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| Der Kläger begehrt Unterlassung auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage und Kostenerstattung. |
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| Wegen des Sachverhalts wird auf die Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ulm vom 10. April 2015, berichtigt durch Beschluss des erkennenden Gerichts vom 29. Mai 2015, Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO). |
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| Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt. |
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| Die Marktverhaltensregelung des § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB (bis 12.12.2014) habe es verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Angaben zu werben. Eine Irreführung habe danach insbesondere dann vorgelegen, wenn bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Angaben über den Ursprung oder die Herkunft verwendet wurden. |
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| Nach Art. 7 Abs. 1a, Abs. 4 der VO (EU) Nr. 1169/11 dürften Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere Angaben in Bezug auf das Ursprungsland oder den Herkunftsort, gleichgültig, ob die Angaben Inhalt der Werbung seien oder sich auf der Verpackung befänden. |
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| Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG handele unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornehme, indem er unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben, insbesondere zur geografischen Herkunft der Waren mache. |
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| Auch im Lichte des Art. 6 der Richtlinie 2005/29/EG (UPG-Richtlinie) sei die angegriffene Bezeichnung danach nicht unlauter. Die Beklagte ernte die Champignons unstreitig in L... und sei deshalb auch gesetzlich verpflichtet, als Ursprungsland „Deutschland" auf der Verpackung anzugeben (seit 13.12.2014 aus Art. 76 Abs. 1 der VO (EU) Nr. 1308/2013 i.V.m. Art. 26 der VO (EU) Nr. 1169/2011). |
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| Nach dem bis zum 31.12.2013 maßgebenden Art. 113a Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1234/2007 (Verordnung über die Einheitliche Gemeinsame Marktordnung - GMO) dürften die Erzeugnisse des Sektors Obst und Gemüse, die frisch an den Verbraucher verkauft werden sollten, nur in den Verkehr gebracht werden, wenn u.a. das „Ursprungsland" angegeben sei. |
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| Nach dem vom 01.01.2014 bis zum 12.12.2014 maßgebenden Art. 76 der VO (EU) Nr. 1308/2013 seien erneut die zusätzlichen Anforderungen für die Vermarktung von Erzeugnissen des Sektors Obst und Gemüse, die frisch an den Verbraucher verkauft werden sollten, dahingehend festgelegt worden, dass solche nur in den Verkehr gebracht werden dürften, wenn u.a. das „Ursprungsland" angegeben sei. Diese Norm sei nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 2i der VO (EU) Nr. 1308/2013, Anlage zur VO (EWG) Nr. 2658/87, Anlage II Teil II Abschnitt II Kapitel 7 (KN-Code „0709 - anderes Obst und Gemüse, frisch oder gekühlt", mit der Unterposition 070951 „Pilze und Trüffeln") anwendbar. |
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| Die Auslegung des Begriffs „Ursprungsland" erfolge nach Art. 23 Abs. 1, 2b (bzw. Art. 24) der VO (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex). Danach seien Ursprungswaren eines Landes Waren, die vollständig in diesem Land gewonnen oder hergestellt worden seien, Art. 23 Abs. 1. Nach Art. 23 Abs. 2b seien vollständig in einem Land gewonnene oder hergestellte Waren „pflanzliche Erzeugnisse", die in diesem Land „geerntet" worden seien. |
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| Die VO (EU) 1169/2011, die gem. Art. 55 seit 13.12.2014 gelte, verweise in Art. 2 III hinsichtlich des Begriffs „Ursprungsland" nunmehr ausdrücklich auf die Begriffsbestimmung in Art. 23-26 der VO (EWG) 2913/92. Die Heranziehung dieser Begriffsbestimmung entspräche auch während der Geltung des Artikel 113a Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1234/2007 und seit der Geltung der VO (EU) Nr. 1308/2013 allgemeiner Rechtsauffassung. |
