Oberlandesgericht München Endurteil, 15. Dez. 2017 - 10 U 2443/17

published on 15/12/2017 00:00
Oberlandesgericht München Endurteil, 15. Dez. 2017 - 10 U 2443/17
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Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers vom 20.07.2017 wird das Endurteil des LG München I vom 14.06.2017 (Az. 20 O 22066/15), soweit die Klage abgewiesen wurde, aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG München I zurückverwiesen.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG München I vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.108,55 € festgesetzt.

Gründe

A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.

I.

Das Landgericht hat nach derzeitigem Verfahrensstand zu Unrecht einen weitergehenden Anspruch des Klägers auf Schadensersatz verneint. Es ermangelt einer Beweiswürdigung, von welchem Sachverhalt auszugehen ist, und der Beurteilung dieses derzeit nicht festgestellten Sachverhalts nach italienischem Recht.

1. Es fehlt eine Beweiswürdigung des Landgerichts, von welchem Sachverhalt überhaupt auszugehen ist. Der Kollisionsort ist nach dem Sachverständigengutachten in technischer Hinsicht ungeklärt. Der Unfall kann sich nicht bei der Überführung der SS 11 ereignet haben, wie der klägerische Zeuge dies behauptete. Andererseits gab dieser an, dass er wegen der Fahrbahnbegrenzung nicht weiter nach links ausweichen konnte. Ein derartiges Annäherungsverhalten hat das Gutachten nicht erörtert. Die Beklagten behaupteten, der Beklagte zu 1) habe links geblinkt, während der Beklagte zu 1) bei seiner informatorischen Anhörung angab, bereits zum Abbiegen nach rechts auf der rechten Fahrspur eingeordnet gewesen zu sein. Der Fiat Ducato wollte von hinten kommend am Beklagten zu 1) vorbeigelangen, eine Ankündigung eines Überholvorganges wird von der Klagepartei schon nicht behauptet.

2. Das Landgericht befasst sich nicht mit dem aufgrund einer Auslandsberührung (Unfallort in Italien) anzuwendenden Recht. Wegen Art. 17 der VO (EG) 864/2007 (Rom II) ist jedenfalls für die anzuwendenden straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten italienisches Sachrecht anzuwenden. Dieses ist folglich für die Beurteilung der Frage maßgeblich, ob den beteiligten Unfallfahrern Verursachungsbeiträge oder (Mit-) Verschuldensanteile vorzuwerfen sind.

II.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber – entgegen seiner sonstigen Praxis – aus folgenden Gründen dagegen entschieden: Eine (erheblich) mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (BGH NJW 1957, 714; OLG Köln VersR 1977, 577; 1997, 712; Senat, Urt. v. 14.7.2006 – 10 U 5624/05 (juris Rz. 33); NJW 2011, 396 [398] und Urt. v. 20.2.2015 – 10 U 1722/14 [juris Rz. 35]; OLG Bremen OLGR 2009, 352; OLG Hamm NJW 2014, 78 [83]; OLG Zweibrücken OLGR 2000, 221; OLG Köln NJW 2004, 521; OLG Bremen OLGR 2009, 352). Auch die vorliegend nahezu völlig fehlende oder erheblich fehlerhafte Beweiswürdigung stellt einen Verfahrensverstoß dar, welcher zur Zurückverweisung gem. § 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (BGH NJW 1957, 714; OLG Köln VersR 1977, 577; 1997, 712).

Die durchzuführende Beweisaufnahme wäre für den Senat, da auch die erneute Anhörung der Unfallbeteiligten und Zeugen sowie die Ergänzung des technischen Gutachtens zur Klärung des Sachverhalts erforderlich wäre, um die diesbezüglichen Vorgaben für das zu erholende Rechtsgutachten zu ermitteln, umfangreich i.S.d. § 538 II 1 Nr. 1 ZPO und würde den Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren Beweisaufnahme an Stelle der 1. Instanz nach vollständiger Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens zwingen.

Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil, dass eine gewisse Verzögerung und Verteuerung des Prozesses eintritt, muss hingenommen werden, wenn es darum geht, dass ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und dass den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge voll erhalten bleiben (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

Die Frage der Zurückverweisung wurde auch mit den Parteivertretern erörtert. Beide Parteivertreter haben hilfsweise eine Zurückverweisung beantragt.

Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen: Das Landgericht wird nach ergänzender Anhörung der unfallbeteiligten Fahrer in Gegenwart des Sachverständigen zu klären haben, von welchem Unfallhergang auszugehen ist und welche Vorgaben zunächst dem unfallanalytischen Sachverständigen zu machen sind, § 404 a III ZPO. Anschließend hat eine Beurteilung nach der italienischen Straßenverkehrsordnung zu erfolgen, in Betracht kommt die Erholung eines Rechtsgutachtens etwa von Prof. Dr. Dr. h.c. T. R., Institut für ausländisches und europäisches Privat- und Verfahrensrecht der Universität L., B.-straße ..., L.

III.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., etwa VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf die §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat a.a.O.), allerdings ohne Abwendungsbefugnis.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

VI. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 II 1, 47 I 1, 40, 48 I 1 GKG, 3 ff. ZPO.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:1.wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder das
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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:1.wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder das
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published on 14/06/2017 00:00

Tenor I. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger € 3.108,55 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.03.2015 zu bezahlen. II. Im Übrigen wir
published on 20/02/2015 00:00

Tenor 1. Auf die Berufung des Klägers vom 05.05.2014 wird das Endurteil des LG München I vom 17.04.2014 (Az. 23 O 10821/12) samt dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung a
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Annotations

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:

1.
wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist;
2.
wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf;
3.
wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist;
4.
wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat;
5.
wenn der Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank oder Sparkasse vorgelegt wird, aus dem sich ergibt, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist.