Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 27.01.2010 – 12 O 236/09 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Fahrzeugversicherung (Versicherungsschein-Nummer ~4 vom 16.02.2010) wegen des Verlustes des versicherten Fahrzeugs, eines VW Golf, mit dem amtlichen Kennzeichen ...-...-..., in Anspruch.
Eine seit dem 01.01.2008 bestehende Haftpflichtversicherung bei der Beklagten erweiterte die Klägerin zum 01.01.2009 um eine Teilkaskoversicherung mit Basisschutz und einer Selbstbeteiligung von 150,00 EUR (Bl. 91 d.A.). Die Parteien haben dem Vertrag Allgemeine Bedingungen und Tarifbestimmungen für die Kraftfahrtversicherung zugrunde gelegt, deren Fassung streitig ist.
Der Ehemann der Klägerin erstattete am 17.02.2009 Strafanzeige in wegen des Verlustes des versicherten Pkw’s (Bl. 10 d.A.). Die Beklagte forderte die Klägerin unter Belehrung (Bl. 12 d.A.) auf, eine Schadensmeldung (Bl. 13 d.A.) auszufüllen. Das Antwortfeld der Frage „Welche Unfall- oder sonstigen Schäden hatte das Fahrzeug vor diesem Schadenfall erlitten?“ war durchgestrichen, ebenso wie jenes der Fragen „Welche Schäden sind entstanden?“, „Wurden diese vor diesem Schadenfall vollständig repariert?“ und „Erhielten Sie eine Entschädigung(Versicherer)?“. Die von der Klägerin blind unterschriebene Schadenmeldung hatte der Ehemann der Klägerin ausgefüllt.
In einem Schreiben vom 04.03.2009 stellte die Beklagte weitere Fragen, u.a. auch nach der Unfallfreiheit des Pkw’s zur Tatzeit (Bl. 20 d.A.). Im Antwortschreiben vom 10.03.2009 (Bl. 114 d.A.) bestätigte die Klägerin die Unfallfreiheit. Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass ein Ersatzschlüssel bestellt worden war, stellte sie der Klägerin weitere Fragen. Im Schreiben vom 04.04.2009 (Bl. 22 d.A.) beantwortete die Klägerin diese und beschrieb einen Schaden an der Heckklappe im Jahr 2008. Der Sohn der Klägerin teilte mit, dass er einen Schlüssel verloren und 2006 einen neuen Schlüssel bei VW bestellt habe. Durch E-Mail vom 21.04.2009 (Bl. 24 d.A.) übermittelte die Beklagte weitere Fragen an die Klägerin und bat um eine detaillierte Aufstellung der durchgeführten Reparaturarbeiten inklusive aller diesbezüglicher Werkstattunterlagen. Im Antwortschreiben vom 21.04.2009 (Bl. 25 d.A.) ging die Klägerin nur auf den Heckklappenschaden aus dem Jahr 2008 ein.
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 06.05.2009 Leistungen wegen arglistigen Verschweigens von Vorschäden ab. Über einen früheren Versicherer hatte die Beklagte zusätzlich einen Kaskoschaden im Jahr 2006 ermittelt.
Aus einem Anwaltsschreiben vom 22.05.2009 im Namen der Klägerin ergab sich, dass der Pkw in den Jahren 2004, 2005 und 2006 Steinschlagschäden erlitten hatte, die über die frühere Kaskoversicherung abgewickelt worden waren. Im Jahr 2004 war der Pkw bei einem Unfall so beschädigt worden, dass 3.212,78 EUR Reparaturkosten in einem Gutachten beziffert worden waren. Im Jahr 2005 hatte es einen Schaden am Pkw durch einen Einbruchsversuch gegeben, im Jahr 2006 einen Schaden in Höhe von 1.743,99 EUR, der ebenfalls über die frühere Kaskoversicherung abgewickelt worden war, und im Jahr 2008 einen Schaden an der Heckscheibe und der Heckklappe, der durch ein Garagentor verursacht worden war.
Die Klägerin hat behauptet, ihr Pkw sei in der Nacht vom 10.02.2009 auf den 11.02.2009 in Prag vor dem Haus gestohlen worden. Alle Vorschäden seien ordnungsgemäß repariert worden. Der Pkw habe noch einen Wert von 7.000,00 EUR gehabt. Von allen Schäden bis 2008 habe sie nichts gewusst, weil ihr Sohn den Pkw ständig gefahren und sich um alles gekümmert habe. Auch den Prozess nach dem Schaden im Jahr 2004 habe sie nicht selbst geführt, vielmehr habe ihr Sohn selbständig die damaligen Anwälte beauftragt. Die Striche in der Schadensmeldung bei den Fragen nach früheren Schäden und Reparaturen seien gemacht worden, weil diese Fragen im Zusammenhang mit dem Diebstahlschaden nicht gepasst hätten.
Das Landgericht Saarbrücken hat die Klägerin informatorisch angehört und anschließend die Klage durch Urteil vom 27.01.2010 – Az: 12 O 236/09 – abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 10.09.2009 zu zahlen,
2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Diebstahlschaden vom 10.02.2009 VW Golf 1.9 TDI Versicherungsschutz zu gewähren,
3. hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin für den Diebstahlschadensfall vom 10.02.2009 VW Golf 1.9 TDI Versicherungsschutz zu gewähren hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
In der Berufungsinstanz hat die Klägerin behauptet, nicht nur die Schadensmeldung, sondern auch alle anderen Schreiben habe ihr Ehemann verfasst, bevor sie diese lediglich unterschrieben habe.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Verletzung des Rechts noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus den §§ 1 Abs. 1 Satz 1 VVG i.V.m. den Ziffern A.2.1.1 und A.2.2.2 AKB 2008 auf Zahlung von 7.000,00 EUR. Die Beklagte ist nach § 28 Abs. 2 VVG i.V.m. den Ziffern E.1.3, E.7.1 und E.7.2 AKB 2008 (bzw. der AKB in der vorherigen Fassung) wegen einer arglistig begangenen Obliegenheitsverletzung der Klägerin leistungsfrei.
