Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 24. Apr. 2006 - 4 Ss 592/05

published on 24/04/2006 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 24. Apr. 2006 - 4 Ss 592/05
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Tenor

1. Der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts hat am 24. April 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen :

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts - 11. kleine Strafkammer - Hechingen vom 02. November 2005 mit den Feststellungen

aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Hechingen

zurückverwiesen.

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht Sigmaringen verurteilte den Angeklagten am 09. Februar 2004 wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu der Freiheitsstrafe von vier Monaten. Die Vollstreckung setzte es nicht zur Bewährung aus. Auf die Sprungrevision des Angeklagten hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts dieses Urteil mit Beschluss vom 21. Juli 2004 im Strafausspruch nebst den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Sigmaringen zurückverwiesen. Der Schuldspruch ist damit rechtskräftig. Am 29. August 2005 wurde der Angeklagte wiederum zu der Freiheitsstrafe von vier Monaten ohne Bewährung verurteilt. Seine Berufung hat das Landgericht mit Urteil vom 29. August 2005 als unbegründet verworfen. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, die er mit der Verletzung sachlichen Rechts begründet.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Die Strafkammer hat bei der Strafbemessung zu Gunsten des Angeklagten die vergleichsweise lange Verfahrensdauer, durch welche der Angeklagte mit Blick auf die drohenden Konsequenzen aus seinem neuerlichen Fehlverhalten (Widerruf der Straf(rest)aussetzung zur Bewährung in zwei anderen Verfahren) psychisch erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden sei, strafmildernd in Ansatz gebracht. Dem drohenden Widerruf der Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hechingen vom 17. Oktober 1996 und der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Sigmaringen vom 16. April 2002 in Verbindung mit einem Urteil des Landgerichts Hechingen (dessen Datum und dessen Eintritt der Rechtskraft nicht mitgeteilt werden) kommt vorliegend im Hinblick auf die Wirkungen der Strafe (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB) besondere Bedeutung zu, da die Strafen, die danach zu vollstrecken wären, insgesamt über viereinhalb Jahre ausmachen (vgl. zur Berücksichtigung drohender Widerrufe aus anderen Verfahren bei der Strafzumessung OLG Stuttgart, Beschluss vom 09. Februar 2006 - 1 Ss 575/05; OLG Hamm NStZ-RR 1998, 374; OLG Karlsruhe NJW 2003, 1825). Die Strafkammer lässt diesen Gesichtspunkt aber nur in dem o.a. Nebensatz in ihre Überlegungen einfließen. Hieraus kann nicht entnommen werden, dass sie ihn als eigenständigen Strafzumessungsgrund in Ansatz gebracht hat. Dies ist nicht genügend und damit rechtsfehlerhaft. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer eine niedrigere Strafe festgesetzt hätte, wenn sie diesen Gesichtspunkt berücksichtigt hätte.
Darüber hinaus hat das Landgericht folgendes ausgeführt (S. 8 3. Absatz):
„Auch war dem Angeklagten zu Gute zu halten, dass er sich seit der Tat rechtstreu und - schenkt man seinen Beteuerungen Glauben - rauschgiftabstinent verhielt.“
Die Formulierung „schenkt man seinen Beteuerungen Glauben“ lässt besorgen, dass die Kammer die für den Angeklagten günstige Feststellung tatsächlich nicht strafmildernd in ihre Abwägungen einbezogen hat, obwohl dies rechtlich geboten wäre.
2. Auch die Ausführungen, mit denen die Strafkammer dem Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt, sind zu beanstanden.
Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung (§ 56 Abs. 1 StGB) hat das Landgericht nämlich nicht den Umstand berücksichtigt, dass der Angeklagte seit Begehung der Tat, die Gegenstand dieses Verfahrens ist, also seit dem 12. Juni 2003, strafrechtlich nicht mehr aufgefallen ist und insbesondere (vgl. die vorstehenden Ausführungen) keine neuen Straftaten nach dem BtMG bekannt geworden sind. Die Strafkammer hat nur bedacht, dass der Angeklagte seit Ende 1999 in vergleichsweise stabilen Verhältnissen lebt. Gleichwohl hat sie vor dem Hintergrund seines „neuerlichen“ einschlägigen Versagens eine Strafaussetzung versagt (Urteilsgründe S. 9 unten). Hiervon kann angesichts der Feststellung der seitherigen Straffreiheit aber keine Rede sein. Die Annahme einer günstigen Prognose i.S.d. § 56 Abs. 1 StGB liegt vielmehr nahe, wenn dieser wichtige Umstand („Verhalten nach der Tat“, vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB) in die Abwägung einbezogen wird.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au
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published on 09/02/2006 00:00

Tenor 1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 19. September 2005 a) dahin abgeändert, dass die verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Monaten durch solche von jeweils einem Monat ersetzt wer
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.