Oberlandesgericht Köln Urteil, 27. Aug. 2015 - 7 U 119/14
Gericht
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 02.07.2014 (1 O 64/14) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
4II.
5Die zulässige Berufung ist unbegründet.
6Der Kläger hat gegen die Beklagte wegen der Beschädigung seines Kraftfahrzeugs am 05.08.2013 keinen Anspruch aus Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG, der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage.
7Das Landgericht hat bereits eine Amtspflichtverletzung der Bediensteten der straßenverkehrssicherungspflichtigen Beklagten im Ergebnis zu Recht verneint.
8Dabei hat es zutreffend den folgenden rechtlichen Maßstab angelegt: Zwar hat die Beklagte unstreitig als Straßenverkehrssicherungspflichtige für den hier fraglichen Bereich gemäß § 9 a Abs. 1 S. 2 StrWG NW die Pflicht, die Verkehrsteilnehmer möglichst wirksam auch vor solchen Gefahren zu schützen, die von Straßenbäumen - etwa durch Umstürzen oder Abknicken der Baumstämme oder durch Astbrüche - ausgehen. Sie muss deshalb Bäume oder Teile von ihnen entfernen, die den Verkehr gefährden. Andererseits ist nicht jede von einem Baum oder einzelnen seiner Äste ausgehende Gefahr von außen erkennbar. Deshalb kann etwa eine vorsorgliche Entfernung sämtlicher Bäume aus der Nähe von Straßen und Gehwegen nicht verlangt werden, denn der Verkehr muss gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten oder Gewalten der Natur beruhen, als unvermeidbar hinnehmen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt in solchen Fällen deshalb nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen. Der Verkehrssicherungspflichtige genügt deshalb seiner Überwachungs- und Sicherungspflicht, wenn er die Bäume an Straßen und Wegen in angemessenen Zeitabständen auf Krankheitsanzeichen untersucht und die Pflegemaßnahmen vornimmt, welche für die Beibehaltung der Standfestigkeit des Baumes notwendig sind. Zu einer eingehenderen fachmännischen Untersuchung des Baumes ist der Verkehrssicherungspflichtige erst verpflichtet, wenn besondere Umstände wie etwa trockenes Laub, trockene Äste, äußere Verletzungen oder Beschädigungen des Baumes und dergleichen sie angezeigt sein lassen (st. Rspr. seit BGH, NJW 1965, 815 f.; zuletzt BGH NJW 2014, 1588 mwN; auch OLG Hamm, Beschl. v. 04.11.2013 – 11 U 38/13, zit. nach juris.de; LG Köln VersR 2010, 1329).
9Betreffend den – hier in Rede stehenden – Massaria-Befall einer Platane ist zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich eine zweimal jährlich vom Boden aus durchgeführte äußere Sichtprüfung des Baumes bezogen auf Gesundheit und Standsicherheit durch den Verkehrssicherungspflichtigen erforderlich, aber auch ausreichend, solange nicht dabei konkrete Defektsymptome an dem betreffenden Baum - wie etwa spärliche und trockene Belaubung, dürre Äste, äußere Verletzungen, Wachstumsauffälligkeiten oder Pilzbefall - erkennbar sind. Eine engmaschigere Kontrolle von Platanen auf einen möglichen Befall mit der Massaria-Krankheit, insbesondere unter Einsatz eines Hubsteigers ist erst dann geboten, erforderlich und der verkehrssicherungspflichtigen Gemeinde zumutbar, wenn ein entsprechender Befall in dem konkreten Baumbestand festzustellen ist. Anderenfalls genügt die verkehrssicherungspflichtige Kommune auch bei Platanen ihrer Verkehrssicherungspflicht durch vom Boden aus durchgeführte Regelkontrollen (OLG Hamm OLGR NRW 14/2013; Beschl. v. 04.11.2013 – 11 U 38/13, zit. nach juris.de; auch LG Köln VersR 2010, 1329).
10Auf dieser rechtlichen Grundlage scheidet eine Verkehrssicherungspflichtverletzung – nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme – aus.
