Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. März 2005 - 15 UF 294/04

published on 02/03/2005 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. März 2005 - 15 UF 294/04
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Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Heilbronn vom 03.09. 2004 - 5 F 3020/04 in Nr. 2 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Antragstellers bei dem Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Württemberg - Versicherungsnummer - werden für die Antragsgegnerin durch Realteilung auf einem neu zu errichtenden Konto bei dem Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Württemberg Versorgungsanwartschaften in Höhe von 157,90 EUR monatlich bezogen auf den 31.10.2003 begründet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden unter den Parteien gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: 2.000,00 EUR

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Antragsgegnerin rügt zu Recht, dass die vom Antragsteller während der Ehezeit beim Versorgungswerk der Architektenkammer Baden - Württemberg ( VwAK ) erworbenen Anwartschaften als volldynamisch zu bewerten sind.
Während der nach § 1587 Abs. 2 BGB maßgeblichen Ehezeit vom 01.11.1993 bis 31.10.2003 - Eheschließung 5.11.1993, Zustellung des Scheidungsantrags 11.11.2003 - haben die Partein folgende Anwartschaften erworben:
Die Antragsgegnerin:
Bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte: 287,90 EUR ( Bl. 22 Sonderheft VA )
Bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbands Baden-Württemberg
(1) Pflichtversicherung - Ehezeitanteil - 75,98 EUR ( Bl. 33 Sonderheft VA )
(2) Freiwillige Versicherung - Ehezeitanteil - 2,48 EUR ( Bl. 33 Sonderheft VA )
Die Versorgungsanrechte aus der Pflichtversicherung sind im Anwartschaftsstadium als statisch, im Leistungsstadium als volldynamisch zu beurteilen ( vgl. BGH, FamRZ 2004, 1474; FamRZ 2004, 1706 ).
In gleicher Weise sind die Versorgungsanrechte aus der freiwilligen Versicherung zu beurteilen. Nach § 23 (4) S.2 der Satzung des Kommunalen Versorgungsverbands Baden-Württemberg für die Zusatzversorgungskasse ( veröffentlicht im Staatsanzeiger von Baden-Württemberg Nr. 31 vom 12.08.2002 sowie Nr. 1 vom 12.01.2004 / Nr.3 vom 26.01.2004 ) gelten die Regelungen für die Pflichtversicherung entsprechend, soweit nichts besonderes geregelt ist. Da eine abweichende Regelung fehlt, gilt die nach § 37 bestimmte jährliche Anpassung um 1 % auch für die Betriebsrenten aus der freiwilligen Versicherung.
10 
Die Umrechnung dieser Anwartschaften in dynamische Anwartschaften nach Tabelle 1 BarwertVO ergibt folgende Werte:
11 
(1) Jahresrente: 12 *75,98 EUR 911, 76 EUR
Alter bei Ehezeitende ( geb... .1963 )
40
Barwertfaktor nach Tabelle 1:2,9
Erhöhung nach Anm. 2 zu Tabelle 1: 65%
Barwert ( 911,76 * 2,9 * 165 % )
4.362,77 EUR
Umrechnungsfaktor Beiträge in Entgeltpunkte:
0,0001754432
Entgeltpunkte:
0,7654
aktueller Rentenwert:
26,13 EUR
Dies ergibt einen dynamischen Wert von ( 0,7654 * 26,13 EUR )
20,00 EUR.
12 
(2) Jahresrente: 12 *2,48 EUR 29,76 EUR
Alter bei Ehezeitende ( geb.        .1963 )
40
Barwertfaktor nach Tabelle 1: 2,9
Erhöhung nach Anm. 2 zu Tabelle 1: 65%
Barwert ( 29,76 * 2,9 * 165 % )
142,40 EUR
Umrechnungsfaktor Beiträge in Entgeltpunkte:
0,0001754432
Entgeltpunkte:
0,025
aktueller Rentenwert:
26,13 EUR
Dies ergibt einen dynamischen Wert von (0,7654 * 0,025 EUR)
0,65 EUR.
Anwartschaften insgesamt:
308,55 EUR.
