Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 22. Aug. 2016 - 3 W 53/16
Gericht
Tenor
1.
Unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Stralsund vom 29.02.2016 wird gegen den Antragsgegner zur Erzwingung der in der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Stralsund zum Az. 4 O 248/15 vom 15.12.2015 unter Ziffer 1. niedergelegten Betriebspflicht sowie des unter Ziffer 2. tenorierten Unterlassungsanspruchs ein Zwangsgeld von 2.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von 5 Tagen festgesetzt.
2.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz.
Gründe
I.
- 1
Die Parteien sind durch einen Mietvertrag verbunden, mit welchem die Klägerin dem Beklagten Räume zum Betrieb eines Bekleidungsgeschäftes vermietet hat. Der Mietvertrag enthält eine Betriebspflicht des Antragsgegners.
- 2
Am 01.11.2015 wurde der Centermanager des Einkaufszentrums durch ein im Ladenlokal des Antragsgegners angebrachtes Hinweisschild darauf aufmerksam, dass ab dem 01.11.2015 in dem Laden keine Elektronic-Cash-Zahlungen mehr möglich seien. Auf telefonische Nachfrage der Antragstellerin teilte der Antragsgegner mit, zum 01.01.2016 den Geschäftsbetrieb einzustellen. Mit E-Mail vom 18.11.2015 teilte der Antragsgegner mit, die Verkaufsaktivitäten aus betriebswirtschaftlichen Gründen zum 01.01.2016 einstellen zu müssen.
- 3
Die Antragstellerin erwirkte daher mit Beschluss vom 15.12.2015 eine einstweilige Verfügung, mit welcher dem Antragsgegner auferlegt wurde, dass von ihm in dem S. Einkaufszentrum im Obergeschoss belegene, Mieteinheitsnummer 20101 gemäß Mietvertrag vom 05./11.08.2014 zum Betrieb eines Bekleidungseinzelhandelsgeschäftes angemietete, ca. 104 qm große Ladenlokal über den 31.12.2015 hinausgehend in der Zeit von Montag bis Samstag von 09.00 bis 20.00 Uhr zu betreiben.
- 4
Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner die einstweilige Verfügung am 21.12.2015 zustellen lassen. Der Antragsgegner begann in der 53. Kalenderwoche 2015 damit, sein Ladenlokal zu beräumen. Er habe gegenüber dem Centermanager geäußert, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt werde und das Ladenlokal am 02.01.2016 nicht mehr geöffnet werde.
- 5
Die Antragstellerin hat darauf hin am 30.12.2015 beantragt, gegen den Schuldner zur Erzwingung der in der einstweiligen Verfügung unter Ziffer 1. niedergelegten Betriebspflicht sowie des unter Ziffer 2. tenorierten Unterlassungsanspruchs ein Zwangsgeld von bis zu 25.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von bis zu 6 Monaten festzusetzen.
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Der Antragsgegner hat die Zurückweisung des Antrages begehrt. Der Antrag sei unbegründet, weil die Voraussetzungen für eine Zwangsgeldfestsetzung nicht vorlägen.
- 7
Gemäß § 888 ZPO sei es notwendig, dass die zu vollstreckende Handlung ausschließlich dem Willen des Schuldners unterliege. Unanwendbar sei die Vorschrift, wenn die Handlung nicht ausschließlich vom Willen des Schuldners abhänge. Dies sei für die Betriebspflicht eines Ladenlokals der Fall. Der Schuldner könne den Betrieb nicht allein aufrechterhalten. Er sei davon abhängig, dass Angestellte beschäftigt würden und dass Lieferungen seiner zu verkaufenden Waren erfolgten. Der Abschluss entsprechender Verträge unterliege nicht allein seinem Willen.
