Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 12. Juli 2006 - 5 U 6/06 - 1

published on 12/07/2006 00:00
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 12. Juli 2006 - 5 U 6/06 - 1
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Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 30.11.2005 – Az: 12 O 203/05 – wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.800,00 EURO festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Leistungen aus einer Unfallversicherung zurück.

Der Beklagte unterhielt seit September 2003 eine Unfallversicherung bei der Klägerin, der die American Express Vital Express Unfallversicherungs-Bedingungen (Bl. 11ff d.A.) zugrunde lagen. Diese sehen unter Ziffer 5.1.1. einen Leistungsausschluss für Unfälle durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, vor. Ziffer 6.2. verlangt ein wahrheitsgemäßes Ausfüllen und unverzügliches Zurücksenden der von der Klägerin übersandten Unfallanzeigen. Ziffer 7 beschreibt die Folgen von Obliegenheitsverletzungen, die nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen sind.

Am 04.12.2004 gegen 1:35 Uhr wurde der Beklagte beim Überqueren der Richard-Wagner-Straße in S. von einem Pkw erfasst. Die Straße ist dort vierspurig. Die erste, vom Beklagten betretene Spur wurde zum Parken verwendet, die beiden nächsten Spuren benutzte der aus Sicht des Beklagten von links kommende Verkehr, die vierte Spur diente dem Verkehr von rechts. Der Beklagte wurde von einem von rechts kommenden Pkw in der Mitte der vierten Fahrspur, rund 2 Meter vor Erreichen des Bürgersteiges angefahren. Der Fahrer dieses Pkws war zum Unfallzeitpunkt erheblich alkoholisiert (mindestens 1,86‰ BAK). Der Beklagte, der ebenfalls vor dem Unfall Alkohol getrunken hatte, wurde erheblich verletzt und musste sich in stationäre Krankenhausbehandlung begeben. In der vom Beklagten unterschriebenen Unfallanzeige vom 30.12.2004 (Bl. 20ff d.A.) war die Frage nach Alkoholkonsum in den letzten 12 Sunden vor dem Unfall mit „Nein“ angekreuzt. In der Unfallanzeige war über der Unterschrift in hervorgehobenem Druck darauf hingewiesen, dass vorsätzlich oder grob fahrlässige unwahre bzw. lückenhafte Angaben auch dann zum Verlust des Versicherungsanspruchs führen können, wenn dem Versicherer kein Nachteil entsteht, und dass der Versicherungsnehmer auch dann für den Inhalt dieser Unfallanzeige verantwortlich ist, wenn er sie nicht selbst ausgefüllt hat.

Die Klägerin erbrachte daraufhin unter ausdrücklichem Rückforderungsvorbehalt mit dem Hinweis, sie habe die Ermittlungsakte noch nicht eingesehen (Bl. 28ff d.A.), Versicherungsleistungen (Krankenhaustagegeld) in Höhe von 11.800,00 EUR an den Beklagten. Nachdem die Klägerin durch Einsicht in die amtliche Ermittlungsakte festgestellt hatte, dass dort eine BAK des Beklagten von 2,79‰ festgehalten war (Bl. 34 d.A.), lehnte sie weitere Versicherungsleistungen ab und forderte die erbrachten Leistungen zurück.

Die Klägerin behauptete, der Beklagte habe eine BAK von 2,79‰ gehabt. Der Unfall beruhe auf seiner trunkenheitsbedingten Bewusstseinsstörung. Der Beklagte behauptete, seine Ehefrau habe ihm beim Ausfüllen der Unfallanzeige geholfen und die Frage nach einem Alkoholkonsum mit „Nein“ angekreuzt. Das Landgericht verurteilte den Beklagten antragsgemäß zur Rückzahlung der Versicherungsleistung in Höhe von 11.800,00 EUR nebst Zinsen. Der Beklagte hat dagegen Berufung eingelegt und beantragt,

unter Aufhebung des am 30.11.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken, Aktenzeichen 12 O 203/05, die Klage abzuweisen.