13 
Der Antragsteller:
14 
Bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte: 0,00 EUR ( Bl. 20 Sonderheft VA)
15 
Beim Versorgungswerk der Architektenkammer Baden – Württemberg 624,34 EUR ( Bl. 12 Sonderheft VA )
16 
Die vom Antragsteller während der Ehezeit beim VwAK erworbenen Versorgungsanrechte sind nicht nach § 1587 a Abs. 3 BGB umzurechnen, da sie sowohl im Anwartschaftsstadium als auch im Leistungsstadium als volldynamisch zu bewerten sind.
17 
Die Erhöhung der Anwartschaften des VwAK erfolgen durch die Verteilung von Überschüssen, die vom Zinsertrag abhängen.
18 
Der Beurteilung der Versorgung als volldynamisch steht nicht entgegen, dass die beim VwAK begründeten Anrechte im Wege eines Kapitaldeckungsverfahrens finanziert werden ( BGH, Beschluss v. 01.12.2004, XII ZB 45/01, S.6; BGH, FamRZ 1997, 161 ).
19 
Um den volldynamischen Charakter der Architektenversorgung zu bejahen, muss der Wert der Anrechte tatsächlich in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie der Wert der Beamtenversorgung bzw. der gesetzlichen Rentenversicherung steigen ( BGH, Beschl. v. 01.12.2004, XII ZB 45/01, S.7 ). Es bedarf dazu einer Prognose über die weitere Entwicklung der Versorgungsanwartschaften. Hierfür kann deren tatsächliche bisherige Entwicklung über einen angemessenen Vergleichszeitraum als Indiz herangezogen werden ( vgl. BGH, a.a.O.).
20 
Der Senat legt seiner Rückschau den 10- Jahreszeitraum 1994 bis 2003 zu Grunde. In den Jahren 1994 bis 2003 haben sich die Anwartschaften und Leistungen des Versorgungswerks im Vergleich zur Beamtenversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung wie folgt erhöht:
21 
Jahr VwAK BeamtV GRV
1994 2,5% 1,9% 3,39%
1995 3,0% 3,1% 0,50%
1996 2,0% 0,0% 0,95%
1997 1,5% 1,3% 1,65%
1998 1,8% 1,5% 0,44%
1999 1,5% 2,8% 1,34%
2000 0,0% 0,0% 0,60%
2001 2,0% 1,7% 1,91%
2002 1,0% 2,1% 2,16%
2003 0,0% 1,74% 1,04%
Durchschnitt 1,53 1,614 1,398
22 
Die Architektenversorgung weist danach im Vergleichszeitraum mit einem Durchschnittswert von 1,53 eine höhere Steigerung auf als die gesetzliche Rentenversicherung mit 1,398. Zugleich unterschreitet sie nur geringfügig die in der Beamtenversorgung eingetretene Steigerung. Dies spricht dafür, die Anwartschaften als volldynamisch zu bewerten.
23 
Bei der Prognose der weiteren Entwicklung der Anrechte ist weiter zu berücksichtigen, dass die letzten Änderungen des Rentenversicherungsrechts, insbesondere das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 zu einer deutlichen Dämpfung der Rentendynamik geführt haben, mit der Folge, dass in der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2004 der Steigerungssatz 0,00% betrug und in den kommenden Jahren keine Steigerungen mehr erwartet werden können, die über 1% hinausgehen. Demgegenüber entstehen bei dem Versorgungswerk der Architektenkammer auch in der Zukunft aus dem Deckungskapital vergleichbare Zinserträge, so dass von Erhöhungen wie in der Vergangenheit ausgegangen werden kann. Damit ist vom volldynamischen Charakter der Architektenversorgung auszugehen.
24 
Auszugleichen sind danach 157,90 EUR, 1/2 ( 624,34 - 308,55 EUR ). Der Ausgleich erfolgt im Wege der Realteilung nach § 1 Abs. 2 VAHRG, da dies in der Satzung des Versorgungswerks entsprechend vorgesehen ist.
25 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 a Abs. 1 ZPO.
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Nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes findet zwischen den geschiedenen Ehegatten ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie
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Nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes findet zwischen den geschiedenen Ehegatten ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie
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published on 01/12/2004 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 45/01 vom 1. Dezember 2004 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 lit. c, Abs. 3 Versorgungsanrechte, deren Wert tatsächlich in gleicher oder nahezu
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Nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes findet zwischen den geschiedenen Ehegatten ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge.