Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 02. Feb. 2009 - 14 W 6/09
Gericht
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten gegen den Streitwertbeschluss des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 2. Dezember 2008 wird der angefochtene Beschluss unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde geändert.
Der Streitwert wird auf 10.411,10 Euro festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 1.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Die Klägerin beliefert die Beklagte fortlaufend mit Strom und Gas. Sie hat von der Beklagten die Zahlung offener 4.891,10 Euro nebst Zinsen und Mahnkosten verlangt. Die Klägerin hat zudem die Duldung der Unterbrechung der Strom- und Gasversorgung verlangt, nachdem die Beklagte ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt und dem Außendienstmitarbeiter des Netzbetreibers den Zutritt verweigert hatte, als dieser nach entsprechender Androhung und Ankündigung die Strom- und Gasversorgung unterbrechen wollte. Mit der Klage hat die Klägerin sowohl ihren Zahlungsanspruch als auch den Anspruch auf Gewährung des Zutritts in der Verbrauchsstelle der Beklagten und Duldung der Unterbrechung der Strom- und Gasversorgung geltend gemacht. In der Klageschrift war eine Streitwertberechnung enthalten, in welcher letzterer Antrag mit "Duldung der Wegnahme des Strom- und Gaszählers" bezeichnet und mit 150,00 Euro beziffert war. Das angerufene Amtsgericht Elmshorn hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sich der Streitwert für diesen Antrag nicht nach dem Verkehrswert der Zähler bemesse, sondern nach dem Interesse der Klägerin, eine weitere Stromabnahme zu verhindern, so dass die voraussichtliche Dauer des Verfahrens von 9 Monaten und die monatlichen Vorauszahlungsbeträge von 920,00 Euro maßgeblich seien und der Streitwert des Antrags demnach 8.280,00 Euro betrage. Auf Antrag der Klägerin ist der Rechtsstreit sodann an das Landgericht Itzehoe verwiesen worden. Am 24. November 2008 hat der Einzelrichter der 10. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe ein Anerkenntnisurteil zu Gunsten der Klägerin erlassen. Durch Beschluss vom 2. Dezember 2008 ist der Streitwert auf insgesamt 13.171,10 Euro festgesetzt worden, wobei 8.280,00 Euro auf den Antrag zu 2. betreffend die Zutrittsgewährung und Duldung der Versorgungsunterbrechung entfallen. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Beklagte hinsichtlich des Antrags zu 2. eine Streitwertfestsetzung auf 500,00 – 1.000,00 Euro.
II.
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Die Beschwerde ist gemäß § 68 GKG zulässig. In der Sache hat sie teilweise Erfolg. Der Streitwert für den Klagantrag zu 2. ist angemessen mit 5.520,00 Euro, d.h. dem 6-fachen Betrag der monatlichen Vorauszahlungen von 920,00 Euro zu bewerten.
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Hinsichtlich der Bemessung von Streitwerten für Klagen, die auf die Wegnahme von Messeinrichtungen zur Unterbrechung der Energieversorgung durch Versorgungsbetriebe gerichtet sind, bestehen in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen. Unterstellt man, dass es den Energieversorgern um den Besitz der Messgeräte gehe und deshalb § 6 ZPO für den Streitwert bestimmend sei (so z.B. LG Chemnitz RuS 2008, 23; AG Königstein NJW-RR 2003, 949), wäre der Wert dieser Messeinrichtungen zugrunde zu legen. In diesem Fall wäre der von der Beklagten vorgeschlagene Wert angemessen. Dabei würde aber außer Acht gelassen, dass es den Versorgungsunternehmen nicht um die Herausgabe der Zähler und den Besitz daran geht, sondern um die Durchsetzung ihres Zurückbehaltungsrechts durch Unterbrechung der Strom- und Gasversorgung. Interesse der Versorgungsunternehmen ist es, im Falle der Nichtzahlung der Energiekosten nicht weiterhin durch Lieferung von Energie in Vorleistung gehen zu müssen. Durch Unterbrechung der Versorgung soll weiterer Schaden abgewendet werden, was teilweise nur durch den Ausbau der Zähler möglich ist, der damit nur das Mittel zur Erfüllung des Interesses ist. Damit kommt es aber gerade nicht auf den Besitz der Zähler an, wie es § 6 ZPO voraussetzen würde.