Erstmals in der Berufungsschrift behauptet der Beklagte, er habe wegen seines Gesundheitszustandes nicht erkannt, welche Rechtsfolgen seine Unterschrift habe.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Verletzung des Rechts noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Die Klägerin hat einen Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB gegen den Beklagten auf Rückzahlung der Versicherungsleistung. Die Klägerin ist gemäß Ziffer 6.2 und 7 der Versicherungsbedingungen in Verbindung mit §§ 6 Abs. 3, 34 VVG leistungsfrei, so dass der Beklagte Zahlungen ohne Rechtsgrund erhalten hat. Der Beklagte hat die Klägerin vorsätzlich nicht über seinen erheblichen Alkoholkonsum aufgeklärt.

(1.) Nach Ziffer 6.2 und 7 der Versicherungsbedingungen in Verbindung mit §§ 6 Abs. 3, 34 VVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn eine nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllende Obliegenheit verletzt wird, es sei denn, dass die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht.

Die vom Beklagten zu erfüllenden Obliegenheiten bestimmen sich nach Ziffer 6.2 der Versicherungsbedingungen. Danach hat der Versicherungsnehmer u.a. die Unfallanzeigen wahrheitsgemäß auszufüllen und unverzüglich zurückzusenden. Diese Obliegenheit hat der Beklagte verletzt, weil in seiner Schadensanzeige vom 30.12.2004 die Frage nach einem Alkoholkonsum in den letzten 12 Stunden vor dem Unfall wahrheitswidrig mit „Nein“ beantwortet war. Der Beklagte hatte – nach seinem eigenen Vortrag - vier bis fünf Flaschen Bier in den letzten 12 Stunden vor dem Unfall getrunken.

Die Schadensanzeige vom 30.12.2004 stammt vom Beklagten selbst. Mit seiner Unterschrift macht sich der Versicherungsnehmer Angaben im Schadenformular zu Eigen. Damit gibt er eine eigene Erklärung ab. Ein Dritter bereitet mit dem Ausfüllen des Formulars lediglich eine Erklärung des Versicherungsnehmers vor, wenn der Versicherungsnehmer dieses unterschreibt. Der Dritte gibt die Erklärung nicht selber anstelle des Versicherungsnehmers ab. Aus der Sicht des Erklärungsempfängers erscheint das vom Versicherungsnehmer unterschriebene Formular als dessen Erklärung und nicht als die eines mit der Erfüllung von Obliegenheiten betrauten Dritten. Für eine entsprechende Anwendung des § 166 BGB ist deshalb kein Raum (BGH, Urt. v. 14.12.1994 – IV ZR 304/93 – VersR 1995, 281). Es kommt daher auf das Verschulden des Beklagten selbst an, nicht das Verschulden seiner Ehefrau, die nach seinem Vortrag die Frage nach dem Alkoholkonsum angekreuzt haben soll.

(2.) Der Beklagte hat die Obliegenheit vorsätzlich verletzt. Vorsatz im Sinne von § 6 Abs. 3 VVG erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein der Verhaltensnorm, wobei bedingter Vorsatz genügt (Senat, Urt. v. 22.08.1990 – 5 U 21/90 – VersR 1991, 872; Prölss in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27.Aufl., § 6 Rn. 116; Römer in Römer/Langheid, VVG, 2.Aufl., § 6 Rn. 80). Ein solcher ist anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung zwar nicht direkt gewollt, sie sich aber immerhin als möglich vorgestellt und für den Fall ihres Vorliegens gebilligt hat. Entscheidend – in Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit – ist demnach das Inkaufnehmen der als möglich erkannten Obliegenheitsverletzung. Ein solches Inkaufnehmen/Billigen ist anzunehmen, wenn sich der Handelnde die reale Möglichkeit des Erfolgseintritts vor Augen hält und trotzdem handelt. Der Vorsatz wird nur verneint, wenn der Handelnde ernsthaft darauf vertraute, der Erfolg werde nicht eintreten oder er werde ihn abwenden können. Hat der Handelnde freilich die als nahe liegend erkannte Möglichkeit vorausgesehen, dass der Erfolg eintreten werde, kann er nicht darauf vertraut haben, dass es nicht dazu kommen werde, mag er das auch gehofft und gewünscht haben. Entscheidend für die Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit ist also, wie begründet die Hoffnung war (MünchKommBGB/Grundmann, 4.Aufl., § 276 Rn. 161). Schließlich ist Vorsatz gegeben, wenn der Handelnde die Augen vor der Schädigungsmöglichkeit verschließt oder „ins Blaue handelt“, ohne das Risiko des Erfolgseintritts nachzuprüfen (OLG Hamm, OLGR Hamm 1996, 259; MünchKommBGB/Grundmann, a.a.O.).

