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| Das Amtsgericht Reutlingen hat den Angeklagten mit Urteil vom 19. November 2014 wegen (gemeinschaftlichen) Computerbetruges zu der Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Tübingen das amtsgerichtliche Urteil am 5. November 2015 „abgeändert“ und den Angeklagten freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft Tübingen, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. |
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| Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand, weil sich der Angeklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht wegen Computerbetrugs strafbar gemacht hat. |
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| 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts begab sich der Angeklagte am 14. Februar 2014 gegen 6:00 Uhr mit einem unbekannt gebliebenen Begleiter zu einer Tankstelle, wo in einem Nebenraum auf drei Glücksspielautomaten das computerprogrammierte Glücksspiel „Roulette 36“ lief. |
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| Aufgrund eines Softwarefehlers dieses Spieles war es durch simultanes Betätigen des Punkteeinsatzbuttons und der Geldrückgabetaste möglich, beim Spiel Punkte einzusetzen bzw. umzubuchen, die regelwidrig nicht vom Einsatz des Punktespeichers abgezogen wurden. Auf diese Weise konnte der Spieler Gewinne in einer Größenordnung erzielen, die bei einem vom Hersteller des Spieles intendierten normalen Spielablauf nicht vorgesehen waren. Für die erlangten Punkte wurde anschließend pro Punkt 0,01 Euro ausbezahlt. Am 13. Februar 2014 erhielt der Spielehersteller von einem Informanten Hinweise über die Fehlfunktion dieses Spiels. Um zu verhindern, dass Spieler diesen Systemfehler ausnutzen, um überhöhte Gewinne zu erzielen, benachrichtigte der Hersteller am Nachmittag des 13. Februar 2014 die Automatenaufsteller über ein unregelmäßiges Gewinnverhalten und empfahl, das Spiel „Roulette 36“ vorsichtshalber schnellst möglich abzuschalten. Auch die Aufstellerin der drei (tatgegenständlichen) Automaten erhielt am Nachmittag des 13. Februar 2014 diese Warnmeldung. Aus organisatorischen Gründen entschied sie sich dafür, die Warnung erst am Folgetag an die Betriebe weiterzuleiten, in welchen sie aufgrund vertraglicher Vereinbarung ihre Automaten aufgestellt hatte. |
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| Die Information über diesen Softwarefehler verbreitete sich „wie ein Lauffeuer über verschiedene Kanäle des Internets auch in Spielerkreisen“, weshalb bis zum 14. Februar 2014 an zahlreichen bundesweit aufgestellten Glücksspielautomaten von Spielern unter Ausnutzung dieses Fehlers zum Teil hohe Gewinne erzielt wurden und den Betreibern der Automaten entsprechende Schäden entstanden. |
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| Grundsätzlich wäre es einem Spieler auch ohne den Systemfehler technisch möglich gewesen, den Automaten in dieser Weise zu bedienen. Allerdings hätte das simultane Drücken der Tastenkombination dann nicht zur Umbuchung bzw. Übertragung der Einsatzpunkte geführt. |
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| In Kenntnis und unter Ausnutzung des Fehlers der Software spielte der Angeklagte entweder allein oder abwechselnd mit seinem Begleiter das Spiel „Roulette 36“, wobei sie innerhalb von weniger als drei Stunden an den drei Spielautomaten Gewinne in Höhe von 360,20 EUR‚ 1519,60 EUR und 1437 EUR erzielten. Unklar blieb, wie der Angeklagte bzw. sein Begleiter Kenntnis von dem Softwarefehler erlangt hatten. Durch ein Software-Update ist der Fehler des Spiels inzwischen behoben. |
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| Das Landgericht hat das Handeln des Angeklagten als nicht strafbar nach § 263a Abs. 1 Fall 4 StGB erachtet und ihn daher aus rechtlichen Gründen freigesprochen. |
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| 2. Die Überprüfung des Urteils ergibt keinen durchgreifenden Rechtsfehler. Der angefochtene Freispruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. |