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| Eine Ausnahme von Champignons aus dem Anwendungsbereich des Art. 23 der VO (EWG) 2913/92 bestehe nicht. Der Gesetzgeber habe bei Art. 23 Abs. 2 dieser Verordnung die Produktion im Rahmen mobiler Kulturen berücksichtigt. |
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| Unschädlich sei, dass die Champignons erst einen Tag vor der Ernte nach Deutschland kämen und nur ein geringer Anteil des Wachstums hier erfolge. Sie würden hier geerntet. Für den Verbraucher sei es auch ein wichtiges Kriterium für seine Kaufentscheidung, ob die Ernte einer verderblichen Ware in Deutschland oder im Ausland erfolge, da er hiermit eher eine räumliche Nähe zum Kaufort und somit eine erhöhte Frischequalität verbinde. |
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| Im Rahmen der europarechtlichen Regelungen bestehe unter dem Gesichtspunkt der Irreführungsgefahr kein Raum für die von dem Kläger begehrten Zusatzangaben, unabhängig vom Verkehrsverständnis. Die Abwägung der vielschichtigen Interessen, die durch die Irreführungsvorschriften geschützt seien, ergebe hier aufgrund der besonders gelagerten Fallgestaltung der Etikettierungsverpflichtung „Ursprungsland: Deutschland", dass eine tatsächliche Irreführungsgefahr aus besonderen Gründen hinzunehmen wäre, auch wenn ein nicht unerheblicher Teil der betroffenen Verkehrskreise die Bezeichnung in einem anderen als dem gesetzlich festgelegten Sinn verstehen würde (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 36 - Spreewald). |
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| Die Einhaltung der VO (EG) Nr. 1234/2007 bzw. des Art. 76 Abs. 1 der VO (EU) Nr. 1308/2013 führe im materiell-rechtlichen Ergebnis dazu, dass die Verordnung die Bezeichnung der streitgegenständlichen Herkunftsangabe erlaube, und zwar auch dann, wenn ein Teil der angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung in abweichendem Sinne verstehen sollte. Was der gesetzlichen Etikettierungspflicht genüge, könne aus Sicht eines durchschnittlich informierten, verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers nicht in relevanter Weise falsch oder missverständlich sein (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2008, 88). |
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| Die vom Kläger begehrten Zusatzangaben würden Verbraucher letztlich weniger informieren als verwirren. Sie würden einer einfachen und europaweit einheitlich zu handhabenden Ursprungskennzeichnung zuwiderlaufen. Nach Art. 1 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 1169/2011 lege diese Verordnung die allgemeinen Grundsätze, Anforderungen und Zuständigkeiten für die Information über Lebensmittel und insbesondere für die Kennzeichnung von Lebensmitteln fest. Sie lege ferner die Mittel zur Wahrung des Rechts der Verbraucher auf Information und die Verfahren für die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel fest (vgl. Erwägungsgrund Nr. 9). |
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| Letztlich komme die Zielsetzung auch in Erwägungsgrund Nr. 29 der VO zum Ausdruck, wonach das Ursprungsland oder der Herkunftsort eines Lebensmittels immer dann angegeben werden solle, wenn ohne diese Angabe die Verbraucher über das eigentliche Ursprungsland oder den eigentlichen Herkunftsort dieses Erzeugnisses irregeführt werden könnten. In allen Fällen solle die Angabe des Ursprungslandes oder des Herkunftsortes so gestaltet sein, dass die Verbraucher nicht getäuscht werden; ferner solle sie auf eindeutig definierten Kriterien beruhen, die gleiche Ausgangsbedingungen für Unternehmen gewährleisteten und das Verständnis der Informationen zum Ursprungsland oder Herkunftsort eines Lebensmittels seitens der Verbraucher förderten. |
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| Daneben bleibe für die Anwendung des § 11 Abs. 1 LFGB und des § 5 Nr. 1 UWG kein Raum, selbst wenn ein maßgeblicher Teil der Verbraucher den Begriff in einem abweichenden Sinne verstünde. |
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| Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet. |
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| Obwohl seit dem 13.12.2014 Artikel 7 der LMIV anzuwenden sei und sich aus § 11 LFGB wohl kein weitergehender Anspruch herleiten ließe, sei § 11 LFGB gleichwohl noch in Geltung. |