Es kommt folglich nicht darauf an, ob dem Beklagten die weit reichende Bedeutung seiner verschwiegenen erheblichen Alkoholisierung – nach den (allerdings der Überprüfung bedürftigen) Feststellungen in der Ermittlungsakte 2,79‰ BAK – für seinen Leistungsanspruch erkennbar war und er diese bewusst verheimlichte, um seine Ansprüche nicht zu gefährden. Es genügt, dass den Beklagten jedenfalls der Vorwurf des bedingt vorsätzlichen Handelns trifft, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Der Beklagte hat nach eigenen Angaben das von Dritten, seiner Ehefrau und einem Arzt, teilweise ausgefüllte Formular nicht zur Kenntnis genommen und sich dadurch mit seiner Unterschrift Angaben „ins Blaue hinein“ zu Eigen gemacht, ohne das Risiko nachzuprüfen, ob die Eintragungen der Dritten falsch sind. Dadurch lag eine Obliegenheitsverletzung durch falsche Angaben so nahe, dass der Beklagte deren Eintritt gebilligt hat, zumal seine Frau nach seiner Erklärung im Termin vom 09.11.2005 nicht gewusst habe, dass er etwas getrunken habe, und ihn danach auch nicht gefragt habe.

(3.) Diese vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Beklagten führt zur Leistungsfreiheit der Klägerin, weil sie jedenfalls generell geeignet war, die Interessen der Klägerin ernsthaft zu gefährden, den Beklagten ein schweres Verschulden traf – sie also subjektiv von einigem Gewicht war – und der Beklagte über die Folgen seines Handelns ausreichend belehrt worden war.

Grundsätzlich kann sich ein Versicherer nach der "Relevanzrechtsprechung" dann nicht auf die vereinbarte Leistungsfreiheit berufen, wenn der Obliegenheitsverstoß generell ungeeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, oder den Versicherungsnehmer subjektiv kein schweres Verschulden trifft. Die Relevanzrechtsprechung schränkt die Leistungsfreiheit des Versicherers aber nur ein, wenn die Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers folgenlos geblieben ist, dem Versicherer also bei der Feststellung des Versicherungsfalles oder des Schadensumfanges keine Nachteile entstanden sind (BGH, Urt. v. 07.07.2004 – IV ZR 265/03 – VersR 2004, 1117).

Konkreter Anhaltspunkt für einen Nachteil des Versicherers – und damit fehlende Folgenlosigkeit – ist die erhebliche Vorschussleistung in Höhe von 11.800,00 EUR. Eine solche wird in der Rechtsprechung (OLG Köln, RuS 2003, 462 und RuS 1997, 140) und zum Teil in der Literatur (Marlow in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 13 Rn. 102) ohne Begründung als Fall angesehen, in dem die Obliegenheitsverletzung nicht folgenlos ist. Andere stellen zur Bestimmung der Folgenlosigkeit ausdrücklich auf § 6 Abs. 3 S.2 VVG ab und halten einen bloßen Nachteil für das Feststellungsverfahren als solchen, etwa Mehraufwendungen, für nicht ausreichend (OLG Karlsruhe, RuS 1999, 447). Der Bundesgerichtshof hat einen vorübergehenden Aufklärungsnachteil, verbunden mit einer Zahlung, ausreichen lassen (BGH, Urt. v. 19.03.1981 – IVa ZR 75/80 – VersR 1981, 625).

Vorliegend kommt es aber nicht auf die Definition der Folgenlosigkeit im Sinne der Relevanzrechtsprechung an. Die Klägerin hat in Ziffer 7 Abs. 3 ihrer AVB mit den Worten „in diesen Fällen“ auf die Formulierung in Abs.2, die entsprechend der Kausalitätsregelung in § 6 Abs. 3 S. 2 VVG entspricht, verwiesen, so dass dessen Kausalitätsmaßstab gilt. Es genügt deshalb hier jedenfalls nicht irgendein Nachteil, der darin liegt, dass das Feststellungsverfahren ohne die Obliegenheitsverletzung anders verlaufen wäre, sondern es müssen durch sie die Feststellungen selbst im Ergebnis zum Nachteil des Versicherers beeinflusst worden sein (BGH, Urt. v. 04.05.1964 – II ZR 153/61 – BGHZ 41, 327 zu § 6 Abs. 3 S. 2 VVG). Die unter Vorbehalt erfolgte Zahlung der Versicherungssumme ist deshalb kein ausreichender Nachteil im Sinne von Ziffer 7 der Versicherungsbedingungen, denn sie betrifft nicht das Ergebnis der Feststellung selbst (allgemein: Prölss in Prölss/Martin, a.a.O., § 6 Rn. 104 – der Hinweis auf die Entscheidung des OLG Köln ist nicht zutreffend, weil es dort um die Folgenlosigkeit im Rahmen der Relevanzrechtsprechung geht).