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| a) Unbefugt ist die Verwendung von Daten auch bezogen auf die vierte Tatbestandsvariante des § 263a StGB, wenn sie - entsprechend den Grundsätzen der konkludenten Täuschung beim Betrug - gegenüber einer natürlichen Person Täuschungscharakter hätte (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 580/11, juris Rn. 59). Die Handlung des Täters müsste sich, würde sie gegenüber einem Menschen und nicht einer Maschine erfolgen, als Täuschung im Sinne des § 263 StGB darstellen (KG Berlin, Urteil vom 8. Dezember 2014 - (3) 161 Ss 216/13 (160/13), juris Rn. 10; Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage, § 263a Rn. 2 mwN). Der Erklärungswert eines Verhaltens beurteilt sich dabei aus den Gesamtumständen der konkreten Situation und wird wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und nach den tatsächlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt. Dies erfordert eine Bewertung des konkret zu beurteilenden Geschäftstyps und der dabei typischen Pflichten- und Risikoverteilung (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 - 5 StR 181/06, juris Rn. 20 f.; BGH, Beschluss vom 11. März 2014 - 4 StR 479/13, juris Rn. 6). Ein Glücksspiel ist gerade durch die Unkenntnis von seinem Ausgang gekennzeichnet (Tiedemann in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Auflage, § 263a Rn. 21). Zwar kann dementsprechend die Manipulationsfreiheit zu einer auf den Abschluss des Vertrages gerichteten Willenserklärung gehören. So verpflichtet sich der Spieler durch die Betätigung eines Glückspielautomaten konkludent, weder Verlauf noch Resultat des Spieles zu seinen Gunsten zu manipulieren, also keine aktiven Veränderungen am Gegenstand des Vertrages vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 - 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn. 22; BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 4 StR 580/11, juris Rn. 30, 61; BGH, Beschluss vom 11. März 2014 - 4 StR 479/13, juris Rn. 6; Fischer, StGB, 63. Auflage, § 263 Rn. 3). Jedoch hat der Spielvertrag keinen so weitreichenden Inhalt, dass dem Spieler die Art der Tastenbenutzung im Detail vorgeschrieben ist. Der Automatenaufsteller kann sich durch die Gestaltung des Programms davor schützen, dass durch das mögliche Drücken bestimmter Tastenkombinationen nach den Regeln des Spiels nicht vorgesehene Gewinnmöglichkeiten eintreten oder Gutschriften von Spielpunkten erfolgen. Einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung des Vertragspartners, die Tasten nur so zu drücken, wie es dem Plan des Spiels entspricht, und das Drücken von möglichen, aber nach dem Plan des Spiels nicht vorgesehenen Tastenkombinationen zu unterlassen, bedarf es daher nach der typischen Interessenlage und Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien nicht. Vielmehr genügt es, wenn sich der Spieler verpflichtet, den Automaten nur durch das Drücken der vorhandenen Tasten und nicht durch sonstige Eingriffe - wie mechanische Einwirkungen oder Eingriffe in die Geräteelektronik - zu bedienen. |
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| Von der aktiven Manipulation sind die Fälle abzugrenzen, in denen der Spieler durch den Einsatz von Sonderwissen regelwidrig spielt. Der Einsatz überlegenen Sonderwissens ist nur dann strafbar, wenn den Spieler insoweit eine (gedachte) Offenbarungspflicht träfe. Das Vorliegen einer Offenbarungspflicht wird in Anlehnung an die zur Offenkundigkeit eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses nach § 17 UWG entwickelten Grundsätze maßgeblich von der Art der Erlangung und dem Verbreitungsgrad der Kenntnisse, die der Spieler einsetzt, bestimmt. Den Spieler trifft danach jedenfalls keine Offenbarungspflicht, wenn das von ihm eingesetzte überlegene Wissen aus allgemein zugänglichen Informationsquellen stammt und damit offenkundig ist (BGH, Urteil vom 20. Juni 1961 - 5 StR 184/61, BGHSt 16, 120). Demgegenüber besteht eine Offenbarungspflicht allerdings dann, wenn der Spieler gezielt spezielles Wissen einsetzt, über das die Allgemeinheit nicht verfügt und welches er rechtswidrig erlangt hat (BGH, Beschluss vom 10. November 1994 - 1 StR 157/94, BGHSt 40, 331; OLG Braunschweig, Urteil vom 12. Oktober 2007 - Ss 64/07, juris Rn. 13). § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG verbietet die Verwertung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses, das durch Geheimnisverrat oder Betriebsspionage erlangt wurde. Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ist jede im Zusammenhang mit dem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig ist, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll (BGH, Urteil vom 26. Februar 2009 - I ZR 28/06 -, NJW 2009, 1420 Rn. 13). Offenkundig sind danach solche Tatsachen, die jederzeit ohne großen Aufwand aus allgemein zugänglichen Quellen zu recherchieren sind (BGH, aaO). Das Steuerungsprogramm eines Geldspielautomaten kann ein Betriebsgeheimnis darstellen (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 28. August 1990 - RReg 4 St 250/89, NJW 1991, 438). Nach diesem Maßstab ist überlegenes Spielerwissen dann offenkundig, wenn es allgemein bekannt oder dergestalt beliebigem Zugriff preisgegeben ist, dass für jeden Interessierten die Möglichkeit besteht, sich unter Zuhilfenahme lauterer Mittel ohne größere Schwierigkeiten von diesem Wissen Kenntnis zu verschaffen. Die Offenkundigkeit erfordert nicht, dass jedermann Zugriff hat. Entscheidend sind vielmehr die Kenntnisse und Fähigkeiten der jeweiligen interessierten Fachkreise (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. Januar 2016 - 2 (6) Ss 318/15 - AK 99/1AK 99/15, juris Rn. 32; Brammsen in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Auflage, § 17 Rn. 15; Rengier in Fezer, UWG, 2. Auflage, § 17 Rn. 12; Harte-Bavendamm in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 3. Auflage, § 17 Rn. 3; Ernst in Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Auflage, § 17 Rn. 15). |
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| Das bloße Ausnutzen eines offenkundigen Informationsvorsprungs stellt demnach keinen Eingriff in den Vertragsgegenstand des Glücksspieles dar, sondern gehört - vergleichbar mit den Fällen, in denen der Spieler rein geistige Fähigkeiten oder eine besondere Geschicklichkeit nutzt (BGH, Beschluss vom 10. November 1994 - 1 StR 157/94, juris Rn. 22) - zum allgemeinen Geschäftsrisiko des Automatenbetreibers (BGH, Beschluss vom 11. März 2014 - 4 StR 479/13, juris Rn. 7). In diesem Fall werden lediglich bereits bestehende technische Unzulänglichkeiten ausgenutzt (KG Berlin, Urteil vom 8. Dezember 2014 - (3) 161 Ss 216/13 (160/13), juris Rn. 11). |
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| b) Gemessen daran hat das Landgericht das Verhalten des Angeklagten im Ergebnis zu Recht jedenfalls nicht als unbefugte Einwirkung auf den Ablauf gewertet. |
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| Der Vorgehensweise des Angeklagten kommt kein Täuschungswert zu. Ihn traf vorliegend keine Offenbarungspflicht. |
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| Der Angeklagte hat den Vertragsgegenstand nicht aktiv manipuliert. Er hat nicht zum Softwarefehler beigetragen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, dass der Fehler der Spielesoftware von Anfang an innewohnte. |
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| Das Drücken einer nicht vorgesehenen Tastenkombination stellt zwar ein regelwidriges Spielverhalten dar, ist jedoch ohne Eingriffe in den Spielautomaten möglich. Das Landgericht hat auch keine Feststellungen dahingehend treffen können, der Angeklagte habe sich auf rechtswidrigem Wege Kenntnis von dem Softwarefehler verschafft. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen blieb die Art der Kenntniserlangung vielmehr unklar. |
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| Zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Bespielens des Geldspielautomaten war die Kenntnis des Softwarefehlers auch nicht mehr auf einen begrenzbaren und bestimmten Personenkreis beschränkt, sondern aus allgemein zugänglichen Quellen erhältlich und daher offenkundig. Das Landgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei festgestellt, dass sich die Information über diesen Softwarefehler über verschiedene Kanäle des Internets auch in Spielerkreisen verbreitete, weshalb bundesweit bis zum 14. Dezember 2014 an zahlreichen Glücksspielautomaten unter Ausnutzung dieses Fehlers von Spielern hohe Gewinne erzielt wurden. Der Zeuge S., dessen Angaben die Kammer als „in sich stimmig“ und „überzeugend“ eingeschätzt hat, bezifferte den hierdurch verursachten Gesamtschaden bundesweit mit etwa 3,5 Millionen Euro mit vermutlich noch höherer „Dunkelziffer“. Die Verbreitung des Softwarefehlers sei auch über (das Nachrichtenaustauschportal) WhatsApp erfolgt. |
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| Eine Offenbarungspflicht des Angeklagten ergab sich schließlich auch nicht aus vertraglichen Beziehungen. Eine strafrechtlich relevante Aufklärungspflicht im Rahmen vertraglicher Beziehungen setzt voraus, dass besondere Umstände wie etwa ein besonderes Vertrauensverhältnis oder eine ständige Geschäftsbeziehung vorliegen, was hier nicht gegeben ist. Dem Spielen an einem Glücksspielautomaten liegt vielmehr ein anonymer Leistungsaustausch zugrunde. |
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| c) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die eine Strafbarkeit des Angeklagten begründen. |
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