlen INPOL prüfen!'. Daraufhin nahm er eine Abfrage im polizeilichen Informationssystem (INPOL) vor, welches beim Bundeskriminalamt geführt wird, und der Bundes- und Landespolizei sowie dem Zoll, für deren Aufgabenerfüllung zur Verfügung steht. Die entsprechenden Ausdrucke übergab er dem Angeklagten ... und dieser leitete sie absprachegemäß an den Angeklagten P. weiter.

Am 15.01.1999 um 07:33 Uhr nahm der Angeklagte ... entweder selbst oder durch einen Unbekannten über den Terminal ... der Geschäftsstelle des Grenzübergangs ... eine Abfrage des Kennzeichens ... des Pkw's VW des W. vor. Den entsprechenden ZEVIS-Ausdruck ließ er absprachegemäß dem Angeklagten P. zukommen.

Am 26.01.1999 in der Zeit von 11:27 Uhr bis 11:55 Uhr nahm der Zeuge S. im Auftrag des Angeklagten ... erneut ZEVIS-Abfragen vor. Unter anderem kam es zur Abfrage von Halterdaten zu den Fahrzeugen ... und .... Die erlangten Halterdaten übermittelte der Angeklagte ... absprachegemäß dem Angeklagten P.

Am 27.04.1999 gegen 09:30 Uhr übersandte der Angeklagte P. dem Angeklagten ...per Fax eine Liste für Fahrzeugidentifizierungsnummern zur Abfrage. Der Angeklagte ... beauftragte die Zeugin L., seinerzeit B., die Fahrzeugidentifizierungsnummern im ZEVIS und INPOL zu überprüfen und mahnte am 29.04.1999 an, dass dies noch heute erledigt werden müsse. Die Zeugin L. übergab die Überprüfungen der Zeugin GUK K., die die Abfragen am 29.04.1999 vornahm und die Ausdrucke auf den Schreibtisch der Zeugin L. legte, von wo sie der Angeklagte ... mitnahm. Unter anderem fragte die Zeugin K. die Halterdaten zum Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... ab. Das Ergebnis dieser Abfrage teilte der Angeklagte ... dem Angeklagten P. absprachegemäß mit.

Am Vormittag des 04.05.1999 tätigte der Angeklagte ... für den Angeklagten P. über den Terminal ... des Grenzüberganges ... mehrere ZEVIS-Abfragen. Er fragte die FIN ... ab, die zum Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... der Firma S. GmbH ... gehörte. Diese Daten übermittelte er absprachegemäß an den Angeklagten P.

Am 26.05.1999 gegen 10:00 Uhr führte der Angeklagte ... am Grenzübergang ... persönlich Überprüfungen von Kraftfahrzeugen in INPOL und ZEVIS durch.

Unter anderem überprüfte er folgende Fahrzeuge:

Das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ..., das zum Pkw Audi 100 des Herrn ... gehörte und am 17.05.1999 in S. gestohlen worden war, das Fahrzeug mit der FIN ..., Pkw Audi mit dem amtlichen Kennzeichen ..., welches dem Zeugen L. gehörte, das Fahrzeug mit der FIN ..., die zum Pkw VW mit dem amtlichen Kennzeichen ... der KG Spedition und Handel GmbH & Co., ... gehörte, und der Nacht vom 07. auf den 08.05.1999 in S. durch Diebstahl abhanden gekommen war, das Fahrzeug mit der FIN ..., welche zum Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... des G. gehörte.

Die erhaltenen einfachen und 'erweiterten' ZEVIS-Auskünfte sowie die INPOL-Auskunft leitete der Angeklagte ... absprachegemäß an den Angeklagten P. weiter.

Am 31.05.1999 gegen 09:55 Uhr führte der Angeklagte ... an einem Terminal der Einsatzzentrale des Grenzüberganges ... selbst ca. 10 bis 12 Fahrzeugabfragen durch. Unter anderem fragte er die FIN ..., die zum Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... des S. gehörte, ab. Die erlangten Halterdaten übermittelte er absprachegemäß an den Angeklagten P..

Am 01.06.1999 gegen 12:55 Uhr nahm der Angeklagte ... an dem Terminal der LEZ des Grenzüberganges ... Abfragen vor. Unter anderem überprüfte er in ZEVIS das amtliche Kennzeichen ..., das zum Fahrzeug des B. gehörte und leitete die erlangten Informationen absprachegemäß an den Angeklagten P. weiter.

Am 02.06.1999 ab ca. 12:40 Uhr führte der Angeklagte ... ca. 10 bis 12 Abfragen an einer Datensichtstation am Grenzübergang ... durch. Unter anderem überprüfte er die FIN ..., welche zum Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... des G.O.T.S. gehörte. Das Fahrzeug war am 26.05.1999 in P. gestohlen worden.

Außerdem überprüfte er die FIN ..., die zum Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... des P. I. K. gehörte. Dieses Fahrzeug war am 30.05.1999 in P. gestohlen worden.

Die erlangten Daten übersandte er absprachegemäß an den Angeklagten P..

Am 10.06.1999 tätigte der Angeklagte ... am Computerterminal des Grenzüberganges ... Abfragen zu ca. 10 bis 12 Fahrzeugidentifizierungsnummern. Die entsprechenden Daten hat ihm der Angeklagte P. zuvor per Telefax übersandt.

So fragte er in der Zeit von 09:13 Uhr bis 09:18 Uhr folgende Fahrzeuge ab: die FIN ..., welche zum Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... des P. gehörte, die FIN ..., welche zum Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... des t P. gehörte, die FIN ..., welche zum Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... der N. gehörte, die FIN ..., welche zum Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... des P. gehörte, die FIN ..., welche zum Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... der Einrichtung 'Lebenshilfe für Menschen mit geistigen Behinderungen ...' gehörte, die FIN ..., welche zum Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... des P. gehörte.

Zu diesen Abfragen fertigte der Angeklagte ... Ausdrucke. Für die Fahrzeuge des L., des P. und der 'Lebenshilfe' erhielt er dabei erweiterte ZEVIS-Auskünfte, die jeweils den Hinweis enthielten 'Fahrzeug gestohlen INPOL prüfen'. Die entsprechenden Ausdrucke schickte er absprachegemäß noch am selben Tag per Post an den Angeklagten P.."

18

Ergänzend geht der Senat in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass der Rückholunternehmer P. - wie dem Beamten bekannt war - ein geschäftliches Interesse an den Kfz-Halterdaten hatte, um entweder direkt von den Kfz-Haltern Aufträge für eine entgeltliche Rückführung ihres Kraftfahrzeugs zu erhalten oder über die Halter an deren Versicherungsunternehmer mit demselben Ziel herantreten zu können. Auf diese Weise suchte er sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen konkurrierenden Rückholunternehmern zu verschaffen. Der Beamte war durch drei dienstliche Anordnungen, datierend vom 28. August 1995, 16. November 1995 und 7. März 1996, jeweils darüber belehrt worden, dass die Weitergabe von ZEVIS- und INPOL-Daten an Dritte, namentlich an Rückführungsunternehmen, unzulässig sei.

19

bb) Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Senats fest. Diese gründet zum einen auf die dargestellten rechtskräftigen Feststellungen des genannten Strafurteils, an die der Senat gemäß § 18 Abs. 1 BDO gebunden ist. An ihrer Richtigkeit bestehen keine Zweifel, so dass kein Grund für eine Lösung von diesen Feststellungen vorliegt (vgl. Urteile vom 7. Oktober 1986 - BVerwG 1 D 46.86 - BVerwGE 83, 228 <230> und vom 29. November 2000 - BVerwG 1 D 13.99 - BVerwGE 112, 243 <245> = Buchholz 235 § 18 BDO Nr. 2 S. 5 m.w.N.). Zum anderen beruht die Überzeugung des Senats ergänzend auf seiner eigenen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung:

20

Der Beamte hat in der Hauptverhandlung die strafgerichtlichen Feststellungen zur Weitergabe der Kfz-Halterdaten an den Rückfuhrunternehmer P. als zutreffend eingeräumt. Er hat sich im Wesentlichen dahin eingelassen, dass eine Zusammenarbeit mit polnischen Rückfuhrunternehmern in der Vergangenheit übliche Praxis gewesen sei; die erwähnten Verfügungen, die eine solche Zusammenarbeit untersagten, habe er für verwaltungsmäßig unpraktikabel gehalten. Er habe niemandem geschadet, sich nicht bereichert und den Kfz-Haltern nur auf schnelle Weise zu ihrem Eigentum verhelfen wollen. Andererseits hat er eingeräumt, dass ihm sowohl die drei vorbezeichneten dienstlichen Anordnungen zum Verbot der Weitergabe von Kfz-Halterdaten an Dritte bekannt waren, als auch dass dadurch eine Bevorzugung einzelner Rückführungsunternehmer verhindert werden sollte.

21

Hiernach ist der Beamte hinsichtlich des tatsächlichen Geschehens zum Anschuldigungspunkt 1 geständig. Ohne Erfolg bleibt der Einwand des Beamten, er habe lediglich eine frühere gängige Praxis übernommen und weitergeführt. Dem steht die dargestellte eindeutige Weisungslage entgegen. Auch der Zeuge P., der Leiter der Dienststelle, hat in der Hauptverhandlung vor dem Senat bestätigt, dass zum Zeitpunkt seiner Versetzung dorthin die Rechts- und Erlasslage klar war.

22

Soweit der Beamte mit seiner Einlassung sein Verhalten zu rechtfertigen bzw. das Motiv seines Handelns in milderes Licht zu stellen versucht, bleibt er damit ohne Erfolg. Allerdings ist weder strafgerichtlich festgestellt worden noch konnte dem Beamten im Disziplinarverfahren nachgewiesen werden, dass er für die Weitergabe der Daten von dem Rückfuhrunternehmer P. finanzielle oder wirtschaftliche Vorteile entgegen genommen hat, wenngleich die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hierfür einige Verdachtsmomente erbracht hatten (mehrere kostenlose Inspektionen des Privat-Fahrzeugs des Beamten in einer Werkstatt des Bruders des Herrn P. und kostenlose Nutzung des Jeeps des Herrn P. während dieser Zeit). Umgekehrt hält der Senat es für unglaubhaft, dass der Beamte den Haltern der Kraftfahrzeuge lediglich auf schnelle und unbürokratische Weise zum Rückerhalt ihres Eigentums habe verhelfen wollen. Wäre dem so, ist zum einen nicht erklärlich, warum der Beamte solche Daten nach eigener Einlassung allein und ausschließlich Herrn P. hat zukommen lassen, nicht aber anderen Rückfuhrunternehmern, die an ihn herangetreten sind. Dagegen spricht zum anderen sein verdecktes Vorgehen, wofür exemplarisch der von der Zeugin L. geschilderte Vorfall steht, als der Beamte sie dafür rügte, dass sie ein (an das private Fax-Gerät des Beamten in der Dienststelle gesandtes) Telefax-Schreiben mit Fahrzeugidentifikationsnummern (FIN-Nummern), das sie vom Boden aufgehoben hatte, offen auf den Schreibtisch des Beamten gelegt hatte. Unglaubhaft (weil widersprüchlich) erscheint dem Senat ferner, dass der Beamte sein Verhältnis zu Herrn P. einerseits als normal und jedenfalls nicht eng bezeichnet, andererseits auf Vorhalt in der Hauptverhandlung einräumte, dass Herr P. zur Feier des 50. Geburtstags seiner damaligen Lebenspartnerin eingeladen war. Auf den Vorhalt der erwähnten Kfz-Inspektionen schließlich hat der Beamte in der Hauptverhandlung vor dem Senat geschwiegen. Nach all dem ist das Motiv für sein Verhalten letztlich unaufklärbar geblieben. Jedoch steht zur Überzeugung des Senats immerhin fest, dass der Beamte bewusst gegen die ihm bekannten Verfügungen (betreffend das Verbot einer Zusammenarbeit mit Kfz-Rückholunternehmern) verstoßen und nicht aus den von ihm behaupteten allein fremdnützigen Motiven zugunsten der Kfz-Halter gehandelt hat. Der Beamte hat auch eingeräumt, dass ihm der wirtschaftliche Hintergrund der Anfragen des Herrn P. (Wettbewerbsvorsprung vor anderen Konkurrenten) bekannt war und dass ihm ebenso bewusst war (wenngleich er dies in der Hauptverhandlung vor dem Senat lediglich als "Vermutung" herunterzuspielen suchte), dass die erwähnten dienstlichen Anordnungen auch den Zweck verfolgten, eine korruptionsverdächtige Bevorzugung einzelner Rückführungsunternehmer zu unterbinden.

23

b) Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 2 geht der Senat davon aus, dass der Angeschuldigte in insgesamt 24 Fällen je eine Stange Zigaretten, die er in P. erworben hat, unter Verstoß gegen steuer- und zollrechtliche Bestimmungen nach Deutschland eingeführt und entgeltlich an ein mit ihm bekanntes Ehepaar weiterverkauft hat.

24

aa) Hierzu hat das Landgericht F. in dem bereits bezeichneten Strafurteil im Einzelnen festgestellt:

"Ende 1998 kam der Angeklagte ... mit seinen Bekannten, den Eheleuten R. und C. G. überein, ihnen in regelmäßigen Abständen in P. erworbene Zigaretten zum Preis von 25,00 DM pro Stange zu schicken. Der Angeklagte erwarb von Januar bis Juni 1999 bei 24 Gelegenheiten jeweils eine Stange Zigaretten in P. zu diesem Zweck. Bei mindestens zwei Gelegenheiten fuhr er in Begleitung der Zeugin L. (früher B.), die zu dieser Zeit als Kraftfahrerin und Dolmetscherin bei dienstlichen Fahrten im p. Grenzschutz fungierte, im Dienstfahrzeug und in Dienstuniform über die Grenze und erwarb dort in einer Bar jeweils eine Stange Zigaretten, die er bei der Rückkehr aus P. nicht dem Zoll gestellte, sondern im Fahrzeug so verwahrte, dass sie im Falle eventueller Kontrolle nicht gleich sichtbar war.

Von der Zeugin auf die Vorschriftswidrigkeit dieses Vergehens hingewiesen, reagierte er abwehrend und bagatellisierte die Angelegenheit. Die erworbenen Zigarettenstangen sammelte er und schickte den Zeugen G. 4 Päckchen, in denen sich einmal 12 Stangen, einmal 2 Stangen, einmal 4 Stangen und einmal 6 Stangen befanden. Die Familie G. überwies ihm nach Erhalt den jeweils vereinbarten Geldbetrag zuzüglich der Versandkosten."

25

Ergänzend geht der Senat davon aus, dass hierdurch Abgaben hinterzogen wurden, und zwar bezogen auf eine Stange Zigaretten in Höhe von jeweils 49,37 DM (Zoll 10,94 DM, Tabaksteuer 29,42 DM, Einfuhrumsatzsteuer 9,01 DM), insgesamt mithin in Höhe von 1 184,88 DM. Der Beamte, der selbst Nichtraucher ist, wusste, dass sein Verhalten gegen steuer- und zollrechtliche Vorschriften verstieß. Er war durch das Schreiben der Bundesgrenzschutzinspektion S. vom 23. September 1998 darauf hingewiesen worden, dass ein während des Dienstes getätigter Einkauf von zollrechtlich relevanten Gegenständen und deren Einfuhr nach Deutschland steuer- und zollstrafrechtlich einschlägig sei, dass die Ausnahmebestimmungen der Einreise-Freimengen-Verordnung (EF-VO) nur für Reisende, nicht dagegen für Angehörige des Bundesgrenzschutzes während ihrer Dienstverrichtung gelten und dass Verstöße dagegen als Dienstpflichtverletzungen geahndet würden. Die Kenntnisnahme dieses Schreibens hat der Beamte ausweislich einer "Aktenkundigen Belehrung" am 25. September 1998 durch eigene Unterschrift bestätigt.

