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| Die am … 1944 geborene Antragstellerin und der am … .1944 geborene Antragsgegner schlossen am 01. Oktober 1970 die Ehe. Die Antragstellerin stellte im Jahr 2008 Scheidungsantrag. |
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| Beide Eheleute haben während der Ehezeit nichtangleichungsdynamische Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, wobei die Anwartschaften der Antragstellerin werthöher sind. Der Antragsgegner ist daneben Inhaber angleichungsdynamischer Anrechte. Zusätzlich stehen ihm Ansprüche gegen die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Beteiligte zu 3) zu. |
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| Im Termin zur mündlichen Verhandlung im Scheidungsverbundverfahren vom 28.09.2009 wies das Familiengericht die Parteien im Zusammenhang mit der Folgesache Versorgungsausgleich darauf hin, dass grundsätzlich altes Recht anzuwenden sei, was aber die Notwendigkeit der Aussetzung des Verfahrens zur Folge habe. Nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens, die alsbald erfolgen könne, sei allerdings gemäß der Übergangsregelung neues Recht anzuwenden. Daher schlage das Gericht den Parteien vor, die Anwendbarkeit des neuen Rechts zu vereinbaren. Diesem Vorschlag folgend, erklärten die Parteien: |
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| „Wir sind uns darüber einig, dass im Versorgungsausgleich das ab dem 01.09.2009 geltende Recht angewendet werden soll“. |
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| Außerdem erklärten sich die Parteien darüber einig, dass der in der Versorgungsauskunft der Beteiligten zu 3 genannte Anwartschaftsbetrag der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zugrunde gelegt werden könne. |
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| Daran anschließend schlossen sie eine umfangreiche Scheidungsfolgenvereinbarung ab, in der unter Nr. 5 geregelt wurde, dass der Versorgungsausgleich nach den (neuen) gesetzlichen Vorschriften ungekürzt durchgeführt werden solle. |
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| Mit Scheidungsverbundurteil vom 06.10.2009 führte das Familiengericht den Versorgungsausgleich nach neuem Recht durch und legte dabei als Ausgleichswert den in der Versorgungsauskunft der Beteiligten zu 3 genannten Betrag zu Grunde. |
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| Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beteiligte zu 3 gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich. Zur Begründung führt sie an, dass ihre nach altem Recht erteilte Versorgungsauskunft bei einer Ausgleichsberechnung nach neuem Recht nicht verwendet werden dürfe, da die Berechnung des Ehezeitanteils der Versorgungsanwartschaft nach neuem Recht gem. § 5 VersAusglG nach anderen Kriterien zu erfolgen habe als nach altem Recht. |
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| Außerdem ist die Beteiligte zu 3 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2009, 211 und 303) der Auffassung, das Familiengericht hätte das Versorgungsausgleichsverfahren ohnehin im Hinblick auf die Problematik der ungeregelten Startgutschriften (FamRZ 2008, 395 - LS - m. Anm. Borth) aussetzen müssen. |
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| 1. Gemäß Art. 111 FGG-RG sind auf dieses Beschwerdeverfahren noch die vor Inkrafttreten des FGG-RG geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden. Die Vereinbarung der Parteien über die Anwendung des ab dem 01.09.2009 geltenden materiellen Versorgungsausgleichsrechts kann daran schon deshalb nichts ändern, weil das anwendbare Verfahrensrecht nicht zur Disposition der Parteien steht. |
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| 2. Auf die zulässige (§§ 629a Abs. 2, 621e Abs. 1 und 3, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) Beschwerde der Beteiligten zu 3 war die angefochtene Entscheidung über den Versorgungsausgleich aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Leonberg zurückzuverweisen, denn das Familiengericht hat zu Unrecht das ab dem 01. September 2009 geltende neue Versorgungsausgleichsrecht angewandt (dazu a). Außerdem konnte die Vereinbarung über den Wert der Versorgungsanwartschaft des Antragsgegners bei der Beteiligten zu 3 nur unter Beteiligung der Versorgungsträger bzw. mindestens der Beteiligten zu 3 geschlossen werden (dazu b). |
