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| Die Antragstellerin hat am 27.12.2007 einen Zahlungsbefehl des Tribunale von Lucca/Italien - Außenstelle Viareggio - erwirkt, nach dem die Antragsgegnerin an die Antragstellerin als begünstigte Erbin einer bei der Antragsgegnerin abgeschlossenen Lebensversicherung ihres verstorbenen Vaters 32.211,28 EUR zu zahlen hat. |
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| Innerhalb der vom Tribunale hierfür gesetzten Frist von 20 Tagen hat die Antragsgegnerin keinen Widerspruch eingelegt, woraufhin am 12.2.2008 der Zahlungsbefehl für vollstreckbar erklärt wurde. Widerspruch wurde erst am 5.3.2008 mit der sachlichen Einwendung, nicht die Antragstellerin als gesetzliche Erbin sei aus dem Lebensversicherungsvertrag begünstigt, sondern die testamentarische Erbin A M, an die deshalb die Versicherungssumme auch bereits ausgezahlt worden sei, eingelegt. |
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| Ein Antrag auf einstweilige Aussetzung der vorläufigen Vollstreckbarkeit wurde vom Tribunale von Lucca am 22. 4. 2008 zurückgewiesen. |
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| Gegen den Zahlungsbefehl hat die Antragsgegnerin Rechtsmittel in Italien eingelegt, über die noch nicht abschließend entschieden worden ist. |
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| Auf Antrag der Antragstellerin hat das Landgericht Stuttgart den italienischen Titel durch Beschluss vom 16. April 2008 für vollstreckbar erklärt. |
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| Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde durch Beschluss vom 9.10.2008 beschieden. Der Senat hat dabei der Sache nach den Antrag der Antragstellerin auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung für zulässig und begründet erachtet und insbesondere die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Versagungsgründe gem. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO - Zustellung der das Verfahren einleitenden Antragsschrift in einer Weise, in der sich die Antragsgegnerin nicht ausreichend verteidigen konnte - und Art. 34 Nr. 1 EuGVVO - Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen ordre public - verneint. |
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| Der Senat hat jedoch das Verfahren gemäß Art. 46 Abs. 1 EuGVVO im Hinblick auf einen möglichen Erfolg aufgrund der in Italien eingelegten Rechtsmittel ausgesetzt. |
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| Wegen der Begründung des Beschlusses im Einzelnen wird auf dessen Gründe verwiesen. |
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| Am 6.4.2010 hat das zuständige Berufungsgericht in Florenz zwar noch nicht abschließend über die Berufung befunden, jedoch einen von der Antragsgegnerin gemäß Art. 351 CPC gestellten Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen, u.a. mit der Begründung, die Angriffe der Antragsgegnerin seien "nicht durch offenbare Begründetheit charakterisiert" und erschienen nicht von solcher Art, „dass sie einen wahrscheinlichen Erfolg des Rechtsmittels erwarten lassen" (zitiert nach der von der Antragstellerin vorgelegten italienischen Übersetzung). |
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| Die Antragstellerin hat im Hinblick darauf beantragt, das Verfahren wieder aufzunehmen und im Sinne der Antragstellerin abschließend zu entscheiden. |
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| Dem Antrag der Antragstellerin auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist zu entsprechen, da die Voraussetzungen für eine Aussetzung, die die Grundlage des Beschlusses vom 9. Oktober 2008 waren, nicht mehr gegeben sind. |
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| Eine Aussetzung des Verfahrens gem. Art. 46 Abs. 1 EuGVVO kommt dann in Betracht, wenn mit einem Erfolg des im Erststaat eingelegten ordentlichen Rechtsbehelf gerechnet werden kann oder zumindest die Möglichkeit besteht, dass das Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens im Erststaat anders lautet als die Entscheidung, die für vollstreckbar erklärt werden soll. |
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| Dabei können für die Prognose der Erfolgsaussicht stets nur solche Gründe berücksichtigt werden, die der Schuldner vor dem Gericht des Erststaates noch nicht geltend machen konnte. Dagegen schließt es das Verbot der révision au fond des Art. 45 Abs. 2 EuGVVO aus, Gründe für die Prognose zu berücksichtigen, die bereits im Ausgangsverfahren des Erststaates unterbreitet wurden oder die im Erststaat zwar nicht vorgebracht worden sind, jedoch hätten vorgebracht werden können (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 46 Rn 3; MüKo/Gottwald, ZPO, Art. 46 EuGVVO Rn 4; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl. Art. 46 Rn 5, je m.w.N.). |
