|
|
| Die Parteien streiten, ob die Beklagte nach Widerruf dreier im Jahr 2004 geschlossener Darlehensverträge die Entschädigungszahlungen der Kläger erstatten muss, die diese im Zuge einer Aufhebungsvereinbarung 2012 an die Beklagte geleistet haben. |
|
| Die Kläger erwarben im Jahr 1993 eine Immobilie mit 12 Mieteinheiten. Den Kaufpreis finanzierten sie mit einem Kredit der B... Bank. Zur gemeinsamen Vermietung und Verwaltung der Immobilie gründeten die Kläger am 4.2.1994 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. |
|
| Zur Ablösung des Kredits bei der B... Bank schlossen die Kläger mit der Beklagten im Frühjahr 2004 drei Darlehensverträge über Kreditbeträge in Höhe von insgesamt 997.000,00 EUR. Die Darlehen waren jeweils durch Grundschulden gesichert. |
|
| Im Jahr 2012 wandten sich die Kläger an die Beklagte, da sie die Immobilie veräußern wollten. Die Beklagte bot den Kläger mit Schreiben vom 13.4.2012 die Aufhebung der Kreditverträge gegen Zahlung eines Aufhebungsentgelts an. Die Kläger nahmen dieses Angebot an und zahlten an die Beklagte als Entgelt 64.670,64 EUR. |
|
| Vertreten durch ihren Rechtsanwalt erklärten die Kläger am 9.10.2013 den Widerruf ihrer auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen. |
|
| Mit ihrer Klage verlangen sie die Erstattung des Aufhebungsentgelts sowie Wertersatz für daraus gezogene Nutzungen in Höhe von 4.561,51 EUR. Sie machen geltend, der Widerruf sei im Jahr 2013 noch möglich gewesen, da sie bei Abschluss der Verträge nicht ordnungsgemäß belehrt worden seien. |
|
| Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen. |
|
| Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger hätten die Darlehensverträge wirksam widerrufen. Es habe sich jeweils um Verbraucherdarlehen gehandelt, da die Kredite der privaten Vermögensverwaltung gedient hätten und die Kläger deshalb als Verbraucher anzusehen seien. Der Widerruf sei nicht verspätet, da die erteilten Widerrufsbelehrungen nicht ordnungsgemäß gewesen seien. Zu beanstanden sei der Hinweis, dass die Widerrufsfrist „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ beginne. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Schutzwirkung gemäß § 14 Abs. 1 BGB InfoV berufen, da sie das Belehrungsmuster nicht unverändert übernommen habe. Der Umstand, dass die Parteien die Darlehensverträge einvernehmlich aufgehoben hätten, stehe dem Widerruf nicht entgegen. Die Kläger hätten ihr Widerrufsrecht auch nicht verwirkt. |
|
| Neben der Erstattung des Aufhebungsentgeltes schulde die Beklagte die Herausgabe gezogener Nutzungen, wobei zu vermuten sei, dass deren Wert einer Verzinsung mit dem üblichen Verzugszins in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz entspreche. |
|
| Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Zur Begründung bringt sie vor, das Landgericht habe den Widerruf der Kläger zu Unrecht für wirksam erachtet. Die Kläger hätten nicht als Verbraucher gehandelt. Der Erwerb eines größeren, mit erheblichem Aufwand sanierten Wohn- und Geschäftshauses, über dessen Verwaltung ein detaillierter Gesellschaftsvertrag geschlossen sei und bei dem der Einzelverkauf der Wohnungen und der gewerblichen Einheiten zumindest eine Option gewesen sei, müsse mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach der Verbraucherbegriff eng auszulegen sei, dem gewerblichen Bereich zugeordnet werden. Der ständigen Rechtsprechung, wonach die Belehrung, die Widerrufsfrist beginne frühestens mit Erhalt der Belehrung, fehlerhaft sei, könne nicht gefolgt werden. In jedem Fall greife aber die Schutzwirkung gemäß § 14 Abs. 1 BGB-InfoV ein. Den eigentlichen Belehrungstext habe sie unverändert übernommen. Soweit geringfügige Änderungen bei den Widerrufsfolgen vorlägen, sei dies schon deshalb unschädlich, weil eine