Oberlandesgericht Köln Urteil, 23. Sept. 2014 - 15 U 27/14
Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15.1.2014 (28 O 234/13) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, über den Kläger identifizierend unter Nennung seines Namens und Verbreitung seines Bildnisses zu berichten, wie geschehen am 24.1.2013 auf dem Fernsehsender S in der Sendung „F“ (Anlage K 4).
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Parteien streiten um die Unterlassung von Äußerungen über den Kläger in einem Fernsehbeitrag der Beklagten.
4Der Kläger betreibt eine Internetseite, auf der er sich mit der von der Beklagten ausgestrahlten Fernsehsendung „E T E2 T2“ (ETE2T2) befasst. Dies wiederum war Gegenstand der angegriffenen Berichterstattung der Beklagten, in die u.a. ein mit dem Kläger am 22.1.2013 geführtes Interview eingeflossen ist und wegen deren Einzelheiten auf die zur Akte gereichte DVD (Anlage K 4) verwiesen wird. Der Kläger ließ die Beklagte deswegen mit Schreiben vom 5.2.2013 abmahnen.
5Durch einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 14.3.2013 (28 O 67/13) wurde der Beklagten u.a. die Behauptung, Verbreitung usw. der auch vorliegend streitgegenständlichen Äußerungen untersagt. Den dagegen eingelegten Widerspruch nahm die Beklagte am 3.4.2013 zurück.
6Im vorliegenden Hauptsacheverfahren geht es um die Zulässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung sowie um die Unterlassung von vier Passagen des Fernsehbeitrags. Der Kläger hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, dass die ihn identifizierende Berichterstattung in der konkreten Verletzungsform insgesamt unzulässig sei. Außerdem hat er gemeint, dass in dem Fernsehbeitrag die mit dem Klageantrag zu b) zur Unterlassung begehrten unzutreffenden Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden, er habe sich gegenüber M X als „ältere Dame“ ausgegeben und würde Unwahrheiten über U E2 verbreiten. Ferner werde durch die im Klageantrag zu c) aufgeführten Äußerungen der unzutreffende Eindruck erweckt, er habe bei YouTube ein Video über M X veröffentlicht und dies auch zugegeben. Schließlich würden die im Antrag zu d) genannten Aussagen den Eindruck erwecken, er habe bestätigt, behauptet zu haben, mit Frau U E2 zusammen gewesen zu sein.
7Der Kläger hat beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft zu vollstrecken an dem Geschäftsführer – zu unterlassen,
9a) über den Kläger identifizierend unter Nennung seines Namens und Verbreitung seines Bildnisses zu berichten,
10b) in Bezug auf den Kläger zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen,
11aa) der Kläger habe sich auf der Internetplattform „Facebook“ als ältere Dame ausgegeben, um so Frau M X zu kontaktieren. Er habe dann im Gesprächsverlauf aufgedeckt, dass er in Wirklichkeit U2 M2 sei (Time-Code 01:15-01:39, Anlage K 4)
12bb) der Kläger würde Unwahrheiten über U E2 verbreiten (Time-Code 04:25 – 04:30, Anlage K 4),
13c) durch die Berichterstattung
14(Off-Stimme)
15„In dem Anti-M Internetvideo wird die 20-jährige nicht nur als Nutte beschimpft, vielmehr legt das Video nahe, die angehende Friseurin aus dem Erzgebirge würde im Frankfurter Rotlichtmilieu als Prostituierte arbeiten.“ (Time-Code 02:45-03:11, Anlage K 4)
16(…)
17(Off-Stimme)
18„Ein bisschen ertappt wirkt M2 schon, mehrere Tage hatte unser Reporter gebraucht, um den angeblichen ETE2T2-Fan aufzuspüren. Was sagt der Mann, der nach eigenen Angaben zu mindestens 14 Superstarkandidaten Kontakt gesucht hat, zu den Videos, die M und andere Superstarbewerber verunglimpfen.“
19(S-Reporter)
20„Sie haben ja viele YouTube-Videos auch eingestellt.“
21(U2 M2)
22„8,9 Videos sind das, ist das verboten?!“
23(M X)
24„Jetzt wird es immer schlimmer, jetzt schreiben mich schon echt 100 Leute darauf an, dass ich in Frankfurt als Nutte arbeite und ich war dann richtig zittrig“
25(U2 M2)
26„Ich habe ja nur die Wahrheit geschrieben“
27(Time-Code 03:25 – 04:05, Anlage K 4)
28aa) den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe auf der Internetplattform „YouTube“ ein Video über M X veröffentlicht, in dem diese als Nutte bezeichnet wird,
29bb) den Eindruck zu erwecken, der Kläger würde gegenüber der Antragsgegnerin bestätigen, derartige Videos auf der Internetplattform „YouTube“ veröffentlicht zu haben;
30d) durch die Berichterstattung
31(S Off-Stimme)
32„In einem bei YouTube veröffentlichten Filmchen wird sogar behauptet, M2 sei Superstar-Kandidat. Für U die wohl noch schlimmere Lüge, angeblich seien der 31-jährige und die schöne 19-jährige ein Paar gewesen.“
33(U2 M2)
34„Ich habe alles so in den Entry reingeschrieben; so wie es ist, ist es auch.“
35(U E)
36„Meines Wissens waren wir nicht zusammen, also. Ich weiß da nichts von, aber ich finde es auch schlimm. Das Ganze ist ein bisschen gruselig, also er macht das schon, das ganze sehr extrem.“
37(Time-Code: 04:30 – 04:59)
38den Eindruck zu erwecken, der Antragsteller würde bestätigen, behauptet zu haben, mit Frau U E zusammen gewesen zu sein,
39wie jeweils geschehen am 24.01.2013 auf dem Fernsehsender S in der Sendung „F“.