Andere Beeinträchtigungen der Feststellung des Versicherungsfalles bzw. des Leistungsumfangs durch die Obliegenheitsverletzung des Beklagten sind nicht ersichtlich. Selbst wenn wegen ausreichenden Vorbehalts der Klägerin bei Vorschusszahlung der Beklagte als Versicherungsnehmer für den Kausalitätsgegenbeweis beweisbelastet wäre, geht es um einen negativen Beweis, der so zu führen ist, dass die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Möglichkeiten widerlegt werden müssen und der Versicherungsnehmer abwarten kann, welche dann ebenfalls von ihm zu widerlegenden Behauptungen der Versicherer über Art und Maß der Kausalität aufstellt (BGH, Urt. v. 04.05.1964 – II ZR 153/61 – BGHZ 41, 327). Anhaltspunkte dafür, dass die Feststellungen selbst im Ergebnis zum Nachteil der Klägerin dadurch beeinflusst worden sind, dass der Beklagte seinen Alkoholkonsum nicht angab, sondern die Klägerin diesen erst durch Einsicht in die Ermittlungsakten erfahren hat, ergeben sich weder aus dem Sachverhalt noch aus dem Vortrag der Klägerin. Eine Veränderung der Beweislage, ein Verlust eines Beweismittels, ist nicht ersichtlich. Der Kausalitätsgegenbeweis, der hier wegen des Wortlautes von Ziffer 7 der Versicherungsbedingungen auch für die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung maßgeblich ist, ist deshalb vom Beklagten geführt.

Es kommt folglich auf die in Ziffer 7 Abs. 3 der Versicherungsbedingungen bestimmten weiteren Voraussetzungen für den Erhalt eines Leistungsanspruchs bzw. – umgekehrt – für einen Leistungsausschluss an. Diese entsprechen inhaltlich der Relevanzrechtsprechung zu folgenlosen vorsätzlichen Obliegenheitsverletzungen, so dass gegen ihre Wirksamkeit keine Bedenken bestehen.

Die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit war relevant. Eine tatsächliche Beeinträchtigung der Interessen des Versicherers ist nicht erforderlich, sondern es genügt, dass sie generell zur Interessenbeeinträchtigung geeignet ist (BGH, Urt. v. 21.04.1993 – Az: IV ZR 33/92 – VersR 1993, 830). Die fehlende Mitteilung einer Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt birgt für den Versicherer die Gefahr, dass er einen vorhandenen Leistungsausschluss gemäß Ziffer 5.1.1. nicht erkennt. Er ist auf die wahrheitsgemäße Angabe seines Versicherungsnehmers angewiesen, weil es nicht sicher ist, dass die Alkoholisierung dem Versicherer anderweitig zur Kenntnis gebracht wird. Unvollständige Angaben über einen Alkoholkonsum stellen deshalb eine ernsthafte Gefährdung der Interessen des Versicherers dar (OLG Hamm, VersR 1984, 931). Dass die Klägerin von der Alkoholisierung des Beklagten durch den Vermerk in der Ermittlungsakte erfuhr, ändert nichts an der generellen Gefährdung ihrer Interessen. Dieser Vermerk in der Ermittlungsakte hätte fehlen können, so dass die Klägerin auf die Aufklärung durch den Versicherungsnehmer selbst dann angewiesen ist, wenn sie routinemäßig die Ermittlungsakten einsieht.

Den Beklagten trifft auch ein erhebliches Verschulden. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn es sich um ein Fehlverhalten handelt, das auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag (BGH, Urt. v. 07.12.1983 – IVa ZR 231/81 – VersR 1984, 228), beispielsweise wenn der Schaden gering ist und der Versicherungsnehmer zwar verspätet, aber doch noch aus eigenem Antrieb seiner Obliegenheit nachkommt (Römer in Römer/Langheid, a.a.O., § 6 Rn. 82). Im Falle falscher Angaben müssen ausnahmsweise besondere Umstände vorliegen, die das Verhalten des Versicherungsnehmers in einem milderen Licht erscheinen lassen (Marlow in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, a.a.O., § 13 Rn. 104).