- 8
Der Antragsgegner habe sein Gewerbe aufgegeben und am 16.11.2015 abgemeldet. Die Arbeitsverhältnisse mit seinen Angestellten seien, soweit die Angestellten nicht bereits selbst gekündigt hätten, zum 31.12.2015 gekündigt worden. Die vorhandenen Waren unterlägen dem Eigentumsvorbehalt und würden von den jeweiligen Lieferanten abgeholt. Der Antragsgegner habe zum 01.01.2016 ein angestelltes Arbeitsverhältnis aufgenommen. Ihm sei es daher nicht mehr möglich, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten.
- 9
Das Landgericht Stralsund hat mit Beschluss vom 29.02.2016 den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Es hat diesen für unbegründet erachtet. Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes und ersatzweise von Zwangshaft gemäß § 888 ZPO seien nicht gegeben. § 888 ZPO setze voraus, dass die zu vollstreckende Handlung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhänge. Sie sei ausgeschlossen, wenn die Erfüllung der Betriebspflicht nicht ausschließlich vom Willen des Schuldners abhänge. Vorliegend sei die Erfüllung der Betriebspflicht nicht ausschließlich vom Willen des Antragsgegners abhängig. Wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen nimmt der Senat auf den angefochtenen Beschluss Bezug.
- 10
Gegen diesen wendet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren Vollstreckungsantrag weiter verfolgt. Sie hat ihre Beschwerde nicht begründet.
- 11
Das Landgericht hat der Beschwerde unter Bezugnahme auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen.
II.
- 12
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 793 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht ihrer Statthaftigkeit auch nicht entgegen, dass die Beschwerde ohne Begründung geblieben ist. Eine Begründung ist nicht notwendiger Bestandteil einer Beschwerde gemäß § 569 Abs. 2 ZPO.
- 13
In der Sache führt die Beschwerde zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses und zur Verhängung eines angemessenen Zwangsgeldes, ersatzweise einer Zwangshaft.
- 14
Gemäß § 888 Abs. 1 ZPO ist, kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft anzuhalten sei.
- 15
Voraussetzung ist somit zum einen, dass die Handlung nicht durch einen Dritten vorgenommen werden kann, also nicht nach § 887 ZPO vollstreckt werden kann. Eine unvertretbare Handlung liegt also vor, wenn die Handlung aus verständiger Sicht des Gläubigers nur vom Schuldner vorgenommen werden kann (Schuschke in Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, 2015, Teil 16, Abschnitt 2, Kap. 2, Rn. 164). Das ist bei der Erfüllung der Betriebspflicht aus einem Gewerberaummietvertrag der Fall. Zur Aufrechterhaltung des Betriebes des hier streitgegenständlichen Bekleidungsgeschäftes ist es erforderlich, Arbeitsverträge und Lieferverträge zu schließen, die den Antragsgegner persönlich binden und somit auch nur von ihm oder durch von ihm bevollmächtigte Dritte geschlossen werden können. Zudem würde der Betrieb des Bekleidungsgeschäftes durch einen Dritten der Erfüllung der Verpflichtung der Antragstellerin, dem Antragsgegner während der Laufzeit des Mietvertrages den vertragsgemäßen Gebrauch zu überlassen, entgegenstehen.
