Oberlandesgericht München
Az.: 33 UF 532/15
523 F 8266/12 AG München
In der Familiensache
... geboren am ... 1963, Staatsangehörigkeit: schwedisch,
Antragsteller und Beschwerdegegner
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte...
gegen
..., geb. ..., geboren am 09.07.1966, Staatsangehörigkeit italienisch
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte...
Weitere Beteiligte:
1) ... Versicherungsnummer: 05.07.1963
- Versorgungsträgerin zu Beschwerdegegner -
2) ... Versicherungsnummer: 09.07.1966
- Versorgungsträgerin zu Beschwerdeführerin .
wegen Beschwerde in Folgesachen
ergeht durch das Oberlandesgericht München - 33. Zivilsenat - zugleich Familiensenat - durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ...
am 10.08.2015
folgender
Beschluss
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Teilbeschluss des Amtsgerichts München vom 06.03.2015 Az 523 F 8266/12 wird verworfen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird mit 325 € bemessen.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Der Antragsteller ist schwedischer Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin italienische Staatsangehörige. Die Beteiligten haben am 04.01.1993 in Italien die Ehe geschlossen. Sie leben seit März 1993 ununterbrochen in Deutschland. Im Zeitpunkt der Eheschließung hatten die Beteiligten keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt. Der Antragsteller lebte und arbeitete vor der Eheschließung in den Niederlanden, die Antragsgegnerin war ebenfalls dort beschäftigt. Einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt begründeten sie ca. 2 Monate nach der Eheschließung in Deutschland, als der Antragsteller hier eine Arbeitsstelle antrat. Im Zeitpunkt der Eheschließung war der Arbeitsvertrag bereits unterzeichnet. Die 3 aus der Ehe hervorgegangenen Kinder wurden sämtlich in Deutschland geboren und (in einer Europäischen Schule) eingeschult. Die Beteiligten haben nach der Eheschließung in Italien eine Immobilie erworben. Eine Rechtswahl bezüglich des auf die güterrechtlichen Verhältnisse anwendbaren Rechts wurde nicht getroffen. Im Jahre 1997 erwarb die Antragsgegnerin eine Immobilie in Italien zu alleinigem Eigentum. In der Einleitung des notariellen Kaufvertrages vom 09. Juni 1997 erklärte sie selbst, dass die Vermögensverhältnisse mit ihrem Ehemann nach deutschem Recht geregelt seien und dass der Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelte (BI.93).
Bei Anwendung des deutschen Sachrechts wäre diese Immobilie in die güterrechtliche Auseinandersetzung der Beteiligten einzubeziehen, nach italienischem Recht der Errungenschaftsgemeinschaft wäre die Einbeziehung der Wohnung erst noch zu klären. In der notariellen Urkunde vom 10.03.2000 Ziffer VII und vom 17.05.2011 haben die Beteiligten für den Erwerb weiterer Immobilien jeweils deutsches Recht gewählt.
Beim Amtsgericht München ist das Scheidungsverfahren anhängig. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 09.08.2012 zugestellt.
Im Rahmen des Scheidungsverfahrens begehrt der Antragsteller von der Antragsgegnerin Zugewinnausgleich. Im Wege des Stufenantrags erteilten sich die Beteiligten zunächst wechselseitig Auskünfte zum Stichtag 09.08.2012, dann bezifferte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 05.03.2014 seinen Anspruch auf 149.409,00 € (BI.107/110).
Die Antragsgegnerin hat bereits in der ersten Instanz eine eigene Verpflichtung zur Auskunft bestritten, da sie im Rahmen des Zugewinnausgleichs die Auffassung vertritt, die güterrechtlichen Wirkungen der Beteiligten unterlägen dem italienischen Recht. Gleichwohl verlangte sie vom Antragsteller Auskunft zum 01.04.2012 und zu dem (fiktiven) Zeitpunkt 01.04.2013, falls doch deutsches Recht zur Anwendung komme.
Der Antragsteller hat bereits in erster Instanz vertreten, die Beteiligten seien mit dem deutschen Recht am engsten verbunden. Es habe bereits im Zeitpunkt der Eheschließung eine verbindliche Planung dahin gegeben, den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Familie in Deutschland zu begründen. Diese Planung sei umgesetzt worden. Die Beteiligten hätten bis zur Trennung gemeinsam in Deutschland gelebt und die in der Ehe geborenen Kinder groß gezogen. Streitig war der Trennungszeitpunkt und eine ggf. verfrühte Einreichung des Scheidungsantrags vor Ablauf des Trennungsjahres. Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, man habe erst seit April 2012 getrennt gelebt. Der Scheidungsantrag sei nur 4 Monate nach der Trennung eingereicht worden. Der Stichtag sei deshalb manipuliert worden und zu modifizieren. Die Antragsgegnerin verlangte daher zusätzlich Auskunft zu dem ihrer Auffassung nach richtigen fiktiven Stichtag 01.04.2013.