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| Was der gesetzlichen Etikettierungspflicht genüge, könne gleichwohl irreführend sein. Die Irreführung bleibe auch zu prüfen (vgl. zu Eich- und Messangaben OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.11.2012 - 4 U 156/12). Die Etikettierungsvorschriften seien nicht als abschließende Regelung ausgestaltet, so dass zusätzliche, klarstellende Angaben jedenfalls nicht verboten seien. |
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| Das Landgericht hätte Irreführung prüfen und bejahen müssen. Denn wie erstinstanzlich vorgetragen, lägen wesentliche Aspekte des Produktionsprozesses vor der Ernte. Frühere Fehler könnten ab der Ernte nicht mehr bereinigt werden. |
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| Selbst wenn man annehme, das für die Industrieproduktion bekannte „Phänomen der internationalen Arbeitsteilung" (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2014, I ZR 16/14 - Made in Germany) sei dem Verkehr auch für Champignons geläufig, könne er gleichwohl davon ausgehen, dass die Qualität und charakteristischen Eigenschaften in aller Regel allein oder jedenfalls ganz überwiegend der Güte und Art des Erzeugungsprozesses zu verdanken sind. |
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| Maßgeblich für die mit einer Ortsangabe verbundene Wertvorstellung des Verkehrs sei der Ort, an dem das Produkt seine für die Verkehrsvorstellung maßgebende Qualität und charakteristischen Eigenschaften erhalte. Das sei bei einem Produktionsablauf, wie ihn auch die Beklagte in zeitlicher Hinsicht beschreibe, jedenfalls für die „erste Ernte" nicht der Ernteort. Die für die Qualitätsbildung erforderlichen Abläufe müssten in Deutschland stattgefunden haben, um so vorgehen zu können, wie es die Beklagte tue. Es komme auf das Verbraucherverständnis an, nicht auf den Zollkodex. |
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| Der Kläger vertieft sein Vorbringen in einer nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingereichten Replik, in der er im Kern vorbringt, |
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| die von der Beklagten aufgeführte Rechtsprechung sei nicht einschlägig bzw. belege nicht, was die Beklagte daraus ableite. Außerdem lege der Verbraucher großen Wert auf die Regionalität von Lebensmitteln, was auch die Beklagte wisse (K 2). |
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| 1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ulm vom 10.04.2015 (Az. 11 0 19/14 KfH) wird die Beklagte verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht ordnungsgemäß beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer) zu unterlassen: |
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| im geschäftlichen Verkehr Kulturchampignons mit der Angabe „Ursprung: Deutschland" anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder, zu bewerben, wenn wesentliche Produktions- und Wachstumsschritte, d.h. wenn der Herstellungszyklus vor der Ernte, d.h. insbesondere |
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| a. die Vermischung und champignonspezifische Fermentation der Rohsubstanzen insbesondere in einer Kompostproduktionseinrichtung b. die Pasteurisierung und das Durchwachsen des Substrates mit Mycel c. die Bedeckung der Kompostschicht mit in der Regel Torf und Kalk und d. hierauf die qualitative und quantitative Initiierung der Fruchtkörperbildung |
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| nicht in Deutschland stattfinden und der Kompost mit den Pilzen erst drei oder weniger Tage vor der ersten Ernte nach Deutschland verbracht werden, ohne darauf hinzuweisen, dass ein Teil des Herstellungszyklus im Ausland stattgefunden hat. |
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| 2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 219,35 zzgl. Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. |
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| 3. Vorsorglich wird für den Fall des Unterliegens beantragt, die Revision zuzulassen. |
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| die Berufung zurückzuweisen. |
