Oberlandesgericht Köln Beschluss, 28. Sept. 2015 - 5 U 81/15
Gericht
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 29.04.2015 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 9 O 346/13 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
G r ü n d e:
1I.
2Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO). Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil schadensursächliche Behandlungsfehlers nicht festgestellt werden können und auch die Aufklärungsrüge ohne Erfolg bleibt.
31.)
4Das Landgericht hat es als erwiesen angesehen, dass der Verstorbene nicht nur über die grundsätzlich in Betracht kommenden Behandlungsalternativen, sondern auch darüber aufgeklärt wurde, dass eine Operation des Großzehengrundgelenks mittels Arthrodese den Goldstandard darstellt, während die Operationsmethode nach Keller/Brandes, für die sich der Verstorbene entschieden hat, lediglich Therapie zweiter Wahl war. An diese Feststellung ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, denn es liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass eine Aufklärung über die unterschiedlichen Behandlungsalternativen, die die Klägerin als solche nicht (mehr) bestreitet, zumindest im Operationsbericht eindeutig dokumentiert ist. Es geht nur um die Frage, ob ein ausdrücklicher Hinweis darauf erfolgt ist, dass die vom Patienten gewählte Methode nicht (mehr) die Methode erster Wahl darstellt. Der Senat hat durchaus Zweifel, ob – wie der Sachverständige gemeint hat – eine derart weitreichende Aufklärung überhaupt geschuldet ist. Der Senat hat vor allem ganz erhebliche Zweifel an der Auffassung des Sachverständigen, dass dieser Hinweis auf die derzeitige Methode der ersten Wahl dann auch noch dokumentationspflichtig ist. Dies alles kann aber letztlich dahinstehen.
5Die umfangreiche, alle wesentlichen Aspekte erfassende und gut begründete Beweiswürdigung des Landgerichts ist in keiner Weise zu beanstanden. Es unterliegt insbesondere keinen Bedenken, dass das Landgericht eine präoperative Aufklärung des Verstorbenen über den Umstand, dass bei der Behandlung einer Großzehengrundgelenksarthrose in dem beim Verstorbenen vorliegenden Stadium die Arthrodese die Therapie erster Wahl war, trotz – insoweit - fehlender ärztlicher Dokumentation als erwiesen erachtet hat und dabei seine Überzeugungsbildung maßgeblich auf das Ergebnis der persönlichen Anhörung der Beklagten zu 2) und 3) gestützt hat. Nach der vom Landgericht in seiner Entscheidung umfangreich zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dem Arzt der Nachweis ordnungsgemäßer Aufklärung nicht verwehrt, wenn er sie nicht dokumentiert hat. Auch wenn man, so der Bundesgerichtshof, in der stationären Behandlung eine Dokumentation der Tatsache eines Aufklärungsgespräches und des wesentlichen Inhaltes erwarten könne, dürfe an das Fehlen einer Dokumentation keine allzu weitgehende Beweisskepsis geknüpft werden. Da an den vom Arzt zu führenden Nachweis der ordnungsgemäßen Aufklärung keine unbilligen oder übertriebenen Anforderungen zu stellen seien, dürfe das Gericht seine Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO auf die Angaben des Arztes stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und „einiger“ Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht sei (vgl. schon BGH, Urteil vom 08.01.1985, Az. VI ZR 15/83, Tz. 13; Urteil vom 28.01.2014, Az. VI ZR 143/13, Tz. 12 f). Dies gelte sogar dann, wenn – wie hier nicht – der Arzt keine Erinnerung mehr an das Aufklärungsgespräch habe (BGH, Urteil vom 28.01.2014, Az. VI ZR 143/13, Tz. 13).
6Diese von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze sind entgegen der mit der Berufung vertretenen Auffassung nicht auf den Fall der Risikoaufklärung beschränkt. Gründe, weswegen die Grundsätze nicht auf den Fall der Aufklärung über Behandlungsalternativen anzuwenden wäre, trägt die Klägerin nicht schlüssig vor und sie sind auch nicht ersichtlich. Der Bundesgerichtshof hat eine solche Einschränkung nicht vorgenommen. Es liegen auch keine sachlichen Gründe vor, die eine Differenzierung zwischen verschiedenen Aufklärungsinhalten erfordern würden. Die für den Arzt im Falle unterbliebener oder unzureichender Dokumentation des Gespräches mit dem Patienten schwierige Beweissituation im Prozess unterscheidet sich nicht in Bezug auf die unterschiedlichen Aufklärungsinhalte. Der Arzt muss im Falle einer erhobenen Aufklärungsrüge die erfolgte Aufklärung über den Eingriff als solchen, über seine Risiken und über eventuell vorhandene Behandlungsalternativen in gleicher Weise beweisen und er befindet sich regelmäßig in Beweisnot, wenn er das Aufklärungsgespräch und seinen Inhalt nicht dokumentiert hat. Schriftliche Aufzeichnungen über den Inhalt eines Aufklärungsgespräches sind nützlich und zu empfehlen, werden jedoch nicht selten in der Praxis unterlassen. Erfahrungswerte dergestalt, dass bestimmte Aufklärungsinhalte besonders häufig dokumentiert oder nicht dokumentiert werden, existieren nicht. Es gibt es auch keinen Grund zu der Annahme, dass die Aufklärung über den Umstand, dass die von einem Patienten favorisierte Operationsmethode nicht erste Wahl ist, für den Behandler von so großer Bedeutung sein müsste, dass es schlechterdings nicht verständlich wäre, eine solche Aufklärung nicht zu dokumentieren. Der seit Jahren mit Arzthaftungssachen befasste Senat kann aus seiner Erfahrung sagen, dass gerade die Aufklärung über Behandlungsalternativen seltener dokumentiert wird als die Aufklärung über Operationsrisiken.
7Soweit der Sachverständige in der mündlichen Anhörung ausgeführt hat, dass sich eine Aufklärung darüber, welche Operationsmethode Goldstandard und welche lediglich zweite Wahl ist, in der Dokumentation wiederfinden sollte, hat der Sachverständige lediglich etwas ohnehin Selbstverständliches formuliert, nämlich dass es - zumindest aus Sicht des Arztes - wünschenswert wäre, eine erfolgte Aufklärung umfassend zu dokumentieren, um diese im Prozess beweisen zu können. Lediglich aus Beweisgründen und nicht aus medizinischen Gründen ist eine Dokumentation zu empfehlen.
8Soweit die Klägerin argumentiert, es sei nicht nachvollziehbar, warum sich der Verstorbene bei umfassender Aufklärung für die „schlechtere“ Methode entschieden haben sollte, hat bereits das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass es aus Sicht des Verstorbenen durchaus einen Grund gab, sich gegen die Arthrodese zu entscheiden. Der Verstorbene hatte die Befürchtung, infolge der mit der Arthrodese verbundenen Einsteifung des Großzehengrundgelenks nicht mehr sportlich aktiv sein zu können. Dass auch die Methode nach Keller/Brandes, die nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. T den Vorteil einer beweglichen Großzehe mit sich bringt, auch den Nachteil eines Kraftverlustes beim Abstoßen des Fußes beim Gehen hat, steht dem nicht entgegen. Die Vorteile und Nachteile der verschiedenen Methoden waren gegeneinander abzuwägen. Ob der Verstorbene hier die für ihn beste Methode gewählt hat, mag dahin gestellt bleiben. Jedenfalls kann sich aus der Wahl einer unterstellt schlechteren Operationsmethode ein Schadensersatzanspruch nicht herleiten, solange der Verstorbene über die Behandlungsalternativen ordnungsgemäß aufgeklärt war.
9Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, das Landgericht habe Zweifel an dem Erinnerungsvermögen der persönlich angehörten Beklagten haben müssen. Die Kammer hat ausführlich und überzeugend begründet, warum sie keine Zweifel daran habe, dass die Beklagten sich an das Aufklärungsgespräch noch erinnern konnten. Auf diese Ausführungen der Kammer nimmt der Senat Bezug und macht sie sich zu eigen.
102.)
11Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht Behandlungsfehler verneint. Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. T war der operative Eingriff indiziert. Die angewandte Operationsmethode nach Keller/Brandes war, wenn auch nicht Goldstandard, eine durchaus vertretbare Methode. Dass die Operation nach Keller/Brandes im Fall des seinerzeit 80-jährigen, sportlich mobilen Verstorbenen, nicht angezeigt war, hat der Sachverständige nicht bestätigt. Dr. T hat vielmehr ausgeführt, dass die Resektionsarthroplastik nach Keller/Brandes eines der möglichen Verfahren dargestellt habe. Gegen diese sachverständigen Feststellungen hat die Klägerin keine substanziellen Einwände vorgebracht.
12II.
13Bei dieser Sachlage gibt die Berufung zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt keine Veranlassung. Die Rechtssache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO); eine mündliche Verhandlung erscheint unter Berücksichtigung aller weiteren Aspekte des Rechtsstreites auch aus sonstigen Gründen nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.