Solche Umstände sind hier nicht erkennbar. Der Beklagte hat einen für die Klägerin wesentlichen Umstand vorsätzlich verschwiegen, von dem er auch als Laie wusste, dass er zu einem Leistungsausschluss führen konnte. Außerdem konnte er damit rechnen, dass die Klägerin von seiner Alkoholisierung von Dritter Seite keine Kenntnis erhalten würde, so dass sie ohne Verpflichtung Zahlungen an ihn erbringen würde. Diese Obliegenheitsverletzung hat großes Gewicht und stellt einen erheblichen Verstoß gegen die Loyalitätspflicht des Versicherungsnehmers dar. Der Beklagte hat auch nichts getan, um seiner Obliegenheitsverpflichtung wenigstens im nachhinein gerecht zu werden. Er hat auch keine Erinnerungslücken bezüglich seines Alkoholkonsums behauptet, sondern diesen sofort eingeräumt, nachdem er von der Klägerin mit ihren Erkenntnissen aus der Ermittlungsakte konfrontiert worden war. Es gibt auch sonst keine von ihm konkret behaupteten Umstände, die seine unterlassene Aufklärung in ein milderes Licht rücken könnten. Zwar ist es nachvollziehbar, dass der Beklagte angesichts seiner erheblichen Verletzungen durch den Unfall zunächst insgesamt beeinträchtigt war. Die Unfallanzeige hat er aber erst fast vier Wochen nach dem Unfall unterschrieben, so dass eine Verminderung seiner Zurechnungsfähigkeit nicht erkennbar ist. Diese hat er auch in erster Instanz nicht behauptet. Erst in der Berufungsschrift hat der Beklagte einen Sachverhalt behauptet, der eine Zurechnungsunfähigkeit begründen könnte. Eine Zurechnungsunfähigkeit im Sinne von § 827 BGB schließt eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung aus (BGH, Urt. v. 27.01.1966 – II ZR 5/64 – VersR 1966, 458), eine verminderte Zurechnungsfähigkeit muss bei der Frage des Gewichts der Obliegenheitsverletzung berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 09.11.2005 – IV ZR 146/04 – MDR 2006, 634). Hier kann aber offen bleiben, ob der Vortrag des Beklagten ausreichend substantiiert ist, obwohl er nur in einem Satz behauptet, aufgrund seines Gesundheitszustandes habe er nicht erfassen können, welche Rechtsfolgen seine Unterschrift habe. Jedenfalls ist sein Vortrag in der Berufungsbegründung und sein neues Beweisangebot nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Das späte Vorbringen der neuen Behauptungen und die späte Benennung der Beweismittel beruht auf einer Nachlässigkeit des Beklagten (§ 531 Abs.2 Nr. 3 ZPO). Einen Grund dafür, dass der Beklagte diese Behauptung nicht bereits in erster Instanz vorbringen konnte, hat er nicht dargelegt. Mit diesem neuen Vorbringen ist er deshalb nicht zuzulassen.

(4.) Der Beklagte ist über die Folgen der Verletzung der ihn gemäß Ziffer 6.2 der Versicherungsbedingungen zu erfüllenden Obliegenheiten, nämlich den Versicherer umfassend aufzuklären und zu informieren, ordnungsgemäß durch den drucktechnisch hervorgehobenen und als „Wichtigen Hinweis“ bezeichneten Text unmittelbar über der Unterschriftszeile belehrt worden, wie es bei vorsätzlicher folgenloser Obliegenheitsverletzung nötig ist (BGH, Urt. v. 08.05.1967 – II ZR 17/65 – BGHZ 48, 7).

Die Klägerin ist damit leistungsfrei.

(5.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

Die Revision wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.

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Annotations

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.

(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

Wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht verantwortlich. Hat er sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel in einen vorübergehenden Zustand dieser Art versetzt, so ist er für einen Schaden, den er in diesem Zustand widerrechtlich verursacht, in gleicher Weise verantwortlich, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele; die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er ohne Verschulden in den Zustand geraten ist.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.