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Der Streitwert ist vielmehr gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung des Interesses der Klägerin festzusetzen. Bei der Bewertung des Interesses ist zum einen auf den Zeitraum abzustellen, der üblicherweise zwischen der Entstehung des Duldungsanspruchs und dem Vorliegen einer entsprechenden vollstreckbaren Entscheidung liegt und zum anderen auf den in dieser Zeit voraussichtlich anfallenden Verbrauch, der in den festgesetzten Monatsabschlägen zum Ausdruck kommt (so im Grundsatz LG Itzehoe, ZMR 2008, 799; OLG Braunschweig NJW-RR 2006, 1584; OLG Köln, ZMR 2006, 208; LG Bremen, Beschluss vom 05.06.2004 zum Az. 1 T 237/04, zitiert nach juris). Denn das Interesse an der Durchsetzung der Leistungsunterbrechung orientiert sich an dem Schaden, den die Klägerin bei Fortsetzung der Lieferung befürchten müsste.
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Welcher Zeitraum zwischen der Entstehung des Anspruchs und der Erlangung einer vollstreckbaren Entscheidung bei der Bemessung zugrunde zu legen ist, wird unterschiedlich beurteilt: Während teilweise davon ausgegangen wird, dass ein Jahresbetrag der Vorauszahlungen angemessen sei (so LG Itzehoe, ZMR 2008, 799; OLG Köln, ZMR 2006, 208, AG Neuruppin WuM 2005, 596; LG Hamburg ZMR 2004, 586), gehen andere Gerichte davon aus, dass binnen 6 Monaten mit einem erstinstanzlichen Urteil gerechnet werden kann (so OLG Braunschweig, NJW-RR 2006, 1584; AG Oldenburg/Holstein, Urteil vom 22.04.2008, Az. 22 C 930/07, zitiert nach juris; AG Hamburg, Beschluss vom 19.04.2007, Az. 518 C 451/06, zitiert nach juris; LG Bremen, Beschluss vom 05.06.2004 zum Az. 1 T 237/04, zitiert nach juris). Letzterer Auffassung ist beizupflichten. Eine Verfahrensdauer von durchschnittlich 6 Monaten für Zivilverfahren mit dem Ziel der Untersagung einer weiteren Stromentnahme erscheint angemessen. Zwar hat das Landgericht Itzehoe mit dem zunächst angerufenen Amtsgericht Elmshorn eine Verfahrensdauer von 9 Monaten bis zum Abschluss des erstinstanzlichen zivilgerichtlichen Verfahrens in vergleichbaren Fällen geschätzt. Der eigenen Einschätzung der mit entsprechenden Verfahren befassten Gerichte kommt eine besondere Bedeutung zu, da das zuständige Gericht grundsätzlich am besten beurteilen kann, innerhalb welcher Zeitspanne mit einer vollstreckbaren Entscheidung zu rechnen ist. Die dort angenommene durchschnittliche Zeitspanne von 9 Monaten erscheint jedoch als zu lang vor dem Hintergrund, dass Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegende teilweise sehr zügig etwa im Versäumnisverfahren oder durch Vergleich beendet werden können.
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Für den Antrag zu 2. ist nach alledem der Wert von 5.520,00 Euro (6 x 920,00 Euro) anzusetzen, so dass der Streitwert insgesamt 10.411,10 Euro beträgt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.
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Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren richtet sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen den Gerichts- und Anwaltskosten, die die Beschwerdeführerin nach dem festgesetzten Streitwert – hier 13.171,10 Euro - und dem angestrebten Streitwert – hier bis zu 5.891,10 Euro - treffen. Der Differenzbetrag beträgt bis zu 1.500,00 Euro.
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(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert wird bestimmt: durch den Wert einer Sache, wenn es auf deren Besitz, und durch den Betrag einer Forderung, wenn es auf deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht ankommt. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Wert, so ist dieser maßgebend.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.