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| Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes „Made in Germany“ könne nicht auf den vorliegenden Fall einer Etikettierungspflicht übertragen werden. Denn jene Angabe sei eine freiwillige und rein zu Werbezwecken genutzte Angabe, die nicht auf gesetzlich definierten und objektiv bestimmbaren Kriterien beruhe. Die einschlägigen gesetzlichen Kennzeichnungsvorschriften zur Bestimmung des Ursprungs von Lebensmitteln verwiesen explizit auf die Regelungen des Zollkodex (Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 1196/2011; vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 33 VO Nr. 1169/2011). |
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| Angesichts von Sinn und Zweck der Bezeichnungspflicht sei daneben eine Irreführung auf normativer Ebene ausgeschlossen (Hans. OLG Hamburg, GRUR-RR 2003, 44; OLG Köln, NJOW 2011, 981; KG, LMRR 57, 21). Erst recht sei der Irreführungsschutz ausgeschlossen, wo Angaben verpflichtend vorgegeben seien. Die Auffassung des Klägers würde Sinn und Zweck ad absurdum führen, eine verständliche, einheitliche Etikettierung zu schaffen (vgl. Erwägungsgrund 9 VO Nr. 1169/2011; Erwägungsgrund Nr. 4 DVO Nr. 1337/2013). Dies belege auch die einzige Ausnahme der Ein-Land-Herkunft, nämlich für Fleisch bestimmter Tiere nach der DVO Nr. 1337/2013 (Erwägungsgrund Nr. 3 DVO Nr. 1337/2013). Da für mobile Kulturen keine entsprechenden Regelungen getroffen seien, sei hier allein der Ernteort relevant. |
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| Die vom Kläger erstrebten Zusatzangaben würden den Verbraucher eher verwirren. Auch sei gar nicht ersichtlich, worin die „wesentlichen“ Fertigungsschritte bestünden. Die Festlegung im Unterlassungsantrag sei willkürlich und inkonsistent. Wesentliche Schritte sollten nach dem Vortrag des Klägers nicht mehr wesentlich sein, wenn die Champignons mindestens drei Tage vor der Ernte nach Deutschland verbracht worden seien. |
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| Wenn bestimmte gesetzliche Informationspflichten bestünden, könnten weitergehende Informationspflichten aus § 5a UWG nicht mehr begründet werden (OLG Köln, NJW-RR 2014, 673). Der Begriff „wesentliche Informationen" sei im Licht der „beruflichen Sorgfalt" des Art. 2h RL 2005/29/EG auszulegen, der genügt sei, wenn die spezialgesetzlichen Kennzeichnungsvorschriften eingehalten würden. |
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| Das relevante Verkehrsverständnis sei maßgeblich von gesetzlichen und behördlichen Begriffsverständnissen beeinflusst. Auch sei davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die streitgegenständliche Angabe überwiegend lediglich im Sinne einer Ernte in Deutschland verstünden. Bei objektiv zutreffenden Aussagen sei ein hoher Grad an Irreführung zu fordern. Hier sei die Angabe sogar gesetzlich zwingend. |
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| Eine Irreführung sei auch nicht spürbar, da eine (vermeintliche) Irreführung die angesprochenen Verkehrskreise nicht in ihrem Marktverhalten beeinflusse. |
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| Unstreitig bestünden vorliegend keinerlei Qualitätsunterschiede. |
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| Die Beklage dupliziert, zunächst wiederholend: |
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| Wer einer europarechtlichen Kennzeichnungsvorgabe genüge, unterliege keinem weitergehenden Irreführungsverbot in Bezug auf die gebotene Kennzeichnung seiner Ware. Dies sei auch in der Literatur anerkannt. |
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| Die UGP-Richtlinie erkenne den Vorrang spezialgesetzlicher europarechtlicher Regelungen an (Erwägungsgrund 10; vgl. auch Grube, in: Voit/Grube, MIN, 2. Aufl., 2016, Art 7 Lauterkeit der Informationspraxis Rn.25). |
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| Die europarechtliche Kennzeichnungsvorgabe diene neben dem Verbraucherschutz auch dem Binnenmarktinteresse und seinem Bedürfnis nach klaren Regeln bei Verringerung des „Verwaltungsaufwands" (Erwägungsgründe Nrn. 9, 13 und 21 und 29). All dies würde ad absurdum geführt, würde man über nationale lauterkeitsrechtliche Regelungen ergänzende, konkretisierende, abweichende und/oder klarstellende Informationen fordern und dies mit dem Argument eines tatsächlichen Fehlverständnisses der vorgesehenen Begriffe begründen (vgl. auch OVG Münster, LMRR 1996, 46). |
