Oberlandesgericht München Hinweisbeschluss, 15. Jan. 2018 - 25 U 3770/17

published on 15/01/2018 00:00
Oberlandesgericht München Hinweisbeschluss, 15. Jan. 2018 - 25 U 3770/17
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Oberlandesgericht München, 25 U 3770/17, 29/01/2018

Gericht

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Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 19.10.2017, Az. 73 O 2650/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die von der Berufung aufgezeigten Gesichtspunkte rechtfertigen eine hiervon abweichende Beurteilung nicht.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass im vorliegenden Fall die Ausübung eines Widerspruchsrechts treuwidrig ist. Ob ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers auf den Bestand des Versicherungsvertrags angenommen werden kann, bleibt der tatrichterlichen Beurteilung vorbehalten (BGH, Urteil vom 01.06.2016 - IV ZR 482/14, NJOZ 2016). Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben obliegt grundsätzlich dem Tatrichter (BGH, Beschluss vom 11.11.2015, IV ZR 117/15, RN. 16 juris).

1. Die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens kommt auch bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung in Betracht (BGH, Beschluss vom 27.01.2016-Az. IV ZR 130/15; Senat, Urteil vom 21.04.2015 - Az. 25 U 3877/11; OLG Dresden, Urteil vom 26.08.2015 - Az. 7 U 146/15 -VersR 2015,1498; OLG Stuttgart, Urteil vom 06.11.2014-Az. 7 U 147/10 - VersR 2015, 878 LG Wiesbaden, Urteil vom 12.02.2015-Az. 9 O 116/14; OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 19.10.2015 - Az. 3 U 49/15; OLG Köln, Urteil vom 26.02.2016 - Az. 20 U 178/15; KG, Urteil vom 12.04.2016-Az. 6 U 102/15 - rechtskräftig, BGH, Beschlüsse vom 11.11.2015 und 13.01.2016 - Az. IV ZR 117/15, BeckRS 2016, 02174, NJW 2016,375 für die Belehrung nach § 8 WG a.F.).

Das ist beispielweise der Fall

– wenn der Versicherungsnehmer (irgendwie) über sein Widerspruchsrecht belehrt wurde (im entschiedenen Fall war keine Belehrung über das Schriftformerfordernis erfolgt) und der Versicherungsnehmer seinen Anspruch (incl. Anspruch auf die Todesfallleistung) 2 Monate nach Erhalt des Versicherungsscheins als Sicherheit für ein Darlehn abgetreten hat über mehr als 8 Jahre Prämien bezahlt hat dann den Anspruch (incl. Anspruch auf die Todesfallleistung) nochmals als Sicherheit für ein Darlehn abgetreten hat und der Versicherer über die Abtretung in Kenntnis gesetzt wurde (BGH, Beschlüsse vom 27.01.2016 und vom 22.03.2016 - Az. IV ZR 130/15).

– wenn der Versicherungsnehmer die Police als Kreditsicherungsmittel genutzt hat und während der Dauer der Versicherung sämtliche Rechte an das Kreditinstitut abgetreten hat, sowie nach einer durch das Kreditinstitut erklärten Kündigung anwaltlich beraten den Widerruf erklärt hat, daraufhin aber die vom Kreditinstitut ausgesprochene Kündigung bestätigt hat und Beitragsfreistellung bis zur Wirksamkeit der Kündigung beantragt hat (OLG Dresden, Urteil vom 26.08.2015 -Az. 7 U 146/15 - VersR 2015,1498),

– wenn der Versicherungsnehmer nach Kündigung den Vertrag dann doch (beitragsfrei) fortgeführt hat (OLG Köln, Urteil vom 26.02.2016 - Az. 20 U 178/15),

– bei einem Rücktrittsrecht nach § 8 VVG, wenn der Versicherungsnehmer durch Wiederinkraft-setzen des Vertrages den Eindruck erweckt hat, dass er an diesem unbedingt festhalten will BGH, Beschlüsse vom 11.11.2015 und 13.01.2016-Az. IV ZR 117/15, BeckRS 2016, 02174, NJW 2016,375).

Vorliegend hat die Klägerin über 20 Jahre seit Vertragsbeginn (01.01.1996) bis zur Erklärung ihres Widerspruchs am 08.04.2016 verstreichen lassen. Sie hatte ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag bereits mit Abschluss des Vertrages zur Kreditsicherung abgetreten. Die Abtretung bestand über die gesamte Vertragslaufzeit, die Ablaufleistung wurde, wie vorgesehen, bei Fälligkeit an die Zessionarin zur Darlehenstilgung ausbezahlt. Erst ca. 3 Monate später erklärte die Klägerin den Widerspruch.

Nach der gesetzlichen Regelung, deren Wertung auch in die Beurteilung der Frage, ob treuwidriges Verhalten vorliegt, miteinzubeziehen ist, kann selbst bei arglistigem Verhalten eines Vertragspartners nach Ablauf von 10 Jahren eine Anfechtung nicht mehr erfolgen (§ 124 Abs. 3 BGB). Eine Anfechtung ist auch ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. Die Bestätigung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form (§ 144 BGB).

Unter Bewertung der gesamten Umstände handelt die Klägerin vorliegend treuwidrig, wenn sie sich nach über 20 Jahren auf ein Widerspruchsrecht beruft. Der Entscheidung des BGH vom 22.03.2016 - IV ZR 130/15 (BeckRS 2016, 06038, beck-online) ist entgegen der Ansicht der Berufung nicht zu entnehmen, dass Treuwidrigkeit stets die mindestens 2-fache Abtretung der Ansprüche aus dem Vertrag sowie auch die Abtretung der Todesfallleistung voraussetzt. Aus der Entscheidung ergibt sich lediglich, dass jedenfalls bei einer solchen Konstellation Treuwidrigkeit angenommen werden kann. Zu Recht hat dass Landgericht angenommen, dass angesichts der zuvor aufgezeigten konkreten Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls ebenfalls ein treuwidriges Verhalten der Klägerin angenommen werden kann.

Anlass für eine Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Problematik des Rechtsmissbrauchs mit seinen europarechtlichen Bezügen folgt der Senat gerade den neuesten Rechtsprechungsgrundsätzen des BGH und wendet diese auf den hier zur Entscheidung stehenden konkreten Einzelfall an. Ob ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt ist das Ergebnis einer Einzelfallbetrachtung.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer
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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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Annotations

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.

(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird.

(2) Die Bestätigung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.