Oberlandesgericht Köln Beschluss, 23. März 2015 - 5 W 5/15
Gericht
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 5.1.2015 gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10.12.2014 - 25 O 164/13 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
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G r ü n d e :
2Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
3Das Landgericht hat das gegen den Sachverständigen I gerichtete Ablehnungsgesuch zu Recht zurückgewiesen.
4Nach §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn eine Partei von ihrem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Sachverständige werde sein Gutachten nicht unparteiisch erstatten.
5Zwar wird die Besorgnis der Befangenheit regelmäßig begründet sein, wenn ein Sachverständiger vorgerichtlich in derselben Sache ein Privatgutachten für die andere Prozesspartei oder deren Haftpflichtversicherer erstattet hat. Privatgutachter neigen erfahrungsgemäß vielfach dazu, die Auffassung ihres Auftraggebers zu bestätigen und sich, insbesondere soweit Beurteilungs- und Ermessensspielräume bestehen, von dessen Interessen leiten zu lassen. Auch legt ein Privatgutachter üblicherweise die ihm von seinem Auftraggeber vorgegebene Tatsachengrundlage zugrunde. Eine vernünftig urteilende Partei wird daher, sofern keine Besonderheiten vorliegen, befürchten müssen, dass diese Umstände den zum gerichtlichen Sachverständigen bestellten Privatgutachter bei der Erstellung des gerichtlichen Gutachtens beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 1.2.1972 – VI ZR 134/70, iuris Rdn. 12, abgedruckt in VersR 1972, 488 ff. und OLG Hamm, Beschluss vom 26.3.2014 – 32 W 6/14, iuris Rdn. 8 m.w.Nachw.).
6Diese Erwägungen sind aber auf den vorliegend in Rede stehenden Fall, dass der Sachverständige in einer ähnlichen oder vergleichbaren Sache ein Privatgutachten für einen Dritten erstattet hat, der ebenfalls Ersatzansprüche gegen die den Ablehnungsantrag stellende Partei geltend macht, nicht ohne weiteres übertragbar. Im Ausgangspunkt wird einem Sachverständigen die nach der Bestellung zum gerichtlichen Gutachter gebotene unvoreingenommene Beurteilung leichter fallen, wenn nicht sein Auftraggeber, sondern eine andere Partei an dem Rechtsstreit beteiligt ist. Daher kann eine Abwägung aller Umstände dazu führen, dass die Besorgnis der Befangenheit bei vernünftiger und objektiver Betrachtung zu verneinen ist. So liegt es nach dem vorgetragenen und glaubhaft gemachten Sachverhalt hier.
7Der Beklagten, die die dem Kläger implantierte ASR-Hüftgelenksprothese im Sinne von § 4 ProdHaftG hergestellt hat, ist es in besonderem Maße zuzumuten, dass Sachverständige als Gerichtsgutachter herangezogen werden, die sich bereits außergerichtlich mit den von der Beklagten hergestellten ASR-Hüftgelenksprothesen und der Frage ihrer Fehlerhaftigkeit befasst haben. Wie dem ständig mit Arzthaftungssachen und hiermit in Zusammenhang stehenden Rechtsgebieten wie der Haftung für Medizinprodukle befassten Senat aus seiner Tätigkeit bekannt ist, steht auf dem betroffenen Fachgebiet nur eine kleine Anzahl von Gutachtern zur Verfügung. Dem steht eine große Zahl von Personen gegenüber, denen ASR-Hüftgelenksprothesen implantiert worden sind und die durch einen etwaigen Produktfehler geschädigt sein könnten. Zu dieser Lage, in der gleichzeitig ein größerer außergerichtlicher und gerichtlicher Klärungsbedarf besteht, hat die Beklagte durch die Herstellung und den Rückruf der ASR-Hüftprothesen beigetragen.
8Es kommt hinzu, dass die Fehlerhaftigkeit eines Medizinprodukts in der Regel dadurch ermittelt wird, dass dessen Zustand und Beschaffenheit durch verschiedene Messverfahren untersucht wird und die gewonnenen Messergebnisse mit den aus medizintechnischen Normen und Regelwerken ersichtlichen Vorgaben abgeglichen werden. Ein besonders ausgeprägter Beurteilungs- und Ermessenspielraum besteht dabei nicht, so dass die Gefahr geringer als bei anderen Fallgestaltungen ist, dass der Sachverständige sich bei der Erstattung des Privatgutachtens für den Dritten einseitig von dessen Interessen hat leiten lassen und hierdurch in einem späteren Streitverfahren, an dem ein anderer Patient beteiligt ist, beeinflusst wird.
9Schließlich ist nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass der Sachverständige I sich in dem außergerichtlichen Gutachten für den Dritten, dem ebenfalls eine ASR-Hüftgelenksprothese implantiert worden war, überhaupt in einer Weise für die Beklagte nachteilig geäußert hat, die für das vorliegende Verfahren von Bedeutung werden könnte. Dass der Sachverständige I einen Konstruktionsfehler angenommen hat, der allen ASR-Hüftgelenksprothesen anhaften würde, hat die Beklagte nicht dargelegt. Aus dem außergerichtlichen Gutachten hat sie, obwohl bereits das Landgericht auf die hieraus folgende mangelnde Darlegung hingewiesen hat, nur das Titelblatt und die Seite mit der Ausgangssituation und den Fragestellungen in Kopie vorgelegt. Sollte der Sachverständige I einen Fabrikationsfehler bejaht haben, wäre dies für das vorliegende Verfahren nicht oder nur am Rande von Bedeutung. Denn insoweit ist für jedes Produkt einzeln und gesondert zu prüfen, ob es von den Beschaffenheitsvorgaben des Herstellers abweicht.
10Soweit die Beklagte die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen I mit der Berichterstattung in den Medien und einer vermeintlich fehlenden wirtschaftlichen Unabhängigkeit begründet, wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
11Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor. Insbesondere weicht der Senat, der entscheidend auf einzelfallbezogene Umstände abgestellt hat, nicht von dem in der Beschwerdebegründung angeführten Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8.7.1997 - 22 W 29/97 (abgedruckt in BauR 1998, 365 f.) ab.
12Streitwert: 7.500 € (50% des Hauptsachestreitwerts).
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(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.
(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.
(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.
(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.
(1) Hersteller im Sinne dieses Gesetzes ist, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat. Als Hersteller gilt auch jeder, der sich durch das Anbringen seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als Hersteller ausgibt.
(2) Als Hersteller gilt ferner, wer ein Produkt zum Zweck des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder einer anderen Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit in den Geltungsbereich des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einführt oder verbringt.
(3) Kann der Hersteller des Produkts nicht festgestellt werden, so gilt jeder Lieferant als dessen Hersteller, es sei denn, daß er dem Geschädigten innerhalb eines Monats, nachdem ihm dessen diesbezügliche Aufforderung zugegangen ist, den Hersteller oder diejenige Person benennt, die ihm das Produkt geliefert hat. Dies gilt auch für ein eingeführtes Produkt, wenn sich bei diesem die in Absatz 2 genannte Person nicht feststellen läßt, selbst wenn der Name des Herstellers bekannt ist.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.