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| Die Beklagte bestreitet den klägerischen Vortrag zur Verkehrsbedeutung des Ursprungslandes und moniert, er sei so pauschal, dass ein näheres Eingehen hierauf nicht möglich sei. Zudem sei er neu und nicht zuzulassen. Eine Begründung für eine Zulassung (§ 531 Abs. 2 S. 1 ZPO) liefere der Kläger nicht (vgl. dazu auch BGH, BeckRS 2012, 03799). |
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| Das Landgericht habe außerdem zurecht hervorgehoben, dass der Verbraucher auf die Frische der Ware und damit auf den Ernteort Wert lege. |
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| Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger zieht zweitinstanzlich nicht in Zweifel, dass die angegriffene Kennzeichnung den europarechtlichen Vorgaben entspricht und nicht gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG verstößt. Diesbezüglich wird im Übrigen auf die Ausführungen des Landgerichts verwiesen, um Wiederholungen zu vermeiden. Geführt wird die Berufung mit dem Kernargument, die Beklagte sei aus §§ 5, 5a UWG bei der unstreitig gegebenen Sachlage über die europarechtliche Pflichtangabe zum Ursprungsland hinaus zu einer weitergehenden Aufklärung verpflichtet. Eine solche Verpflichtung besteht jedoch nicht. |
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| Die Berufung ist zulässig. |
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| Das Landgericht hat den Zahlungsantrag des Klägers übergangen. Dies ergibt sich aus der Wiedergabe der Anträge im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils. Damit erfasst ihn die erstinstanzliche Klageabweisung nicht. |
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| Übergeht das Gericht versehentlich einen Klageanspruch, so steht den Parteien der Antrag auf Ergänzung des Urteils offen (§ 321 Abs. 1 ZPO). Der Antrag ist allerdings fristgebunden (§ 321 Abs. 2 ZPO). |
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| Aus dieser Systematik hat der Bundesgerichtshof nicht abgeleitet, dass die Partei auf diesen Weg beschränkt und infolge dessen nach Ablauf der Antragsfrist gehindert sei, den übergangenen Anspruch weiterzuverfolgen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht es der verletzten Partei auch offen, im Berufungsverfahren den übergangenen Antrag als Klageerweiterung erneut zu stellen (BGHZ 182, 158, Tz 71; Vollkommer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl., 2016, Rn 2 zu § 321 ZPO, m.w.N.). Damit stellt sich auch die Frage nach einer hinreichenden Berufungsbegründung nicht. |
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| Die Zulässigkeit der Klageerweiterung im zweiten Rechtszug richtet sich nach § 533 ZPO. Eine Zustimmung der Beklagten liegt nicht vor, aber Sachdienlichkeit ist gegeben und der Senat kann über die mit der Klageerweiterung geltend gemachte Kostenforderung auf der Grundlage der Tatsachen entscheiden, die er seiner Entscheidung nach Maßgabe der §§ 529 Abs. 1, 531 ZPO zugrunde zu legen hätte. |
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| Die erstinstanzlich erhobene Klage war zulässig. Wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, ist der Kläger klagebefugt und der Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt. |
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| Die Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, und infolge dessen auch kein Kostenerstattungsanspruch. |
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| Allerdings ist dem Kläger zuzugeben, dass die unstreitige Kennzeichnung von Lebensmitteln mit Deutschland als Ursprungsland, welche eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellt und eine im Sinne der §§ 5, 5a UWG für eine aufgeklärte Kaufentscheidung von Rechts wegen bedeutsame Information betrifft, ohne eine Zusatzaufklärung den Verbraucher in die Irre führt. Denn ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher erleidet durch sie eine Fehlvorstellung, wobei zur Begründung einer Unlauterkeit schon die Gefahr einer Irreführung ausreichte. |