Belehrung hierzu nach dem Muster fakultativ gewesen sei. Selbst wenn ein Widerrufsrecht noch bestanden hätte, wäre dies aufgrund der Aufhebungsvereinbarung ausgeschlossen. Unabhängig davon sei gegenüber dem Widerruf der Einwand des Rechtsmissbrauchs und der Verwirkung begründet. Soweit das das Landgericht in Bezug auf die Widerrufsfolgen angenommen habe, es sei zu vermuten, sie habe Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen sei dies schon deshalb unzutreffend, weil bei Realkrediten allenfalls ein Verzugszinssatz in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz angenommen werden könne. Darüber hinaus habe das Aufhebungsentgelt auch der Rückführung der Refinanzierung gedient und sei deshalb nicht uneingeschränkt nutzbar gewesen. |
|
|
|
| Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 17.10.2014 – 12 O 262/14 – im Kostenpunkt aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. |
|
|
|
| die Berufung zurückzuweisen. |
|
| Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Bezugnahme und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. |
|
| Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen. |
|
| Die zulässige Berufung der Beklagten hat lediglich hinsichtlich der Nebenforderungen teilweise Erfolg. |
|
| Maßgeblich sind die bei Abschluss der Darlehensverträge geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über Verbraucherverträge nach den Änderungen durch das OLG-Vertretungsänderungsgesetz vom 23.7.2002 (BGBl. I S. 2850) in der bis zum 10.6.2010 gültigen Fassung (Art 229 § 9 Abs.1 Nr.2 EGBGB). |
|
| Die Vertragserklärungen der Kläger waren gemäß § 495 BGB widerruflich, da es sich um Verbraucherdarlehen (§ 491 Abs.1 BGB) handelte. Die Kläger haben die Darlehensverträge in ihrer Eigenschaft als Verbraucher (§ 13 BGB) geschlossen, da die Kredite ausschließlich privaten Zwecken dienten. |
|
| Verbraucher ist gemäß § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Auch der Erwerb und das Halten einer oder mehrerer Immobilien fallen in den Bereich der Verwaltung des eigenen Vermögens, die auch dann grundsätzlich dem privaten und nicht dem unternehmerischen Bereich zugerechnet wird, wenn es sich um die Anlage beträchtlichen Kapitals handelt. Berufsmäßigen oder gewerblichen Charakter erlangt die Vermögensverwaltung erst dann, wenn die mit ihr verbundenen Geschäfte einen Umfang annehmen, der einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation erfordert (BGH v. 23. 10. 2001 – XI ZR 63/01). |
|
| Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht die Verbrauchereigenschaft der Kläger rechtfehlerfrei festgestellt. Auf die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts hierzu wird Bezug genommen. Die mit der Berufung erhobenen Einwände greifen nicht durch. |
|
| Unstreitig erfolgte die Miet- und Objektverwaltung unmittelbar durch die Kläger selbst, die lediglich einen Hausmeister, nicht aber einen Hausverwalter eingeschaltet hatten. Dass die Kläger ihre Eigenverwaltung durch die Gründung einer BGB-Gesellschaft organisiert haben, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die zur Verwaltung von den Klägern getätigten Geschäfte einen Umfang hatten, bei dem ein planmäßiger Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation erforderlich gewesen wäre. Auch aus dem hier getätigten Umfang der Investitionen in die Immobilie ergibt sich kein hinreichendes Indiz, das den Schluss auf eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit zulässt. |
|
| Dem Urteil des EuGH vom 20.1.2005 (C-464/01 G...) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Die Entscheidung betrifft den Fall, dass berufliche und private Zwecke des getätigten Rechtsgeschäfts zusammentreffen. Eine solche Überschneidung ist hier aber nicht gegeben: Die Vermögensverwaltung der Kläger, der die Kredite dienten, ist ausschließlich privater Natur. |