26

bb) Auch insoweit steht der Sachverhalt zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der vorbezeichneten bindenden strafgerichtlichen Feststellungen, an denen der Senat keinen Grund zu zweifeln hat, so dass auch insoweit eine Lösung nicht in Betracht kommt (§ 18 BDO), sowie der Einlassung des Beamten in der Hauptverhandlung, in der er diese Feststellungen bestätigt hat. In seiner eigenen Beweisaufnahme hat der Senat keine weitergehenden Erkenntnisse über die konkreten Umstände gewonnen, auf welche Weise der Beamte - über die im Strafurteil festgestellten zwei Fälle hinaus - die weiteren 22 Zigarettenstangen nach Deutschland eingeführt hat, insbesondere ob er auch diese in Dienstuniform und mit dem Dienstfahrzeug über die Grenze gebracht hat. Die Zeugin L. glaubte, sich an drei bis fünf Fälle erinnern zu können, und schilderte ansatzweise drei Begebenheiten, bei denen der Kläger Zigarettenstangen bei einer Dienstfahrt und in Dienstuniform in P. erworben habe. An nähere Einzelheiten wie das Datum oder die Anzahl der Zigarettenstangen konnte sie sich aber nicht erinnern. Auch vermochten weder sie noch der Zeuge P. zu sagen, ob der Beamte nach Dienstschluss in Dienstuniform oder in Zivilkleidung nach Hause über die deutsch-polnische Grenze gefahren und damit den Einfuhrtatbestand letztlich verwirklicht hat. Da eine zeitlich tatnähere Aufklärung dieser Umstände versäumt wurde und heute - mehr als 14 Jahre später - weitere Erkenntnismöglichkeiten nicht zur Verfügung zu stehen, muss der Senat in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" zugunsten des Beamten davon ausgehen, dass dieser lediglich zwei der 24 Zigarettenstangen in Dienstuniform und im Dienstfahrzeug nach Deutschland eingeführt hat, wie im Strafurteil festgestellt.

27

c) Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 3 hält der Senat es für erwiesen, dass der Beamte zwischen dem 18. Januar und 2. Juni 1999 von seinem Dienstapparat in der Dienststelle Telefonate ohne dienstlichen Bezug geführt hat, nämlich 24 Anrufe an eine Telefonnummer in A., die der geschiedenen Ehefrau des Beamten gehört, sowie 27 Anrufe an zwei Telefonnummern des Herrn P. in B. mit einer Gebührenhöhe von insgesamt 18,60 DM. Der Beamte hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, dass er diese Telefonate geführt hat und dass sie nicht dienstlich veranlasst gewesen seien.

28

Entgegen der Anschuldigungsschrift und entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann indes nicht festgestellt werden, dass auch sämtliche weiteren der insgesamt 204 Telefonate, die in der tabellarischen Auflistung der Anlage zur Anschuldigungsschrift und im Urteil des Verwaltungsgerichts (S. 19 ff.) näher bezeichnet sind, ebenfalls von dem - dies bestreitenden - Beamten geführt wurden und dass sie privat veranlasst waren. Das Verwaltungsgericht hat die aufgelisteten Telefonate deshalb zur Gänze als privat veranlasst gewertet, weil der Beamte im Disziplinarverfahren Gelegenheit gehabt hat, die nach seiner Ansicht dienstlich veranlassten Telefonate aus der Auflistung auszuscheiden (und dies auch teilweise getan hat) und die aus der bereinigten Auflistung sich ergebenden Telefonkosten in Höhe von 161,06 DM ohne Abzug beglichen hat. Dem vermag sich der Disziplinarsenat nicht anzuschließen. Einer solchen Würdigung des Verhaltens des Beamten als konkludentes "Geständnis" steht nach Auffassung des Senats zum einen entgegen, dass der Beamte durchaus nachvollziehbar dargelegt hat, dass er den genannten Betrag allein deshalb beglichen habe, um angesichts der zahlreichen weiteren seinerzeit gegen ihn erhobenen Vorwürfe wenigstens diese Anschuldigung "aus der Welt zu schaffen". Zum anderen steht sowohl der Annahme der Anschuldigungsschrift als auch der des Verwaltungsgerichts, allein der Beamte könne die Telefonate geführt haben, der Umstand entgegen, dass der Beamte sein Dienstzimmer im fraglichen Zeitraum mit zwei weiteren Bediensteten geteilt hat und dieses bei seiner Abwesenheit nicht verschlossen war, so dass mindestens diese beiden, wenn nicht weitere Bedienstete der Dienststelle sein Diensttelefon tatsächlich benutzen konnten. Da weitere Aufklärungsmöglichkeiten - mehr als 14 Jahre nach dem fraglichen Zeitraum - nicht bestehen, hat der Senat nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" davon auszugehen, dass der Beamte nur die von ihm eingeräumten 51 Telefonate mit einer Gebührenhöhe von 18,60 DM selbst getätigt hat.

29

Diese Telefonate waren - wie der Beamte ebenfalls eingeräumt hat - nicht dienstlich veranlasst. Der Beamte hat sie entgegen der ihm bekannten "Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Einrichtung und Benutzung dienstlicher Telekommunikationsanlagen für die Bundesverwaltung (Dienstanschlussvorschriften - DAV -) vom 18. Dezember 1995 nicht, wie es in seiner Dienststelle seinerzeit allein möglich war und angeordnet war, im Wege der eigenverantwortlichen "Selbstanschreibung" nach Monatsende als private Telefonate angegeben und zur Abrechnung gestellt.

30

2. Das sich aus den vorstehenden Feststellungen ergebende Verhalten des Beamten ist disziplinarrechtlich dahin zu würdigen, dass der Beamte dadurch in mehrfacher Hinsicht seine Dienstpflichten verletzt hat. Sowohl mit der unbefugten Weitergabe von Kfz-Halterdaten aus den genannten (polizei-) behördlichen Daten-Systemen (Anschuldigungspunkt 1) als auch mit der Einfuhr und entgeltlichen Weitergabe unverzollter Zigaretten (Anschuldigungspunkt 2) als auch durch die unterlassene Abrechnung privater Telefonate (Anschuldigungspunkt 3) hat der Beamte jeweils seine Pflicht gemäß § 54 Satz 3 BBG a.F. (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG n.F.) verletzt, innerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (sog. allgemeine Wohlverhaltenspflicht). Darüber hinaus hat er mit seinem Verhalten zugleich gegen seine Pflicht gemäß § 55 Satz 2 BBG a.F. (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG n.F.) verstoßen, die Anordnungen und Richtlinien seiner Vorgesetzten zu befolgen.

31

Ungeachtet des Umstandes, dass inzwischen das im Rahmen des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) novellierte Bundesbeamtengesetz gilt, ist für die Frage, ob der Beamte im angeschuldigten Tatzeitraum seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, die damalige Sach- und Rechtslage maßgebend, soweit nicht im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB für den Beamten materiellrechtlich günstigeres neues Recht gilt (vgl. Urteil vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 LS 1 und 2 sowie Rn. 33 m.w.N.). Letzteres ist hier nicht der Fall. Mit Ausnahme der redaktionellen Anpassung an die geschlechterneutrale Sprache stimmen § 61 Abs. 1 Satz 3, § 62 Abs. 1 Satz 2 und § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG in der jetzt geltenden Fassung mit den genannten Vorgängerregelungen inhaltlich überein. Umfang und Inhalt der Dienstpflichten des Beamten und damit auch die Frage ihrer Verletzung zur Tatzeit bestimmen sich daher allein nach § 54 Satz 3, § 55 Satz 2 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F.

32

Der Beamte hat in allen Anschuldigungspunkten vorsätzlich und schuldhaft gehandelt, weil ihm die Pflichtwidrigkeit seines Tuns bewusst war.

33

Dass der Beamte, wie er zum Anschuldigungspunkt 1 auch vor dem Senat glauben machen wollte, bei der Weitergabe der Kfz-Halterdaten an den Rückholunternehmer P. allein "zum Wohle" der Kfz-Halter gehandelt habe, denen er auf einfache und schnelle Weise zu ihrem Eigentum habe verhelfen wollen, hält der Senat - wie oben zur Beweiswürdigung ausgeführt - nicht für glaubhaft. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe, die der Beamte aus seinem angeblich altruistisch motivierten Tun ableitet, stehen ihm daher nicht zur Seite. Auch der Einwand, dass die von ihm praktizierte "Zusammenarbeit" mit dem Rückfuhrunternehmer P. früher gängige Praxis gewesen sein mag, vermag angesichts der eindeutigen Weisungslage das Verhalten des Beamten weder zur rechtfertigen noch zu entschuldigen.

34

Der Vorwurf der Einfuhr unverzollter Zigaretten (Anschuldigungspunkt 2) wird nicht durch den Hinweis des Beamten auf den (im strafgerichtlichen und im Disziplinarverfahren bislang nicht beleuchteten und vom Zeugen P. bestätigten) Umstand in Frage gestellt, dass sich die Grenzschutzstelle ... auf ... Staatsgebiet befindet. Denn gemäß Art. 12 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik P. über Erleichterungen der Grenzabfertigung (vgl. das zugehörige Vertragsgesetz vom 3. Februar 1994, BGBl II S. 265) unterstehen die auf ... Hoheitsgebiet tätigen Grenzschutzbeamten - vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Einschränkungen durch das genannte Abkommen und der Bestimmungen des Internationalen Privatrechts - den Rechtsvorschriften der Republik P., auch wenn es sich dienstrechtlich nicht um Dienst im Ausland handelt (vgl. hierzu Beschluss vom 8. März 2007 - BVerwG 2 B 5.07 - juris Rn. 2). Gemäß Art. 14 Abs. 1, 2 und 4 sowie Art. 19 des Abkommens bleiben die zum dienstlichen Gebrauch bestimmten Gegenstände sowie die Gegenstände des persönlichen Bedarfs, die die Grenzschutzbediensteten ein- oder ausführen, frei von Zöllen; Ein- und Ausfuhrverbote sowie -beschränkungen finden insoweit keine Anwendung. Demnach galten im Übrigen die allgemeinen Zollvorschriften, mithin auch die Verordnung über die Einfuhrabgabenfreiheit von Waren im persönlichen Gepäck der Reisenden - Einreise-Freimengen-Verordnung (EF-VO) vom 3. Dezember 1974 (BGBl I S. 3377).

35

Soweit der Beamte in der Hauptverhandlung vor dem Disziplinarsenat versucht hat, sein Verhalten im Anschuldigungspunkt 2 damit zu rechtfertigen, dass er hinsichtlich der Einfuhr von zollfreien Zigaretten dieselben Rechte wie andere Reisende habe, kann er auch damit keinen Erfolg haben. Nach § 2 Abs. 1 EF-VO sind frei von Einfuhrabgaben nur Waren, die Reisende gelegentlich und ausschließlich zum persönlichen Gebrauch oder Verbrauch, für ihren Haushalt oder als Geschenk in ihrem persönlichen Gepäck einführen (Reisemitbringsel), und auch dies nur innerhalb näher bezeichneter Mengen- und Wertgrenzen. Der Beamte, der selbst Nichtraucher ist, hat die Zigaretten weder zum persönlichen Verbrauch noch für seinen Haushalt noch als Geschenk, sondern zur entgeltlichen Weitergabe an das Ehepaar G. eingeführt und im Übrigen in einer Menge jenseits der genannten Menge- und Wertgrenzen; er fiel auch nicht unter einen Sonderfall der Verordnung.

36

Zum Anschuldigungspunkt 3 bedarf es keiner weitergehenden Ausführung zur rechtlichen Würdigung der nach dem Vorstehenden (allerdings nur in Höhe von 18,60 DM erwiesenen) unterbliebenen Anzeige ("Anschreibung") privater Telefonate des Beamten von seinem Diensttelefon als Verstoß gegen § 54 Satz 3 und § 55 Satz 2 BBG a.F.

37

3. Die hiernach gegebenen Dienstpflichtverletzungen des Beamten stellen ein einheitliches, in seinem Schwerpunkt innerdienstliches Dienstvergehen dar (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F.). Soweit es teilweise (nämlich hinsichtlich der Einfuhr von 22 Stangen Zigaretten) als außerdienstlich anzusehen ist, sind auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt, dass das Dienstvergehen in besonderem Maß geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt des Beamten oder für das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F.). Dieses Dienstvergehen ist nach Einschätzung des Senats mit einer Versetzung in ein um zwei Stufen niedrigeres Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt (§ 9 BDG, früher § 10 BDO) angemessen geahndet. Dies führt zu der im Tenor verhängten Zurückstufung des Beamten von seinem bisherigen Amt eines Polizeihauptkommissars (BesGr A 12 BBesO) in das eines Polizeioberkommissars (BesGr A 10 BBesO).

38

Obwohl es sich - wie eingangs dargelegt - um einen sog. Altfall nach der Bundesdisziplinarordnung handelt, sind bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme die Regelungen des § 13 Abs. 1 und 2 BDG zugrunde zu legen (stRspr, vgl. Urteil vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 64 m.w.N.).

39

a) Gemäß § 13 Abs. 1 BDG ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien mit den ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies ist dem auch im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) geschuldet (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1, jeweils Rn. 21 ff. und vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 2 A 4.04 - Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1 Rn. 65).

40

Hiernach ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Für die Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts generelle Maßstäbe für einzelne Fallgruppen entwickelt (vgl. etwa die Urteile vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 S. 5 f. und vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 20 , vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 = Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 18, jeweils Rn. 29 und vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 62.11 - NVwZ-RR 2013, 693 Rn. 39 ff. ).

41

In Ergänzung dazu hat das Bundesverwaltungsgericht - ebenfalls auf spezielle Deliktstypen bezogene, teilweise aber auch allgemeingültige - gewichtige "Milderungsgründe" entwickelt und "anerkannt" (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 258 f. bzw. S. 6 m.w.N.). Ihr Vorliegen führt regelmäßig zu einer Disziplinarmaßnahme, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme, bei einer Zurückstufung also eine Amtsstufe weniger (vgl. Urteile vom 28. Juli 2011 a.a.O. Rn. 37 ff. und vom 25. Juli 2013 - BVerwG 2 C 63.11 - Rn. 26 ). Diese anerkannten Milderungsgründe stellen allerdings keinen abschließenden Kanon der berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar (stRspr, vgl. Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 262 ff. bzw. S. 8 f.). Auch wenn ein Umstand nicht die Voraussetzungen eines anerkannten Milderungsgrundes erfüllt, bedeutet dies nicht, dass er als entlastender Umstand unbeachtlich und deshalb bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ohne Gewicht und nicht berücksichtigungsfähig wäre (Urteil vom 25. Juli 2013 a.a.O. Rn. 28 und 32).