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| Der Senat, dessen Mitglieder als Verbraucher durch die angegriffene Kennzeichnung angesprochen werden, kann das Verständnis, welches diese beim maßgebenden durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2015 - I ZR 157/13, MDR 2015, 1317, bei juris Rz. 29 - Schufa-Hinweis; vom 05. Februar 2015 - I ZR 136/13, MDR 2015, 1086, bei juris Rz. 22 - TIP der Woche; vom 30. Juni 2011 - I ZR 157/10, GRUR 2012, 184, Rn. 19 Branchenbuch Berg; vom 08. März 2012 - I ZR 202/10, GRUR 2012, 1053, Rn. 19 - Marktführer Sport) erweckt, aus eigener Kenntnis beurteilen (st. Rspr.; vgl. nur BGHZ 194, 314, Tz. 32 - Biomineralwasser; BGH, Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 34/12, WRP 2014, 1447, Tz. 19 - Runes of Magic II; BGH, Urteile vom 08. März 2012 - I ZR 202/10, MDR 2012, 1238, bei juris Rz. 22 - Marktführer Sport; und vom 03. Mai 2001 - I ZR 318/98, GRUR 2002, 182, 184 = WRP 2002, 74 - Das Beste jeden Morgen). |
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| Dieses Verständnis geht dahin, dass die angebotenen Pilze nicht nur in Deutschland geerntet werden, sondern dass auch der gesamte Produktionsprozess in Deutschland stattgefunden hat, was unstreitig aber nicht der Fall war. |
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| Schon von einer natürlichen Betrachtungsweise ausgehend nimmt der Verbraucher an, dass eine Pflanze ihren Standort nicht wechselt. Anders als bei industriellen Fertigungsprodukten (dazu BGH, Beschluss vom 27. November 2014 - I ZR 16/14, WRP 2015, 452, bei juris Rz. 15 - KONDOME „Made in Germany“; OLG Stuttgart, NJWE-WettbR 1996, 53, 54) ist es dem maßgebenden Durchschnittsverbraucher nicht bekannt, dass es im Bereich unverarbeiteter pflanzlicher Lebensmittel grenzüberschreitende Produktionsprozesse gibt. |
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| Diejenigen Verbraucher, die nicht wissen, dass Champignons in der zwischen den Parteien unstreitigen Weise in einem Land kultiviert und dann während der Wachstums- und Reifephase in ein anderes Land verbracht werden, gehen davon schon aufgrund des eindeutigen Sinngehaltes des Hinweises zum Ursprungsland und damit zur Herkunft nicht aus. Zu Erwägungen über einen abweichenden Produktionsverlauf haben sie keinen Anlass. |
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| Für diejenigen Verbraucher, die wissen, dass es einen derartigen „Agrartourismus“ gibt, bedeutet der eindeutige Herkunfthinweis, dass er in Bezug auf das vor ihnen liegende Produkt gerade nicht stattgefunden hat. Aus der Angabe nur eines Landes schließen auch sie, dass das Produkt ausschließlich in diesem Land entstanden sei. |
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| Die von der Beklagten hierzu vorgebrachte Prägung des Verbraucherverständnisses durch die europarechtlichen Normen hat in diesem Bereich schon deshalb nicht stattgefunden, weil die Normen und die dahinter stehende Begriffsdefinition dem Verbraucher nicht bekannt sind. |
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| Anders verhält es sich nur bei dem zur Überzeugung des Senates sehr kleinen, irreführungsrechtlich unerheblichen Teil der Verbraucher, die als Spezialisten und besonders gut informierte Verbraucher über die unstreitigen Produktionsweisen und die rechtlichen Vorgaben der EU Bescheid wissen. |
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| Weite Teile der Verbraucherschaft, die zweifelsfrei einen im Sinne der Rechtsprechung erheblichen Teil der Verbraucher ausmachen (vgl. BGH, Urteil vom 08. März 2012 - I ZR 202/10, GRUR 2012, 1053, Rn. 19 - Marktführer Sport) erleiden damit im Ergebnis die Fehlvorstellung, die angebotenen Champignons seien ausschließlich in Deutschland produziert worden. |
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| Selbst wenn man die Maßstäbe für Industrieprodukte heranzöge, wäre die Vorstellung falsch, die angebotenen Champignons wären in Deutschland hergestellt worden. Für die Richtigkeit einer Angabe, die auf eine Herkunft der Ware aus Deutschland hinweist, ist es in jenem Segment notwendig, aber auch ausreichend, dass die Leistungen in Deutschland erbracht worden sind, durch die das zu produzierende Industrieerzeugnis seine aus Sicht des Verkehrs im Vordergrund stehenden qualitätsrelevanten Bestandteile oder wesentlichen produktspezifischen Eigenschaften erhält (BGH, Beschluss vom 27. November 2014 - I ZR 16/14, WRP 2015, 452, bei juris Rz. 16 - KONDOME „Made in Germany“, m.w.N.; OLG Stuttgart, NJWE-WettbR 1996, 53, 54; OLG Düsseldorf, WRP 2011, 939, 940 - Produziert in Deutschland; OLG Köln, WRP 2014, 1082, Rn. 15 - Schmiedekolben "Made in Germany"). |