- 16
Weitere Voraussetzung des § 888 Abs. 1 ZPO ist, dass die Handlung ausschließlich vom Willen des Vollstreckungsschuldners - hier des Antragsgegners - abhängt. Das bedeutet nach der wohl herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur aber nicht, dass eine Vollstreckung gem. § 888 ZPO schon dann ausscheidet, wenn auch nur eine Mitwirkung eines Dritten für die Erbringung der zu vollstreckenden Handlungen erforderlich ist. Daher steht es grundsätzlich der Vollstreckbarkeit einer Betriebspflicht eines Geschäftsbetriebs Gewerberäumen nicht entgegen, dass es hierfür erforderlich ist, Vertragsbeziehungen zu Mitarbeitern und Lieferanten zu unterhalten, so dass sowohl der Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf die Erfüllung der Betriebspflicht als auch ihre Vollstreckung nach § 888 ZPO in Betracht kommen (OLG Hamburg, Beschl. v. 21.08.2013, 8 W 72/13, NZM 2014, 273; LG Kassel, Urt. v. 20.08.2015, 11 O 4173/15, ZMR 2016, 36; OLG Frankfurt, Urt. v. 10.12.2008, 2 U 250/08, ZMR 2009, 446; OLG Celle, Beschl. v. 02.01.1996, 2 W 80/95, NJW-RR 1996, 585; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.10.2003, 10 W 64/03, GuT 2004, 17; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 888 Rn. 3; Schuschke, a.a.O., Rn. 165; a.A. OLG Naumburg, Beschl. v. 21.11.1997, 2 W 14/97, NZM 1998, 575; OLG Hamm, Beschl. v. 10.10.1973, 14 W 72/72, NJW 1973, 1135). Eine Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO scheidet vielmehr erst dann aus, wenn dem Vollstreckungsschuldner die Erlangung der Mitwirkungshandlung des Dritten objektiv oder subjektiv eindeutig unmöglich ist. Es muss feststehen, dass der Schuldner erfolglos alle ihm zumutbaren Maßnahmen einschließlich eines gerichtlichen Vorgehens unternommen hat, um den Dritten zu seiner Mitwirkung zu veranlassen, wofür den Vollstreckungsschuldner die Vortrags- und Beweislast trifft (BGH, Beschl. v. 27.11.2008, I ZB 46/08, NJW-RR 2009, 443; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.). Der Senat schließt sich der vorskizzierten herrschenden Meinung an.
- 17
Der Antragsgegner hat nicht vorgetragen, dass er versucht habe, ggf. neue Arbeitsverträge mit früheren Mitarbeitern oder auch neuen Mitarbeitern abzuschließen. Ebenso hat er nicht vorgetragen, dass er keinen Lieferanten finden kann, der ihm Bekleidungsartikel liefert, die er sodann im Rahmen seiner Betriebspflicht in den Geschäftsräumen anbieten kann. Allein der Umstand, dass er bestehende Arbeitsverträge bereits gekündigt und sein Gewerbe abgemeldet hat, begründet keine Unmöglichkeit der Fortsetzung des Geschäftsbetriebs. Der Antragsgegner kann sein Gewerbe wieder anmelden, in den Geschäftsräumen selbst Verkaufstätigkeiten vornehmen oder erneut Mitarbeiter unter Vertrag nehmen. Dem Vortrag des Antragsgegners ist nicht zu entnehmen, dass er versucht hat, von verschiedenen Bekleidungslieferanten Warenlieferungen ggf. unter Eigentumsvorbehalt für die Fortsetzung seines Betriebes zu erlangen. Statt dessen hat er lediglich gegenüber der Antragstellerin erklärt, dass er sich zur Fortführung des Betriebes nicht im Stande sehe. Für einen Wegfall der Betriebspflicht genügt es aber nicht, wenn das vom Mieter geführte Geschäft unrentabel ist, da die Erzielung von Gewinn in der Risikosphäre des Mieters liegt (Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, a.a.O., § 535 Rn. 548).
- 18
Nach alledem genügt der Vortrag des Antragsgegners im Rahmen des ihm gewährten rechtlichen Gehörs nach Ansicht des Senats nicht, um einer Vollstreckung der einstweiligen Verfügung vom 15.12.2015 die Rechtfertigung zu entziehen.
- 19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. KV-GKG 2121.
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Annotations
(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.
(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.
(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.
Gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, findet sofortige Beschwerde statt.
(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden.
(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.
(3) Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn
(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.
(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.
(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.
(1) Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen.
(2) Der Gläubiger kann zugleich beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, die durch die Vornahme der Handlung entstehen werden, unbeschadet des Rechts auf eine Nachforderung, wenn die Vornahme der Handlung einen größeren Kostenaufwand verursacht.
(3) Auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung von Sachen sind die vorstehenden Vorschriften nicht anzuwenden.
(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.
(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.
(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)