11Der Zeuge T hat als zuständiger Mitarbeiter der Beklagten nach den bindenden Feststellungen im angefochtenen Urteil noch am 17.06.2013 vom Boden – sowie unstreitig auch von einer angrenzenden Fußgängerbrücke – aus eine Baumkontrolle durchgeführt, bei der ein Krankheitsbefall der betroffenen Platane nicht aufgefallen war, sodass vor dem Unfall vom 05.08.2013, nur rund sieben Wochen später, keine weitere Kontrolle durchzuführen war.
12Der Zeuge T war aufgrund des Ergebnisses dieser Kontrolle auch nicht zur Veranlassung weiterer Verkehrssicherungsmaßnahmen, insbesondere eines Rückschnitts der Platane, verpflichtet, weil nicht feststellbar ist, dass Symptome des unstreitig vorhandenen Defekts in Form von Totholzbildung des betroffenen Astes infolge Massaria-Befalls für den Zeugen seinerzeit objektiv erkennbar waren. Diesen Beweis hat der für die Anspruchsvoraussetzungen beweisbelastete Kläger nicht erbracht.
13Nach dem Ergebnis des vom Senat eingeholten Gutachtens des Sachverständigen C vom 18.04.2015 lässt sich nicht hinreichend sicher feststellen, dass Krankheitsanzeichen bei der Kontrolle am 17.06.2013 erkennbar waren. Insoweit haben dem Sachverständigen, der sein Gutachten in jeder Hinsicht umfassend und nachvollziehbar begründet hat, wesentliche Anknüpfungspunkte betreffend die Lage des untersuchten Astes in der Baumkrone sowie die Exposition der Defektsymptome für eine hinreichend sichere Feststellung gefehlt.
14Soweit der Sachverständige ausgeführt hat, dass der schadensverursachende Ast am Kontrolltag bereits als Totholz im Baum vorhanden und als solches erkennbar gewesen sei, gilt nichts anderes als hinsichtlich der Erkennbarkeit des Massaria-Befalls. Wenn damit mit dem Sachverständigen festgestellt werden könnte, dass der Ast im Rahmen einer nachträglichen Begutachtung als Totholz erkennbar war, möglicherweise auch am 17.06.2013 im Rahmen einer – hier nicht durchzuführenden – Überprüfung aus der unmittelbaren Nähe innerhalb der Baumkrone unter Verwendung eines Hubwagens, ändert dies nichts daran, dass die Erkennbarkeit eines Astes als Totholz im Rahmen einer vom Verkehrssicherungspflichtigen durchzuführenden Baumkontrolle vom Boden aus von seiner Lage in der Baumkrone abhängt, die hier gerade nicht bekannt ist. Insoweit ist die – hier nicht bejahte – Frage der objektiven Erkennbarkeit von Defektsymptomen der Platane davon unabhängig zu beurteilen, ob dem Zeugen T die Symptome einer Massaria-Erkrankung individuell bekannt waren.
15Soweit der Kläger unter Verweis auf die Bekundungen des Zeugen T unterstellt, dieser habe bei seiner vom Boden bzw. von der Fußgängerbrücke aus durchgeführten Kontrolle am 17.06.2013 sämtliche Defektsymptome erkennen können, die er auch bei einer Nahüberprüfung von einem Hubwagen aus innerhalb der Baumkrone erkannt hätte, fehlen konkrete Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser pauschalen Bewertung, zumal ansonsten jede nähere Überprüfung unter Verwendung eines Hubwagens bei Bäumen der vorliegenden Art überflüssig wäre. Auch die Sichtkontrolle von der Fußgängerbrücke aus erlaubte notwendigerweise nicht die bei Verwendung eines Hubwagens möglichen weitergehenden Untersuchungen aus der unmittelbaren Nähe innerhalb der Baumkrone.
16III.
17Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 543 Abs. 2 Satz 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
18Berufungsstreitwert: 4.972,72 Euro.
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)