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| Auch insoweit sind trotz der abweichenden Erwartungen zum Produktionsprozess strenge Anforderungen zu stellen. Darauf kommt es indes nicht an, weil der Verbraucher im hier betroffenen Bereich der unverarbeiteten pflanzlichen Lebensmittel eine derartige grenzüberschreitend arbeitsteilige Produktionsweise nicht erwartet. |
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| Diese Vorstellung ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch marktrelevant. Denn einem erheblichen, zur Überzeugung des Senats sogar einem überwiegenden Teil der Verbraucher kommt es, was der Senat gleichfalls aus eigener Anschauung beurteilen kann, darauf an, ob die Ware, die er kauft, aus Deutschland kommt. Dies gilt für Lebensmittel in besonderem Maße. Die Gründe für das Interesse des Verbrauchers an der Herkunft seiner Lebensmittel sind vielschichtig. |
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| Zum einen spielt die Länge des Transportweges eine Rolle, welche aber vorliegend nicht zum Tragen kommt, da für die meisten Verbraucher innerhalb Deutschlands längere Transportwege zu ihrem Aufenthaltsort denkbar sind, als zwischen den Niederlanden (dem Land, in dem der Transport der angebotenen Champignons seinen Ausgang genommen hat) und dem Ort des Angebotes in Deutschland. |
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| Anders verhält es sich bei den Verbrauchern, die Wert darauf legen, die deutsche Land- und Agrarwirtschaft zu fördern. Sie würden der Ware nicht nähertreten, wenn sie wüssten, dass die Kultur ganz überwiegend in einem anderen Land gezogen worden war. |
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| Eine solche Differenzierung steht dem Verbraucher völlig frei, da er keinem „Diskriminierungsverbot“ unterliegt, was aber für die Prüfung der Relevanz einer Täuschung ohnehin außer Betracht zu bleiben hat. |
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| Auch bei denjenigen Verbrauchern, die zwar grundsätzlich ausländische Produkte zu kaufen bereit sind, aber - alle oder einzelne - Lebensmittel aus einem bestimmten anderen Land nicht kaufen wollen, spielt der bezeichnete Irrtum für ihre Kaufentscheidung eine Rolle. |
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| Gründe für eine derartige Differenzierung sind beispielsweise der Gedanke, dass nicht Waren, die auch im eigenen Land hergestellt werden, aus anderen Ländern bezogen werden sollten, und die aus zahlreichen Medienberichten gewonnene Skepsis gegenüber Produktionsprozessen im Ausland, die auch nicht durch ein späteres Verbringen der Ware vor der Ernte nach Deutschland aufgehoben wird. Gerade bei Pflanzen ist eine Korrektur von einmal eingetretenen Qualitätsmängeln regelmäßig nicht mehr möglich. |
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| Hinter diesen Erwägungen steht eine in weiten Teilen der Verbraucherschaft gewachsene kritische Haltung gegen eine hochgradig arbeitsteilige Nahrungsmittel- und Agrarindustrie, die sich von natürlichen Produktionsprozessen weit entfernt hat. Insoweit handelt es sich nicht allein um den hier nicht entscheidungserheblichen Konflikt zwischen sogenannten „Ökoprodukten“ und „konventioneller Landwirtschaft“, sondern um die Lösung konventioneller Herstellungsprozesse von natürlichen Abläufen. |
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| Die Gesichtspunkte, welche der beschriebenen Fehlvorstellung für die Kaufentscheidung Bedeutung geben, treten zur Überzeugung des Senates bei einem erheblichen Teil der Verbraucher auf. |
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| Jedoch kommt dieser Verbrauchertäuschung aus normativen Gründen keine lauterkeitsrechtliche Bedeutung zu, ohne dass auf Rechtsänderungen (vgl. zu deren Bedeutung für einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch BGH, Urteil vom 30. Juli 2015 - I ZR 29/12, bei juris Rz. 14 - Buchungssystem II; BGH, Vorlagebeschluss vom 24. Januar 2013 - I ZR 171/10, GRUR 2013, bei juris Rz. 8 - Digibet I; BGH, Urteil vom 07. Oktober 2009 - I ZR 150/07, GRUR 2010, 346, bei juris Rz. 9 - Rufumleitung; s. ferner BGH, Beschluss vom 20. Januar 2016 - I ZB 102/14, bei juris - Erledigungserklärung nach Gesetzesänderung) abgestellt werden müsste. Ob Zusatzinformationen in die vorgegebene Angabe verwoben werden dürfen, braucht der Senat nicht zu entscheiden. |