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| a) Die Berechnung des Versorgungsausgleichs konnte nicht nach den Maßstäben des ab dem 01.09.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrechts erfolgen. |
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| aa) Mit ihrer auf Vorschlag des Gerichts im Termin vom 28.09.2009 geschlossenen Vereinbarung wichen die Parteien von der Übergangsregelung des § 48 Abs. 1 VersAusglG ab, wonach auf Versorgungsausgleichsverfahren, die vor dem 01.09.2009 eingeleitet wurden, sowohl das bisherige Verfahrensrecht als auch das bisherige materielle Recht weiterhin anzuwenden ist. Wie bereits dargelegt, kann von dieser gesetzlichen Regel, soweit ihr verfahrensrechtlicher Teil betroffen ist, nicht abgewichen werden, weil Verfahrensrecht zwingendes Recht ist (MünchKommZPO/Rauscher, 3. Aufl., Einleitung vor § 1 Rn. 23; zu hier nicht einschlägigen Ausnahmen in Rn. 395 ff.). |
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| Aber auch die Zulässigkeit einer Vereinbarung über das anzuwendende materielle Recht , wie sie im Termin vom 28.09.2009 zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner geschlossen wurde, ist durch Vereinbarung nicht möglich. Der Zweck des § 48 VersAusglG besteht unter anderem darin, den Gleichlauf der materiell-rechtlichen und der verfahrensrechtlichen Bestimmungen sicherzustellen. Das ist erforderlich, weil die neuen materiell-rechtlichen Vorschriften über den Versorgungsausgleich der entsprechenden verfahrensrechtlichen Umsetzung bedürfen. Das neue materielle Recht des Versorgungsausgleichs (§ 1 - 47 VersAusglG) und das neue Verfahrensrecht (§§ 217 - 229 FamFG) wurden aufeinander abgestimmt (Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rn. 146). Zudem würde eine Systemumstellung im laufenden Verfahren z.B. dazu führen, dass bei den Versorgungsträgern erneut Auskünfte zu den Versorgungsanwartschaften einzuholen wären (BT-Drucks. 16/10144, S. 86). |
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| Der Gesetzgeber hat daher, wie aus der Gesetzesbegründung hervorgeht, eine Dispositionsmöglichkeit der Parteien über das anzuwendende Recht nur über den Weg der Wahl des Zeitpunkts der Verfahrenseinleitung gesehen. Durch die Wahl des Zeitpunktes der Antragstellung - nämlich vor oder nach Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes - können die Eheleute so letztlich entscheiden, ob der Versorgungsausgleich nach bisherigem Recht oder nach neuem Recht durchgeführt werden soll (so ausdrücklich BT-Drucks. 16/10144, S. 87). Eine andere Möglichkeit der Wahl des anwendbaren Rechts, insbesondere durch eine Vereinbarung der Parteien, wird in der Gesetzesbegründung nicht angesprochen. Das erscheint deshalb folgerichtig, weil dies zu der vom Gesetzgeber nicht gewünschten Aufspaltung zwischen der Anwendung des neuen materiellen und des alten Verfahrensrechts führen würde, da die Parteien, wie ausgeführt, die Anwendung des neuen Verfahrensrechts nicht durch Vereinbarung herbeiführen können. |
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| bb) Die Anwendbarkeit neuen (sowohl materiellen als auch Verfahrens-)rechts lässt sich auch nicht mit § 48 Abs. 2 Nr. 2 FamFG begründen. Zwar besteht vorliegend die - vom Familiengericht zu Recht hervorgehobene - Besonderheit, dass das Verfahren wegen der vom Antragsgegner erworbenen angleichungsdynamischen Anwartschaften entsprechend § 2 Abs. 2 S. 1 VAÜG auszusetzen war. Hätte das Familiengericht das Verfahren tatsächlich ausgesetzt, so wäre damit gemäß § 48 Abs. 2 Nr. 2 FamFG das neue Recht anwendbar geworden. |