42

b) Zu Verstößen gegen Vorschriften zum Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs (insbesondere im fünfzehnten Abschnitt des Strafgesetzbuchs, §§ 201 bis 206 StGB) ist eine generelle deliktsgruppenbezogene Bestimmung der als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen regelmäßig erforderlichen Disziplinarmaßnahme (Regeleinstufung) aufgrund der Variationsbreite der in Frage kommenden Verstöße nicht möglich. Deshalb ist bei der Ahndung von Dienstpflichtverletzungen in diesem Bereich der gesamte abgestufte und ausdifferenzierte Katalog möglicher Disziplinarmaßnahmen gemäß § 5 BDG mit den Einzelregelungen der §§ 6 ff. BDG in den Blick zu nehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch bei Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs sowohl die Schwere des strafrechtlichen Unrechtsgehalts als auch die des Dienstvergehens deutlich variieren kann, je nach der Sensibilität des in Rede stehenden Geheimnisses, etwa ob besonders schutzbedürftige Erkenntnisse und Daten, z.B. aus dem höchstpersönlichen Bereich, offenbart werden oder solche, die einen eher entfernteren Bezug zum persönlichen Lebens- und Geheimbereich einer Person haben. Auch sind die denkbaren Verletzungshandlungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs von stark unterschiedlichem Gewicht, je nach der Art des Zugriffs, z.B. wenn besondere Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz des Geheimnisses überwunden werden müssen. Dies zeigt sich u.a. daran, dass der Gesetzgeber solche Rechtsverstöße nur teilweise als Straftatbestände, im Übrigen aber nur als Ordnungswidrigkeiten geahndet wissen will. Auch innerhalb der Gruppe der Straftaten schwankt der angedrohte Strafrahmen deutlich. Der unterschiedlich hohe Unrechtsgehalt des Dienstvergehens hat hiernach maßgeblichen Einfluss auch auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme: Während jedenfalls für den oben angeführten höchstpersönlichen Bereich grundsätzlich die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme in Betracht kommt, wird bei anderen Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs - je nach der Schwere der Tat - eher eine pflichtenmahnende, für den Beamten weniger einschneidende Disziplinarmaßnahme angemessen sein.

43

Der Streitfall nötigt zu keinen weitergehenden (und angesichts der Vielfalt der Lebenssachverhalte ohnehin kaum zu leistenden) generellen Festlegungen für alle denkbaren Fallkonstellationen möglicher Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs einer Person. Maßgebend für die Festlegung des Ausgangspunkts der Bemessung der Disziplinarmaßnahme im Streitfall ist die Erkenntnis, dass die hier in Rede stehende unbefugte Weitergabe von Kfz-Halterdaten aus den (polizei-)behördlichen Datensystemen jedenfalls keine Verletzung des erwähnten höchstpersönlichen Lebensbereichs darstellt, die eine - wie das Verwaltungsgericht gemeint hat - Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen könnte. Vielmehr kommt je nach den Umständen des Einzelfalls eine Zurückstufung (Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt, § 9 BDG) - ggf. um mehrere Stufen bis ins Eingangsamt - oder (in minderschweren Fällen) eine Gehaltskürzung (§ 8 BDG) als Regeleinstufung in Betracht.

44

c) In Anwendung dieser Maßstäbe gilt im Streitfall:

45

aa) Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG die Schwere der dargestellten Verstöße gegen die Pflichten aus § 54 Satz 3 und § 55 Satz 2 BBG a.F. in Gestalt der unbefugten Weitergabe der Kfz-Halterdaten aus den (polizei-)behördlichen Dateisystemen (Anschuldigungspunkt 1), für die eine Zurückstufung des Beamten gemäß § 9 Abs. 1 BDG in ein um mehrere Stufen niedrigeres Amt mit geringerem Endgrundgehalt nach den hier vorliegenden Umständen des Einzelfalls (insbesondere Anzahl und Häufigkeit der einzelnen Tathandlungen) angezeigt ist. Der weitere Verstoß gegen dieselben Pflichten in Gestalt der Einfuhr und entgeltlichen Weitergabe unverzollter Zigaretten (Anschuldigungspunkt 2) wiegt ungefähr gleichschwer und verstärkt die Erforderlichkeit der Ahndung des Dienstvergehens mit der erwähnten Zurückstufung und deren Ausmaß (um mehrere Stufen). Demgegenüber fallen die nichtabgerechneten Privattelefonate (Anschuldigungspunkt 3) schon von ihrem Unrechtsgehalt her, aber auch in der Schadenshöhe (18,60 DM) in solchem Maße ab, dass sie für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme nicht mehr von Relevanz sind. Auf sie (und den darin liegenden weiteren Verstoß gegen § 54 Satz 3 sowie gegen § 55 Satz 2 BBG a.F.) braucht daher im Folgenden nicht mehr eingegangen zu werden.

46

Hiervon ausgehend liegen unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Tat (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BDG) mehrere belastende Umstände vor, die für die Erforderlichkeit einer spürbaren Disziplinarmaßnahme sprechen: Der Beamte hat in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 über einen längeren Zeitraum von mehreren Monaten, während derer er - nach Aufkommens eines Anfangsverdachts - verdeckt observiert wurde (von Ende 1998 bis Juni 1999), wiederholt und trotz ausdrücklicher Belehrung seine Dienstpflichten verletzt. Auch die Anzahl der einzelnen Pflichtenverstöße (Tathandlungen) ist beträchtlich.

47

Erschwerend kommt weiter hinzu, dass der Beamte im Kernbereich seines Amtes versagt hat. Aufgabe eines Polizeihauptkommissars der Bundespolizei im Einsatz an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zum Ausland ist u.a. die Unterbindung und Verhinderung von Straftaten mit grenzrelevantem Bezug. Die vorschriftswidrige Weitergabe von geschützten Daten über im Ausland sichergestellte Kraftfahrzeuge aus (polizei-)behördlichen EDV-Systemen an einen nicht abfrage- und empfangsberechtigten Dritten berührt einen Kernbereich polizeilicher Tätigkeit. Zusätzlich belastend sind die Maßnahmen zur Verdeckung und Verschleierung der pflichtwidrigen Halterabfragen, die der Beamte als dienstlich veranlasst vorgab. Auch die Einfuhr und entgeltliche Weitergabe unverzollter Zigaretten ist ein Rechtsverstoß gerade gegen solche Vorschriften mit Grenzbezug, deren Einhaltung die Bundespolizei überwachen und sichern soll. Als zusätzlich belastende Umstände der Tatbegehung sind zu berücksichtigen, dass der Beamte seine Stellung als Vorgesetzter ausgenutzt und ihm untergebene Bedienstete für seine dienstpflichtwidrigen Taten eingeschaltet und damit ebenfalls zu einem pflichtwidrigem Handeln bzw. Unterlassen verleitet hat. Dabei hat er, wie die Zeugin L. glaubhaft bekundet hat, deren Einwände (betreffend die Einfuhr unverzollter Zigarettenstangen) sogar zurückgewiesen und bagatellisiert. Damit hat der Beamte als Vorgesetzter und Vorbild versagt.

48

bb) Mit Blick auf das angemessen zu würdigende Persönlichkeitsbild des Beamten (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BDG) ist im Streitfall lediglich festzuhalten, dass der Beamte straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist und dass er in seiner Dienstausübung zuletzt eine Beurteilung im gehobenen Bereich (6 von 9 Punkten) erreicht hat. Beiden Umständen kommt indes keine nennenswerte entlastende Bedeutung zu. Anerkannte Milderungsgründe im Sinne der (oben II. 3. a) dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind weder vom Beamten geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Auch im Übrigen liegen keine im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden entlastenden Gesichtspunkte vor, die für den Beamten streiten. Die Motivlage des Beamten im Anschuldigungspunkt 1 ist - wie dargestellt - im Dunkeln geblieben und kann im Rahmen der Zumessungserwägungen nur als "neutral" eingestellt werden: Weder konnte dem Beamten nachgewiesen werden, dass er für die Weitergabe der Kfz-Halterdaten von dem Rückholunternehmer finanzielle Vorteile erhalten hat, noch nimmt der Senat es dem Beamten ab, dass er diese Daten lediglich aus den von ihm angeführten fremdnützigen Motiven weitergegeben hat.

49

cc) Dagegen ist bei der gebotenen objektiven Gewichtung des Dienstvergehens eine beträchtliche Vertrauensbeeinträchtigung (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BDG) eingetreten. Der Dienstherr kann nicht im Einzelnen überwachen, ob sich der Beamte im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit stets gesetzes- und dienstvorschriftenkonform verhält. Tut dies ein Beamter über einen längeren Zeitraum und in einer Vielzahl von Fällen nicht, ist regelmäßig anzunehmen, dass das Vertrauensverhältnis erheblich gestört ist, weil der Dienstherr befürchten muss, dass der Beamte sich auch künftig nicht gesetzes- und vorschriftsgemäß verhalten wird. Andererseits erachtet der Senat - auch mit Blick auf die Schwere des Dienstvergehens - die eingetretene Vertrauensbeeinträchtigung nicht von solchem Gewicht, dass sie bereits die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erfordert. Zudem kann erwartet werden, dass der Beamte sich die Zeit seiner vorläufigen Suspendierung sowie das Straf- und Disziplinarverfahren und die damit verbundenen Belastungen als nachdrückliche Warnung angedeihen lässt, die ihn von künftigen Dienstpflichtverletzungen abhält.

50

dd) Ist nach den bislang behandelten Kriterien der Maßnahmebemessung mithin nicht die Höchstmaßnahme (Entfernung aus dem Dienst), sondern lediglich eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme in Gestalt einer Zurückstufung in ein um mehrere Stufen niedrigeres Amt mit geringerem Endgrundgehalt angemessen, so ist zusätzlich dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Disziplinarverfahren (insoweit ist das behördliche und gerichtliche Verfahren insgesamt zu betrachten) mit insgesamt mehr als 14 Jahren unangemessen lange gedauert hat i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EMRK. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des Disziplinarsenats und des 2. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts bei der Maßnahmebemessung dann (nochmals) mildernd zugunsten des Beamten zu berücksichtigen (stRspr, vgl. zuletzt Urteile vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - NVwZ 2013, 1087 Rn. 53 f. und - BVerwG 2 C 62.11 - NVwZ-RR 2013, 693 sowie vom 25. Juli 2013 - BVerwG 2 C 63.11 - Rn. 35 ff., 40 f. ). Die im Streitfall eingetretene unangemessene Verfahrensdauer beruhte nicht - jedenfalls nicht wesentlich - auf einem verfahrensverzögernden Verhalten des Beamten, sondern auf der Behandlung des Verfahrens durch die Ermittlungsbehörden und die Gerichte. Es liegt auf der Hand, dass die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile bei einer dermaßen langen Verfahrensdauer zu einer erheblichen Belastung des über seine berufliche und wirtschaftliche Existenz im Ungewissen lebenden Beamten geführt und auf ihn eingewirkt hat. Eine bloße Verkürzung des Beförderungsverbots (§ 9 Abs. 3 BDG) genügt nicht, um diese Belastung auszugleichen; sie ist vielmehr beim Umfang der Zurückstufung zu berücksichtigen, die daher um eine Stufe weniger ausfällt als eigentlich verwirkt.

51

In Abwägung all dessen hält es der Senat für erforderlich, aber auch ausreichend, den Kläger zur Pflichtenmahnung in ein Amt mit um zwei Stufen niedrigerem Endgrundgehalt zurückzustufen.

52

d) Einer Zurückstufung des Beamten steht kein Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs nach den insoweit günstigeren Regelungen des Bundesdisziplinargesetzes entgegen. Zwar sind seit der Vollendung des Dienstvergehens inzwischen mehr als sieben (nämlich 14) Jahre vergangen (§ 15 Abs. 3 BDG), doch war dieser Zeitablauf durch die Einleitung des Disziplinarverfahrens und die Erhebung der Disziplinarklage unterbrochen (§ 15 Abs. 4 BDG) und für die Dauer des Strafverfahrens (ebenso schon § 4 Abs. 3 BDO) und des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehemmt (§ 15 Abs. 5 BDG).

53

4. Die Kosten des Verfahrens waren dem Beamten aufzuerlegen, weil er seine - schwerwiegende - disziplinare Verurteilung nicht hat abwehren können und es unbillig wäre, die Kosten auch nur teilweise dem Bund aufzuerlegen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 Abs. 1 und 2 BDO). Dass diese Verurteilung hinter dem Antrag der Einleitungsbehörde zurückbleibt und dem Beamten beim Anschuldigungspunkt 3, dem ohnehin kein besonderes Gewicht zukam, ein Teil der angeblichen Privattelefonate nicht nachzuweisen war, ist insoweit unerheblich. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die vom Beamten zu tragenden Kosten des Verfahrens von den ihm nachzuzahlenden Beträgen gemäß § 96 Abs. 2 BDO abgezogen werden können.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

Tatbestand

1

Der 19.. geborene Beklagte schloss im Jahr 19.. die Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt (FH) ab. 19.. trat er als Angestellter in den Dienst des Bundesnachrichtendienstes (BND) ein. Im Oktober 19.. ernannte ihn die Klägerin zum Beamten auf Lebenszeit. Zuletzt hatte er das Amt eines Regierungsamtmanns (Besoldungsgruppe A 11) inne. Er ist verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder. Im BND war der Beklagte zunächst operativ tätig, insbesondere im Bereich "...". Aufgrund seiner Sprachkenntnisse und guter Beurteilungen wurde er für eine Auslandsverwendung vorgeschlagen. Von August 2001 bis Juli 2005 war der Beklagte bei der BND-Residentur an der Deutschen Botschaft in B./K. tätig. Seitdem wird er wieder im Inland im Bereich Auswertung eingesetzt. Im Oktober 2009 erhielt er eine Leistungsprämie für vorbildlichen Einsatz in Höhe von 750 €.

2

Im Frühjahr 2006 erreichten den BND Informationen, nach denen sich der Beklagte zum Ende seines Einsatzes in K. gegenüber k. Staatsangehörigen als "deutscher Vizekonsul" bezeichnet und diesen gegenüber den Eindruck erweckt haben soll, Einfluss auf die Visa-Erteilung durch die deutsche Botschaft nehmen zu können.

3

Hierzu sagte der Beklagte in einem "Sicherheitsgespräch" vom 30. März 2006 gegenüber Mitarbeitern des BND aus, er sei von einem Mittelsmann gegen seinen Willen gegenüber k. Staatsangehörigen als Konsul oder als Mitarbeiter der Konsularabteilung vorgestellt worden. Der Beklagte bestritt, jemals finanzielle Zuwendungen oder andere Vorteile erhalten oder auf die Vergabe von Visa Einfluss genommen zu haben. Er räumte lediglich ein, bis zu 40 Visa-Anträge auf "formale Richtigkeit" hin geprüft zu haben.

4

Am 8. Juni 2006 wandte sich der BND an die Staatsanwaltschaft Be. und teilte dieser unter Vorlage eines Berichts über die damaligen Erkenntnisse mit, es bestehe der Verdacht, der Beklagte habe sich im Zusammenhang mit der Erteilung von Visa eines Betrugs zum Nachteil ausländischer Staatsbürger schuldig gemacht. Daraufhin eröffnete die Staatsanwaltschaft Be. gegen den Beklagten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Unter dem 6. November 2006 leitete der Präsident des BND gegen den Beklagten das Disziplinarverfahren ein. Der Beklagte wurde weder über die Eröffnung des Strafverfahrens noch über die des Disziplinarverfahrens in Kenntnis gesetzt.

5

Am 3. Januar 2007 erteilte die Staatsanwaltschaft Be. die Freigabe für das weitere behördliche Disziplinarverfahren, nachdem sie das Büro des Beklagten beim BND und dessen Privatwohnung durchsucht und dabei dem Beklagten auch den strafrechtlichen Vorwurf eröffnet hatte. Der Beklagte wurde am 8. Januar 2007 vom BND über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unterrichtet. Der Beklagte gab zunächst keine Stellungnahme ab. Mit Schreiben vom 9. Mai 2007 dehnte der Präsident des BND das Disziplinarverfahren auf den Vorwurf aus, der Beklagte habe im Jahr 2005 eine offene dienstliche E-Mail-Adresse privat genutzt. Das Disziplinarverfahren wurde im Juli 2007 im Hinblick auf das anhängige Strafverfahren ausgesetzt.

6

In Bezug auf den Vorwurf des Titelmissbrauchs (§ 132a StGB) beschränkte die Staatsanwaltschaft Be. die Strafverfolgung nach § 154a Abs. 1 StPO auf den Vorwurf des Betrugs. Hinsichtlich des Vorwurfs der Bestechlichkeit stellte sie das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Da der Beklagte in der Botschaft in B. nicht für die Erteilung der Visa zuständig gewesen sei, fehle es am Tatbestandsmerkmal der pflichtwidrigen Diensthandlung.

7

Ende Januar 2009 erließ das Amtsgericht T. gegen den Beklagten einen Strafbefehl wegen des Vorwurfs, gemeinschaftlich mit B. zum Nachteil zweier k. Staatsangehöriger einen Betrug begangen zu haben. Der Beklagte habe sich gegenüber den Geschädigten als Konsul der Deutschen Botschaft ausgegeben und diesen gegen eine Zahlung von jeweils 1900 € die Erteilung von Schengen-Visa zugesagt. Tatsächlich habe er jedoch weder die Möglichkeit gehabt, auf die Erteilung der Visa Einfluss zu nehmen, noch habe er die Absicht gehabt, den Geschädigten die Visa zu verschaffen. Gegen diesen Strafbefehl erhob der Beklagte unbeschränkten Einspruch.

8

In der Verhandlung vor dem Amtsgericht T. am 19. Mai 2009 machte der Beklagte nach Belehrung Angaben zur Sache. Nachdem das Amtsgericht die Kriminalhauptkommissarin U. als Zeugin zur Sache vernommen hatte, beschränkte der Beklagte seinen Einspruch gegen den Strafbefehl auf das Strafmaß. Auf der Grundlage des im Schuldspruch rechtskräftigen Strafbefehls wurde der Beklagte wegen Betrugs zu einer Geldstrafe verurteilt.

9

Nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils setzte der BND das Disziplinarverfahren fort. Der Beklagte wurde hiervon unterrichtet. Im März 2010 billigte der Präsident des BND den Vorschlag, gegen den Beklagten Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst zu erheben. Hiergegen erhob die Gruppe der Beamten im Personalrat des BND mit der Begründung Einwendungen, es sei zweifelhaft, ob der Beklagte das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen tatsächlich begangen habe. Da der Präsident des BND am Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis festhielt, beantragte der Personalrat eine Entscheidung des Bundeskanzleramtes. Im Hinblick hierauf sagte der Präsident des BND dem Personalrat zu, den Klageantrag dahingehend umzustellen, dass kein bestimmter Antrag erhoben werde, sondern die Disziplinarmaßnahme stattdessen in das Ermessen des Gerichts gestellt werde. Zudem würden die Einbehaltung von 10 % der Bezüge des Beklagten und seine vorläufige Dienstenthebung zurückgestellt. Im Hinblick hierauf nahm der Personalrat seinen gegenüber dem Bundeskanzleramt gestellten Antrag auf Entscheidung zurück.

10

Am 27. Oktober 2010 hat der Präsident des BND Disziplinarklage erhoben. Dem Beklagten wird entsprechend der im Strafbefehl getroffenen Feststellungen vorgeworfen, Geld als Gegenleistung für die Verschaffung von Visa angenommen zu haben. Dabei müsse davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Zahl der Geschädigten sowie die gezahlten Beträge wesentlich höher seien als nach den Feststellungen im Strafbefehl, der nur von zwei geschädigten k. Staatsangehörigen und einem Schaden von 3 800 € ausgehe. Da bei den beiden k. Staatsangehörigen kein Motiv für eine Falschaussage erkennbar sei, sei von der Richtigkeit ihrer Aussagen auszugehen. Demgegenüber habe der Beklagte wegen seiner angespannten finanziellen Situation ein Motiv gehabt. Gegen den Beklagten spreche auch, dass er eingeräumt habe, Visa-Unterlagen von bis zu zwölf k. Staatsangehörigen entgegengenommen zu haben. Denn als Sachbearbeiter der Residentur B. habe er mit der Bearbeitung von Visa-Anträgen nichts zu tun gehabt. Gerade deshalb sei von der Staatsanwaltschaft auch der Vorwurf der Bestechlichkeit fallengelassen worden. Das Vorbringen, er habe die Visa-Formulare geprüft, um Interessenten für illegale Visa oder Einreisen weitermelden zu können, sei unglaubhaft. In den Jahren 2004 und 2005 habe die Residentur keine Meldung zum Thema "illegale Visa/Einreise" übermittelt. Aus der Schuldenerklärung aus dem Jahr 2006 ergebe sich, dass sich der Beklagte damals ungeachtet der höheren Auslandsbezüge in einer finanziell schwierigen Situation befunden und deshalb ein Motiv gehabt habe. Der Beklagte müsse eine dienstliche E-Mail-Anschrift an eine private Bekannte weitergegeben haben. Hierdurch habe er die Gehorsamspflicht verletzt. Das Versagen des Beklagten und die damit verbundene Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik insbesondere im Ausland wögen schwer. Bereits der Anschein, die Ausstellung von Schengen-Visa könne bei einer deutschen Auslandsvertretung erkauft werden, sei geeignet, die Interessen des Bundes erheblich zu beschädigen. Gerade der BND müsse sich als Sicherheitsbehörde auf die korrekte und gewissenhafte Erfüllung der Dienstpflichten durch seine Mitarbeiter verlassen können. Bei einer Auslandsverwendung seien die Kontrollmöglichkeiten zudem erheblich eingeschränkt. Die Beschädigung der Integrität der Amtsführung sei so gravierend, dass das Vertrauensverhältnis irreparabel und nachhaltig zerstört sei. Unerheblich sei, dass das dienstliche Verhalten des Beklagten seit seiner Rückkehr nach Deutschland unauffällig und ob eine Wiederholung des Fehlverhaltens zu erwarten sei. Allein durch die in seinem Verhalten zu Tage tretende kriminelle Energie sei der Beklagte als Beamter nicht länger tragbar. Zwar liege das Fehlverhalten bereits mehr als sechs Jahre zurück und der Beklagte habe zwei minderjährige Kinder. Diese Milderungsgründe könnten nicht berücksichtigt werden, weil die Schwere des Fehlverhaltens keinen weiteren Bemessungsspielraum erlaube. Die lange Verfahrensdauer sei dem BND nicht anzulasten. Zudem stehe eine lange Verfahrensdauer der Verhängung der Höchstmaßnahme nicht entgegen. Unerheblich sei auch, dass der Beklagte nicht vorläufig seines Dienstes enthoben worden und er seit der Rückkehr nach Deutschland seinen dienstlichen Pflichten in lobenswerter Weise nachgekommen sei. Das angeschuldigte Dienstvergehen offenbare schwerwiegende charakterliche Defizite des Beklagten. Die mit den Vorkommnissen verbundene Schädigung des Ansehens des BND stehe einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit im Wege.

11

Die Klägerin stellt keinen Antrag.

12

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Die ihm im Zusammenhang mit der Beantragung von Visa vorgeworfene Tat habe er nicht begangen. Er habe sich nicht als deutscher Konsul oder Vizekonsul ausgegeben. Auch habe er keine Geldbeträge erhalten, um auf die Erteilung von Visa Einfluss zu nehmen. Ferner habe er nicht behauptet, auf die Erteilung von Visa Einfluss nehmen zu können. Dass Zeugen ihn auf Fotos erkannt hätten, könne auch darauf zurückgeführt werden, dass die Zeugen ihn zusammen mit Herrn B. gesehen hätten oder dieser den Zeugen Fotos von ihm gezeigt habe, um seine eigenen Einflussmöglichkeiten gegenüber den Visa-Interessenten glaubhaft zu machen. Er habe Herrn B. lediglich angeboten, die Visa-Anträge wie ein privater Visa-Dienst zu prüfen. Dabei sei es ihm um die Möglichkeit gegangen, mögliche Interessenten für illegale Visa oder Einreisen zu ermitteln und die so gewonnenen Informationen weiterzumelden. Herr B. sei eine interessante dienstlich nutzbare Quelle gewesen, weil dieser mitgeteilt habe, Informationen über Rauschgiftkuriere oder Schmuggler beschaffen zu können. Das Motiv für eine Falschaussage der Zeugen Q. und R. bestehe offensichtlich darin, dass ihre Chancen, die von ihnen bezahlten 3 800 € zurückzuerhalten, stiegen, wenn der Täterkreis auf den Beklagten erweitert werde. Denn dann bestehe die Möglichkeit, dass entweder der Beklagte oder die Botschaft zahle. Angesichts der ihn wirtschaftlich schwer belastenden Verurteilung zu einer Geldstrafe bestehe auch kein Bedürfnis nach einer zusätzlichen Pflichtenmahnung im Disziplinarverfahren. Sowohl die Klägerin als auch das Gericht seien angesichts der nicht vollständig abgeschlossenen Beweisaufnahme im strafgerichtlichen Verfahren und der lediglich aus Kostengründen erklärten Beschränkung des Einspruchs gegen den Strafbefehl auf das Strafmaß nicht an die Feststellungen des Strafgerichts gebunden. Zudem sei die einzige im Strafverfahren gehörte Zeugin lediglich eine Zeugin vom Hörensagen, weil sie lediglich an der Vernehmung von vermeintlichen Tatzeugen beteiligt gewesen sei. Während seiner Tätigkeit in K. habe der Beklagte wegen des Auslandsverwendungszuschlags ein höheres Einkommen gehabt. Deshalb habe bei ihm kein beachtliches Motiv zur Tatbegehung bestanden. Im Übrigen stehe ihm inzwischen ein höherer Nettobetrag zur Verfügung; eine Überschuldung sei nicht gegeben. Zwar kenne der Beklagte die Frau, die ihm zwei E-Mails geschickt habe, privat. Er könne sich aber nicht erklären, wie diese Frau an die Adresse gekommen sei. Es könne sein, dass diese "offene" Adresse auf der dienstlichen Visitenkarte angegeben gewesen sei. Die Zusendung von privaten E-Mails auf dienstliche E-Mail-Konten stelle kein Dienstvergehen dar. Jedenfalls habe er das E-Mail-Konto nicht aktiv privat genutzt. Da der von den Visa-Antragstellern mit 3 800 € behauptete Schaden unter 5 000 € liege, scheide die Höchstmaßnahme aus, weil diese bei Vermögensdelikten erst ab einem Betrag von 5 000 € in Betracht komme. Die von der Klägerin behauptete Zerstörung des Vertrauensverhältnisses sei nicht nachvollziehbar. Er sei während des gesamten Verfahrens nicht vorläufig seines Amtes enthoben worden, habe seine dienstlichen Pflichten vorbildlich erfüllt und habe eine Leistungsprämie von 750 € erhalten. Er sei auch weiterhin in einem sensiblen Bereich beschäftigt.

14

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat gemäß § 56 Satz 1 BDG den gegen den Beklagten in der Klageschrift erhobenen Vorwurf aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden, er habe vor dem 4. Oktober 2005 eine vom BND für die Residentur in B. eingerichtete E-Mail-Adresse an Dritte zur Übersendung privater Nachrichten weitergegeben.

15

Aufgrund des Beschlusses vom 28. Februar 2012 und des Beweisbeschlusses vom 8. März 2012 ist D. S. vom beauftragten Richter als Zeuge zu dem Beweisthema vernommen worden, welche Aussagen die k. Staatsangehörigen R. und Q. sowie der l. Staatsangehörige B. zum Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit der Beantragung von Visa bei der Deutschen Botschaft in B./K. im Frühjahr 2005 gemacht haben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Zeugenvernehmung vom 12. März 2012 verwiesen.

16

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat aufgrund des dort verkündeten Beschlusses durch Vernehmung der Zeugen D., U., Dr. und P. zum Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit der Beantragung von Visa durch die k. Staatsangehörigen Q. und R. bei der Deutschen Botschaft in B./K. im Frühjahr 2005 Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

17

Die von der Klägerin vorgelegten Personal- und Disziplinarakten des Beklagten sowie die beigezogene Strafakte einschließlich der Unterlagen des Rechtshilfeersuchens der Staatsanwaltschaft Be. sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Der Senat entscheidet über die Disziplinarklage in erster und letzter Instanz (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO, § 45 Satz 5 BDG). Sie führt zu der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis (§ 60 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 5 sowie §§ 10 und 13 Abs. 2 Satz 1 BDG).

19

1. Dem behördlichen Disziplinarverfahren haften keine wesentlichen Mängel i.S.d. § 55 BDG an.

20

a) Die Einleitung des Disziplinarverfahrens gegenüber dem Beklagten erst am 6. November 2006 entspricht nicht der Vorgabe des § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG. Danach hat der Dienstvorgesetzte die Dienstpflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Zweck der Vorschrift ist der Schutz des Beamten. Die disziplinarischen Ermittlungen sollen so früh wie möglich im Rahmen des gesetzlich geordneten Verfahrens mit seinen rechtsstaatlichen Sicherungen zu Gunsten des Beamten, insbesondere dem Recht auf Beweisteilhabe nach § 24 Abs. 4 BDG, geführt werden. Der Dienstvorgesetzte darf, wenn die Voraussetzungen zur Einleitung vorliegen, nicht abwarten und weiteres Belastungsmaterial sammeln. Verzögert der Dienstvorgesetzte entgegen § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG die Einleitung des Disziplinarverfahrens, so kann dies bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme (§ 13 BDG) als mildernder Umstand berücksichtigt werden, wenn die verzögerte Einleitung für das weitere Fehlverhalten des Beamten ursächlich war (Beschluss vom 18. November 2008 - BVerwG 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 13 ff.).

21

Zwar darf der Dienstherr auch Verwaltungsermittlungen durchführen, weil ein Disziplinarverfahren wegen seiner stigmatisierenden Wirkung nicht vorschnell eingeleitet werden darf (Weiß, in: GKÖD, Bd. II, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Teil 4 BDG, M § 17 Rn. 32). Verwaltungsermittlungen müssen aber wegen der Schutzwirkung der Verfahrensvorschriften in disziplinarrechtlich geführte Ermittlungen umschlagen, wenn der Dienstvorgesetzte Kenntnis von Tatsachen erlangt, aufgrund derer die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beamte schuldhaft seine Dienstpflichten in disziplinarrechtlich relevanter Weise verletzt hat. Diese Voraussetzungen waren spätestens am 6. Juni 2006 erfüllt. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte die Innenrevision des BND die gegen den Beklagten letztendlich erhobenen Vorwürfe schriftlich zusammengefasst, um sie der Staatsanwaltschaft Be. mit dem Ziel der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens vorzulegen. Grundlage dieser Zusammenfassung waren vor allem detaillierte Berichte des Leiters der BND-Residentur P. an die BND-Zentrale über den weiteren Fortgang seiner Ermittlungen, insbesondere über die in B. geführten Gespräche mit dem "Vermittler" B.

22

Ein Verstoß gegen die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG folgende Pflicht zur rechtzeitigen Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens stellt einen Mangel i.S.v. § 55 Abs. 1 BDG dar. Der Begriff des Mangels i.S.v. § 55 Abs. 1 BDG erfasst Verletzungen von Verfahrensregeln, die im behördlichen Disziplinarverfahren von Bedeutung sind (Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <254> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1). Hierunter fallen Verstöße gegen verfahrensrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze, die den äußeren Ablauf des behördlichen Disziplinarverfahrens bis zur abschließenden behördlichen Entscheidung, also bis zur Erhebung der Disziplinarklage oder bis zu dem Erlass einer Disziplinarverfügung, betreffen (vgl. Beschluss vom 18. November 2008 a.a.O. Rn. 14).

23

Dieser Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist aber nicht wesentlich i.S.d. § 55 BDG. Es lässt sich mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass er sich auf das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann (Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 6, jeweils Rn. 19). Hätte die Klägerin das Disziplinarverfahren entsprechend ihrer Verpflichtung aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG im Zeitraum zwischen dem Sicherheitsgespräch vom 30. März 2006 und der Erstellung des zusammenfassenden Berichts vom 6. Juni 2006 eingeleitet, so wäre der Beklagte hiervon in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nicht unterrichtet worden. Die Vorgehensweise der Klägerin, den Beklagten über die Einleitung des Disziplinarverfahrens bis zum Abschluss der Durchsuchungen seines Büros und seiner Privatwohnung im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht zu informieren, ist durch § 20 Abs. 1 Satz 1 BDG gedeckt. Durch eine Unterrichtung des Beklagten über die Einleitung des Disziplinarverfahrens wäre die Aufklärung des disziplinarrechtlich relevanten Sachverhalts gefährdet gewesen. Bei einer früheren Unterrichtung bestand die Gefahr, dass der Beklagte private Unterlagen über seine Kontakte zum "Vermittler" B. und den geschädigten k. Visa-Antragstellern beseitigt oder mit diesen Kontakt aufnimmt.

24

b) Das Anschreiben vom 8. Januar 2007, mit dem die Klägerin den Beklagten über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unterrichtet hat, genügt den formellen Anforderungen des § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 BDG. Es lässt erkennen, welches Dienstvergehen dem Beklagten zur Last gelegt wird, und weist diesen auf die ihm im Verfahren zustehenden Rechte hin. Der Personalrat ist auf Antrag des Beklagten beteiligt worden.

25

c) Die Zuständigkeit des Präsidenten des BND zur Erhebung der Disziplinarklage folgt aus § 34 Abs. 2 Satz 2 BDG i.V.m. Nr. 3 der Anordnung zur Übertragung disziplinarrechtlicher Zuständigkeiten und Befugnisse im Bereich des BND vom 28. Januar 2002 (BGBl I S. 560).

26

2. Im Ergebnis weist auch die Klageschrift keine wesentlichen Mängel auf.

27

a) In Bezug auf das Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit der Beantragung von Schengen-Visa bei der Deutschen Botschaft in B. genügt die Disziplinarklageschrift allerdings nur mit einer vom Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Anregung des Senats erklärten Einschränkung den Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG.

28

Nach § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG muss die Klageschrift den persönlichen und beruflichen Werdegang des Beamten, den bisherigen Gang des Disziplinarverfahrens, die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, müssen aus sich heraus verständlich geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass sich der Beamte gegen die gegen ihn erhobenen disziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann. Zugleich werden durch eine den Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG genügende Klageschrift Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festgelegt. Denn nach § 60 Abs. 2 Satz 1 BDG dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder einer Nachtragsdisziplinarklage als Dienstvergehen zur Last gelegt worden sind (Urteile vom 25. Januar 2007 - BVerwG 2 A 3.05 - Buchholz 235.1 § 52 BDG Nr. 4 Rn. 27 f. und vom 29. Juli 2010 - BVerwG 2 A 4.09 - juris Rn. 146 f.; Beschluss vom 26. Oktober 2011 - BVerwG 2 B 69.10 - juris Rn. 6). Zwar ist es nicht erforderlich, dass die Klageschrift die angeschuldigten Sachverhalte disziplinarrechtlich zutreffend würdigt. Aufgrund des doppelten Zwecks der Disziplinarklageschrift muss der Dienstherr aber erkennen lassen, gegen welche Dienstpflichten das angeschuldigte Verhalten des Beamten verstoßen soll und ob dem Beamten Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last gelegt wird (Beschluss vom 28. März 2011 - BVerwG 2 B 59.10 - IÖD 2011, 143, juris Rn. 5).

29

Die Disziplinarklage des BND stellt den persönlichen und beruflichen Werdegang des Beklagten und auch den bisherigen Gang des Verfahrens ausreichend dar. Soweit sich die Disziplinarklageschrift inhaltlich am Gegenstand des Strafbefehls des Amtsgerichts T. vom 29. Januar 2009 orientiert, sind die Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG auch hinsichtlich der Bestimmung des Dienstvergehens erfüllt. Es werden die dem Beklagten vorgeworfenen konkreten Verhaltensweisen, die konkret geschädigten Personen (Q. und R.) sowie der diesen durch das vorgeworfene Verhalten entstandene finanzielle Schaden dargelegt. Die Disziplinarklage enthält die Beweismittel, insbesondere den wesentlichen Inhalt der Zeugenaussagen, würdigt den als erwiesen angesehenen Tatvorwurf und stellt auch die vorsätzliche Begehung des Dienstvergehens fest.

30

Soweit aber in der Klageschrift ausgeführt wird, die tatsächliche Zahl der Geschädigten sowie die gezahlten Beträge lägen erheblich über den Feststellungen im strafrechtlichen Verfahren zum Verhalten des Beklagten gegenüber Q. und R., fehlt es an einer Darstellung i.S.v. § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG. Der Vertreter der Klägerin hat aber in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass diese Umstände nicht Gegenstand der Disziplinarklage sein sollen.

31

b) Die formellen Mängel der Klageschrift im Hinblick auf den gegen den Beklagten erhobenen Vorwurf, eine dienstliche E-Mail-Adresse privat genutzt zu haben, sind unerheblich. Diese Handlungen sind vom Senat nach § 56 BDG ausgeschieden und nicht wieder in das Disziplinarverfahren einbezogen worden.

32

c) Unerheblich ist, dass die Klägerin in der Disziplinarklageschrift keinen bestimmten Antrag gestellt hat. § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG schreibt dies im Gegensatz zu § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht vor. Es bedarf keines Antrags des Dienstherrn, weil nach § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG die Gerichte die erforderliche Disziplinarmaßnahme bestimmen (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 255 f. bzw. Rn. 16 und vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 26).

33

Aufgrund der Beweisaufnahme sieht der Senat folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

34

Am 2. März 2005 sprachen die beiden k. Staatsangehörigen Q. und R. aus M. bei der Deutschen Botschaft in B. vor, um in Erfahrung zu bringen, welche Voraussetzungen für ein Visum für die Bundesrepublik Deutschland erfüllt und welche Unterlagen vorgelegt werden müssen. In der Warteschlange wurden die beiden Interessenten vom l. Staatsangehörigen B. angesprochen, der ihnen gegen Geld seine Hilfe bei der Beschaffung der Visa anbot und auch darauf verwies, dass er die Kontaktperson zum Vizekonsul sei, der bei der Deutschen Botschaft für die Erteilung der Visa zuständig sei. Die beiden Interessenten nahmen das Hilfsangebot an und überwiesen, nachdem sie den "Vermittler" B. überprüft hatten, in der Folgezeit auf dessen Konto insgesamt ca. 12 Mio. COP (Peso Colombiano; ca. 3 800 €); außerdem übersandten sie ihm die für die Erteilung der Visa erforderlichen Unterlagen, darunter den Pass, ein Führungszeugnis und eine Kopie des Personalausweises. Als die beiden Interessenten insgesamt ca. 8 Mio. COP überwiesen hatten, bestellte sie Herr B. zur Übergabe der Visa nach B. Beim Treffen am 23. März 2005 bei einem Hotel in der Nähe der Deutschen Botschaft in B. konnte der "Vermittler" B. den Interessenten die zugesagten Visa nicht übergeben. Zur Beruhigung der beiden Interessenten zog Herr B. den Beklagten zu diesem Gespräch hinzu. Herr B. stellte den beiden Interessenten den Beklagten ohne Namensnennung als Mitarbeiter der Botschaft vor. Die beiden Interessenten, der "Vermittler" B. und der Beklagte begaben sich in eine in der Nähe der Botschaft gelegene Ladenpassage. Bei diesem Gespräch bezeichnete sich der Beklagte selbst als Vizekonsul und als der für die Erteilung der Visa zuständige Mitarbeiter der Botschaft. Der Beklagte sagte ferner, dass er die Visa bereits genehmigt habe und dass man nur auf die Freigabe zur Aushändigung aus Deutschland innerhalb von 15 Tagen warte. Bei dieser Aussage war dem Beklagten bewusst, dass die beiden Interessenten an Herrn B. Geld gezahlt hatten, damit dieser ihnen abredegemäß Visa beschafft. Am 24. März 2005 überwies Q. auf das Konto des Herrn B. weitere, von diesem für die Beschaffung der beiden Visa geforderte 1,7 Mio. COP. 15 Tage später rief Herr B. Q. an und bestellte die beiden Interessenten zur Übergabe der Visa in die Nähe der Deutschen Botschaft. Der "Vermittler" B. erschien aber nicht am vereinbarten Treffpunkt und war für die Interessenten auch telefonisch nicht zu erreichen. Die Interessenten warteten daraufhin mehrere Stunden vor der Deutschen Botschaft. Als der Beklagte das Botschaftsgebäude verließ, lehnte er jedes Gespräch mit ihnen über die Visa ab und verwies sie an den "Vermittler" B. Q. und R. wurden auch in der Folgezeit keine Visa erteilt.

35

1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich nicht bereits nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG aus dem Urteil des Amtsgerichts T. vom 19. Mai 2009. Dieses Urteil ist für das gerichtliche Disziplinarverfahren nicht bindend, weil es zum tatsächlichen Geschehen keine Feststellungen trifft.

36

Gegenstand des Urteils vom 19. Mai 2009 ist nur das Strafmaß, nachdem der Beklagte seinen ursprünglich unbeschränkt erhobenen Einspruch gegen den Strafbefehl vom 29. Januar 2009 in der Hauptverhandlung nach § 410 Abs. 2 StPO auf das Strafmaß beschränkt hatte. Die Feststellungen zum Tatgeschehen beruhen lediglich auf dem im Schuldspruch rechtskräftigen Strafbefehl vom 29. Januar 2009.

37

Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafbefehl kommt trotz seiner strafprozessualen Gleichstellung mit einem rechtskräftigen Urteil (§ 410 Abs. 3 StPO) keine Bindungswirkung i.S.v. § 23 Abs. 1 und § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG zu. Dies ist in der Rechtsprechung zu § 18 BDO allgemein anerkannt (Urteil vom 16. Juni 1992 - BVerwG 1 D 11.91 - BVerwGE 93, 255 <258>). Hintergrund hierfür ist die Überlegung, dass nur solche tatsächlichen Feststellungen eine sichere Entscheidungsgrundlage für ein Disziplinarverfahren liefern können, die aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen in einer Hauptverhandlung vor Gericht und nach richterlicher Beweiswürdigung getroffen worden sind. Demgegenüber liegt einem Strafbefehl lediglich eine in einem besonders geregelten summarischen Verfahren getroffene richterliche Entscheidung zugrunde. Er ergeht ohne Hauptverhandlung und gerichtliche Beweisaufnahme und bietet damit nicht das Maß an Ergebnissicherheit, das Voraussetzung für eine Bindungswirkung ist. Die in § 410 Abs. 3 StPO ausgesprochene Gleichstellung bestimmt lediglich den Umfang der Rechtskraft eines Strafbefehls (BTDrucks 10/1313, S. 38) und dient insoweit der prozessrechtlichen Klarstellung (Urteil vom 8. Juni 2000 - BVerwG 2 C 20.99 - Buchholz 237.7 § 51 NWLBG Nr. 1).

38

Aus der Entstehungsgeschichte der §§ 23 und 57 BDG (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts, BTDrucks 14/4659, S. 41 f. und 49) ist zu schließen, dass der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung den rechtskräftigen Strafbefehl hinsichtlich der Bindungswirkung nicht einem rechtskräftigen Strafurteil gleichgestellt hat (Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, § 23 Rn. 4; Weiß, a.a.O. § 23 Rn. 24; Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Aufl., § 23 Rn. 2). Denn der Bundesgesetzgeber ist einem entsprechenden Vorschlag des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren nicht gefolgt (BTDrucks 14/4659, S. 59 f.; vgl. dazu Gegenäußerung der Bundesregierung, BTDrucks 14/4659, S. 64).

39

Auch die Anwendung des § 57 Abs. 2 BDG ist ausgeschlossen, wonach die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht bindend sind, aber der Entscheidung ohne erneute Prüfung zugrunde gelegt werden können. Denn der Beklagte bestreitet substantiiert die im Strafbefehl vom 29. Januar 2009 getroffenen Feststellungen zu seinem Verhalten im Zusammenhang mit der Beantragung von Schengen-Visa durch Q. und R. im März 2005. Wegen des im Wortlaut angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnisses und des systematischen Zusammenhangs mit der in § 58 Abs. 1 BDG geregelten gerichtlichen Aufklärungspflicht ist für die Anwendung des § 57 Abs. 2 BDG nur Raum, wenn die Richtigkeit der anderweitig festgestellten Tatsachen vom betroffenen Beamten im gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht substantiiert angezweifelt wird (Beschluss vom 4. September 2008 - BVerwG 2 B 61.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 4 Rn. 8 m.w.N.).

40

2. a) Die tatsächlichen Feststellungen beruhen vorrangig auf den konsularischen Vernehmungen der k. Staatsangehörigen Q. und R. durch den Zeugen S. vom 26. Februar 2007 und des l. Staatsangehörigen B. durch den Zeugen Dr. vom 13. April 2007. Wie in der mündlichen Verhandlung festgestellt, befinden sich in der vom Senat beigezogenen Strafakte die von den vernommenen Personen eigenhändig unterschriebenen und in spanischer Sprache abgefassten Originale der Niederschriften über die in Spanisch geführten Vernehmungen. Bei den Vernehmungen haben die Zeugen S. und Dr. die für ihre Amtstätigkeit als Konsularbeamte geltenden Schranken nach § 4 KonsG beachtet. Das Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen (BGBl II 1969 S. 1585), das in seinem Art. 5 die von einer konsularischen Vertretung im Empfangsstaat wahrzunehmenden konsularischen Aufgaben aufführt, ist nach seinem Art. 77 Abs. 2 für K. am 6. Oktober 1972 in Kraft getreten (Bekanntmachung über den Geltungsbereich des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 15. Februar 1973, BGBl II S. 166). Nach § 15 Abs. 4 KonsG stehen die Vernehmungen und die über sie aufgenommenen Niederschriften den Vernehmungen sowie den darüber aufgenommenen Niederschriften inländischer Gerichte und Behörden gleich.

41

Die Zeugen S. und Dr. haben den Inhalt der Vernehmungen gegenüber dem erkennenden Gericht überzeugend wiedergegeben. Der Senat hält die Bekundungen der k. Staatsangehörigen Q. und R. für glaubhaft, diejenigen des l. Staatsangehörigen B. allerdings nur im Kern insoweit, als er eine Zusammenarbeit mit dem Beklagten angegeben und die Überweisung der geforderten 12 Mio. COP auf sein Konto bestätigt hat.