Das Amtsgericht hat in dem Teilbeschluss vom 06.03.2015 auf die güterrechtlichen Verhältnisse der Ehe deutsches Recht angewandt, da die Beteiligten mit dieser Rechtsordnung am engsten verbunden seien. Es hat dabei entscheidend auf die beabsichtigte Begründung des ersten gemeinsamen Wohnsitzes in Deutschland abgestellt und den Antrag auf Modifizierung des Stichtags auch für den Fall, dass die Antragstellung verfrüht war, zurückgewiesen (Bl. 170/172).
Gegen den am 11.03.2015 zugestellten Teilbeschluss legte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 10.04.2015 fristwahrend beim zuständigen Amtsgericht Beschwerde ein (BI.177). In der Beschwerde verfolgt sie weiterhin das Ziel, unter Aufhebung des Teilbeschlusses die Anwendbarkeit des italienischen Rechts auf den Güterstand der Beteiligten zu ereichen, hilfsweise den Stichtag auf den 01.04.2013 zu modifizieren und den Antragsteller insoweit zu einer erneuten Auskunft zu verpflichten (BI.183). In Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags behauptet die Antragsgegnerin, das Amtsgericht habe sich mit den von ihr dargelegten Gründen für die engste Beziehung zu Italien nicht hinreichend auseinandergesetzt. Sie weist auf den besonderen Status der Bediensteten des Europäischen Patentamts als einer europäischen Organisation hin. Der Status sei der eines ausländischen Diplomaten vergleichbar und lasse die Bedeutung des tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthaltes zurücktreten. Die engste Verbindung habe auch während der Zeit in Deutschland immer zu Italien bestanden.
Der Antragsteller verteidigt das Urteil des Amtsgerichts. In Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags betont er, dass aufgrund des langjährigen Lebensschwerpunktes in Deutschland die engste Beziehung zu dieser Rechtsordnung bestanden habe und noch bestehe. Dies habe sich aufgrund der konkreten Planungen auch bei der Eheschließung schon abgezeichnet. Bezüglich des Trennungszeitpunktes werden der bisherige Vortrag aufrechterhalten und Nachteile der Antragsgegnerin durch den angeblich verfrühten Zeitpunkt bestritten.
Der Senat hat mit Beschluss vom 15.06.2015 die beabsichtigte Entscheidung angekündigt und Gelegenheit zur Stellungnahme erteilt. Die daraufhin eingegangenen Schriftsätze vom 06.07.2015 und 04.08.2015 wurden bei der Entscheidung berücksichtigt.
Ergänzend wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die Beschwerde gegen den Teilbeschluss des Amtsgerichts München vom 07.10.2014 ist im Hauptantrag und auch bezüglich des für diesen Fall gestellten Hilfsantrags unzulässig.
Das Beschwerdegericht hat in Ehe- und Familienstreitsachen von Amts wegen zu überprüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist (§§11711 FamFG, 522 11 ZPO). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (§ 522 12 ZPO).
Die Antragstellung bezüglich des Hauptantrags im Beschwerdeverfahren ist bereits deshalb unzulässig, weil das beantragte Rechtsschutzziel - nämlich die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung - isoliert ohne Bezug zu einem Sachantrag geltend gemacht wird. Die Frage des anwendbaren Rechts ist jedoch allenfalls Vorfrage im Rahmen einer auf der Grundlage dieser Rechtsordnung beantragten Sachentscheidung. Eine Sachentscheidung begehrt die Beschwerdeführerin jedoch lediglich im Hilfsantrag. Ein Hauptantrag ist auch im Schriftsatz vom 03.07.2015 nicht gestellt worden.
Voraussetzung der Zulässigkeit jedes Beschwerdeverfahrens ist das Vorliegen einer Beschwer, d. h. einer hinreichend vorgetragenen zumindest materiellen Rechtsbeeinträchtigung des Unterlegenen, die in vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit einem Wert von über 600 € zu bemessen sein muss, § 61 I FamFG.
Hieran fehlt es im Hinblick auf den Hilfsantrag. Die Beeinträchtigung der Antragsgegnerin besteht lediglich in der Abweisung des von ihr erhobenen Antrags auf Auskunft zu dem von ihr behaupteten fiktiven Stichtag des Ehezeitendes 01.04.2013. Nur über diesen Antrag hat das Amtsgericht durch Abweisung in dem hier angefochtenen Teilbeschluss entschieden. Nicht verfahrensgegenständlich war demgegenüber der ursprüngliche Auskunftsanspruch zum Stichtag 09.08.2012. Insoweit hatten sich die Parteien bereits wechselseitig Auskunft erteilt.
