Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 03. Dez. 2015 - 1 W 44/15
Gericht
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Halle vom 30. Oktober 2015 abgeändert. Der Rechtsweg zu den in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständigen Gerichten ist unzulässig. Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Eisleben (Familiengericht) verwiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
Gründe
I.
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Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines Darlehens über mindestens 23.040,00 EUR in Anspruch.
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Nachdem sich die Parteien im Sommer 2009 kennen lernten, zog der Kläger im Mai 2010 bei der Beklagten und ihren beiden minderjährigen Kindern aus erster Ehe ein. Die Beklagte bewohnte ein ihr gehörendes Hausgrundstück, welches mit Bankdarlehen belastet war, die die Beklagte in monatlichen Raten zu bedienen hatte. Dies fiel ihr auf Grund ihrer Einkommensverhältnisse schwer. Seit dem Sommer 2010 beteiligte sich der Kläger zur Hälfte an den Kreditverbindlichkeiten. Er zahlte monatlich 470,00 EUR direkt an die Bank. Am 14.4.2012 unterzeichneten die Parteien in diesem Zusammenhang eine mit „Schuldschein“ überschriebene Vereinbarung (K1), in der die Beklagte bestätigte, dem Kläger 8.000,00 EUR zu schulden. Dieser Betrag erhöhe sich vom 1.4.2012 bis zum 31.12.2016 um monatlich 470,00 EUR. Die Zinsen wurden mit 0,00 % angegeben.
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Am 22.6.2013 gingen die Parteien die Ehe ein. Im Dezember 2014 kam es zur Trennung. Mit Schreiben vom 14.1.2015 kündigte der Kläger das Darlehen und forderte die Beklagte zur Rückzahlung auf.
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In seiner beim Landgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, es gehe um eine Darlehensforderung, die keinen Bezug zur Ehe oder zur Trennung der Parteien aufweise.
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Die Beklagte hat dagegen behauptet, bei den Zahlungen habe es sich von Anfang an um Beiträge des Klägers zur gemeinsamen Lebensführung gehandelt, zunächst in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und anschließend in Form von Familienunterhalt. Mit diesem Ausgangspunkt hat die Beklagte die Zuständigkeit der Zivilgerichte gerügt und die Familiengerichte für zuständig gehalten.
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Mit Beschluss der Einzelrichterin vom 30.10.2015 hat sich das Landgericht für zuständig erklärt. Gegen diese, dem Beklagtenvertreter am 3.11.2015 zugestellte Entscheidung wendet sich die noch am gleichen Tag eingegangene sofortige Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II.
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Die zulässige sofortige Beschwerde, über die gemäß § 17a VI, III, IV 3 GVG i.V.m. § 568 1 ZPO das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter entscheidet, hat in der Sache Erfolg. Gemäß § 17a VI, II GVG ist auszusprechen, dass der Rechtsweg zu den allgemeinen Zivilgerichten unzulässig ist. Zugleich erfolgt die Verweisung an das für Familiensachen zuständige Familiengericht (§§ 111 Nr. 10; 266 I Nr. 3 FamFG sowie §§ 23a I 1 Nr. 1, 2; 23b I GVG), bei dem es sich gemäß § 267 I 1 FamFG ausschließlich um das Amtsgericht Eisleben handelt.
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Das Landgericht hat ausgeführt, eine Familiensache i.S.v. § 266 FamFG liege nicht vor. Es bestehe nach der Natur des geltend gemachten Anspruchs zur Zeit seiner Entstehung kein Zusammenhang mit der Trennung, der Scheidung oder der Aufhebung der Ehe. Die dem Anspruch zugrunde liegende Vereinbarung der Parteien sei ein Jahr vor der Eheschließung zustande gekommen und könne ihrem Wortlaut nach nur als Darlehensvertrag interpretiert werden. Der daraus folgende Rückzahlungsanspruch sei zivilrechtlicher Natur. Eine ehebedingte Zuwendung schließe das Gericht aus.
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Dies hält einer Überprüfung durch den Senat nicht stand.
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Die Sache fällt zweifelsohne in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (§ 13 GVG). Mit § 17a VI GVG wird die sachliche Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen den allgemeinen Zivilgerichten und den Familiengerichten wie eine Rechtswegfrage behandelt, sodass das Landgericht auf die Rüge der Beklagten zutreffend vorab entschieden hat (§ 17a III GVG). Inhaltlich beruht das Bejahen der eigenen Zuständigkeit allerdings auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung. Über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch haben die Familiengerichte zu entscheiden. Es handelt sich um eine sonstige Familiensache i.S.v. §§ 111 Nr. 10; 266 I Nr. 3 FamFG.
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Zu den sonstigen Familiensachen zählen insbesondere auch solche Streitigkeiten, die vor der Reform des Familienverfahrens in die Zuständigkeit der Zivilgerichte fielen (BT-Drs. 16/6308 S. 262). Es kommt deshalb weniger darauf an, ob der Anspruch zivilrechtlicher Natur ist. Vielmehr geht es um die Sachnähe zu den Regelungstatbeständen des Familienrechts. Hierfür genügt es nach § 266 I Nr. 3 FamFG bereits, wenn der zwischen den Ehegatten streitige Anspruch im Zusammenhang mit der Trennung oder der Scheidung steht (BT-Drs. 16/6308 S. 262). Richtig weist das Landgericht zwar darauf hin, dass es für diesen Zusammenhang auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs ankommt (BT-Drs. 16/6308 S. 263). Der Darlehensrückzahlungsanspruch entstand jedoch nicht mit der Vereinbarung vom April 2012, sondern erst mit der Kündigung durch den Kläger und sein Rückzahlungsverlangen (§ 488 I, III 1 BGB; BGH NJW 2010, 2940 m.w.N.). Bezogen auf den 14.1.2015 lässt sich ein Zusammenhang zur Trennung vom Dezember 2014 unschwer feststellen.