Nach Ziffer E.1.3 AKB 2008 oblag es der Klägerin, die Fragen der Beklagten zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. Diese Obliegenheit hat die Klägerin dadurch verletzt, dass sie blind die von ihrem Ehemann ausgefüllte Schadenmeldung unterschrieben hat, in der die Frage nach Unfall- oder sonstigen Schäden verneint war, obwohl der versicherte Pkw bereits sieben Schäden erlitten hatte. Dies ist arglistig geschehen. Daher ist es unerheblich, dass die Beklagte von den Vorschäden und Vorunfällen erfahren hat, ihr Verschweigen folglich für ihre Feststellungen nicht (mehr) ursächlich war.
§ 28 VVG ist anzuwenden, weil der Versicherungsvertrag zum 01.01.2009 geschlossen wurde.
Ohne Bedeutung ist der genaue Inhalt der vorliegend geltenden AKB. Dass eine frühere Fassung der AKB vor 2008 eine Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nicht vorgesehen hat, ist nicht behauptet und ersichtlich, und eine möglicherweise falsch erfolgte Rechtsfolgendarstellung hat im Falle arglistigen Verhaltens keine Auswirkung. Wie § 28 Abs. 4 VVG zeigt, ist der arglistig handelnde Versicherungsnehmer nicht schutzwürdig.
(1.)
Die Klägerin hat ihre Auskunftsobliegenheit objektiv durch die Abgabe der Schadenmeldung verletzt.
(a)
Der objektive Tatbestand der Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Kenntnis des Versicherungsnehmers von der anzugebenden Tatsache voraus. Begründet wird dies damit, dass bei Fehlen dieser Kenntnis die Aufklärungsobliegenheit ins Leere laufe. Schon objektiv könne der Versicherungsnehmer die Obliegenheit bei fehlender Kenntnis nicht verletzen, denn es gebe nichts, worüber er nach seinem Kenntnisstand seinen Versicherer aufklären könne. Dieses positive Wissen um die die Obliegenheit auslösenden Umstände muss der Versicherer, will er sich auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Obliegenheit berufen, beweisen (BGH, Urt. v. 16.09.2009 – IV ZR 246/08 – VersR 2009, 1659; BGH, Beschl. v. 12.12.2007 – IV ZR 40/06 – VersR 2008, 484; BGH, Urt. v. 13.12.2006 – IV ZR 252/05 – VersR 2007, 389).
Anzuknüpfen ist bei der Anwendung dieser Grundsätze aber an die genaue Frage und alle Umstände des Einzelfalles zur Bestimmung des Umfangs der notwendigen Antwort. Die Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers erschöpft sich nicht in der formalistischen Beantwortung des Wortlauts der gestellten Fragen. In welchem Umfang Auskunft zu erteilen ist, ergibt sich aus dem Sinn der Frage. Die Antwort soll gewährleisten, dass der Versicherer in die Lage versetzt wird, die sachgemäßen Entschließungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen (BGH, Urt. v. 21.04.1993 – IV ZR 34/92 – VersR 1993, 828). Anders als bei Anzeigeobliegenheiten kommt es bei der Auskunftsobliegenheit auch nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer das zu vermittelnde Wissen bereits selbst hat. Er muss sich über die Tatsachen, zu denen der Versicherer berechtigt Auskunft verlangt, gegebenenfalls erkundigen (BGH, Urt. v. 13.12.2006 – IV ZR 252/05 – VersR 2007, 389; BGH, Urt. v. 21.04.1993 – IV ZR 34/92 – VersR 1993, 828).
Danach liegt beispielsweise schon objektiv keine Verletzung einer Auskunftsobliegenheit vor, wenn der Versicherungsnehmer einen tatsächlich vorhandenen Zeugen eines Unfalles in der Schadenmeldung nicht angibt und er keine Anhaltspunkte dafür hat, dass es Zeugen gibt. Deshalb begründet der Bundesgerichtshof in der oben genannten Entscheidung (Beschl. v. 12.12.2007 – IV ZR 40/06 – VersR 2008, 484) die Ablehnung einer Obliegenheitsverletzung damit, es gebe nichts, worüber der Versicherungsnehmer nach seinem Kenntnisstand seinen Versicherer aufklären könne. Hat er dagegen von Seiten Dritter gehört, dass eine andere Person erklärt hat, den Unfall gesehen zu haben, fehlt ihm zwar die positive Kenntnis von einem tatsächlich vorhandenen Zeugen. Da die Frage in der Schadenmeldung nach vorhandenen Zeugen ihn aber dazu verpflichtet, auch diesen Umstand mitzuteilen, ist die vollständige Verneinung der Frage nach Zeugen eine objektive Obliegenheitsverletzung. Es gibt dann nämlich noch etwas, worüber der Versicherungsnehmer nach seinem Kenntnisstand seinen Versicherer aufklären muss. Es kommt dann nicht darauf an, dass er keine positive Kenntnis von dem Zeugen hat, sondern darauf, dass er eine positive Kenntnis davon hat, dass möglicherweise ein Zeuge vorhanden ist, und er sich nach diesem weder erkundigt noch dies dem Versicherer mitteilt.