Dieser Hilfsantrag ist unzulässig, weil die Antragsgegnerin auch im Schriftsatz vom 06.07.2015 keinen Vortrag dazu getätigt hat, ob und in welchem Umfang sie einen finanziellen Nachteil durch den von ihr behaupteten verfrühten Scheidungsantrag und die damit einhergehende Vorverlegung des Endstichtags der Ehe hatte, der bei dem von ihr als richtig behaupteten Stichtag (01.04.2013) nicht eingetreten wäre. Soweit sie hier jetzt im Schriftsatz vom 06.07.2015 einen angeblich entgangenen Zinsgewinn aus einer (tatsächlich nicht) getätigten Geldanlage einer Summe von 200 000 € behauptet, weist die Antragsstellervertreterin zu Recht darauf hin, dass es sich allenfalls um die Behauptung einer entgangenen Gewinnchance handelt, nicht jedoch um einen konkret zu bemessenden Vermögensnachteil. Die Zulässigkeit des Hilfsantrags lässt sich damit nicht begründen.
Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass die Beschwerde im Hauptantrag auch unbegründet wäre, da das Amtsgericht bei der Prüfung des anwendbaren Rechts als Vorfrage der Auskunftsverpflichtung zu Recht darauf abgestellt hat, dass durch die bei Eheschließung vertraglich fixierte Arbeitsaufnahme eine feste Zukunftsplanung in Richtung eines gemeinsamen Aufenthaltes in Deutschland existierte und die Beteiligten so eine enge Verbindung mit dem Recht ihres gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes zum Ausdruck brachten (Art. 14 I Nr.3,15 EGBGB). Der erste gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt ist zwar nur eines von mehreren denkbaren, jedoch gleichwohl entscheidendes objektives Merkmal, zu welcher Rechtsordnung ein Ehepaar ohne gemeinsame Staatsangehörigkeit die engste Verbindung aufweist (OLG Köln FamRZ 98,1590; Palandt/Thorn BGB 74. Aufl. Art. 14 EGBGB Rn. 10). Dies wird in der Rechtsprechung selbst dann angenommen, wenn diese Absicht im weiteren Verlauf der Ehe gar nicht verwirklicht wurde (KG FamRZ 07,1561), hat aber umgekehrt im Falle der tatsächlichen Umsetzung einer Planung erst recht zu gelten. Demgegenüber treten dann andere Merkmal wie Meldepflicht, die in der Familie gesprochene Sprache oder die Häufigkeit von Verwandtenbesuchen oder Kollegenvorlieben in einer internationalen Behörde als unerheblich zurück. Das Amtsgericht war insoweit auch nicht gehalten, die von der Antragsgegnerin angebotenen Beweise zu den anderen Merkmalen zu erheben. Die im Schriftsatz vom 06.07.2015 noch aufgeführten Unrichtigkeiten bei der Sachverhaltsfeststellung sind deshalb ebenfalls nicht erheblich. Bestätigt wird die Richtigkeit der Anknüpfung an den beabsichtigten gewöhnlichen Aufenthalt auch dadurch, dass die Beteiligten in diversen vertraglichen Urkunden entweder ausdrücklich deutsches Sachrecht für güterrechtliche Wirkungen der Ehe vereinbarten, oder durch Erklärung zum Ausdruck brachten, dass sie selbst von der deutschen Zugewinngemeinschaft als maßgeblichem Güterstatut ausgehen. Unbehelflich beruft sich die Antragsgegnerin diesbezüglich auf eine angeblich (falsche) Schlussfolgerung eines italienischen Notars. Sie hat die Urkunde gelesen, unterschrieben und die jetzt als angeblich falsch bezeichnete Rechtswahl nicht beanstandet. Dies tut die Antragsgegnerin im Übrigen auch, indem sie im Hilfsantrag die nur auf der Grundlage des deutschen Rechts bestehende Auskunftsverpflichtung für sich reklamiert.
Kosten §§117 FamFG, 97 ZPO. Der Verfahrenswert ergibt sich aus § 42 Abs. 1 FamGKG; bei einem Auskunftsersuchen ist ein Bruchteil des Leistungsinteresses maßgeblich, der hier mit einem Viertel von 1300 € bemessen wurde.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. ZPO statthaft.
Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von 1 Monat nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof Karlsruhe Herrenstraße 45a 76133 Karlsruhe einzulegen. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
Die Rechtsbeschwerde wird durch Einreichen einer Rechtsbeschwerdeschrift eingelegt.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt wird.
Die Beteiligten müssen sich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, der die Rechtsbeschwerdeschrift zu unterzeichnen hat.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Die zur Vertretung berechtigte Person muss die Befähigung zum Richteramt haben.
Der Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedarf es nicht bei Beteiligten, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind.
Soweit sich der Rechtsbeschwerdeführer nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen muss, ist die Rechtsbeschwerdeschrift durch ihn oder seinen Bevollmächtigten zu unterzeichnen.
Mit der Rechtsbeschwerde soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.
Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
1. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge);
2. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a. die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b. soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.