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Die zulässige Berufung hat nur teilweise Erfolg.
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Der Kläger verlangt von der Beklagten Leistung aus einer Familienprivathaftpflichtversicherung. Der Sohn des Klägers hatte am 14.10.2003 als Berufsschüler aus dem Rucksack eines Mitschülers eine Flasche Reizgasspray gezogen und den Inhalt ziellos im Unterrichtsraum versprüht. Die Lehrerin atmete das Gas ein. Als Asthmatikerin litt sie kurz darauf unter Atemnot. Es entwickelte sich eine Lungenentzündung, die zu einer mehrmonatigen Arbeitsunfähigkeit der Lehrerin führte. Der Sohn des Klägers wird wegen des Vorfalls vom Freistaat Sachsen auf Schadensersatz hinsichtlich der gewährten Lohnfortzahlung in Anspruch genommen. Außerdem rechnet der Kläger mit einer Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage der Lehrerin.
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Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
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Das Landgericht Karlsruhe hat auf Antrag des Klägers festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Schäden zu tragen, die der Sohn des Klägers am 14.10.2003 durch das Versprühen von Reizgas in der Berufsschule Chemnitz verursacht hat.
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Das Landgericht war der Auffassung, dass der Sohn des Klägers den Schaden lediglich fahrlässig verursacht habe. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass er gewusst habe, dass in der Sprühdose Reizgas sei. Unstreitig sei der Sohn des Klägers in der vorangegangenen Stunde von seinem Mitschüler mit einem Deo besprüht worden. Da der Klassenraum zum Tatzeitpunkt abgedunkelt gewesen sei, könne die Einlassung des Klägers nicht widerlegt werden, dass sein Sohn davon ausgegangen sei, dass es sich bei der aus dem Rucksack gezogenen Dose um das betreffende Deo gehandelt habe. Außerdem habe die Beklagte nicht nachgewiesen, dass der Sohn des Klägers auch den konkreten Schaden seiner Lehrerin vorsätzlich herbeigeführt habe.
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Mit ihrer Berufung will die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen. Der Feststellungsantrag sei nicht zulässig, da wegen der bereits eingereichten Klage des Freistaates Sachsen ein bezifferter Leistungsantrag gestellt werden könne. Es sei abwegig, dass der Sohn des Klägers als professioneller Body - Guard das Reizgasspray nicht erkannt haben will. Eine Verwechslung mit einem Deo - Spray sei schon wegen der Form der Dose und der Art des Verschlusses ausgeschlossen. Im Übrigen müsse der Sohn des Klägers bei fahrlässiger Begehungsweise nicht haften, da dann der Haftungsausschluss nach §§ 104 ff SGB VII zu seinen Gunsten eingreifen würde. Mithin scheide eine Leistungspflicht der Beklagten von vorneherein aus.
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das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 01.12.2004 wird abgeändert und die Klage abgewiesen.
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Der Kläger begehrt Zurückweisung der Berufung unter Beibehaltung seines erstinstanzlichen Klageantrags und beantragt hilfsweise
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für das Schadensereignis vom 14.10.2003 Deckungsschutz zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
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Das Landgericht hat dem erstinstanzlichen Klagantrag, der auch nach Hinweis des Senats als Hauptantrag weiter verfolgt wird, zu Unrecht stattgegeben.
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Eine Verpflichtung der Beklagten, ohne Rücksicht auf eine Haftung des Versicherten die vom Sohn des Klägers am 14.03.2003 „verursachten Schäden zu tragen“, kann dem Versicherungsvertrag zwischen den Parteien nicht entnommen werden. Im Haftpflichtversicherungsrecht kann der Versicherungsnehmer im Allgemeinen vom Versicherer nicht Befriedigung des Haftpflichtgläubigers verlangen. Dem Haftpflichtversicherer steht es vielmehr frei, ob er die gegen seinen Versicherungsnehmer geltend gemachten Haftpflichtansprüche erfüllen oder den Versuch einer Abwehr dieser Ansprüche machen will. Selbst eine Klage auf Befreiung von der Haftpflichtverbindlichkeit, dh. also auf Befriedigung des Haftpflichtgläubigers, kommt demnach in der Regel nur dann in Betracht, wenn das Bestehen des Haftpflichtanspruchs rechtskräftig festgestellt ist (vgl. § 156 Abs. 2 VVG). Solange dies nicht der Fall ist, klagt der Versicherungsnehmer richtigerweise auf Feststellung, dass der Versicherer wegen einer, im einzelnen genau zu bezeichnenden Haftpflichtforderung Versicherungsschutz zu gewähren habe (Senat OLGR Karlsruhe 2003, 179; BGHZ 79, 76; OLG Koblenz RuS 2000, 279).
