Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 24. Feb. 2017 - 6 U 35/17

published on 24/02/2017 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 24. Feb. 2017 - 6 U 35/17
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Tenor

Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor ist vom Gericht nicht mitgeteilt worden.

Gründe

 
I.
Die Kläger machen Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungsersatz geltend, nachdem sie mit am 21.6.2016 um 17.10 Uhr bei der beklagten …bank eingegangenem Telefax den Widerruf eines im Jahr 2003 abgeschlossenen und im Jahr 2013 zurückgeführten Verbraucherimmobiliardarlehensvertrages erklärt haben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da gemäß Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11.3.2016 ein Widerrufsrecht der Kläger am 21.6.2016 nicht mehr bestanden habe; dieses Recht der Kläger - das wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung im Jahr 2016 an sich noch unverfristet bestanden habe - sei vielmehr mit Ablauf des 20.6.2017 erloschen.
Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung. Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Sei meint außerdem, der Widerruf der Kläger sei selbst dann zu spät erfolgt, wenn das Widerrufsrecht nicht mit Ablauf des 20.6.2016 erloschen sein sollte. Denn ihre, der Beklagten, Geschäftszeiten hätten am fraglichen Tag um 17.00 Uhr geendet, so dass der um 17.10 Uhr eingegangene Widerruf erst mit dem Beginn der Geschäftszeiten am 22.6.2016 im Rechtssinn zugegangen und auch deshalb nicht wirksam sei.
II.
Dazu weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Nach vorläufiger Auffassung des Senats ist das Widerrufsrecht der Kläger nicht bereits mit Ablauf des 20.6.2016 erloschen.
Dafür spricht zum einen der Wortlaut des Art. 229 § 38 Abs. 3 S. 1 EGBGB, wonach das Widerrufsrecht spätestens drei Monate „nach dem 21. März“ 2016 erlöschen soll. Demnach beginnt die dreimonatige Frist „nach“ dem 21. März, also mit Beginn des 22. März und endet unter Zugrundelegung der §§ 187 Abs. 2 S. 1, 188 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf des 21. März 2016.
Dafür spricht außerdem die Begründung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 18/7584, S. 146), wo es zwar heißt, das Widerrufsrecht ende „drei Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes“, wo es jedoch weiter ausdrücklich heißt „(also mit Ablauf des 21. Juni 2016)“.
Zuletzt spricht dafür Art. 229 § 38 Abs. 3 S. 2 EGBGB, aus dem in Zusammenschau mit der Begründung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 18/7584, S. 146) folgt, dass das Widerrufsrecht jedenfalls bei Haustürgeschäften erst mit dem Ablauf des 21.6.2016 erlischt. Denn es ist nicht anzunehmen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers für die verschiedenen Fälle des Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB verschiedene Fristen gelten sollten (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., Art. 229 § 38 EGBGB, Rn. 5).
2. Davon ausgehend neigt der Senat vorläufig dazu, dass der klägerische Widerruf auch nicht deshalb unwirksam war, weil er am 21.6.2016 erst um 17.10 Uhr eingegangen und damit möglicherweise Zugang im Rechtssinn erst am 22.6.2016 mit Beginn der nächsten Geschäftszeit der Beklagten erfolgt ist.
10 
a) Dass nach oben 1. das Widerrufsrecht erst mit Ablauf des 21.6.2016 erloschen sein dürfte, sagt noch nichts darüber aus, ob der Widerruf bereits am 21.6.2016 zugegangen sein muss - d. h. so in den Bereich des Empfängers gelangt sein muss, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen -, ob es genügt, dass der Widerruf noch am 21.6.2016 beim Unternehmer eingegangen ist, oder ob die Absendung des Widerrufs spätestens am 21.6.2016 genügt.
11 
b) Unter diesen Möglichkeiten neigt der Senat vorläufig zur letzteren Auslegung (dafür auch etwa Palandt/Grüneberg, a. a. O., Art. 229 § 38 EGBGB, Rn. 5 a. E.).
12 
aa) Erlischt ein Recht kraft Gesetzes nach einem bestimmten Zeitpunkt, liegt es nahe, für die Frage der Rechtzeitigkeit auf die Ausübung des Rechts abzustellen; ist das Recht vor seinem Erlöschen ausgeübt, ist es auch wirksam ausgeübt.
13 
Wie sich aus § 355 Abs. 1 S. 5 BGB ergibt, geht der Gesetzgeber aber speziell beim Widerrufsrecht für Verbraucherverträge davon aus, dass das Recht bereits mit Absendung der Widerrufserklärung ausgeübt ist.
14 
bb) Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen der Intention des Gesetzgebers des Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB, Rechtssicherheit herzustellen. Denn insbesondere die von der Beklagten vertretene Lösung würde zu erheblichen Unsicherheiten führen, indem für jeden Einzelfall nicht nur streitig werden könnte, wann genau die Widerrufserklärung beim Unternehmer eingegangen ist, sondern auch, wann im Sinne des § 130 BGB Zugang erfolgt ist. Da Letzteres bei wie hier geschäftlichen Erklärungen von den Geschäftszeiten abhängt (vgl. Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 130 Rn. 7) wäre damit jeweils - ggf. durch Beweisaufnahme - zu klären, wie die Geschäftszeiten - d. h. aber nicht unbedingt die Filialöffnungszeiten - der jeweiligen Unternehmer waren.
15 
3. Nach vorläufiger Auffassung des Senats zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht angenommen, dass die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt hat. Das Widerrufsrecht dürfte unter Zugrundelegung des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes auch nicht verwirkt oder seine Ausübung rechtsmissbräuchlich gewesen sein (vgl. zu den Voraussetzungen von Verwirkung und Rechtsmissbräuchlichkeit in Widerrufsfällen Senat, Urteil vom 24. Januar 2017 – 6 U 96/16 –, Rn. 59, juris; vom 07. Februar 2017 – 6 U 40/16 –, Rn. 65, juris).
III.
16 
1. Das von der Beklagten angeregte Vorgehen nach § 522 Abs. 2 ZPO kommt daher nicht in Betracht. Nachdem die Beklagte ihr Einverständnis zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nicht erteilt hat, wird die Sache vielmehr zu terminieren sein.
2. ...
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. (2) Ist der Beginn
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher

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published on 24/01/2017 00:00

Tenor 1. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 7.4.2016 werden zurückgewiesen. 3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 79 % und die Beklagte 21 %.
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(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.

(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.

(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.