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| Entscheidend ist hingegen, dass die Beklagte zu solchen weitergehenden Informationen aufgrund der unstreitigen Kennzeichnungsvorgabe nicht verpflichtet war. Im Kernanwendungsbereich einer Kennzeichnungspflichtregelung kann der Normadressat nicht über das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot zu weitergehenden Angaben verpflichtet werden (s. auch OLG Köln, Urteil vom 07. Februar 2014 - 6 U 81/13, NJW-RR 2014, 673, bei juris Rz. 32 ff., m.w.N., sowie die von der Beklagten angeführten Nachweise). Dafür sind folgende Erwägungen tragend: |
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| Der europäische Gesetzgeber hat den betroffenen Unternehmer zum einen verpflichtet, das Ernteland als Ursprungsland seiner Ware anzugeben. Die darin liegende Täuschung des Verbrauchers im Falle grenzüberschreitender Produktionsprozesse ist daher vom europäischen Gesetzgeber angeordnet, und der Unternehmer kann sie zunächst nicht vermeiden. Sie ist ihm in lauterkeitsrechtlicher Hinsicht nicht anzulasten. Denn es kann ihm lauterkeitsrechtlich auch zur Begründung des verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruchs nicht vorgeworfen werden, dasjenige getan zu haben, wozu er europarechtlich verpflichtet ist. |
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| Mit einer Informationsvorgabe scheidet zwar eine weitergehende Informationspflicht nicht grundsätzlich aus. Im Kernregelungsbereich der hier in Rede stehenden europarechtlichen Normen besteht eine solche Pflicht aber nicht. Denn es wäre systemwidrig, wollte man den Unternehmer für verpflichtet halten, Informationen (hier: zur Herkunft der Ware) zu geben, die nicht nur weiter gingen als die ihm vorgegebenen, sondern die zu den einschlägigen europarechtlichen Begriffsbestimmungen im Widerspruch stünden. |
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| Der europäische Normgeber hat sich in Kenntnis der länderübergreifenden Produktionsprozesse bewusst entschieden, das Ernteland als Ursprungsland zu definieren. Damit hat er - anders als bei Fleisch - eine Pflicht zur differenzierten Aufklärung des Verbrauchers, die grenzübergreifende Produktionsprozesse offenlegt, ebenso bewusst verworfen. |
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| Ob die Gründe hierfür überzeugend sind, hat der Senat nicht zu beurteilen. Er ist an die eindeutigen rechtlichen Vorgaben aus dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung gebunden. |
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| Nichts anderes ist der vom Kläger herangezogenen Rechtsprechung zu entnehmen. |
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| Der Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 27. November 2014 (Az.: I ZR 16/14, WRP 2014, 452 - KONDOME „Made in Germany“) betrifft schon nicht den Fall der Korrektur einer im Kern falschen Pflichtangabe. |
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| Die Rechtsprechung des OLG Karlsruhe zum Mess- und Eichrecht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. November 2012 - 4 U 156/12, bei juris; vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. März 2015 - 4 U 196/14, MDR 2015, 530 - Mogelpackung mit Sichtfenster, Rondelé) betrifft keine zusätzlichen Angaben im Regelungsbereich der Pflichtangabe, sondern eine kennzeichnungsunabhängige Täuschung durch die Gestaltung der Verpackung. |
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| Der Senat lässt die Revision zu, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. |
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| Zur Ausschließlichkeit der entscheidungserheblichen Kennzeichnungspflicht in Bezug auf das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot liegt noch keine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vor, und der Senat vermag aus der höchstrichterlichen Entscheidung auch nicht hinreichenden Anhalt zu gewinnen, die Rechtsfrage als geklärt anzusehen. |
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| Eine Vorlage an den EuGH sieht der Senat als nicht geboten an. |
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