42

Das Ergebnis der konsularischen Vernehmungen ist durch die Bekundungen der vom Senat vernommenen Zeugen U. und P. über den Inhalt im Frühjahr 2006 geführter informatorischer Gespräche mit den beiden k. Staatsangehörigen Q. und R., dem l. Staatsangehörigen B. und der bei der k. Generalstaatsanwaltschaft zuständigen Sachbearbeiterin bestätigt worden. Kopien der Belege für die Überweisungen der Geschädigten an den "Vermittler" B. befinden sich in der Akte des Rechtshilfeersuchens. Bestandteil der beigezogenen Strafakten der Staatsanwaltschaft Be. sind auch die Unterlagen des an die Republik K. gerichteten Rechtshilfeersuchens der Staatsanwaltschaft Be. vom 15. Juni 2007. Zudem haben die beiden Zeugen U. und P. inhaltlich übereinstimmend glaubhaft ausgesagt, dass Q. und R. im Rahmen ihres Gesprächs in einem Café in M. am 16. Mai 2006 den Beklagten anhand von sechs Fotos als denjenigen Mitarbeiter der Botschaft identifiziert haben, der sich ihnen gegenüber am 23. März 2005 als Vizekonsul bezeichnet und ihnen zugleich versichert hat, die von ihnen beantragten Visa seien bereits bewilligt und könnten in ungefähr zwei Wochen ausgehändigt werden. Auch im Rahmen ihrer konsularischen Vernehmungen haben die beiden k. Staatsangehörigen den Beklagten auf den insgesamt sechs Fotos wiedererkannt.

43

Bei der Würdigung des Umstands, dass Q. und R. jeweils im Mai 2006 und im Februar 2007 den Beklagten auf den ihnen vorgelegten Bildern erkannt haben, berücksichtigt der Senat, dass einem Zeugen bei einer Wahllichtbildvorlage nacheinander Lichtbilder von wenigstens acht Personen vorgelegt werden sollen. Denn ein Zeuge kann bei dieser größeren Vergleichszahl etwaige Unsicherheiten in seiner Beurteilung besser erkennen und dementsprechend offen legen, so dass eine Wiedererkennung unter (mindestens) acht Vergleichspersonen einen höheren Beweiswert gewinnen kann (BGH, Beschluss vom 9. November 2011 - 1 StR 524/11 - NJW 2012, 791, Rn. 6 f. m.w.N.). Dies schließt es aber nicht aus, das Ergebnis einer Wiedererkennung im Rahmen einer auf fünf vergleichbare Porträtfotos beschränkten Wahllichtbildvorlage in die Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme einzubeziehen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die beiden Geschädigten, die dem Beklagten nicht nur am 23. März 2005 persönlich begegnet sind, sondern diesen auch ca. zwei Wochen später nach mehrstündigem Warten vor dem Gebäude der Deutschen Botschaft wiedererkannt und von sich aus auf den Verbleib der ihnen zugesagten Visa angesprochen haben, diesen auf einem Gruppenfoto der Beschäftigten der Deutschen Botschaft - unter ca. 35 Personen - wiedererkannt haben.

44

Die Angaben der Zeugen S., U. und P. zum Inhalt der Äußerungen des unmittelbar geschädigten Q. zum Verhalten des Beklagten sowie des "Vermittlers" B. decken sich zudem mit dessen Schilderungen gegenüber der k. Staatsanwaltschaft im Rahmen des dort gegen den "Vermittler" B. wegen des Verdachts des Betrugs geführten Ermittlungsverfahrens. In der eigentlichen Anzeige vom 3. Mai 2005 sowie in seiner weiteren Vernehmung vom 25. Juli 2006 aus Anlass des Scheiterns der zwischen dem "Vermittler" B. und der k. Staatsanwaltschaft getroffenen Gütevereinbarung hat der Geschädigte Q. den Sachverhalt übereinstimmend dargestellt. Dort hat dieser auch geschildert, dass sich Herr B. bereits beim ersten Zusammentreffen am 2. März 2005 berühmt hatte, die Kontaktperson zu dem in der Deutschen Botschaft für die Erteilung von Visa zuständigen Bediensteten zu sein. Inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmend sind auch die verschiedenen Angaben des Herrn Q. zu den in der Nähe der Deutschen Botschaft gelegenen Örtlichkeiten der Zusammentreffen mit dem "Vermittler" B. und mit dem Beklagten am 23. März 2005.

45

b) Aus seinen Angaben im zweiten Teil des mit Mitarbeitern des BND geführten Sicherheitsgesprächs vom 30. März 2006 sowie in der Beschuldigtenvernehmung vom 20. September 2007 ergibt sich, dass dem Beklagten seit November 2004 bekannt war, dass sein Bekannter B. für seine "Vermittlungstätigkeit" von den Visa-Antragstellern Geldzahlungen erhielt. Die vom Beklagten unterschriebene Niederschrift über das Sicherheitsgespräch ist im Disziplinarverfahren verwertbar.

46

§ 54 Satz 3 BBG a.F. (in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 1999, BGBl I S. 675) sieht vor, dass das Verhalten eines Beamten der Klägerin innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert. Nach § 55 Satz 1 BBG a.F. hat ein Beamter seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Hieraus folgt, dass der Beamte in dienstlichen Angelegenheiten wahrheitsgemäß und vollständig zu berichten hat (Urteil vom 27. August 1997 - BVerwG 1 D 49.96 - BVerwGE 113, 118 <126 f.> = Buchholz 232 § 52 BBG Nr. 9). Über diese Pflicht ist der Beklagte von Mitarbeitern des BND zu Beginn des Gesprächs und unmittelbar vor der Korrektur seiner bisherigen Aussage zu seinen Kontakten zum "Vermittler" B. auch noch nach seiner Rückversetzung in das Inland zutreffend belehrt worden. Die Bediensteten des BND haben den Beklagten auch auf das ihm zustehende Recht hingewiesen, die Aussage zu verweigern, wenn er sich dabei strafrechtlich belasten würde. Vor dem Abschluss des Sicherheitsgesprächs bestand auch noch keine Dienstpflicht zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG mit der Folge, dass der Beklagte nach § 20 Abs. 1 Satz 3 BDG darauf hinzuweisen gewesen wäre, dass es ihm freistehe, sich schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistands zu bedienen. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens kam frühestens im Anschluss an dieses Gespräch in Betracht. Denn erst aufgrund der Angaben des Beklagten im Gespräch vom 30. März 2006 hatte der Dienstvorgesetzte von solchen Tatsachen Kenntnis erlangt, aufgrund derer die hinreichende Wahrscheinlichkeit bestand, dass der Beklagte schuldhaft seine Dienstpflichten in disziplinarrechtlich relevanter Weise verletzt hatte.

47

c) Der Beklagte ist in der mündlichen Verhandlung zu den Ereignissen in K. sowie zu den Aussagen der Zeugen in Bezug auf die Angaben der Geschädigten Q. und R. zu seinem Verhalten und zu dem des "Vermittlers" B. im Zusammenhang mit der Beantragung von Visa im Frühjahr 2005 angehört worden. Seine Äußerungen beschränkten sich im Wesentlichen auf Ausflüchte oder auf die Geltendmachung von Erinnerungslücken. Ihn belastende Angaben im Sicherheitsgespräch oder Unterschiede zwischen diesen Angaben und seinen Äußerungen in der mündlichen Verhandlung hat er nicht plausibel zu erklären vermocht.

48

In der zweiten Hälfte des Sicherheitsgesprächs vom März 2006 hatte es der Beklagte zumindest nicht ausgeschlossen, dass er sich im Verlauf eines von seinem Bekannten B. initiierten Telefongesprächs, in dem es um Visa-Anträge und Geldüberweisungen an Herrn B. ging, gegenüber dem ihm unbekannten Gesprächspartner des Herrn B. selbst als Konsul vorgestellt hat. Bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung ist ihm diese Aussage vorgehalten worden; er hat dann aber nachdrücklich bestritten, sich jemals so vorgestellt zu haben. Diese gravierende Abweichung konnte der Beklagte nicht erklären.

49

Wenig überzeugend sind auch die Reaktionen des Beklagten auf andere Vorhalte aus der Niederschrift über das Sicherheitsgespräch vom 30. März 2006 gewesen. Dies gilt insbesondere für seine Schilderung im Sicherheitsgespräch, eine ihm unbekannte Person per Telefon aufgefordert zu haben, eine Überweisung zu veranlassen, damit Anträge für Visa positiv beschieden werden können. Im Sicherheitsgespräch vom März 2006 hatte der Beklagte noch ausgesagt, im Januar 2006 habe ihm sein Bekannter B. telefonisch mitgeteilt, Visa-Antragsteller, die Geld auf dessen Konto eingezahlt hätten, ohne dass die Visa erteilt worden seien, hätten bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet. In der mündlichen Verhandlung konnte sich der Beklagte an dieses Telefonat und seinen ihn belastenden Inhalt nicht mehr erinnern.

50

Unglaubhaft ist auch die Angabe des Beklagten, er habe sich deshalb bereit erklärt, ihm vom "Vermittler" B. übergebene Visa-Anträge auf "formale" Richtigkeit zu überprüfen, um diesen als nachrichtendienstliche Verbindung zu halten und um damit an für den BND bedeutsame nachrichtendienstliche Informationen zu gelangen. Denn da nach den Vorgaben des BND Mitarbeiter einer BND-Residentur dienstlich gerade nicht mit der Erteilung von Visa befasst sind, hätte es sich aus Sicht eines Mitarbeiters einer BND-Residentur geradezu aufgedrängt, die - angeblich - im Rahmen einer nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit Herrn B. vorgenommene Kontrolle von Visa-Anträgen dem unmittelbaren Dienstvorgesetzten mitzuteilen. Die Brisanz seiner Befassung mit Visa-Angelegenheiten im Rahmen seines Kontakts zu der nachrichtendienstlichen Quelle B. als Mitarbeiter des BND an der Deutschen Botschaft war dem Beklagten durchaus bewusst. Denn er hat diese Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung selbst als "heikle Angelegenheit" bezeichnet. Der Zeuge P. hat aber in Übereinstimmung mit dem Beklagten ausgesagt, dass er von dieser Tätigkeit des Beklagten keine Kenntnis hatte.

51

d) Der Umstand, dass der "Vermittler" B. mit den beiden Interessenten Anfang April 2005 telefonisch einen bestimmten Termin zur Aushändigung der Visa vereinbart hat, obwohl er die versprochene Gegenleistung tatsächlich nicht erbringen konnte, steht den Feststellungen nicht entgegen. Aus dem schriftlichen Bericht des Zeugen P. über das Treffen mit Q. und R. am 16. Mai 2006, der Teil der Strafakte ist, ergibt sich, dass der "Vermittler" B. häufig und regelmäßig mit diesen telefonisch in Kontakt getreten ist, so dass sie dies als Ausdruck seines hohen Interesses und Engagements gewertet haben. Auch vor dem Zusammentreffen vom 23. März 2005, an dem Herr B. die versprochenen Visa nicht aushändigen konnte und zur Beruhigung der Interessenten den Beklagten als den Garanten der Erteilung der Visa präsentiert hatte, hatte der "Vermittler" B. Q. und R. telefonisch nach B. bestellt.

52

e) Angesichts der aufgeführten Beweismittel bedurfte es zur Feststellung des Verhaltens des Beklagten im Zusammenhang mit der Zusage der Erteilung von Visa an Q. und R. im Frühjahr 2005 nicht der unmittelbaren Vernehmung der im Ausland zu ladenden Zeugen R., Q. und B.

53

3. Nach der im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, abgelehnt werden, wenn er nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die das Bundesverfassungsgericht gebilligt hat (Kammerbeschluss vom 21. August 1996 - 2 BvR 1304/96 - NJW 1997, 999 f.), ist für die Anwendung des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO maßgebend, ob die Erhebung des beantragten Beweises ein Gebot der Aufklärungspflicht ist (BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 - 1 StR 745/93 - BGHSt 40, 60 <62> = NJW 1994, 1484 f., Beschluss vom 5. September 2000 - 1 StR 325/00 - NJW 2001, 695 f.). Es ist dem Richter erlaubt und aufgegeben, das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme zugrunde zu legen. Das sonst im Beweisantragsrecht weitgehend herrschende Verbot einer Beweisantizipation gilt nicht. Die Entscheidung über den Beweisantrag darf davon abhängig gemacht werden, welche Ergebnisse von der Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu erwartenden Ergebnisse zu würdigen wären (Beschluss vom 20. Mai 1998 - BVerwG 7 B 440.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 153).

54

a) Nach diesen Grundsätzen hat der Senat den Antrag des Beklagten abgelehnt, die in K. zu ladenden Q. und R. als Zeugen in der mündlichen Verhandlung dazu zu vernehmen, ob sie mit dem Beklagten zusammengetroffen sind und was der Beklagte mit ihnen beredet hat. Der Vertreter des Beklagten hat den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag in Übereinstimmung mit seinem schriftlichen Antrag vom 27. März 2012 damit begründet, die Glaubwürdigkeit von Q. und R. sei zweifelhaft und müsse durch eine Vernehmung durch den Senat geklärt werden.

55

Die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 58 Abs. 1 BDG, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gebietet hier die Vernehmung der beiden k. Staatsangehörigen durch den Senat zur Klärung ihrer Glaubwürdigkeit nicht. Gemäß § 58 Abs. 1 BDG erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise. Demnach hat es grundsätzlich selbst diejenigen Tatsachen festzustellen, die für den Nachweis des Dienstvergehens und die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind (BTDrucks 14/4659, S. 49 zu § 58 BDG). Entsprechend § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgt daraus grundsätzlich die Verpflichtung, diejenigen Maßnahmen zur Sachaufklärung zu ergreifen, die sich nach Lage der Dinge aufdrängen. Aufgrund der beigezogenen Akten und der Aussagen der Zeugen in der mündlichen Verhandlung ist der Senat von der Glaubwürdigkeit der beiden k. Staatsangehörigen überzeugt, so dass die gerichtliche Aufklärungspflicht nicht die persönliche Befragung der Zeugen durch den Senat erfordert.

56

Für die Glaubwürdigkeit des Geschädigten Q. spricht insbesondere, dass er den Sachverhalt und das Verhalten des Beklagten anlässlich der beiden Zusammentreffen am 23. März 2005 und Anfang April 2005 viermal geschildert hat, ohne sich in Widersprüche zu verwickeln oder seine Darstellung zum Nachteil des Beklagten auszuschmücken oder zu steigern. Die jeweiligen Angaben des Herrn Q. stehen aufgrund der Beweisaufnahme fest. Der Inhalt seiner Aussage anlässlich der Erstattung der Anzeige bei der k. Staatsanwaltschaft vom 3. Mai 2005 sowie seine Äußerung gegenüber dieser Staatsanwaltschaft vom 25. Juli 2006 nach dem Scheitern der Gütevereinbarung ergeben sich aus der Antwort auf das Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Be. Über die nach Belehrung von Herrn Q. gemachten Angaben beim Zusammentreffen mit den Mitarbeitern der Deutschen Botschaft in B. U. und P. in einem Café in M. am 16. Mai 2006 sind diese in der mündlichen Verhandlung als unmittelbare Zeugen vernommen worden. Der Inhalt der Aussage des Zeugen Q. bei seiner k. Vernehmung durch den Zeugen S. am 26. Februar 2007 ergibt sich zum einen aus der von ihm eigenhändig unterschriebenen Niederschrift über diese Vernehmung sowie aus den Angaben des Zeugen S. in dessen Vernehmung durch den beauftragten Richter vom 12. März 2012.

57

Auch Frau R. hat Verhalten und Aussagen des Beklagten mehrfach geschildert, ohne ihre Darstellung abzuändern oder sich in Widersprüche zu verwickeln. Gemeinsam mit Herrn Q. hatte sie sich mit den Zeugen U. und P. am 16. Mai 2006 in einem Café in M. getroffen und nach einer Belehrung über ihre Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Aussage über Angaben und Verhalten des Beklagten am 23. März 2005 und Anfang April 2005 berichtet. Auch Frau R. ist vom Zeugen S. am 26. Februar 2007 in der Deutschen Botschaft konsularisch vernommen worden und hat die in Spanisch abgefasste Niederschrift über diese Vernehmung eigenhändig unterschrieben.