Es darf deshalb aus der oben zitierten Rechtsprechung nicht der Schluss gezogen werden, dass ein Kennenmüssen erfragter Umstände bei der Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit nicht genügt, wenn die konkret erfragten Tatsachen (hier: sonstige Schäden) nicht positiv bekannt sind. Vielmehr muss gefragt werden, ob eine Kenntnis von gleichzeitig miterfragten – und deshalb anzugebenden – Umständen vorhanden war und eine Erkundigungspflicht bestand.
(b)
Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin ihre Aufklärungsobliegenheit nach Ziffer E.1.3 AKB 2008 durch Abgabe der Schadenmeldung objektiv verletzt.
Die Schadenmeldung stammt von der Klägerin selbst. Mit seiner Unterschrift macht sich der Versicherungsnehmer die Angaben im Schadenformular zu Eigen, auch wenn er dies nicht selbst ausgefüllt hat. Damit gibt er eine eigene Erklärung ab. Der Dritte, der das Formular ausgefüllt, aber nicht unterzeichnet hat, bereitet lediglich eine Erklärung des Versicherungsnehmers vor, wenn der Versicherungsnehmer dieses unterschreibt. Der Dritte gibt die Erklärung nicht selber anstelle des Versicherungsnehmers ab. Aus der Sicht des Erklärungsempfängers erscheint das vom Versicherungsnehmer unterschriebene Formular als dessen Erklärung und nicht als die eines mit der Erfüllung von Obliegenheiten betrauten Dritten (BGH, Urt. v. 14.12.1994 – IV ZR 304/93 – VersR 1995, 281; Senat, Urt. v. 12.07.2006 – 5 U 6/06-1 – VersR 2007, 532).
Auf die Frage nach Unfall- oder sonstigen Schäden waren alle 7 Schäden am versicherten Pkw anzugeben. Dies ist dadurch unterblieben, dass die Antwortfelder zu dieser Frage und zu den Fragen nach einer Reparatur und einer Entschädigungsleistung in der von der Klägerin unterschriebenen Schadenmeldung gestrichen waren. Die positive Kenntnis der Klägerin von diesen 7 Schäden ist zwar nicht nachgewiesen. Die Klägerin hatte aber positive Kenntnis davon, dass sie sich von 2001 bis 2008 um den versicherten Pkw nicht gekümmert hatte, der Pkw vielmehr von ihrem Sohn, der nicht mehr in ihrem Haushalt gelebt hatte, alleine genutzt worden war. Deshalb war für die Klägerin bei Unterzeichnung der Schadenmeldung offensichtlich, dass sie die Fragen nach Schäden, Reparaturen und Entschädigungsleistungen nicht beantworten konnte, ohne sich bei ihrem Sohn zu erkundigen. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie deshalb von einer Schadenfreiheit ausgehen konnte, weil ihr Sohn ihr nichts von Schäden erzählt hat und er dies sicher getan hätte, wenn es Schäden gegeben hätte. Vielmehr hat die Klägerin im vorliegenden Prozess jegliche Kenntnisse über alle Vorgänge, die den versicherten Pkw betrafen, bis hin zu dem Prozess im Jahr 2004, den ihr Sohn in ihrem Namen geführt hat, von sich gewiesen. Das spricht dafür, dass die Klägerin sich um den Pkw überhaupt nicht gekümmert hat und er nie Gesprächsgegenstand zwischen ihr und ihrem Sohn gewesen war. Deshalb wusste sie positiv, dass sie über den Pkw keine zutreffenden Aussagen machen konnte, ohne sich nach dem Wissen ihres Sohnes zu erkundigen.
Eine vollständige und richtige Auskunft durch die Klägerin wäre es deshalb nur gewesen, wenn sie sich entweder bei ihrem Sohn erkundigt und die ermittelten Umstände der Beklagten offenbart oder wenigsten der Beklagten mitgeteilt hätte, sie könne die Frage mangels jeglicher eigener Kenntnisse nicht beantworten und die Beklagte an ihren Sohn verwiesen hätte. Diese Sachlage war der Klägerin positiv bekannt. Gegenteiliges ist nicht vorgetragen.
Dagegen kann nicht argumentiert werden, die Klägerin habe die Schadenmeldung blind unterschrieben, so dass nicht einmal eine positive Kenntnis von den Fragen nach „sonstigen Schäden“ und den Antworten vorlag, so dass sogar eine Erkundigungspflicht ins Leere ginge. Der Klägerin werden nach dem oben Gesagten die Antworten als eigene Erklärungen zugerechnet und damit auch denknotwendig eine positive Kenntnis der Fragen. Andernfalls müsste die Argumentation daran ansetzen, dass die Klägerin blind unterschrieben und alleine dadurch eine objektive Obliegenheitsverletzung begangen hat, weil sie dies der Beklagten nicht angezeigt hat.
(c)
Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass der Klägerin das Wissen ihres Sohnes als Wissensvertreter wie eigenes Wissen zugerechnet wird.