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| Die hinsichtlich der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels durch das Gericht des Erststaates gestellte Prognose ist dabei maßgebend zu berücksichtigen. Hat das Gericht des Erststaates eine Prognose abgegeben, so verstieße es gegen Art. 45 Abs. 2 EuGVVO, wenn das Gericht des Vollstreckungsstaats seiner Entscheidung eine eigene, davon abweichende Auffassung hinsichtlich der Erfolgsaussicht der Berufung zu Grunde legen würde. Dies zumal es bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht maßgeblich allein auf die Anwendung des Rechts des Erststaates ankommt (siehe auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.2.2010 - 5 W 68/09). |
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| Vor diesem Hintergrund war eine Aussetzung, wie geschehen, zwar möglich und angezeigt, solange das italienische Rechtsmittelgericht - das Berufungsgericht in Florenz - noch keine Prognose über den Ausgang des Berufungsverfahrens abgegeben hatte. |
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| Nachdem eine solche, die Erfolgsaussicht verneinende Prognose durch den unter I. zitierten Beschluss vom 6.4.2010 jedoch inzwischen vorgenommen wurde, die der Senat aus den angeführten Gründen zu respektieren und an der er sich im Blick auf das Verbot der révision au fond zu orientieren hat, liegen die Aussetzungsvoraussetzungen nun nicht mehr vor. |
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| Das Verfahren war daher auf den entsprechenden Antrag der Antragstellerin wieder aufzunehmen und einer Endentscheidung zuzuführen. |
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| Aus den bereits im Beschluss vom 9.10.2008 genannten Gründen ist der Antrag der Antragstellerin auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung zulässig und begründet. Wegen der Gründe im Einzelnen wird auf den Beschluss vom 9.10.2008 unter II 3 verwiesen (Seiten 8-12). |
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| Soweit die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 10.6.2009 dagegen eingewandt hat, ein „decreto ingiuntivo“ gem. Art. 633 CPC könne nicht der Vollstreckbarerklärung zugeführt werden, da es sich nicht um eine Entscheidung handele, die im Rahmen eines kontradiktorischen Verfahrens ergangen sei, so kann dem nicht gefolgt werden. |
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| Wie sich aus der Bestätigung des Tribunale von Lucca - Außenstelle in Viareggio - vom 12.2.2008 ausdrücklich ergibt, handelt es sich bei dem ergangenen Beschluss "weder um eine Entscheidung im Versäumnisverfahren (Versäumnisverfahren) noch um einen Titel ohne Anhörung der Gegenpartei, sondern um ein kontradiktorisches Verfahren, in dem dem Beklagten die Möglichkeit gegeben wurde, die Entscheidung innerhalb von 20 Tagen ab Zustellung anzufechten, ohne dass der Beklagte dies getan hätte.“ |
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| Dies wird auch durch die vorgelegten Unterlagen dokumentiert, nach denen der Beschluss vom 27.12.2007 nicht sofort sondern erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist am 12.2.2008 gem. Art. 647 CPC für Italien vollstreckbar erklärt worden ist. |
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| Hinsichtlich der Vollstreckbarerklärung derartiger Titel bestehen nach allgemeiner Ansicht - im Gegensatz zu ausländischen Titeln, bei denen die Vollstreckbarkeit ohne Anhörung ausgesprochen wird (zu derartigen Fällen des „decreto ingiuntivo immediatamente esecutivo : OLG Düsseldorf OLG Report 2006, 876; OLG Zweibrücken OLG Report 2006, 218) - keine Bedenken (OLG Celle, NJW-RR 2007, 718; OLG Düsseldorf OLG Report 2007, 458; OLG Zweibrücken RIW 2006,709; OLG Frankfurt OLG Report 2005, 964). |
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| Dem Antrag anzuordnen, dass bis zum Ablauf der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde die Zwangsvollstreckung nicht oder nur gegen Sicherheitsleistung über Maßregeln zur Sicherheit hinausgehen darf, kann nicht entsprochen werden. |
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| Nach § 22 Abs. 2 Satz 2 AVAG darf eine solche Anordnung nur erlassen werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die weitergehende Vollstreckung dem Verpflichteten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. |
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| Diese Voraussetzungen hat die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht. Sie hat lediglich ausgeführt, die Durchsetzung eines Rückforderungsanspruchs sei bei einer im Ausland lebenden Privatperson nicht gewährleistet oder mindestens mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden. Dies kann nicht ausreichen. Diese Schwierigkeiten sind ggfs. immer gegeben, wenn eine derartige Entscheidung korrigiert wird, so dass letztlich in jedem Fall einem solchen Antrag stattgegeben werden müsste. Die genannte Vorschrift setzt deshalb, wie sich insbesondere aus der Formulierung "darf nur erlassen werden" höhere Anforderungen an den "nicht zu ersetzenden Nachteil" als nur Schwierigkeiten wegen der Auslandsbezogenheit voraus. |
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| Die Kostenentscheidung folgt bei der erfolglosen Beschwerde aus § 97 ZPO. |
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