58

Für die Glaubwürdigkeit der beiden geschädigten k. Staatsangehörigen spricht ferner, dass sie gegenüber den Zeugen U. und P. anlässlich des Treffens in einem Café in M. am 16. Mai 2006 freimütig eingeräumt haben, gegenüber der k. Staatsanwaltschaft die Angaben über ihre Zahlungen an Herrn B. um ca. 5 Mio. COP erhöht zu haben, um auf diese Weise die ihnen entstandenen Unkosten für die Reisen von ihrem Heimatort M. nach B. auszugleichen. Ihre Glaubwürdigkeit ergibt sich auch aus ihrem Eingeständnis gewusst zu haben, dass die Erlangung von Schengen-Visa auf dem vom "Vermittler" B. vorgeschlagenen Weg nicht legal war. Herrn Q. war nach seinen Angaben bei der konsularischen Vernehmung zudem bewusst, dass er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügte, um im vorgeschriebenen Verfahren ein Visum zu erhalten.

59

Die Zeugen U. und P., die insoweit unmittelbare Zeugen und nicht nur Zeugen vom Hörensagen sind, haben das Verhalten der Frau R. sowie des Herrn Q. anlässlich ihres Treffens in M. am 16. Mai 2006 eingehend geschildert. Das geschilderte Verhalten spricht für die Glaubwürdigkeit der Geschädigten und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben zum Verhalten des Beklagten. Die von den Zeugen U. und P. übereinstimmend geschilderte anfängliche Zurückhaltung der beiden k. Staatsangehörigen gegenüber den Mitarbeitern der Deutschen Botschaft ist von den beiden Geschädigten nachvollziehbar begründet worden. Die beiden K. gingen zunächst davon aus, ihnen drohten durch die beiden Mitarbeiter der Botschaft seitens der Botschaft oder seitens des Herrn B. Repressalien. Die Geschädigten hatten sich vor dem Gespräch mit den Zeugen U. und P. bei der k. Staatsanwaltschaft nach dem Hintergrund der Kontaktaufnahme durch Mitarbeiter der Deutschen Botschaft erkundigt und haben ihre anfängliche Zurückhaltung im Gespräch vom 16. Mai 2006 erst nach der Klarstellung durch die Zeugen U. und P. aufgegeben, dass das Gespräch ausschließlich dazu diene, das Verhalten eines Mitarbeiters der Botschaft im Zusammenhang mit ihren Visa-Anträgen aufzuklären. Im Anschluss hieran haben die beiden Geschädigten den Sachverhalt inhaltlich übereinstimmend berichtet und dabei auch freimütig eigenes Fehlverhalten, d.h. das "Aufschlagen" von ca. 5 Mio. COP auf die an Herrn B. tatsächlich gezahlte Gesamtsumme von 12 Mio. COP zur Abdeckung der ihnen entstandenen Reisekosten, eingeräumt. Die Angaben des Zeugen P. in der mündlichen Verhandlung zu Auftreten und Äußerungen der beiden Geschädigten anlässlich des Gesprächs vom 16. Mai 2006 decken sich mit seinem detaillierten, an die Zentrale des BND gerichteten Bericht vom 17. Mai 2006, der Bestandteil der Strafakte ist.

60

Die Zeugin U., eine erfahrene Kriminalbeamtin, hat die beiden Geschädigten aufgrund ihres Verhaltens anlässlich des Zusammentreffens in M. am 16. Mai 2006 als glaubwürdig angesehen. Für diese Einschätzung spricht nach Auffassung des Senats insbesondere, dass die beiden Geschädigten nach den deckungsgleichen Aussagen der Zeugen U. und P. ihre Antworten im Gespräch vom 16. Mai 2006 nicht bedenken mussten, sondern spontan und inhaltlich übereinstimmend ausgesagt haben. Ferner haben sie sich auch auf Nachfragen der beiden Mitarbeiter der Botschaft nicht in Widersprüche verwickelt. Nach den Bekundungen der Zeugen U. und P. haben die beiden Geschädigten den Sachverhalt und das Verhalten des Beklagten am 16. Mai 2006 ohne größere Emotionen oder Ärger geschildert. Dies deckt sich mit der Beurteilung des Verhaltens der Geschädigten durch die Zeugin D.. Diese hat in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, die beiden k. Staatsangehörigen hätten bei ihren konsularischen Vernehmungen am 26. Februar 2007 einen ruhigen Eindruck gemacht. Sie hätten die ihnen gestellten Fragen flüssig und ohne sichtliche Emotionen gegenüber dem Beklagten beantwortet. Triebfeder für das Vorgehen der Geschädigten Q. und R. ausschließlich gegen den "Vermittler" B. war der Umstand, dass sie an diesen ganz erhebliche Geldzahlungen geleistet hatten, ohne die ihnen von diesem zugesagte Gegenleistung zu erhalten.

61

b) Die Geschädigten wären unglaubwürdig, wenn sich Anhaltspunkte für die These finden ließen, sie hätten den Beklagten als Mitarbeiter der Deutschen Botschaft nur deshalb der Mitwirkung bei ihrem Versuch der illegalen Erlangung von Visa bezichtigt, um diesen persönlich oder mittelbar die deutsche Botschaft unter Hinweis auf eine drohende Veröffentlichung zur Rückzahlung der von ihnen an den "Vermittler" B. gezahlten Gesamtsumme von 12 Mio. COP drängen zu können. Für diese "Komplotttheorie" oder die Tendenz der Geschädigten, den Beklagten durch unrichtige Angaben zu belasten, fehlt jedoch jeglicher Anhalt.

62

Wie die beiden Geschädigten bei ihren konsularischen Vernehmungen übereinstimmend ausgesagt haben, ging es ihnen zwar darum, die ganz erhebliche Summe von 12 Mio. COP, die sie sich darlehnsweise beschafft und als Gegenleistung für die zugesagte Beschaffung der beiden Visa an Herrn B. auf dessen Konten überwiesen hatten, zurückzuerhalten. Die Ernsthaftigkeit dieses Bestrebens ist durch den Umstand belegt, dass Herr Q. den "Vermittler" B. bereits am 3. Mai 2005, d.h. nur kurze Zeit nach der ausgebliebenen Aushändigung der Visa, bei der Staatsanwaltschaft wegen Betrugs angezeigt hat. Wäre es dem Geschädigten darum gegangen, einen Mitarbeiter der Botschaft zu Unrecht einer Mitwirkung zu bezichtigen, um einen weiteren, auch solventen Schuldner ihres Anspruchs auf Rückerstattung zu "konstruieren", so hätte es sich aufgedrängt, zeitgleich mit der Erstattung der Strafanzeige gegen Herrn B. bei der Deutschen Botschaft vorstellig zu werden, um den Beschäftigten oder die Deutsche Botschaft, z.B. durch die Drohung einer Veröffentlichung von Einzelheiten, zur Zahlung zu bewegen. Tatsächlich haben jedoch die Geschädigten von sich aus jeden Kontakt zum Beklagten oder der Deutschen Botschaft gemieden. Nicht die Geschädigten, sondern der "Vermittler" B. ist an die Botschaft herangetreten und hat diese vor dem Hintergrund des Ablaufs der in der Gütevereinbarung festgesetzten Frist zur Rückzahlung durch die Androhung der Veröffentlichung "unangenehmer Details" zur Zahlung der Gesamtsumme von 12 Mio. COP gedrängt. Zwar war Herrn Q. zum Zeitpunkt der Erstattung seiner Anzeige am 3. Mai 2005 der Name des Beklagten noch nicht bekannt. Nach seiner konsularischen Vernehmung hat er diesen aber im Verlauf des gegen Herrn B. bei der Staatsanwaltschaft geführten Verfahrens erfahren. Obwohl die Geschädigten den Mitarbeiter der Botschaft später namentlich benennen und zudem dessen auffällige Erscheinung bereits zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung detailliert beschreiben konnten, haben sie sich ausschließlich an den "Vermittler" B. als denjenigen gehalten, an den sie die verschiedenen Zahlungen geleistet hatten.

63

Dieser Zurückhaltung der Geschädigten gegenüber der Deutschen Botschaft und ihren Mitarbeitern widerspricht auch nicht der Umstand, dass die beiden k. Staatsangehörigen Anfang April 2005 vor dem Gebäude der Deutschen Botschaft mehrere Stunden auf das Erscheinen des Beklagten gewartet haben, um diesen nach dem Verbleib der ihnen vom "Vermittler" B. für diesen Tag zugesagten Visa zu fragen. Denn für die beiden Geschädigten war der Beklagte an diesem Tag, an dem sie ausschließlich wegen der angekündigten Erteilung der Visa von M. nach B. geflogen waren, die einzige Person, die ihnen nach dem Ausbleiben des Herrn B. vor Ort Auskunft hätte geben können.

64

1. Durch das festgestellte Verhalten hat der Beklagte die ihm nach § 54 Satz 2 und 3 sowie § 70 Satz 1 BBG a.F. obliegenden Pflichten vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft verletzt. Er hat gegen die Pflicht verstoßen, sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten, gegen die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten sowie gegen das Verbot, in Bezug auf das Amt geldwerte Vorteile anzunehmen. Damit hat der Beklagte ein Dienstvergehen i.S.v. § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F. begangen.

65

Im Hinblick auf den Verstoß gegen § 70 Satz 1 BBG a.F. ist es unerheblich, dass der Beklagte nach der Aufgabenverteilung in der Deutschen Botschaft in B. mit der Erteilung von Visa dienstlich nicht befasst war und die Geschädigten Q. und R. die geforderten Zahlungen an den "Vermittler" B. geleistet haben. Denn der Tatbestand des § 70 Satz 1 BBG a.F. ist bereits dadurch erfüllt, dass Q. an den "Vermittler" B. nach dem Zusammentreffen mit dem Beklagten am 23. März 2005 Geld für die Beschaffung von Visa überwiesen hat und der Beklagte im Zusammenwirken mit dem "Vermittler" B. gegenüber den Geschädigten wahrheitswidrig den Eindruck erweckt hat, er werde ihnen im Hinblick auf die an B. geleisteten Zahlungen die von diesem als Gegenleistung versprochenen Visa verschaffen.

66

Zweck des Verbots nach § 70 Satz 1 BBG a.F. ist es, bereits den bloßen Anschein zu vermeiden, dienstliche Handlungen seien durch Gefälligkeiten beeinflussbar und Amtshandlungen seien käuflich (Urteile vom 14. Dezember 1995 - BVerwG 2 C 27.94 - BVerwGE 100, 172 <176 f.> = Buchholz 236.1 § 19 SG Nr. 1 S. 5, vom 22. Oktober 1996 - BVerwG 1 D 76.95 - BVerwGE 113, 4 <5 f.> = Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 4 und vom 23. November 2006 - BVerwG 1 D 1.06 - Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 12 Rn. 29). Anknüpfungspunkt des gesetzlichen Verbots ist nicht das enge Gebiet der Amtshandlungen des Beamten, sondern nach dem Wortlaut sowohl das Amt im abstrakt- oder konkret-funktionellen Sinn als auch das Amt im statusrechtlichen Sinn (Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 11 S. 18 f.). Danach besteht der in § 70 Satz 1 BBG a.F. geforderte Bezug zum Amt bereits dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalls sich der Geber davon leiten lässt, dass der Bedienstete dienstlich tätig wird oder geworden ist. Es reicht aus, wenn, wie hier, nach den erkennbaren Vorstellungen und Motiven des Gebers der Gesichtspunkt der Anstellung oder dienstlichen Tätigkeit des Beamten zumindest mitkausal ist (Urteile vom 14. Dezember 1995 a.a.O. S. 176 bzw. S. 5 und vom 20. Februar 2002 a.a.O. S. 19). Auch dann, wenn der Beamte unter Hinweis auf seine Dienststellenzugehörigkeit beim Zuwender lediglich den wahrheitswidrigen Anschein erweckt hat, auf die begehrte Entscheidung der Dienststelle in irgendeiner Weise Einfluss nehmen zu können, ist der Bezug zum Amt gegeben.

67

Entsprechend dem Zweck des § 70 Satz 1 BBG a.F., bereits den Anschein der Käuflichkeit von Diensthandlungen zu vermeiden, werden von dem Verbot auch solche Belohnungen und Geschenke erfasst, die nicht dem Beamten persönlich, sondern einem Dritten zufließen, bei denen aber nicht der Dritte, sondern der Beamte wegen seiner dienstlichen Stellung oder seiner dienstlichen Handlungen den Grund für die Zuwendung bildet (Urteil vom 20. Februar 2002 a.a.O.; Plog/Wiedow, BBG alt, § 70 Rn. 3; Zängl, in: GKÖD, Bd. I, BBG, K § 70 Rn. 22; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 76 LBG NRW a.F. Rn. 24). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, weil Herr Q. dem "Vermittler" B. - erneut - Geld zur Erlangung der Visa überwiesen hat, nachdem die Interessenten mit dem Beklagten am 23. März 2005 zusammengetroffen waren und dieser ihnen die Erteilung der Visa zugesichert hatte. Auch der Gesetzgeber geht offenkundig davon aus, dass das Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken auch Zuwendungen an Dritte erfasst, wenn Motiv für die Gewährung des Vorteils die dienstliche Stellung des Beamten oder seine dienstlichen Handlungen sind. Denn in § 71 Abs. 1 Satz 1 BBG in der Fassung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) ist nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass Beamtinnen und Beamte keine Belohnungen, Geschenke oder sonstige Vorteile für sich oder einen Dritten in Bezug auf ihr Amt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen dürfen. Inhaltlich ist aber mit der Neufassung der Vorschrift keine Änderung gegenüber der Vorgängerreglung des § 70 BBG a.F. verbunden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/7076, S. 117).

68

Auf die dem § 54 Satz 2 und 3 sowie § 70 Satz 1 BBG a.F. entsprechenden Regelungen des § 61 Abs. 1 Satz 2 und 3 BBG n.F. und § 71 Abs. 1 Satz 1 BBG n.F. ist nicht abzustellen, weil die Vorschriften mit Ausnahme der redaktionellen Anpassung an die geschlechtergerechte Sprache mit den Vorgängerregelungen übereinstimmen und damit für den Beklagten gegenüber der zum Tatzeitpunkt geltenden Rechtslage keine günstigere Regelung geschaffen haben, auf die er sich nach dem Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB im Disziplinarverfahren berufen könnte (vgl. Urteile vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 33, vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 11 jeweils Rn. 17 und vom 19. August 2010 - BVerwG 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 11).

69

2. Das Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen. Das pflichtwidrige Verhalten war in sein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden (Urteile vom 25. August 2009 Rn. 54, insoweit in Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 nicht abgedruckt, und vom 29. Juli 2010 - BVerwG 2 A 4.09 - juris Rn. 194). Das Auftreten als Vizekonsul der Deutschen Botschaft gegenüber den Interessenten sowie das Inaussichtstellen von Visa war dem Beklagten allein aufgrund seiner dienstlichen Stellung als Mitarbeiter der Deutschen Botschaft möglich.

70

Den Verwaltungsgerichten ist durch § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG die Disziplinarbefugnis in den durch die Disziplinarklage gezogenen Grenzen übertragen. Daher bestimmen sie die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer eigenen Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 und 2 BDG, wenn und soweit sie den Nachweis des dem Beamten zur Last gelegten Dienstvergehens für erbracht halten. An die Wertungen des klagenden Dienstherrn sind sie nicht gebunden (Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 11).

71

Welche Disziplinarmaßnahme erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten. Aus den gesetzlichen Vorgaben folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, die Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu bestimmen. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Funktionssicherung des öffentlichen Dienstes. Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten (Urteil vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 16; Beschluss vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 5).