Wissensvertreter ist, wer in nicht ganz untergeordneter Stellung vom Versicherungsnehmer zumindest in einem Teilbereich damit betraut ist, an dessen Stelle - oder an Stelle des dazu berufenen Organs - für das Versicherungsverhältnis rechtserhebliche Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen (BGH, Urt. v. 23.06.2004 – IV ZR 219/03 – VersR 2005, 218). Dazu genügt es, wenn der Versicherungsnehmer einem Familienangehörigen den versicherten Pkw vollständig zur Benutzung zur Verfügung stellt und sich um den Pkw in der Folgezeit nicht mehr kümmert. Dann wird der Familienangehörige damit betraut an Stelle des Versicherungsnehmers den Pkw betreffende Umstände zur Kenntnis zu nehmen (Senat, Urt. v. 15.01.2003 – 5 U 261/02-25 – r+s 2003, 147).
So liegt es beim Sohn der Klägerin. Wie unter (b) bereits ausgeführt, kümmerte sich der Sohn der Klägerin jahrelang um den Pkw unter völligem Ausschluss der Klägerin. Der Sohn der Klägerin hat nach ihrem Vortrag sieben Schadensfälle abgewickelt, in einem Fall sogar im Namen der Klägerin prozessiert, ohne mit ihr Rücksprache zu nehmen.
(2.)
Die Obliegenheitsverletzung nach § 28 Abs. 2 VVG hat die Klägerin arglistig begangen, weil ihr die Arglist ihres Ehemannes zuzurechnen ist, so dass es weder auf eine wirksame Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG ankommt noch der Klägerin der Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 VVG zugute kommen kann.
(a)
Arglist verlangt, dass der Versicherungsnehmer bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Eine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers ist nicht erforderlich. Es reicht aus, dass er einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen will und weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH, Beschl. v. 04.05.2009 – IV ZR 62/07 – VersR 2009, 968). Dabei gibt es keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen immer in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen. Denn häufig werden unrichtige Angaben aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass sie bedeutungslos seien.
Arglistig kann auch derjenige handeln, der einem anderen vorspiegelt, eine bestimmte Kenntnis von Vorgängen oder Umständen zu haben, diese Kenntnis aber in Wirklichkeit nicht hat, ebenso wie derjenige, der sich der ihm ohne weiteres möglichen und zumutbaren Erkenntnis der die Täuschung begründenden Umstände verschließt und das Fehlen derartiger Umstände blindlings erklärt. Dass ihm die Umstände tatsächlich nicht bekannt waren, ist dabei unerheblich. Das arglistige Verhalten liegt gerade darin, dass dem Erklärenden, was ihm auch bewusst war, jegliche zur sachgemäßen Beantwortung erforderliche Kenntnis fehlte und er gleichwohl diesen Umstand gegenüber dem anderen Teil verschwieg (BGH, Urt. v. 08.05.1980 – IVa ZR 1/80 – NJW 1980, 2460; BGH, Urt. v. 11.05.2001 – V ZR 14/00 – NJW 2001, 2326; Wandt in: MünchKomm(VVG), § 28 Rdn. 302). Dabei genügt es, wenn der arglistig Handelnde es zumindest billigend in Kauf nimmt, dass die ins Blaue hinein gemachten Angaben für den Versicherer nachteilige Auswirkungen haben können, er also dessen freie rechtsgeschäftliche Willensentscheidung unlauter beeinflusst (Wandt in: MünchKomm(VVG), § 28 Rdn. 302; Felsch in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, § 28 Rdn. 76). Sowohl für das Bewusstsein der Obliegenheitsverletzung als auch der nachteiligen Auswirkung für den Versicherer genügt folglich bedingter Vorsatz, wenn Angaben „ins Blaue hinein“ erfolgen.
Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung und die nachteilige Auswirkung für die Entscheidung des Versicherers zwar nicht direkt gewollt, sie sich aber immerhin als möglich vorgestellt und für den Fall ihres Vorliegens gebilligt hat. Entscheidend – in Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit – ist demnach das Inkaufnehmen der als möglich erkannten Obliegenheitsverletzung. Ein solches Inkaufnehmen/Billigen ist anzunehmen, wenn sich der Handelnde die reale Möglichkeit des Erfolgseintritts vor Augen hält und trotzdem handelt oder er die Augen vor der Möglichkeit des Erfolgseintritts verschließt, also „ins Blaue handelt“, ohne das Risiko des Erfolgseintritts nachzuprüfen. Der Vorsatz ist dagegen dann zu verneinen, wenn der Handelnde ernsthaft darauf vertraute, der Erfolg werde nicht eintreten oder er werde ihn abwenden können. Hierfür ist maßgeblich, wie begründet diese Hoffnung war (vgl. Senat, Urt. v. 12.07.2006 – 5 U 6/06-1 – VersR 2007, 532 m.w.N.; Grundmann in: MünchKommBGB, 4. Aufl., § 276 Rn. 161).
(b)
Danach ist das Handeln der Klägerin selbst zwar nicht als arglistig zu qualifizieren.
Die Fragen im Schadenformular dienten der Feststellung des Versicherungsfalles, also der Frage, ob der Versicherer eintrittspflichtig ist, andererseits der Klärung der Höhe der Entschädigungsleistung, also der Feststellung des Wiederbeschaffungswertes des entwendeten Pkw’s, den die Klägerin bei der Beklagten geltend gemacht hat. Durch das blinde Unterschreiben der von ihrem Ehemann ausgefüllten Schadenmeldung, ohne sich in irgendeiner Weise Gedanken um die Richtigkeit und Vollständigkeit der Antworten zu machen, konnte die Klägerin die Möglichkeit der Falschbeantwortung und der falschen Feststellung des Wiederbeschaffungswertes nicht ausschließen. Das Risiko, dass es dazu kam, hat sie nicht nachgeprüft, hat mit ihrem Ehemann nicht über die Fragen gesprochen, hat ihn nicht gefragt, ob die Beantwortung schwierig war und weitere Informationen eingeholt werden mussten, hat sich nicht einmal vergewissert, ob er vorher den Sohn befragte hatte. Für sie lag es auf der Hand, dass nur der Sohn, der sich völlig unabhängig in den letzten Jahren um den Pkw gekümmert hatte, Angaben zu dem Pkw machen konnte. Trotzdem hat sie sich um nichts gekümmert.
