Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 30. Okt. 2007 - 8 W 442/07

published on 30/10/2007 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 30. Okt. 2007 - 8 W 442/07
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Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Heilbronn vom 13. August 2007, Az. 8 O 90/07, wird zurückgewiesen .

2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 334,69 EUR

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten darüber, ob der Verfügungsbeklagte verpflichtet ist, sich im Rahmen der Kostenfestsetzung auf die für seinen Bevollmächtigten entstandene und grundsätzlich erstattungsfähige gerichtliche Verfahrensgebühr 0,75 einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr anrechnen zu lassen.
Das Hauptsacheverfahren wurde beendet durch Urteil vom 23. April 2007, mit dem der Verfügungsklägerin die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auferlegt wurden.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. August 2007 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts die von der Verfügungsklägerin an den Verfügungsbeklagten zu erstattenden Kosten auf insgesamt 1.206,21 EUR festgesetzt. In diesem Betrag ist unter anderem die von dem Verfügungsbeklagten für seinen Bevollmächtigten angefallene 1,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 RVG-VV in voller Höhe berücksichtigt, nicht dagegen die mit dem Antrag beanspruchte außergerichtliche 1,5-Geschäftsgebühr von 562,50 EUR gemäß Nr. 2300 RVG-VV nebst Auslagenpauschale von 20 EUR und 19% Umsatzsteuer abzüglich einer 0,75-Anrechnung auf die gerichtliche Verfahrensgebühr.
Mit ihrer fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde beruft sich die Verfügungsklägerin auf die Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV, so dass im Kostenfestsetzungsverfahren wegen der vorgerichtlichen Tätigkeit lediglich noch eine 0,55-Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht werden könne. Der festgesetzte Erstattungsbetrag sei somit um 334,69 EUR zu kürzen. Zur Begründung seiner Ansicht beruft sich der Klägervertreter auf die Entscheidung des BGH vom 7. März 2007 (VIII ZR 86/06).
Der Verfügungsbeklagte ist der Beschwerde entgegengetreten. Er teilt mit, dass die im Antrag aufgenommene 1,5-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV versehentlich in Ansatz gebracht worden sei, für diese bestehe nicht einmal ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch.
Die Rechtspflegerin hat das Rechtsmittel der Verfügungsklägerin ohne Abhilfe dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff ZPO statthaft und auch sonst zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die Festsetzung der Rechtspflegerin ist nicht zu beanstanden. Sie hat zu Recht die für den Bevollmächtigten des Verfügungsbeklagten entstandene 1,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 RVG-VV als prozessualen Kostenerstattungsanspruch in vollem Umfang gegen die Verfügungsklägerin in Ansatz gebracht.
Eine Pflicht zur Anrechnung der bei dem Verfügungsbeklagten aufgrund etwaiger vorgerichtlicher Tätigkeit seiner Bevollmächtigten entstandenen Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 RVG-VV nach Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV auf die im gerichtlichen Verfahren angefallene 1,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 RVG-VV ergibt sich entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. März 2007 (AGS 2007, 283) und auch nicht aus der vom 14. März 2007 (AGS 2007,289). Beide Urteile betrafen Fälle, in denen der Kläger als Nebenforderung die Geschäftsgebühr aufgrund eines materiellen Schadensersatzanspruchs mit eingeklagt hatte. Dieses Vorgehen hat der Bundesgerichtshof aufgrund der Anrechnungsvorschrift in Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV als berechtigt angesehen und im Zusammenhang damit darauf hingewiesen, dass die Anrechnung nach dem Wortlaut der Vorschrift in Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV erst im Kostenfestsetzungsverfahren des Rechtsstreits erfolge.
10 
Im vorliegenden Verfahren hat der Verfügungsbeklagte eine möglicherweise vorgerichtlich angefallene Geschäftsgebühr seines Bevollmächtigten weder im Hauptsacheverfahren noch in einem anderen Verfahren - als materiellrechtlichen Schadensersatzanspruch - geltend gemacht.
11 
Für diese Fallgestaltung entspricht es, soweit ersichtlich, ganz h. M. im Zivilrecht, dass im Kostenfestsetzungsverfahren auf der Grundlage der gerichtlichen Kostengrundentscheidung nur die prozessual entstandenen Gebühren und damit grundsätzlich die volle Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 RVG-VV zu berücksichtigen ist, sofern diese im Verfahren in voller Höhe entstanden ist. Die Anrechnungsvorschrift gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV gilt grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen einer Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten. Der Prozessgegner haftet auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten ausschließlich nach materiellem Recht. Nur wenn er bereits rechtskräftig zur Zahlung eines solchen materiellrechtlichen Schadens verurteilt ist oder eine anderweitige bestandskräftige gerichtliche oder außergerichtliche Regelung über einen solchen Anspruch im Verhältnis zu ihm vorliegt, kann eine Berücksichtigung im Kostenfestsetzungsverfahren erfolgen. Denn es soll vermieden werden, dass doppelt tituliert wird und der Kostenschuldner mehr erstatten muss, als der Kostengläubiger seinem Anwalt schuldet.
12 
Auch eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 RVG-VV ist als materiellrechtlicher Anspruch einer Partei nur dann im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen, wenn entweder deren Anfall und die Pflicht des Gegners, sie zu tragen, oder wenn jedenfalls die für die Berücksichtigung maßgebenden Tatsachen unstreitig sind (KG AGS 2007, 439; OLG Koblenz Rpfleger 2007, 433; OLG Karlsruhe AGS 2007, 494; OLG München AGS 2007, 495; Norbert Schneider NJW 2007, 2001). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
13 
Für die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung spricht auch die - soweit ersichtlich - früher einhellige Handhabung der rechtstechnisch gleichen Anrechnungsvorschrift in § 118 Abs. 2 BRAGO, nach der ebenfalls die vorgerichtlich entstandene Verfahrensgebühr auf die später in einem gerichtlichen Verfahren anfallende (Prozessgebühr) anzurechnen war. Insoweit bestand Einigkeit, dass die Prozessgebühr des gerichtlichen Verfahrens im zugehörigen Kostenfestsetzungsverfahren in voller Höhe festzusetzen war und nicht lediglich in der sich nach Anrechnung einer vorgerichtlichen Verfahrensgebühr verbleibenden Höhe. Es ist aber nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung der rechtstechnisch gleichen Anrechnungsvorschrift in Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV diesbezüglich eine Änderung der Rechtslage im Kostenfestsetzungsverfahren herbeiführen wollte.
III.
14 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und Nr. 1812 GKG-KV.
15 
Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 ZPO in Übereinstimmung mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde durch die Oberlandesgerichte Koblenz, Karlsruhe und München sowie das Kammergericht (je a. a. O.) zuzulassen.
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo
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published on 22/01/2008 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZB 57/07 vom 22. Januar 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 91 RVG-VV, Anlage 1 Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 4 a) Es wird daran festgehalten, dass sich durch die ant
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Annotations

(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.

(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.

(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.

(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)