|
| Als die Kläger den Widerruf erklärt haben, war die hierfür geltende Frist nicht abgelaufen, weil den Klägern keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt worden war (§ 355 Abs. 2 S.1 BGB). |
|
| Die Widerrufsbelehrung ist nicht gemäß § 14 Abs. 1 der BGB-InfoV als gesetzeskonform zu behandeln. |
|
| aa) Ein Unternehmer kann die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV nach ständiger Rechtsprechung nur dann mit Erfolg geltend machen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. Greift der Unternehmer hingegen in das ihm zur Verfügung gestellte Muster durch eigene Bearbeitung ein, tritt die Wirkung des § 14 Abs.1 BGB-InfoV nicht ein und zwar unabhängig vom konkreten Umfang der vorgenommenen Änderungen (BGH v. 28.6.2011 - XI ZR 349/10 Tz. 37 ff.; v. 9.12.2009 - VIII ZR 219/08; v. 1.3.2012 - III ZR 83/11; v. 18.3.2014 - II ZR 109/13). |
|
| bb) Es kann offen bleiben, ob geringfügige Abweichungen der Widerrufsbelehrung von der Musterbelehrung die Schutzwirkung des § 14 Abs.1 BGB-InfoV unberührt lassen (so OLG Frankfurt v. 7.7.2014 – 23 U 172/13; OLG Düsseldorf v. 7.12.2012 – 17 U 139/11). Das kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die erteilte Belehrung aufgrund der vorgenommenen Änderungen – wie hier – nicht in gleichem Maße deutlich ist wie die Musterbelehrung. |
|
| Eine Abweichung von der Musterbelehrung, mit der eine Einbuße an Deutlichkeit verbunden ist, liegt bereits darin, dass die Beklagte die im Muster dem ersten Absatz vorangestellte Zwischenüberschrift „Widerrufsrecht“ in ihre Belehrung nicht übernommen hat. Zweck dieser Überschrift ist es, das Augenmerk des Verbrauchers bereits bei oberflächlicher Betrachtung des Textes darauf zu lenken, dass ihm das Gesetz ein Widerrufsrecht einräumt und dies Gegenstand der nachfolgenden Belehrung ist. In der Belehrung der Beklagten fehlt diese mit der Zwischenüberschrift verbundene Signalwirkung, sodass die Deutlichkeit der vorliegenden Belehrung hinter der des Musters zurückbleibt. |
|
| Ebenfalls weniger deutlich ist die Belehrung über „Finanzierte Geschäfte“, weil die Beklagte folgende Formulierung aufgenommen hat: „Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstückgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung des Darlehens hinausgehen […]“. Nach dem einschlägigen Gestaltungshinweis der Musterbelehrung war hingegen einzufügen: „Dies ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung des Darlehens hinaus geht [...]“. Durch ihre Umformulierung überlässt die Beklagte die Subsumtion unter die Begriffe „finanzierter Erwerbe eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts“ dem Verbraucher. Das Muster sieht jedoch vor, dass der Unternehmer die Subsumtion vornimmt und entsprechend belehrt. Die von der Beklagten gewählte Umformulierung bedeutet daher einen Verlust an Deutlichkeit und ist deshalb als inhaltliche Bearbeitung des Musters einzuordnen. |
|
| Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, ob die Beklagte auf die Belehrung zu den finanzierten Geschäften hätte verzichten können. Entscheidet sich der Verwender für die Aufnahme dieser Passage in die Widerrufsbelehrung, muss sie dem Muster entsprechen, um dem Verwender die Schutzwirkung zu erhalten (BGH v. 28.6.2011 - XI ZR 349/10 Rn. 39 Senat v. 29.9.2015 – 6 U 21/15). |
|
| Eine Widerrufsbelehrung genügt nicht den Anforderungen nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn sie den Hinweis enthält, dass die Frist für den Widerruf "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" beginne. Die Verwendung des Wortes "frühestens" ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen; er vermag dem Text lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist "jetzt oder später" beginnen, der Beginn des Fristablaufs also gegebenenfalls noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch im Unklaren gelassen, welche etwaigen weiteren Umstände dies sind (BGH v. 9.12.2009 - VIII ZR 219/08 Tz. 13, 15; v. 29.04.2010 - I ZR 66/08 Tz. 21; v. 1.12.2010 - VIII ZR 82/10 Tz. 12; v. 2.2.2011 - VIII ZR 103/10 Tz. 14; v. 28.06.2011 - XI ZR 349/10 Tz. 34). |