Allerdings hat die Klägerin sich auf ihren Ehemann verlassen. Deshalb kann, obwohl die Klägerin bewusst trotz Fehlens jeglicher eigener Entscheidungsgrundlage gehandelt hat, nicht davon ausgegangen werden, dass ihr der Erfolgseintritt, also nachteilige Auswirkungen für die Beklagte aufgrund von falschen oder unvollständigen Antworten, gleichgültig war, sie also den Erfolg billigend in Kauf genommen hat. Vielmehr konnte sie ernsthaft darauf vertrauen, der Erfolg werde nicht eintreten. Diese Hoffnung war auch nicht von vornherein unbegründet, wenn ihr Ehemann – wie in der Vergangenheit – die Angelegenheit ordnungsgemäß behandelte. Anhaltspunkte dafür, dass der Ehemann der Klägerin ihr nicht als zuverlässig erscheinen konnte, sind nicht dargetan.
Dementsprechend hat die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen auch kein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers angenommen (OLG Schleswig, OLGR Schleswig 1996, 130 – Ausfüllen des Schadenformulars durch eine Vertrauensperson; OLG Hamm, NJWE-VHR 1997, 101, – in einem Fall, in dem sich eine Ehefrau auf die Kilometerangabe ihres Ehemannes blind verlassen hatte; OLG Düsseldorf, Schaden-Praxis 1998, 361, – Qualifizierung „blinden Unterschreibens“ im Vertrauen auf einen 20 Jahre lang ohne Beanstandung tätigen selbständigen Versicherungsagenten als lediglich grob fahrlässig bzw. leichtfertig.
Da die Klägerin durch das „blinde“ Unterschreiben weder vom Inhalt der Fragen noch von den Antworten tatsächlich Kenntnis hatte, kann ihr subjektiv nicht vorgehalten werden, dass sie die Frage nach „sonstigen Schäden“ nicht falsch verstehen konnte, und es keine andere Erklärung dafür gibt, die vielfachen Vorschäden nicht angegeben zu haben, um die Kalkulation des Wiederbeschaffungswertes nicht zu ihrem Nachteil zu belasten. Auffallend ist zwar, dass sie bis heute keine Reparaturrechnungen vorgelegt und nicht einmal substantiiert dargelegt hat, durch wen, wie und wann die Reparaturen erfolgt sind. Weil sie aber „blind“ unterschrieben hat, ist ihr keine inhaltliche Falschangabe vorzuhalten, sondern nur der generelle Umstand ihrer Angaben „ins Blaue hinein“, was nach dem eben Gesagten nicht genügt, um von einem arglistigen Handeln auszugehen.
(c)
Allerdings hat der Ehemann der Klägerin arglistig gehandelt, indem er die Fragen im Schadenformular „ins Blaue hinein“ verneint hat.
Die Annahme arglistigen Verhaltens liegt nahe, wenn der Versicherer über den Wert der versicherten und zu entschädigenden Sache oder über diesen Wert bestimmende Faktoren in erheblichem Maße getäuscht wird. Davon ist auszugehen, wenn dem Versicherer auf klare und unmissverständliche Fragen hin erhebliche Vorschäden verschwiegen werden. Es ist für den Versicherungsnehmer leicht zu erkennen, dass der Versicherer ein offenkundiges Interesse daran hat zu erfahren, ob Vorschäden vorlagen, ob und wie die für notwendig gehaltenen Reparaturen vorgenommen worden sind, und entsprechende Belege zu erhalten, damit die Höhe der von ihm zu leistenden Entschädigung richtig festgelegt werden kann (Senat, Urt. v. 30.04.2008 – 5 U 614/07-58). Auch der Ehemann der Klägerin wusste, dass er zu Vorschäden des Pkw’s wegen der jahrelangen Besitzzeit des Sohnes nichts sagen konnte. Er hat Angaben „ins Blaue hinein“ gemacht, indem er die Fragen „Welche Unfall- oder sonstigen Schäden hatte das Fahrzeug vor diesem Schadenfall erlitten?“, „Welche Schäden sind entstanden?“, „Wurden diese vor diesem Schadenfall vollständig repariert?“ und „Erhielten Sie eine Entschädigung(Versicherer)?“ durch ein Durchstreichen der Antwortfelder verneint hat. Diese Fragen waren eindeutig und nicht miss zu verstehen. Da auch danach gefragt war, ob die Schäden vor dem Schadenfall vollständig repariert worden waren, war eindeutig nicht nur nach Schäden gefragt, die im Zeitpunkt des Versicherungsfalls noch vorhandenen waren. Auch dem Ehemann der Klägerin muss außerdem beim Ausfüllen des Formulars klar gewesen sein, dass die Fragen nicht nur der Feststellung des Versicherungsfalles, sondern auch der Klärung der Höhe der Entschädigungsleistung, also der Feststellung des Wiederbeschaffungswertes des entwendeten Pkw’s, dienten, den die Klägerin bei der Beklagten geltend gemacht hat. Dass dazu Vorschäden und die Art und Weise ihrer Reparatur für die Beklagte von Interessen waren, war offensichtlich. Da der Ehemann der Klägerin an anderer Stelle im Schadenformular durchaus Fragen detailliert beantwortet hat, muss er erkannt haben, dass es der Beklagten um die Feststellung der wertrelevanten Faktoren