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| Die Aussetzung stellt zwar nur eine Zwischenentscheidung dar, erfolgt jedoch gleichwohl durch Beschluss (BGH FamRZ 2003, 1005). Einen solchen Beschluss hat das Familiengericht nicht gefasst. Im Interesse der bei prozessualen Fragen im Vordergrund stehenden Rechtsklarheit, lässt sich auch nicht feststellen, dass in der Vorgehensweise des Familiengericht eine konkludente Aussetzung mit anschließender sofortiger Wiederaufnahme des Verfahrens zu sehen ist. Gegen die Zulassung einer konkludenten Aussetzung spricht bereits, dass die Aussetzungsentscheidung - auch durch die beteiligten Versorgungsträger - anfechtbar ist (dabei ist lediglich streitig, ob die Anfechtung nach § 19 FGG [so OLG Brandenburg, FamRZ 1996, 496] oder gemäß § 252 ZPO erfolgt [so OLG Dresden FamRZ 2004, 33], nicht aber die Anfechtbarkeit als solche). Schon deshalb muss die Entscheidung auch klar nach außen erkennbar und somit ausdrücklich als (Aussetzungs-) Beschluss deklariert sein. Hier kommt hinzu, dass das Familiengericht die Aussetzungsmöglichkeit erkannt hat, aber ausdrücklich einen anderen Weg, nämlich den der Vereinbarung der Parteien zur Anwendbarkeit neuen Rechts gewählt hat, um ihnen möglichst die mit der Aussetzung zwangsläufig verbundene Auflösung des Scheidungsverbundverfahrens zu ersparen. Auch wegen dieses offenkundig gegen eine Aussetzung sprechenden Willens des Familienrichters kann man die Vorgehensweise nicht nachträglich doch in eine Aussetzung umdeuten. |
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| b) Das Familiengericht durfte ferner nicht die Vereinbarung der Parteien zur Höhe der Versorgungsanwartschaft bei der VBL seiner Entscheidung zugrunde legen. Dies wäre nur möglich gewesen, wenn die VBL an dieser Vereinbarung mitgewirkt hätte. |
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| aa) Dabei hat der Senat allerdings keine Bedenken dagegen, dass das Familiengericht den Versorgungsausgleich nicht wegen der Startgutschriftenproblematik bezüglich der Anwartschaften des Antragsgegners bei der Beteiligten zu 3 ausgesetzt hat. |
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| Zwar hat der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden, dass das Verfahren über den Versorgungsausgleich auszusetzen ist, wenn ein den rentenfernen Jahrgängen zugehöriger Ehegatte über ein Anrecht bei der VBL verfügt, dessen Ehezeitanteil eine zum 1. Januar 2002 gutgebrachte Startgutschrift enthält (BGH FamRZ 2009, 211 und 303 sowie der Beschluss vom 02.09.2009 - XII ZB 92/07-juris; zuletzt FamRZ 2009, 1901; vgl. auch FamRZ 2009, 954 zum gleichgelagerten Problem bei anderen Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes), was beim Antragsgegner der Fall ist (als rentenfern gelten alle in den neuen Ländern im öffentlichen Dienst Beschäftigte, was auf den Antragsgegner zutrifft). Ob das Verfahren auch dann auszusetzen ist, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte, wie vorliegend die Antragstellerin, bereits Rente bezieht, hat der BGH allerdings ausdrücklich offen gelassen (FamRZ 2009, 303, 304, Rn. 17). |
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| Darauf kommt es hier aber nicht an, weil die Parteien hinsichtlich der Startgutschriftenproblematik eine Vereinbarung getroffen haben. Sie erklärten im Termin vom 28.09.2009 übereinstimmend, „die Auskunft der VBL mit monatlich 223,72 EUR könne einer gerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich zugrunde gelegt werden“. |
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| Zwar hat der BGH auch entschieden, dass im Verfahren über den Versorgungsausgleich ein von der VBL mitgeteilter, anhand der unwirksamen §§ 78, 79 Abs. 1 S. 1 der Satzung der VBL ermittelter Wert einer Startgutschrift nicht Grundlage für eine gerichtliche Regelung sein kann oder durch eine individuelle Wertberechnung ersetzt werden darf. Auch darf der anhand der unwirksamen Satzungsbestimmungen ermittelte Wert nicht aus prozessökonomischen Gründen noch für eine Übergangszeit weiter verwendet werden (statt aller: BGH FamRZ 2009, 303, 304, Rn. 16). |
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| Damit nicht vergleichbar ist jedoch der Fall, dass sich die Ehegatten durch Vergleich auf einen bestimmten Wert einigen und dieser der Berechnung zugrunde gelegt wird. Die Problematik des Vergleichs liegt stattdessen lediglich darin, dass die Eheleute gehindert sind, einen Vergleich ohne Mitwirkung oder gar zu Lasten des Versorgungsträgers zu schließen (dazu nachfolgend unter bb). Wenn aber alle Beteiligten einschließlich der VBL durch Vereinbarung einen bestimmten Wert zugrunde legen, dann ist kein Grund ersichtlich, warum eine solche Vereinbarung nicht respektiert werden sollte (Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rn. 451). Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie hier, der Rentenfall bei einem Ehegatten bereits eingetreten ist. |