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Das Merkmal des Zusammenhangs mit der Trennung oder der Scheidung ist weit zu verstehen (BGH, Beschluss vom 5.12.2012 - XII ZB 642/11). Inhaltlich genügt die Ursächlichkeit von Trennung oder Scheidung für die geltend gemachte Rechtsfolge, ohne dass der Anspruch seinen Grund in der Ehe haben muss (BGH, Beschluss vom 5.12.2012 - XII ZB 642/11; vgl. zu solchen Ansprüchen bspw. BGH, Urteil vom 2.10.1991 - XII ZR 145/90; OLG Celle NJW-RR 2000, 1675). Bei naheliegenden und häufig vorkommenden Folgen oder Begleiterscheinungen des Endes einer Ehe wird der notwendige Zusammenhang vorliegen (Heiter, in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 266 Rdn. 48) noch dazu solange bei Trennung die Ehe besteht (Heiter, § 266 Rdn. 50). Auch wenn der Anspruch seine Grundlage in vorehelichen Vermögensverschiebungen hat, spricht seine Geltendmachung mit der Trennung für den notwendigen Zusammenhang (Burger, in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Aufl., § 266 Rdn. 6). Mit der Trennung sind auch Ansprüche aus gegenseitigen Darlehen verbunden (OLG München, Beschluss vom 2.4.2014 - 20 W 503/14; Burger, § 266 Rdn. 7; Musielak/Both/Grandel, FamFG, 5. Aufl., § 266 Rdn. 11). Denn Ziel ist es, bei der wirtschaftlichen Entflechtung der Ehegatten (Zöller/Lorenz, ZPO, 31. Aufl., § 266 FamFG Rdn. 17) mehrere zusammenhängende Verfahren bei einem Spruchkörper zu konzentrieren, Kenntnisse des Gerichts aus anderen Verfahren nutzbar zu machen und eine verfahrensübergreifende Gesamtlösung zu erleichtern (Heiter, § 26 Rdn. 49a).
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Entgegen der Auffassung des Klägers macht er keinen Anspruch geltend, der mit der Trennung von seiner Ehefrau in keinem Zusammenhang steht. Hierzu muss der Senat in notwendiger Gesamtbetrachtung nicht einmal auf streitiges Vorbringen der Beklagten zurückgreifen (vgl. BGH, Beschluss vom 5.12.2012 - XII ZB 642/11). Bereits der Vertrag vom April 2012 bringt mit der zinsfreien Gewährung des Darlehens hinreichend zum Ausdruck, dass es nicht um eine rein wirtschaftliche Beziehung der Parteien ging (vgl. OLG München, Beschluss vom 2.4.2014 - 20 W 503/14). Der Grund der Zahlungen des Klägers ist mit der Beteiligung an den Kosten des gemeinsamen Wohnens bzw. der Unterstützung der Beklagten bei der Finanzierung ihres als Ehewohnung dienenden Hausgrundstücks unstreitig. Damit handelt es sich bei der Abrede der Parteien eher um ein sog. Vereinbarungsdarlehen, welches den notwendigen Zusammenhang zur Trennung gerade nicht ausschließt, sondern diesen Fall vielmehr ausdrücklich in den Blick zu nehmen scheint. Nicht umsonst hebt der Kläger den Sicherungszweck des „Schuldscheins“ mehrfach hervor. Eine Geltendmachung des Anspruchs bei funktionierender Ehe scheint damit nicht nur nach der Lebenserfahrung ausgeschlossen, sondern wurde auch vom Kläger nicht erwogen, wie sich aus seiner Reaktion auf das Vorbringen der Beklagten zur versprochenen Vernichtung des „Schuldscheins“ aus Anlass der Eheschließung ergibt. Danach hätte der Kläger mit seiner Eintragung als Miteigentümer im Grundbuch die Vereinbarung durch Vernichtung aufgehoben. Es war also nicht beabsichtigt, von der Klägerin während des Zusammenlebens die Rückzahlung zu beanspruchen. Der Kläger wollte allein für den Fall der Trennung vorsorgen, was er nunmehr mit dem Schriftsatz vom 2.12.2015 einräumt.
- 14
Der Kläger hat auf die Verfügung des Senats vom 26.11.2015 mitgeteilt, die Scheidungssache beim Amtsgericht Eisleben anhängig gemacht zu haben. Gemäß § 267 I 1 FamFG ist daher das dortige Familiengericht ausschließlich zuständig. Unabhängig davon ergäbe sich die örtliche Zuständigkeit des Gerichts auch aus § 267 II FamFG.
III.
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Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn
- 1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder - 2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt.
(1) Sonstige Familiensachen sind Verfahren, die
- 1.
Ansprüche zwischen miteinander verlobten oder ehemals verlobten Personen im Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses sowie in den Fällen der §§ 1298 und 1299 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zwischen einer solchen und einer dritten Person, - 2.
aus der Ehe herrührende Ansprüche, - 3.
Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe, - 4.
aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührende Ansprüche oder - 5.
aus dem Umgangsrecht herrührende Ansprüche
(2) Sonstige Familiensachen sind auch Verfahren über einen Antrag nach § 1357 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Vor die ordentlichen Gerichte gehören die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.