ging. Da wertsteigernde Faktoren angegeben waren (der Austauschmotor und die Scheckheftpflege), die möglicherweise wertsenkenden Faktoren (wie Vorschäden) aber nicht, spricht alles dafür, dass der Ehemann der Klägerin diese bewusst weggelassen hat, um entweder eine höhere Versicherungsleistung zu erreichen oder zumindest Nachfragen der Beklagten zu verhindern, was genügt, weil eine Betrugsabsicht nicht erforderlich ist. Jedenfalls hat er aber vorher seinen Sohn nicht befragt, so dass er „Angaben ins Blaue hinein“ durch das Ausfüllen des Schadenformulars verursachte. Es lag für ihn auf der Hand, dass nur sein Sohn, der sich völlig unabhängig in den letzten Jahren um den Pkw gekümmert hatte, Angaben zu dem Pkw machen konnte, so dass er eine unlautere Willensbeeinflussung der Beklagten billigend in Kauf genommen hat. Er hat nämlich die reale Möglichkeit des Erfolgseintritts erkannt und trotzdem gehandelt bzw. die Augen vor der Möglichkeit des Erfolgseintritts verschlossen, ohne das Risiko des Erfolgseintritts nachzuprüfen. Dabei gab es für ihn keine Anhaltspunkte, darauf vertrauen zu können, der Erfolg werde nicht eintreten.
(d)
Diese Arglist ist der Klägerin analog § 166 BGB zuzurechnen.
Der Bundesgerichtshof hat zwar unter Geltung des früheren VVG entschieden, dass sich der Versicherungsnehmer mit seiner Unterschrift unter das Schadenformular die dortigen Angaben zu eigen macht und dadurch eine eigene Erklärung abgibt, die ein Dritter lediglich vorbereitet hat, so dass für eine entsprechende Anwendung des § 166 BGB kein Raum sei, auch wenn er die Unterschrift „blind“ oder „blanko“ geleistet habe. Im Unterschied zum Wissenserklärungsvertreter habe der Versicherungsnehmer, der sich die Unterschrift unter die Erklärung vorbehalten habe, den Erklärungsgehilfen nicht damit betraut, die Erklärung selbst abzugeben. Der bloße Auftrag des Versicherungsnehmers an einen Dritten, ihm bei der Abfassung der Erklärung behilflich zu sein, reiche als Zurechnungsgrund nicht aus. Die Zurechnung von subjektiven Mängeln, die der Erklärungsgehilfe verursacht habe, komme der Haftung für einen Erfüllungsgehilfen gleich, die das Versicherungsrecht nicht kenne (BGH, Urt. v. 14.12.1994 – IV ZR 304/93 – VersR 1995, 281).
Diese früher vom Bundesgerichtshof angestellten Überlegungen überzeugen vollständig in den Fällen, in denen der Versicherungsnehmer die Fragen und die vom Dritten bereits ausgefüllten Antworten liest, bevor er unterschreibt. Dort ist – um den Versicherungsschutz nicht durch eine Haftung für Erfüllungsgehilfen zu entwerten – eine Zurechnung ausgeschlossen. Der Versicherungsnehmer hat sich in diesen Fällen eigene Gedanken gemacht und will eine eigene Erklärung abgeben. Es ist wegen seiner eigenen Gedanken auch Raum für eine differenzierte Prüfung seines eigenen Verschuldens. Das ist aber in den Fällen anders, in denen der Versicherungsnehmer – so wie hier – das fertig ausgefüllte Formular blind unterschreibt. Mangels jeglicher eigener Gedanken des Versicherungsnehmers gibt es keinen Anknüpfungspunkt für eine Arglistprüfung außer dem Umstand des blinden Unterschreibens. Dies führt in den Fällen, in denen der Erklärungsgehilfe nicht vertrauenswürdig ist – so wie wohl in dem oben genannten vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – nicht zu unbilligen Ergebnissen, weil dann bereits ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers durch Angaben „ins Blaue hinein“ im Raum steht. Anders ist dies jedoch in dem hier zu entscheidenden Fall, wenn der Versicherungsnehmer sich auf eine vertrauenswürdige Person verlassen darf. Findet dann nämlich keine Zurechnung statt, entstehen – zumindest nach neuem Recht, welches keine Vorsatzvermutung mehr kennt und nur noch im Fall von Arglist keinen Kausalitätsgegenbeweis mehr zulässt – willkürliche Ergebnisse.
Denn dann entscheidet über die Frage, ob ein arglistiges Verhalten des Erklärungsgehilfen zugerechnet werden kann oder nicht alleine der formale Unterschied, ob der Versicherungsnehmer die Unterschrift selbst leistet oder dies auch noch dem Erklärungsgehilfen überlässt. Im letzteren Fall erfolgte eine Zurechnung über § 166 BGB analog wegen des Einsatzes des Dritten als Wissenserklärungsvertreter. Obwohl kein Unterschied erkennbar ist, wenn der Versicherungsnehmer eine Vertrauensperson, beispielsweise seinen Ehegatten mit dem Ausfüllen beauftragt, ob er anschließend selbst „blind“ unterschreibt oder dies von seiner Vertrauensperson auch noch erledigen lässt, wird einmal arglistiges Verhalten zugerechnet und im anderen Fall nicht.