|
| Ohne Erfolg macht die Beklagte hiergegen geltend, das Gesetz verlange insoweit keine erschöpfende Belehrung, vielmehr sei ein Hinweis auf den Fristbeginn ausreichend, durch den dem Verbraucher - wie hier - eine „sichere Mindestfrist“ verdeutlicht und gleichzeitig offengelegt werde, dass nach den Umständen des Einzelfalles auch eine längere Frist gelten könne. Wäre dies richtig, würde dem Verbraucher, der vor der Frage steht, ob die gesetzliche Frist für sein Widerrufsrecht bereits ausgeschöpft ist, aufgebürdet, sich selbst über den Fristbeginn kundig zu machen. Insbesondere wäre der Verbraucher bei einem schriftlich abzuschließenden Vertrag im Unklaren gelassen, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung voraussetzt, dass er im Besitz einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist. Eine Belehrung, die dies nicht zum Ausdruck bringt, verfehlt den Zweck des § 355 Abs. 2 S.3 BGB, wonach dem Verbraucher eine sachgerechte Ausübung des Widerrufsrechts erst möglich ist, wenn er den Inhalt seiner schriftlichen Vertragserklärung kennt. Deshalb erfordert der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers, eine eindeutige Information zum Fristbeginn, die auch die zusätzliche Voraussetzung für den Lauf der Widerrufsfrist deutlich macht, dass der Verbraucher im Besitz einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist (BGH v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08; v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08 –, BGHZ 180, 123-134). Diese von der Rechtsprechung im Wege der Auslegung aus dem Gesetz abgeleiteten Anforderungen an die Belehrung über den Fristbeginn können durch das Belehrungsmuster der BGB-InfoV nicht modifiziert werden. |
|
| Der Umstand, dass die Parteien die Darlehensverträge einvernehmlich aufgehoben haben, steht dem späteren Widerruf nicht entgegen. |
|
| Der Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, dass ein Widerruf nach der Vertragsbeendigung nicht mehr in Betracht komme, weil es an einem bestehenden Schuldverhältnis fehle. Die Beendigung des Vertragsverhältnisses und die beiderseits vollständige Leistungserbringung stehen dem späteren Widerruf nicht entgegen (BGH v. 24.11.2009 - XI ZR 260/08; v. 7.5.14 - IV ZR 76/11; v. 29.7.15 - IV ZR 384/14, Tz. 30). Als Rechtsgrund für die ausgetauschten Leistungen besteht das durch den Vertrag begründete Rechtsverhältnis fort und kann auch nach Beendigung noch widerrufen werden. |
|
| Durch die Aufhebungsvereinbarung wurde auch kein selbständiger, von den ursprünglichen Vertragsbeziehungen losgelöster Schuldgrund geschaffen, der durch den Widerruf nicht berührt wäre. |
|
| Indem sich die Parteien darauf verständigt haben, dass die Kläger einerseits das Darlehen vorzeitig zurückzahlen durften mit der Folge, dass danach auch keine Verpflichtung zur Zinszahlung mehr bestand, sie dafür aber die Verpflichtung eingegangen sind, zur Abgeltung der Erfüllungsansprüche der Beklagten ein Aufhebungsentgelt zu leisten, haben die Parteien das ursprüngliche Schuldverhältnis nicht rückwirkend beseitigt, sondern lediglich die Bedingungen für die Beendigung modifiziert. Die Parteien haben mit der Vereinbarung eine Änderung des Vertrages in dem Sinne herbeigeführt, dass sie die vertraglich vereinbarte Erfüllungssperre beseitigt und den Erfüllungszeitpunkt vorverlegt haben (BGH v. 1.7.1997 - XI ZR 267/96). |
|