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| bb) Eine solche Vereinbarung über den Wert der Startgutschrift ist, wie bereits ausgeführt, jedoch nur möglich, wenn jedenfalls die VBL ihr zustimmt bzw., bei Anwendbarkeit des alten Rechts, wenn alle Versorgungsträger ihr zustimmen (Borth, a.a.O., Rn. 451). Da es an dieser Zustimmung fehlt, ist die Vereinbarung bislang nicht wirksam zustande gekommen. |
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| 3. Sowohl die unterbliebene Beteiligung der Versorgungsträger an der Vereinbarung zum Wert der Anwartschaft bei der Beteiligten zu 3 als auch die Anwendung des neuen Rechts durch das Familiengericht ist verfahrensfehlerhaft. Diese führen zur Aufhebung der zum Versorgungsausgleich getroffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht, denn es besteht ein Bedürfnis zu verhindern, dass die tatsächlichen Grundlagen für die Entscheidung des Beschwerdegerichts erst im zweiten Rechtszug geschaffen werden (BGH FamRZ 2009, 305 Rn. 25). Das gilt hier in besonderem Maße deshalb, weil das Familiengericht verschiedene Möglichkeiten hat, wie es das Verfahren weiter führen will. Es ist zunächst zwar zwingend, das Verfahren gemäß § 2 Abs. 2 VAÜG auszusetzen. Es liegt auch nahe, dass das Familiengericht entsprechend dem wohl noch immer vorhandenen Interesse der Parteien an einer raschen, endgültigen Regelung des Versorgungsausgleichs das Verfahren nur für so kurze Zeit gemäß § 2 Abs. 2 VAÜG aussetzt, dass die Beteiligten hinreichend Gelegenheit haben, von ihrem potentiellen Beschwerderecht gegen den Aussetzungsbeschluss Gebrauch zu machen, und es dann alsbald fortführt. |
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| Es bestehen bei einer dann unter der Geltung des neuen (materiellen und Verfahrens-) Rechts erfolgenden Fortsetzung aber verschiedene Alternativen zur Lösung des Problems der Startgutschriften: |
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| - Die Parteien können eine neue Vereinbarung zur Höhe des Werts der Anwartschaft bei der VBL schließen, diesmal unter Beteiligung der VBL. |
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| - Das Familiengericht kann eine Entscheidung nur über die sonstigen Anwartschaften der Parteien treffen und wegen der Anwartschaften bei der VBL (teilweise) (erneut) aussetzen (diese Möglichkeit wird durch das neue Recht mit seinem System der internen Teilung begünstigt, dazu Borth, a.a.O., Rn. 449). |
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| - Es kann aber auch ohne eine vorangegangene Einigung der Parteien eine Entscheidung unter Einbeziehung der Anwartschaften bei der VBL treffen, weil die Antragstellerin bereits Rentenbezieherin ist (in einem solchen Fall hält jedenfalls das OLG Nürnberg, FamRZ 2008, 1087, eine sofortige Entscheidung ohne Rücksicht auf das Problem der Startgutschriften für zulässig; dazu auch Borth, a.a.O. Rn. 450; der BGH hat die Frage offen gelassen, zuletzt FamRZ 2009, 1901 Rn. 14). |
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| Diese Alternativen erfordern mindestens weitere Erörterungen mit den Parteien und wohl auch weitere Sachaufklärungen, etwa dazu, wie sich die Anwartschaft bei der VBL und auch die übrigen Anwartschaften nach neuem Versorgungsausgleichsrecht berechnen. Es käme dem Verlust einer Instanz gleich, würden diese Erörterungen und Feststellungen erstmals in der Beschwerdeinstanz erfolgen. |
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| 4. Im Hinblick auf die höchstrichterlich noch ungeklärten Fragen, ob die Parteien in Versorgungsausgleichssachen, auf die gemäß § 48 VersAusglG noch altes Recht Anwendung findet, die Anwendung des neuen Versorgungsausgleichsrechts im Vereinbarungswege herbeiführen können, und ob und falls ja unter welchen Voraussetzungen (z.B. Rentenbezug einer Partei) die Parteien Vereinbarungen zur Höhe der Startgutschriften bei der VBL treffen können, lässt der Senat die Rechtsbeschwerde zu. Insofern hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§§ 621e Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). |
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