72

Bei der Gesamtwürdigung haben die Verwaltungsgerichte die im Einzelfall bemessungsrelevanten Tatsachen nach Maßgabe des § 58 Abs. 1 BDG zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Hier findet der Grundsatz "in dubio pro reo" Anwendung: Insbesondere bei der Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens dürfen nur solche belastenden Tatsachen berücksichtigt werden, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber sind entlastende Umstände schon dann beachtlich, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (Urteile vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 Rn. 22 und vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 17).

73

Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen ist. Dabei können die vom Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein (vgl. zur Vorteilsannahme Urteil vom 23. November 2006 - BVerwG 1 D 1.06 - Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 12). Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 259 f. bzw. Rn. 24 ff. und vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 20).

74

Ein endgültiger Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 BGB ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis im Interesse der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums beendet werden (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 260 f. bzw. Rn. 26 f., vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 18 und vom 29. Mai 2008 - BVerwG 2 C 59.07 - juris Rn. 17 ff., insoweit in Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 nicht abgedruckt).

75

Bei der Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens ist entgegen dem Vorbringen des Beklagten nicht die Höhe der Zahlungen der geschädigten k. Staatsangehörigen an den "Vermittler" B. maßgebend. Im Vordergrund steht der vom Beklagten erweckte Anschein, die Erteilung von Visa, eine für Ausländer besonders bedeutsame Amtshandlung eines deutschen Beamten, sei durch Geldzahlungen zu beeinflussen. Die Bedeutung dieser Diensthandlung beschränkte sich nicht nur auf das Bundesgebiet, sondern betraf auch noch andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Nach dem zum Tatzeitpunkt geltenden Schengener Durchführungsübereinkommen (Art. 21 SDÜ) können sich Drittausländer aufgrund eines von einer deutschen Behörde erteilten Visums bis zu drei Monaten auch in den sonstigen Vertragsstaaten dieses Abkommens aufhalten.

76

Verstöße gegen § 70 Satz 1 und § 54 Satz 2 BBG a.F. sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit jeher als sehr schwerwiegend eingestuft worden. Die uneigennützige, nicht auf den privaten Vorteil bedachte Führung der Dienstgeschäfte stellt eine wesentliche Grundlage des Berufsbeamtentums dar. Es ist Zweck der Vorschriften, bereits den Anschein zu vermeiden, ein Beamter könne sich bei Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben aus Eigennutz durch sachwidrige Erwägungen beeinflussen lassen und für Amtshandlungen allgemein käuflich sein. Es kann im Interesse einer gesetzmäßigen Verwaltung und im Interesse des allgemeinen Vertrauens in ein rechtsstaatliches Handeln der Verwaltung nicht hingenommen werden, wenn ein Beamter den Eindruck erweckt, er lasse sich in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit durch ihm oder Dritten gewährte oder zugesagte Vorteile beeinflussen. Unerheblich ist, ob es zu der in Aussicht gestellten Amtshandlung gekommen ist. Im Hinblick hierauf ist bei einem Verstoß gegen § 70 Satz 1 und § 54 Satz 2 BBG a.F. die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis jedenfalls dann Richtschnur für die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme, wenn erhebliche Geldzahlungen in Bezug auf die Diensthandlung geleistet worden sind. Dies gilt auch dann, wenn der Beamte keine pflichtwidrigen Amtshandlungen als Gegenleistungen erbracht hat. Das Inaussichtstellen einer konkreten Diensthandlung im Hinblick auf bereits an den Beamten oder einen Dritten geleistete oder diesen zugesagte Geldzahlungen offenbart ein besonders hohes Maß an Pflichtvergessenheit, weil jedem Beamten klar sein muss, dass er durch ein solches Verhalten die Grenze der Sozialadäquanz eindeutig überschreitet und den Anschein der Käuflichkeit erweckt. Die von der Schwere des Pflichtenverstoßes ausgehende Indizwirkung kann nur entfallen, wenn mildernde Umstände von erheblichem Gewicht vorliegen, so dass eine fallbezogene Gesamtbetrachtung den Schluss rechtfertigt, es sei noch kein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten (Urteile vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - juris Rn. 29 f., insoweit in Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 11 nicht abgedruckt, und vom 23. November 2006 a.a.O. Rn. 29 f. m.w.N.).

77

Danach ist hier von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG) als Richtschnur auszugehen. Der Beklagte hat in dem für die Bundesrepublik Deutschland, aber auch für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union sensiblen Bereich der Erteilung von Visa den Anschein erweckt, diese Diensthandlung sei käuflich oder sei zumindest durch Geldzahlungen zu beeinflussen. In Kenntnis der bereits an den "Vermittler" B. für die Beschaffung von Visa geleisteten Zahlungen hat er die geschädigten k. Staatsangehörigen durch sein Auftreten und seine Zusicherung, er habe die Visa bereits genehmigt, in der Annahme bestärkt, auf diese Weise die begehrten Visa erhalten zu können, und zu weiteren Zahlungen an den "Vermittler" B. veranlasst.

78

Der Gesamtbetrag von 12 Mio. COP (ungefähr 3 800 €), den Q. und R. an Herrn B. für die Vermittlung der Visa im Hinblick auf dessen Versicherung, Kontaktperson des bei der Deutschen Botschaft für die Genehmigung der Visa zuständigen Vizekonsuls zu sein, und den Äußerungen des Beklagten anlässlich des Zusammentreffens vom 23. März 2005 gezahlt haben, kann nicht als "Bagatellsumme" (100 DM/50 €; vgl. dazu Urteile vom 11. Juni 2002 - BVerwG 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <310 f.> = Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 28 S. 26 und vom 14. November 2007 - BVerwG 1 D 6.06 - Rn. 48, insoweit nicht in Buchholz 235 § 4 BDO Nr. 3 abgedruckt) eingestuft werden, die von vornherein eine mildere Einstufung des Fehlverhaltens zulassen würde.

79

Der Vortrag des Vertreters der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Bemessungsentscheidung gibt Anlass zu dem Hinweis, dass sich die vom Gericht nach § 13 BDG zu treffende Bemessungsentscheidung nicht daran auszurichten hat, das Ansehen des BND im Verhältnis zu anderen Behörden, wie insbesondere dem Auswärtigen Amt, zu wahren. Unerheblich ist insoweit auch die Vorliebe eines Beamten für teure Autos, Schmuck oder wertvolle Uhren. Ein im Verhältnis zur tatsächlich gezahlten Besoldung gehobener Lebensstil eines Beamten ist kein Anlass für Zweifel an der "Korrektheit seiner Grundeinstellung" und ist nicht im Rahmen des § 13 BDG zu dessen Nachteil zu werten.

80

Milderungsgründe von Gewicht, die es rechtfertigen könnten, von der durch die Schwere des Dienstvergehens indizierten Höchstmaßnahme abzusehen, liegen nicht vor. Unter Geltung der Bemessungsvorgaben des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG sind entlastende Umstände nicht auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 260 ff. bzw. Rn. 26 ff. und vom 29. Mai 2008 - BVerwG 2 C 59.07 - juris Rn. 23 m.w.N., insoweit in Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 nicht abgedruckt).

81

Auf eine existenzielle wirtschaftliche Notlage oder eine körperliche oder psychische Ausnahmesituation, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und deshalb nicht mehr vorausgesetzt werden kann, hat sich der Beklagte trotz des Hinweises des Senats, bei der Bemessungsentscheidung seien sämtliche entlastenden Umstände zu berücksichtigen und es sei auch Sache des betroffenen Beamten, entsprechende tatsächliche Anhaltspunkte vorzutragen, nicht berufen.

82

Dass der Beklagte bis zum Jahr 2005 straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten war, über lange Zeit sehr gute dienstliche Leistungen erbracht und bei der Dienstausübung großes Engagement gezeigt hat, fällt angesichts der Schwere der Verfehlung nicht ausschlaggebend ins Gewicht. Jeder Beamte ist verpflichtet, bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 54 Satz 1 und 3 BBG a.F.).

83

Der Umstand, dass der Beklagte nach der Aufdeckung der Verfehlung weiterbeschäftigt worden ist, an einem Sprachkurs teilgenommen und sich in seinem derzeitigen Tätigkeitsbereich bewährt hat, ist nicht geeignet, eine mildere Disziplinarmaßnahme zu rechtfertigen. Die Entscheidung über die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses obliegt den Verwaltungsgerichten unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung. Sie haben ohne Bindung an die Auffassung des Dienstherrn zu beurteilen, ob ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist. Ist dies der Fall, so vermag daran auch eine vorübergehende Weiterbeschäftigung auf einem anderen Dienstposten während des Disziplinarverfahrens nichts zu ändern. Denn das Vertrauen bezieht sich auf das Amt im statusrechtlichen Sinne (Urteile vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 D 33.02 - BVerwGE 120, 33 <53> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 35 S. 79 und vom 8. Juni 2005 - BVerwG 1 D 3.04 - juris Rn. 26 sowie Beschluss vom 1. März 2012 - BVerwG 2 B 140.11 - juris Rn. 7, stRspr). Zudem kann die Weiterbeschäftigung auf finanziellen Gesichtspunkten beruhen, die für die Disziplinarentscheidung ohne Bedeutung sind. Schließlich entspricht die Weiterbeschäftigung des Beklagten der zwischen dem Präsidenten des BND und dem Personalrat getroffenen Vereinbarung.

84

Weder die lange Dauer des Verfahrens noch das lange Zurückliegen des Dienstvergehens rechtfertigen es, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, wenn diese Maßnahme geboten ist. Zwar kann eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme (z.B. Zurückstufung nach § 9 BDG) in diesen Fällen unvereinbar mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werden. Bei Fortbestand des Beamtenverhältnisses kann das durch ein Dienstvergehen ausgelöste Sanktionsbedürfnis gemindert werden oder sogar entfallen, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen wirtschaftlichen und dienstlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt haben, so dass sie eine günstigere Persönlichkeitsprognose ermöglichen. Demgegenüber geht es bei der Dienstentfernung darum, das Beamtenverhältnis in Fällen besonders schwerwiegender Dienstvergehen zu beenden, weil der Beamte im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist. An dem endgültigen Vertrauensverlust (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDG), den er durch sein Fehlverhalten herbeigeführt hat, vermögen eine lange Verfahrensdauer oder ein langes Zurückliegen des Dienstvergehens nichts zu ändern. Das verlorene Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf wiederhergestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - BVerfGE 46, 17 <28 f.>; Kammerbeschluss vom 9. August 2006 - 2 BvR 1003/05 - DVBl 2006, 1372 >1373>; BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2005 - BVerwG 1 D 30.03 - juris Rn. 80, vom 8. Juni 2005 - BVerwG 1 D 3.04 - juris Rn. 27 und vom 7. Februar 2008 - BVerwG 1 D 4.07 - juris Rn. 29, insoweit in Buchholz 235 § 77 BDO Nr. 13 nicht abgedruckt; Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 8 und vom 26. August 2009 - BVerwG 2 B 66.09 - juris Rn. 11). Diesen Unterschied hat der Gesetzgeber dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er in § 15 BDG die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Gegensatz zu allen anderen Disziplinarmaßnahmen vom Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs ausgenommen hat.

85

Auch die Vorschriften des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302) haben hieran nichts geändert. Der Verweis in § 3 BDG auf die Verwaltungsgerichtsordnung erfasst auch § 173 Satz 2 VwGO in der Fassung dieses Gesetzes, der wiederum die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes (§§ 198 ff.) mit Maßgaben für anwendbar erklärt. Der Gesetzgeber hat dem betroffenen Verfahrensbeteiligten in den §§ 198 ff. GVG für den Fall der gerügten unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens für dadurch verursachte Vermögensnachteile und immaterielle Folgen grundsätzlich einen Anspruch auf angemessene Entschädigung eingeräumt. Nach § 198 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 GVG geht die Wiedergutmachung des Verstoßes gegen das Gebot des gerichtlichen Rechtsschutzes in angemessener Zeit auf andere Weise dem Entschädigungsanspruch vor, der die durch die verzögerte gerichtliche Entscheidung bestimmte Rechtslage unberührt lässt. Der Gesetzgeber hat aber davon abgesehen, in den §§ 198 ff. GVG die Formen einer solchen Wiedergutmachung abschließend festzulegen (BTDrucks 17/3802, S. 16 und 19). Er hat aber auch nicht vorgesehen, dass die Wiedergutmachung in der Weise zu erfolgen hat, dass dem Betroffenen als Ausgleich für die Verzögerung des gerichtlichen Verfahrens die den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Rechtsposition einzuräumen ist, deren materiell-rechtliche Voraussetzungen der Betroffene nicht erfüllt. Für andere als strafgerichtliche Verfahren (§ 199 Abs. 3 GVG) hat der Gesetzgeber in den §§ 198 ff. GVG als Form der Wiedergutmachung auf andere Weise lediglich die Möglichkeit einer Feststellung der überlangen Verfahrensdauer durch das Entschädigungsgericht bei gleichzeitiger Freistellung des Klägers von den Kosten des Entschädigungsrechtsstreits geregelt (BTDrucks 17/3802, S. 16). Ob im Übrigen eine dem Entschädigungsanspruch vorgehende Wiedergutmachung auf andere Weise möglich ist, richtet sich nach den jeweiligen formellen und materiell-rechtlichen Bestimmungen. Die für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme maßgeblichen Vorschriften schließen aber, wie dargelegt, die Wiederherstellung des verlorenen Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit allein durch eine unangemessene Dauer des Disziplinarverfahrens aus.

86

Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 6 EMRK. Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren, insbesondere auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Zeit. Zwar geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass Art. 6 EMRK in seiner zivilrechtlichen Bedeutung auf ein Disziplinarverfahren, in dem der Beamte wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienst entfernt worden ist, anwendbar ist (EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - NVwZ 2010, 1015 Rn. 39 m.w.N.). Haben Gerichte gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoßen - bei einem Disziplinarverfahren ist die Zeitspanne zwischen der Entscheidung über seine Einleitung bis zur letzten gerichtlichen Entscheidung maßgeblich -, so hat das entsprechende Urteil des Gerichtshofs, wie sich aus Art. 41 EMRK ergibt, lediglich Feststellungswirkung. Auch Art. 46 Abs. 1 EMRK, wonach der Vertragsstaat verpflichtet ist, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen, führt nicht dazu, dass der Vertragsstaat dem Betroffenen allein wegen der überlangen Dauer des Verfahrens eine Rechtsstellung einräumen muss, die diesem nach dem maßgeblichen innerstaatlichen materiellen Recht nicht zusteht; der Gerichtshof spricht vielmehr eine gerechte Entschädigung als Ersatz für immaterielle Schäden zu (Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 41 Rn. 21). Die vom Gerichtshof der verletzten Person nach Art. 41 EMRK zuzusprechende gerechte Entschädigung, die den materiellen wie auch den immateriellen Schaden erfassen kann (EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 a.a.O. Rn. 59 ff.), lässt die sich nach dem innerstaatlichen Recht bestimmende materiell-rechtliche Rechtslage unberührt.

87

Aufgrund der vorliegenden Akten und der Erklärungen des Beklagten im gerichtlichen Verfahren besteht keine Veranlassung, von der gesetzlichen Regelung für den Unterhaltsbeitrag (§ 10 Abs. 3 BDG) abzuweichen.

88

Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das gerichtliche Verfahren bedarf es nach § 78 Satz 1 BDG nicht, weil Gerichtsgebühren für das nach dem 31. Dezember 2009 anhängig gewordene gerichtliche Verfahren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden (§ 85 Abs. 12 BDG). Hierbei ist von einer Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst auszugehen.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.