| Das Landgericht hat deshalb zutreffend entschieden, dass mit der Aufhebungsvereinbarung kein neuer Schuldgrund geschaffen wurde, der das Widerrufsrecht der Kläger abschneiden würde. Letzterem stünde zudem entgegen, dass die Bestimmungen des Verbraucherkreditrechts zum Schutz des Verbrauchers halbzwingend sind (§ 506 Abs.1 BGB). Zwar ist denkbar, dass ein Darlehensnehmer im Rahmen eines Vergleichs sein Widerrufsrecht ganz oder teilweise aufgibt. Voraussetzung für einen wirksamen Verzicht wäre allerdings, dass Unsicherheiten der Parteien gerade über das Widerrufsrecht bestehen, was bedingt, dass der Verbraucher – anders als hier – überhaupt weiß, dass ihm ein Widerrufsrecht zustehen kann (Senat v. 20.11.2006 – 6 U 23/06). Soweit § 506 Abs. 3 BGB in der bis 30.6.2005 geltenden Fassung bei Immobiliardarlehensverträgen erlaubt, das Widerrufsrecht durch eine besondere schriftliche Vereinbarung auszuschließen, setzt dies eine ausdrückliche Regelung voraus, die hier nicht getroffen wurde. Es muss deshalb nicht entschieden werden, ob nach dieser Norm auch ein nachträglicher Ausschluss des Widerrufs noch im Jahr 2012 möglich war. |
|
| Die Ausübung des Widerrufsrechts der Kläger verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). |
|
| Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Widerruf der Darlehensverträge sei rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). |
|
| Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Wirksamkeit des Widerrufs nicht voraus, dass der Mangel der Belehrung ursächlich dafür war, dass der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Das Gesetz knüpft unabhängig davon, ob der Verbraucher durch die unzureichende Belehrung tatsächlich einer Fehlvorstellung über das Bestehen und die Modalitäten der Ausübung eines Widerrufsrechts unterlag, allein an die objektive Gesetzeswidrigkeit der Widerrufsbelehrung die Sanktion eines nicht befristeten Widerrufsrechts des Verbrauchers. Entscheidend ist, dass die erteilte Belehrung generell geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines gegen den Darlehensvertrag gerichteten Widerrufsrechts abzuhalten (BGH v. 23.6.2009 - XI ZR 156/08 Tz.25). Das Widerrufsrecht besteht selbst dann, wenn feststeht, dass der Widerruf auch bei ordnungsgemäßer Belehrung nicht rechtzeitig ausgesprochen worden wäre, weil andernfalls das Ziel des Gesetzes unterlaufen würde, den Unternehmer zu einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht anzuhalten (BGH v. 13.1.1983 – III ZR 30/82). Wie bei anderen Gestaltungsrechten kommt es grundsätzlich auch nicht auf die Motive des Verbrauchers an. Es soll seinem freien Willen überlassen bleiben, ob er seine Vertragserklärung wirksam werden lassen will oder nicht (BGH v. 19.2.1986 – VIII ZR 113/85). Entsprechend bedarf der Widerruf auch keiner Begründung. |
|
| Es stellt danach keinen Rechtsmissbrauch dar, sondern ist von der beschriebenen Ausgestaltung des Widerrufsrechts durch das Gesetz und die Rechtsprechung gedeckt, wenn ein Verbraucher dieses Recht nach längerer Zeit ausübt, obwohl er nicht konkret durch den Mangel der Belehrung an der fristgerechten Ausübung gehindert war. Genauso wenig handelt er missbräuchlich, wenn er, nachdem er von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangt hat, eine mittlerweile eingetretene Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Anlass nimmt, sich durch Widerruf von dem Vertrag zu lösen. |
|
| Die Kläger haben ihr Widerrufsrecht nicht verwirkt. |
|
| aa) Bei der Verwirkung handelt es sich um einen Fall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB), die in der illoyal verspäteten Geltendmachung eines Rechts liegt. Der Einwand ist berechtigt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH v. 23.1.2014 - VII ZR 177/13; v. 7.5.2014 - IV ZR 76/11). |