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Mit seinem auf Feststellung der Verpflichtung zur Gewährung von Deckungsschutz gerichteten Hilfsantrag hat der Kläger allerdings Erfolg. Gegen den Sohn des Klägers werden Haftpflichtansprüche geltend gemacht, für die bedingungsgemäß Versicherungsschutz zu leisten ist.
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Aus den unter A. genannten Besonderheiten des Haftpflichtversicherungsrechts ergibt sich zugleich das Feststellungsinteresse des Klägers gem. § 256 ZPO (Senat a.a.O.; vgl. auch: Littbarski, AHB, § 3 Rdn. 127f).
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Der Einwand der Beklagten, für den Sohn des Klägers greife im Verhältnis zur Geschädigten bzw. zum Anspruchsteller der Haftungsausschluss der §§ 104 ff SGB VII, ist unerheblich. Grundsätzlich hat der Versicherte einen fälligen Anspruch auf Gewährung von Haftpflichtversicherungsschutz bereits dann, wenn er von einem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Haftpflichtanspruch begründet ist oder nicht. Das danach bestehende Verbot, im Deckungsschutz bereits zu prüfen, ob eine Haftungslage gegeben ist, ist schon deshalb notwendig, weil es Aufgabe des Haftpflichtversicherungsschutzes ist, nicht nur festzustellen, ob der Versicherer Befreiung von begründeten Ersatzansprüchen schuldet, sondern vor allem auch, dass er die Abwehr von unbegründeten Ansprüchen in eigener Zuständigkeit herbeizuführen hat. Diese notwendige Aufspaltung des Haftungsdreiecks in die Klärung der Haftpflichtlage im Haftpflichtprozess und der Deckungslage im Deckungsklageprozess führt grundsätzlich dazu, dass im Versicherungsschutzprozess nicht geprüft werden darf, ob der Anspruch des Geschädigten begründet ist oder nicht (OLGR Frankfurt 1998, 344).
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Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie auch nicht wegen vorsätzlicher Schadensherbeiführung leistungsfrei. Hierbei kann dahinstehen, ob der Sohn des Klägers tatsächlich nicht wusste, dass es sich bei der Dose um Reizgas gehandelt hat. Jedenfalls hat er den Schaden nicht vorsätzlich gem. § 4 Abs. II Nr. 1 Satz 1 AHB, 152 VVG verursacht. Gemäß dieser Klausel bleiben von der Versicherung ausgeschlossen Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und allgemeiner Auffassung muss der Vorsatz im Sinne dieser Bestimmung anders als bei § 823 Abs. 1 BGB nicht nur die haftungsbegründende Verletzungshandlung, sondern auch die Verletzungsfolgen umfassen (Senat OLGR Karlsruhe 1998, 181; ZfSch 1996, 384 BGH, VersR, NJW-RR 1998, 1321; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 4 AHB Rdn. 82). Das schließt es aus, dem Versicherungsnehmer Schadensfolgen zuzurechnen, die er nicht oder nicht in ihrem wesentlichen Umfang als möglich erkannt und für den Fall ihres Eintritts gewollt oder im Sinne bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen hat (vgl. BGHZ 75, 328, 332 f.). Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Sohn des Klägers mit der Asthmaerkrankung seiner Lehrerin rechnete und den schwerwiegenden Krankheitsverlauf in seinen wesentlichen Zügen vorhergesehen hat, lassen sich weder dem Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren, noch der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Chemnitz entnehmen. Nachdem der Sohn des Klägers mit dem Reizgas niemanden gezielt ansprühte, sondern das Gas ziellos im Raum verteilte und sich somit selbst der Reizgaswolke aussetzte, ist ein auf so gravierende Folgen gerichteter Verletzungsvorsatz des jungen Mannes vielmehr unwahrscheinlich.
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