Zur Begründung einer unterschiedlichen Entscheidung in beiden Fällen kann nicht argumentiert werden, anders als beim Wissenserklärungsvertreter habe sich der Versicherungsnehmer im anderen Fall die Unterschrift unter die Erklärung vorbehalten und den Erklärungsgehilfen gerade nicht damit betraut, eine eigene Erklärung abzugeben. Für die Frage der Zurechnung spielt das keine Rolle, sondern nur für die überzeugende Annahme des Bundesgerichtshofs, der Versicherungsnehmer gebe eine eigene Erklärung ab, wenn er selbst unterschreibe, die Ansatzpunkt für eine Prüfung des eigenen Verschulens des Versicherungsnehmers sei.
Ein unterschiedliches Ergebnis in beiden Fällen kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass der bloße Auftrag des Versicherungsnehmers an einen Dritten, ihm bei der Abfassung der Erklärung behilflich zu sein, als Zurechnungsgrund nicht ausreiche und das Versicherungsrecht eine Haftung für einen Erfüllungsgehilfen nicht kenne. Damit wird überzeugend begründet, dass keine Zurechnung für ein Verhalten eines Dritten angenommen werden darf, der dem Versicherungsnehmer nur in irgendeiner Weise bei der Abfassung der Erklärung behilflich ist. Das hat aber seine Grenze dort, wo der Versicherungsnehmer „blind“ das vom Dritten selbstständig ausgefüllte Schadenformular unterschreibt. Denn dann geht es nicht mehr um die Zurechnung des Handelns einer Hilfsperson, sondern um die Zurechnung des Handelns einer Ersatzperson, genauso wie beim Handeln eines Wissenserklärungsvertreters. Das wird besonders deutlich, wenn man das vom Bundesgerichtshof angeführte Argument betrachtet, ein Unterschied sei gerechtfertigt, weil sich der Versicherungsnehmer anders als beim Wissenserklärungsvertreter die Unterschrift unter der Erklärung vorbehalten habe. Das ist beim Handeln einer Hilfsperson richtig und ein gewichtiger Unterschied zur eigenverantwortlichen Beauftragung mit dem Ausfüllen und Unterschreiben des Schadenformulars, aber nur bei eigener Durchsicht und Überlegung des Versicherungsnehmers vor seiner Unterschriftsleistung. Ohne entscheidende Bedeutung ist dieses Argument aber im Falle des blinden Unterschreibens, weil das „Vorbehalten der Unterschriftsleistung“ dann ein rein formaler Akt ist, der keinen sachlichen Unterschied bei der Zurechnung in beiden Fällen rechtfertigt.
Aus diesen Gründen ist es in dem Fall, in dem der Versicherungsnehmer „blind“ handelt, gerechtfertigt, eine Arglist des Dritten zuzurechnen. Dies nimmt der Versicherungsnehmer gerade in Kauf, wenn er konkret im Vertrauen auf den Dritten handelt. Er weiß dann, dass es nicht alleine auf seine Person ankommen kann, er sich also nicht durch die formale Arbeitsteilung entlasten kann. Durch sein Verhalten hat er vielmehr einen konkreten Zurechnungstatbestand gesetzt. Dogmatisch ist dies dadurch zu begründen, dass die Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB auf die Fälle des bewusst ungeprüften Handelns bei der Erfüllung von Aufklärungsobliegenheiten erweitert wird.
Durch diese Zurechnung wird nicht nur verhindert, dass ein rein formaler Unterschied entscheidende und ihm nicht zustehende Bedeutung erlangt, sondern es wird zugleich verhindert, dass – gerade im Zusammenwirken von Ehegatten – ein formaler Weg zur Verfügung steht, in der Praxis nicht beweisbare, bewusste Aufklärungspflichtverletzungen folgenlos vornehmen zu können. Wegen der Einschränkung des Kausalitätsgegenbeweises ist die Gefahr eines solchen Verhaltens ohnehin angewachsen.
Gegen die Zurechnung eines arglistigen Verhaltens des Erklärungsgehilfen bei bewusst ungeprüften Handelns bei der Erfüllung von Aufklärungsobliegenheiten kann auch nicht eingewandt werden, ohne Zurechnung bleibe der Versicherer zwar leistungspflichtig, könne aber bei dem Erklärungsgehilfen Regress nehmen. Zum einen erscheint es nicht praxistauglich, den Versicherer zur Leistung zu verpflichten und von ihm ein Vorgehen gegen den Erklärungsgehilfen zu verlangen, weil dieser aufgrund seiner Vertrauensstellung dem Versicherungsnehmer gewöhnlich sehr nahe stehen wird, so dass eine unbefriedigende Anspruchsaufspaltung entstehen würde. Außerdem müssen die in Frage kommenden deliktischen Anspruchsgrundlagen gegen den Erklärungsgehilfen selbst in Fällen seiner Arglist nicht immer begründet sein, weil diese den Nachweis eines Vorsatzes voraussetzen, den Versicherer finanziell zu schädigen. Dieser Nachweis wird oft nicht zu führen sein. Außerdem entstände praktisch die Möglichkeit eines Kausalitätsgegenbeweises in Fällen, in denen dem Versicherer gegenüber in Arbeitsteilung arglistig gehandelt wurde.