|
| bb) Ein in dem Sinne illoyales Verhalten der Kläger, dass diese in Kenntnis ihres Widerrufsrechts über lange Zeit an dem Darlehensvertrag festgehalten und den Widerruf erst nach dem Fehlschlagen der finanzierten Kapitalanlage erklärt hätten, kann nicht festgestellt werden. Es ist nicht ersichtlich, dass bzw. wie lange die Kläger vor Ausübung des Widerrufs Kenntnis von ihrem Recht hatten. |
|
| cc) Zwar ist eine Verwirkung auch ohne Rücksicht auf die subjektive Kenntnis und Willensrichtung des Berechtigten möglich, wenn der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung aus dem Verhalten des Berechtigten schließen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete mit einer Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr zu rechnen brauchte und sich entsprechend darauf einrichten durfte (BGH v. 16.3.2007 - V ZR 190/06; v. 27.6.1957 - II ZR 15/56). |
|
| Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht gegeben. Der Umstand, dass dem Berechtigten der ihm zustehende Anspruch unbekannt war, steht der Verwirkung jedenfalls dann entgegen, wenn die Unkenntnis des Berechtigten in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten fällt. Die mit der unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile hat grundsätzlich der Geschäftspartner des Verbrauchers zu tragen (BGH v. 18.10.2004 - II ZR 352/02). Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Unternehmer regelmäßig schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er den mit dem unbefristeten Widerrufsrecht verbundenen Schwebezustand selbst herbeigeführt hat, indem er eine fehlerhafte Belehrung erteilt hat (BGH v. 7.5.2014 - IV ZR 76/11 -, Rn. 30, juris). Der Unternehmer, der gegen seine Pflicht verstoßen hat, dem Verbraucher eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu erteilen, darf nicht darauf vertrauen, er habe durch seine Belehrung die Widerrufsfrist in Lauf gesetzt. Er muss erkennen, dass dem Verbraucher nach dem Gesetz ein zeitlich nicht befristetes Widerrufsrecht zusteht, und darf folglich allein aus dem Umstand, dass der Darlehensvertrag über lange Zeit erfüllt wird, nicht schließen, der Verbraucher werde sein Widerrufsrecht nicht ausüben. Ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte ist vielmehr zu unterstellen, dass der Verbraucher zunächst keine Kenntnis von seinem unbefristeten Widerrufsrecht hat, so dass der Widerruf auch noch nach langer Zeit erfolgen kann, sollte der Verbraucher später von der Rechtslage Kenntnis erlangen. Gegen die Schutzwürdigkeit des Unternehmers spricht zudem, dass er den Schwebezustand durch eine Nachbelehrung beenden kann (Senat v. 21.4.2015 - 6 U 148/12; v. 29.5.2015, 6 U 110/14). |
|
| Das Vorliegen des Umstandsmoments kann auch nicht deshalb bejaht werden, weil die Parteien einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben. Wie bereits dargestellt, führt die beiderseitig vollständige Vertragserfüllung nicht zum Verlust des Widerrufsrechts. Diese allein kann daher auch nicht ausreichen, um die Annahme der Verwirkung zu rechtfertigen. Dies widerspräche dem Schutzzweck der Regelung, wonach dem Verbraucher, der sein Widerrufsrecht nicht kennt, unabhängig von der Vertragsbeendigung, sein Widerrufsrecht erhalten bleiben soll. |
|
| Soweit demgegenüber angenommen wird, eine Verwirkung komme in Betracht, wenn der Darlehensvertrag bereits seit längerer Zeit vollständig abgewickelt ist und eine Belehrung erteilt wurde, die zwar fehlerhaft ist, den Verbraucher über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts aber nicht im Unklaren lässt (OLG Köln v. 25.1.2012 – 13 U 30/11; KG v. 16.8.2012 – 8 U 101/12; OLG Frankfurt v. 19.11.2014 – 19 U 74/14; OLG Düsseldorf v. 9.1.2014 – 14 U 55/13) schließt sich der Senat dem aus den vorgenannten Erwägungen nicht an. Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil zu der weiteren Voraussetzung der Verwirkung, wonach sich der Schuldner im Vertrauen, der Gläubiger werde sein Recht nicht verfolgen, so eingerichtet haben muss, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde, nichts vorgetragen ist. |
