Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 13. Okt. 2006 - 2 Ws 236/06

published on 13/10/2006 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 13. Okt. 2006 - 2 Ws 236/06
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Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - F. vom 12. Mai 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert wird auf 1000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antragsteller verbüßt derzeit in der Justizvollzugsanstalt F. mehrere Freiheitsstrafen. Gemeinsamer Zweidrittelzeitpunkt war der 9.8.2006. Die Endstrafe ist auf den 30.12.2009 notiert.
Mit am 24.10.2005 eingekommenem Schreiben wandte sich der Gefangene gegen die am 12.10.2005 erfolgte Fortschreibung des Vollzugsplans, soweit dort Lockerungsmaßnahmen versagt wurden. Die Strafvollstreckungskammer hat mit dem angegriffenen Beschluss den Antrag des Strafgefangenen auf gerichtliche Entscheidung, den sie als Verpflichtungsantrag mit dem Ziel, ihn in die Lockerungsabteilung zu verlegen und ihm Ausgang, hilfsweise Ausführung zu gewähren, ausgelegt hat, zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde, die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen war (§ 116 Abs. 1 StVollzG), hat mit der Sachrüge vorläufigen Erfolg.
Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer war schon deshalb aufzuheben, weil sie den ihr zur Prüfung vorgelegten Verfahrensgegenstand verkannt und damit ihrer Entscheidung möglicherweise einen falschen Prüfungsmaßstab zugrundegelegt hat. Der Antragsteller hat sich in der Frist des § 112 Abs. 1 S. 1 StVollzG unter Vorlage des Protokolls zur Fortschreibung des Vollzugsplans dagegen gewandt, dass seinem Antrag, in die Lockerungsabteilung verlegt zu werden, nicht entsprochen und ihm Vollzugslockerungen versagt worden seien. Dieser Antrag war zulässig, da es sich bei dem Vollzugsplan - auch in seinen Fortschreibungen (vgl. BVerfG 3.7.2006, bei JURIS) - und den darin enthaltenen einzelnen Anordnungen um Maßnahmen im Sinne des § 109 StVollzG handelt, die mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung einer Überprüfung unterzogen werden können (BVerfG NStZ 1993, 301; 3.7.2006, bei JURIS; OLG Karlsruhe Justiz 2004, 495; StV 2004, 555). Insbesondere unterliegt die Feststellung des Vollzugsplans, keine Lockerungen zu gewähren, der gerichtlichen Überprüfung nach § 109 Abs. 1 StVollzG (BVerfG 3.7.2006, bei JURIS; OLG Karlsruhe Justiz 2004, 495). Diese hat die Strafvollstreckungskammer vorliegend jedoch nicht vorgenommen, sondern mit ihrer Entscheidung einen „konkretisierten“ - und in dieser Form mangels vorangegangenen Begehrens dieser Maßnahmen unzulässigen - Antrag vom 19.12.2005 auf Verlegung in die Lockerungsabteilung und Ausgang bzw. Ausführung einer sachlichen Prüfung unterzogen. Dieses Vorgehen ist rechtsfehlerhaft, weil es sich bei den Bestimmungen des Vollzugsplans um selbständige Maßnahmen handelt und deshalb die Frage, ob lockerungsbezogene Lücken oder positive Inhalte des Vollzugsplans (§ 7 Abs. 2 Nr. 7 StVollzG) die Rechte des Gefangenen verletzen, von der Rechtsverletzung durch konkrete Entscheidungen über Vollzugslockerungen (§ 11 StVollzG) zu trennen sind (BVerfG 3.7.2006, bei JURIS).
Der angegriffene Beschluss kann auch nicht deshalb Bestand haben, weil das tatsächliche Begehren des Antragstellers, nämlich das Versagen der Lockerungsgewährung in der Fortschreibung des Vollzugsplans, mit gleicher Begründung wie die später beantragten Lockerungen hätte abgelehnt werden können. Zwar muss die Vollzugsbehörde auch bei der im Rahmen der Vollzugsplanung zu treffenden Entscheidung, ob und ggf. ab wann welche Vollzugslockerungen zu gewähren sind, die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVollzG berücksichtigen (OLG Karlsruhe Justiz 2004, 495). Lockerungen dürfen deshalb im Vollzugsplan nur vorgesehen werden, wenn Flucht- bzw. Missbrauchsgefahr nicht gegeben sind. Doch stellt sich die Beurteilung der Flucht- oder Missbrauchsgefahr im Rahmen der bei der Vollzugsplanung allgemein zu prüfenden Lockerungseignung möglicherweise anders dar als hinsichtlich einer konkret beantragten Lockerungsmaßnahme. Insbesondere sind aber auch an die Ermessensentscheidung der Vollzugsbehörde bei der Lockerungsplanung (vgl. BVerfG 3.7.2006, bei JURIS) einerseits und der Ablehnung konkret beantragter Maßnahmen (Schwind/Böhm-Ullenbruch zu § 11 Rn 26) andererseits unterschiedliche Anforderungen zu stellen. Der gegen die Versagung von Lockerungen bei der Fortschreibung des Vollzugsplans gerichtete Antrag des Gefangenen wurde deshalb mit der Begründung, die Justizvollzugsanstalt habe die beantragten Lockerungen zurecht wegen Missbrauchsgefahr versagt, nicht sachlich beschieden, zumal sich dem Protokoll über die Vollzugsplanfortschreibung dieser Grund für die Ablehnung von Lockerungen nicht eindeutig entnehmen lässt.
Die angefochtene Entscheidung war deshalb aufzuheben und die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen, die über den am 24.10.2006 eingekommenen Antrag zu entscheiden hat.
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(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. (2) Die Re

(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch

(1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, daß der Gefangene 1. außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf o

(1) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung (§ 6) wird ein Vollzugsplan erstellt. (2) Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Behandlungsmaßnahmen: 1. die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,2. die Verlegung in ein
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(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. (2) Die Re

(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch

(1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, daß der Gefangene 1. außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf o

(1) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung (§ 6) wird ein Vollzugsplan erstellt. (2) Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Behandlungsmaßnahmen: 1. die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,2. die Verlegung in ein
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published on 19/08/2016 00:00

Tenor 1. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Freiburg vom 25. Mai 2016 wird als unbegründet verworfen. 2. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu t
published on 12/11/2015 00:00

Tenor Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Der Antrag des Betroffenen vom 16. Juni 2015 auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen. Die Kosten des gesamten Verfahrens und die notwendigen
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Annotations

(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.

(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

(1) Der Antrag muß binnen zwei Wochen nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe der Maßnahme oder ihrer Ablehnung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts gestellt werden.

(2) War der Antragsteller ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(4) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.

(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.

(1) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung (§ 6) wird ein Vollzugsplan erstellt.

(2) Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Behandlungsmaßnahmen:

1.
die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,
2.
die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt,
3.
die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen,
4.
den Arbeitseinsatz sowie Maßnahmen der beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung,
5.
die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung,
6.
besondere Hilfs- und Behandlungsmaßnahmen,
7.
Lockerungen des Vollzuges und
8.
notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung.

(3) Der Vollzugsplan ist mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu halten. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen.

(4) Bei Gefangenen, die wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden sind, ist über eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt jeweils nach Ablauf von sechs Monaten neu zu entscheiden.

(1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, daß der Gefangene

1.
außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang) nachgehen darf oder
2.
für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Ausgang) verlassen darf.

(2) Diese Lockerungen dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, daß der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten mißbrauchen werde.