Eine Zurechnung des Verschuldens eines Erklärungsgehilfen außerhalb der Haftung für Wissenserklärungsvertreter – etwa über die Repräsentation durch Vertragsverwaltung (siehe dazu Pröss in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28.Aufl., § 28 Rdn. 69) – erscheint nicht sinnvoll und würde – ohne Vorteile – die Grenzen beider Rechtsfiguren verwischen (so auch Looschelders in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 17 Rdn. 46). Grundsatz der Repräsentantenhaftung ist auch, dass der Versicherungsnehmer sich das Repräsentantenverhalten nur insoweit zurechnen lassen muss, als er den Dritten an seine Stelle hat treten lassen (BGH, Urt. v. 14.03.2007 – IV ZR 102/03 – VersR 2007, 673). Zur Beantwortung dieser Frage würden sich dieselben Probleme stellen, wie sie oben behandelt sind, ob die eigene – „blinde“ – Unterschriftsleistung die Annahme zulässt, dass der Dritte an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Es erscheint deshalb vorzugswürdig, diese Rechtsfrage bei der Erfüllung der Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit beim Handeln Dritter im Rahmen der Rechtsfigur des Wissenserklärungsvertreters zu behandeln.
Gleiches gilt für die Rechtsfigur des Wissensvertreters. Für den Bereich der Aufklärungsobliegenheiten ist die Zurechnung des Handelns eines Wissenserklärungsvertreters beim Einsatz eines Erklärungsgehilfen, der ein Schadenformular ausfüllt, ein speziellerer Fall. Vergleichbare Überlegungen aber bei der Wissensvertretung anzustellen, verwischt die Grenzen beider Rechtsfiguren. Außerdem ist nach der Rechtsprechung Wissensvertreter derjenige, den der Geschäftsherr dazu berufen hat, im Rechtsverkehr für ihn bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls weiterzugeben (BGH, Urt. v. 21.06.2000 – IV ZR 157/99 – VersR 2000, 1133). Zur Feststellung dieser Tatbestandsmerkmale kommt es also auf die Frage an, inwieweit der Versicherungsnehmer den Erklärungsgehilfen zur Aufgabenerledigung berufen hat, wenn er ungeprüft unterschreibt, also auf dieselben Wertungsfragen wie oben. Würde argumentiert, in der Beauftragung mit dem Ausfüllen eines Schadenformulars liege die Betrauung, die für die Beantwortung der Fragen nötigen Informationen zu ermitteln und zu verwerten, und beim „blinden“ Unterschreiben geschehe dies in eigener Verantwortung, würde eine Zurechnung als Wissensvertreter ebenfalls entsprechend § 166 BGB analog erfolgen. Es erscheint auch fraglich, ob die Beauftragung mit dem Ausfüllen eines Schadenformulars stets als eine solche in eigener Verantwortung verstanden werden kann, weil der Beauftragte nicht immer wissen kann, dass der Versicherungsnehmer später „blind“ unterschreibt, anstatt lediglich nach einer Hilfeleistung die Angaben selber prüft und verantworten will.
Es ändert auch nichts, dass nach dem oben Gesagten der Sohn der Klägerin als ihr Wissensvertreter anzusehen ist, so dass die Klägerin so zu behandeln ist, als habe sie in Kenntnis seines Wissens (von den sieben Schäden) sich so verhalten wie geschehen. Dies änderte nichts daran, dass ihr Vertrauen in die Richtigkeit der Angaben durch ihren Ehemann einer eigenen Arglist entgegenstände. Weil sie das Schadenformular nicht gelesen hat, hatte sie keine Kenntnis von den Fragen und den Antworten, wusste also nicht, dass nach Schäden gefragt war und diese verneint waren.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass es bei der Verschuldensprüfung im Rahmen einer Obliegenheitsverletzung zunächst alleine auf die Person des Versicherungsnehmers ankommt, wenn er selbst unterschrieben hat. In dem Fall aber, dass er die erheblichen Tatsachen nicht selbst überprüft hat und überprüfen wollte, sondern sich vollständig auf die Information des Dritten verlassen hat, ist zunächst zu prüfen, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt war, also nicht bereits deshalb ein eigenes arglistiges Verhalten anzunehmen ist, weil der Versicherungsnehmer bewusst falsche Antworten billigend in Kauf genommen hat. Durfte er sich aber auf den Dritten verlassen, wird ein arglistiges Handeln des Dritten zugerechnet. Es kommt für diese Zurechnung nicht darauf an, wer unterschrieben hat, sondern darauf, dass der Versicherungsnehmer die erheblichen Tatsachen nicht selbst überprüft hat und überprüfen wollte.
Die Zurechnung in vorliegendem Fall steht auch mit der Entscheidung des Senats vom 16.06.2010 – 5 U 272/08-35 – in Einklang. Dort ist eine Arglist des beratenden Versicherungsmaklers dem Versicherungsnehmer nicht zugerechnet worden. Allerdings hatte in diesem Fall der Versicherungsnehmer das vom Makler vorbereitete Formular nicht „blind“ unterschrieben, so dass dort kein bewusst ungeprüftes Handeln vorlag, welches Anknüpfungspunkt der Zurechnung sein konnte. Vielmehr war dort der Versicherungsnehmer bei seinem eigenen Handeln nach der falschen Beratung des Maklers schutzwürdig.
(4.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen. Die Entscheidung weicht teilweise von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.12.1994 – IV ZR 304/93 – VersR 1995, 281 ab.