|
| Da die Kläger die Darlehensverträge wirksam widerrufen haben, können sie die Erstattung des geleisteten Aufhebungsentgelts verlangen (§§ 357 Abs.1 S.1, 346 BGB). |
|
| Abzuändern ist die angefochtene Entscheidung nur hinsichtlich der Nebenforderungen, da die Kläger Ersatz für Nutzungen, die die Beklagte aus dem Aufhebungsentgelt tatsächlich gezogen hat, gemäß § 346 Abs. 1 BGB nur in Höhe von 2.243,16 EUR beanspruchen können. |
|
| Es besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank aus eingenommenen Geldern Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses gezogen hat (BGH v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13; v. 24.4.2007 – XI ZR 17/06; v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08; v. 12.5.1998 - XI ZR 79/97). Soweit der Bundesgerichtshof in den zitierten Entscheidungen den Wert der gezogenen Nutzungen mit Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz bemessen hat, ist das auf Immobiliardarlehensverträge nicht zu übertragen. Die vom Bundesgerichtshof aufgestellte Beweisregel knüpft nicht an eine vom Gericht konkret festgestellte Vermutungsbasis zu den tatsächlichen Marktbedingungen an, unter denen eine Bank allgemein Nutzen aus ihren Einnahmen zieht, sondern beruht auf einer Übertragung der im Gesetz verankerten Regeln über die abstrakte Berechnung des Verzugsschadens (BGH v. 12.5.1998 - XI ZR 79/97 Tz.24). Bei Immobiliardarlehensverträgen liegt der übliche Verzugszins gemäß § 497 Abs.1 S.2 BGB bei 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das Jahr, sodass dieser Zinssatz für die Bemessung des geschuldeten Nutzungsersatzes maßgeblich ist (Senat v. 6.10.2015 – 6 U 148/14). |
|
| Bemessungsgrundlage für den Nutzungsersatz sind die Vermögenswerte, die der Bank zugeflossen sind und die sie wirtschaftlich nutzen konnte (BGH v. 12.5.1998 – XI ZR 79/97). Da die vom Bundesgerichtshof aufgestellte tatsächliche Vermutung an den Wiederanlagezins anknüpft, ist zu unterstellen, dass die kreditgewährende Bank die Zinszahlungen uneingeschränkt im Aktivgeschäft nutzen konnte, sodass der Refinanzierungsaufwand, den die Bank für widerrufene Kreditgeschäft getätigt hat, nicht in Abzug zu bringen ist. Es besteht demgegenüber auch keine Vermutung dafür, dass eine Bank im Rahmen eines bestimmten Kreditgeschäfts eingenommene Gelder im Einzelfall gerade dafür verwendet, die Refinanzierung des konkreten Kreditverhältnisses zurückzuführen. Es kann nicht unterstellt werden, dass sich eine Bank bezogen auf jedes einzelne Kreditverhältnis laufzeitkongruent refinanziert (Senat v. 6.10.2015 – 6 U 148/14). |
|
| Nachdem die Beklagte nicht vorgetragen hat, wie sie die Zahlung der Kläger konkret verwendet hat, insbesondere ob und in welchem Umfang sie daraus tatsächlich Verbindlichkeiten aus der Refinanzierung der Kredite getilgt hat, greift die dargestellte Vermutung ein. Es ist davon auszugehen, dass sie tatsächlich Nutzungen gezogen hat, deren Wert einer Verzinsung des Aufhebungsentgelts mit einem Zinssatz von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz entspricht. Sie schuldet deshalb weitere 2.243,16 EUR. |
|
|
|
| Die Revision wird nicht zugelassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Wie oben ausgeführt, kommt die Abweichung von anderen obergerichtlichen Entscheidungen zur Frage der Verwirkung (OLG Köln v. 25.1.2012 – 13 U 30/11; KG v. 16.8.2012 – 8 U 101/12; OLG Frankfurt v. 19.11.2014 – 19 U 74/14) im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. |
|