40Die Beklagte hat beantragt,
41die Klage abzuweisen.
42Die Beklagte hat gemeint, dass in ihrem Fernsehbeitrag weder die vom Kläger angegriffene Tatsachenbehauptung enthalten sei noch die beanstandeten Eindrücke erweckt würden und hat auch eine den Kläger identifizierende Berichterstattung für zulässig gehalten.
43Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Anträge zu b) aa) (ältere Dame), c) (YouTube-Video über M X) und d) (Beziehung zu U E) stattgegeben und sie hinsichtlich der Anträge zu a) (identifizierende Berichterstattung) und b) bb) (Verbreitung von Unwahrheiten) abgewiesen. Zur Begründung der stattgebenden Entscheidung hat das Landgericht die Auffassung vertreten, dass der Fernsehbeitrag der Beklagten die mit dem Klageantrag zu b) aa) zur Unterlassung begehrte Behauptung, der Kläger habe sich gegenüber M X als ältere Dame ausgegeben und dies auch zugegeben, zwar nicht unmittelbar und ausdrücklich enthalte, allerdings einen entsprechenden Eindruck erwecke, indem dies dem Zuschauer als unabweisliche Schlussfolgerung nahegelegt werde. Ein abweichendes Verständnis sei fernliegend. Dies sei angesichts des eingeblendeten Schriftzuges auch hinsichtlich des mit dem Antrag zu c) zur Unterlassung begehrten Eindrucks, der Kläger habe bei YouTube ein Video über M X veröffentlicht und dies auch bestätigt, der Fall, auch wenn am Ende des Beitrags das Bestreiten des Klägers wiedergegeben wird, da diese Äußerungen aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Schließlich könne der Kläger auch gemäß dem Klageantrag zu d) verlangen, dass die Beklagte es unterlässt, den Eindruck zu erwecken, er würde bestätigen, behauptet zu haben, mit Frau U E zusammen gewesen zu sein, weil durch den Fernsehbeitrag dem Zuschauer auch dies - ebenfalls in Form eines eingeblendeten Schriftzuges - als zwingende Schlussfolgerung nahegelegt werde. Zur Begründung der teilweisen Klageabweisung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung unter Nennung seines Namens und Verbreitung seines Bildnisses entsprechend dem Antrag zu a) habe, weil er sich für ein Interview zur Verfügung gestellt und damit in eine identifizierende Berichterstattung wirksam eingewilligt habe und die Verbreitung zutreffender Tatsachenbehauptungen über die Sozialsphäre regelmäßig zulässig sei. Der Kläger könne auch keine Unterlassung der Äußerung, er würde Unwahrheiten über U E verbreiten, gemäß dem Klageantrag zu b) bb) verlangen, weil es sich dabei um eine zulässige Meinungsäußerung handele.
44Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem Urteil vom 15.1.2014 (Bl. 563 ff. GA) Bezug genommen.
45Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiterverfolgt sowie ihr Vorbringen aus erster Instanz wiederholt, vertieft und ergänzt. Die Beklagte meint, dass die Klage mangels Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers, unter der auch Zwangsvollstreckungsversuche unternommen werden können, unzulässig sei. Die Beklagte ist ferner der Auffassung, dass das Landgericht dem Klageantrag zu b) aa) (ältere Dame) nicht unter dem Aspekt einer Eindruckserweckung hätte stattgeben dürfen, weil dies nicht dem Klageantrag entspreche und auch nicht entsprechend tenoriert worden sei. Der Kläger habe stets den Standpunkt vertreten, dass in dem Fernsehbeitrag eine solche Tatsachenbehauptung ausdrücklich und nicht nur verdeckt enthalten sei. Beides ist nach Meinung der Beklagten nicht der Fall. Ferner ist die Beklagte unter Berufung auf die Beschlüsse des Senats in dem Beschwerdeverfahren 15 W 58/13 der Auffassung, dass in ihrem Fernsehbeitrag nicht der mit dem Klageantrag zu c) (YouTube-Video über M X) zur Unterlassung begehrte Eindruck erweckt werde. Jedenfalls sei durch die am Ende der Sendung wiedergegebene Äußerung des Klägers insoweit eine Klarstellung erfolgt, die von dem durchschnittlichen Zuschauer als auch darauf bezogen verstanden werde. Hinsichtlich des Klageantrags zu d) (Beziehung zu U E) ist die Beklagte ebenfalls der Auffassung, dass der beanstandete Eindruck nicht erweckt werde, weil durch den dort verwendeten Begriff „entry“ eindeutig klargestellt sei, dass sich die wiedergegebene Äußerung des Klägers nicht auf ein Video beziehe.
46Die Beklagte beantragt,
47das angefochtene Urteil abzuändern, soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, und die Klage insgesamt – auch hinsichtlich der in der Berufungsverhandlung formulierten Hilfsanträge - abzuweisen.
48Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, soweit der Klage stattgegeben wurde, und beantragt,
49die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
50hilfsweise zu der gemäß dem Klageantrag zu b) aa) erfolgten Verurteilung der Beklagten zu untersagen, in Bezug auf den Kläger zu behaupten und/oder behaupten zu lassen:
51S OFF-Stimme:
52„Kurz darauf will eine ältere Dame ihr online Fan werden“
53M X 0:15 – 01:39
54„Und da hab ich gedacht, ok mit der kannst Du ja mal schreiben, die ist vielleicht ganz in Ordnung ne. Und so hin und her geschrieben und dann irgendwann kam:
55‚Ich muss dir was sagen‘
56Ich so: ‚Wie jetzt?‘
57‚Na ich bin gar nicht die‘,
58Ich so: ‚Hä, wer biste dann?‘
59‚Na ich bin der U2 M2.‘
60‚Also der U2 L. ne!‘
61Boah und da dachte ich, was geht denn jetzt los. Und da hatte ich so ein komisches Gefühl und dachte mir, dass der jetzt gleich vor meiner Tür steht.“wie geschehen am 24.1.2013 auf dem Fernsehsender S in der Sendung „F“;
62weiter hilfsweise der Beklagten zu untersagen, durch die Berichterstattung:
63S OFF-Stimme:
64„Kurz darauf will eine ältere Dame ihr online Fan werden“
65M X 0:15 – 01:39
66„Und da hab ich gedacht, ok mit der kannst Du ja mal schreiben, die ist vielleicht ganz in Ordnung ne. Und so hin und her geschrieben und dann irgendwann kam:
67‚Ich muss dir was sagen‘
68Ich so: ‚Wie jetzt?‘
69‚Na ich bin gar nicht die‘,
70Ich so: ‚Hä, wer biste dann?‘
71‚Na ich bin der U2 M2.‘
72‚Also der U2 L. ne!‘
73Boah und da dachte ich, was geht denn jetzt los. Und da hatte ich so ein komisches Gefühl und dachte mir, dass der jetzt gleich vor meiner Tür steht.“S Off-Stimme 0:39 – 01:56
74„Wer ist L-I U2 M2, klar ist, der Mann ist gut 10 Jahre älter als die meisten der ETE2T2 Kandidaten, klar ist auch, er selbst sieht sich als ETE2T2-Fan. Aber was steckt wirklich hinter seinen unzähligen hartnäckigen Versuchen, Kontakt zu ETE2T2-Kandidatinnen aufzunehmen.“
75U E: 01:56 – 02:01
76„Ich finde das gruselig, man weiß ja nie wie weit dieser Mann geht.“
77wie geschehen am 24.1.2013 auf dem Fernsehsender S in der Sendung „F“,
78den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe sich im Internet gegenüber Frau X als ältere Dame ausgegeben und im Gesprächsverlauf aufgedeckt, dass er in Wirklichkeit U2 M2 sei.
79Der Kläger behauptet, stets aktuelle und korrekte Anschriften angegeben zu haben und ist der Auffassung, dass das Landgericht den Klageanträgen zu Recht teilweise entsprochen hat. Insbesondere liege hinsichtlich des Klageantrags zu b) aa) (ältere Dame) keine unzulässige Abweichung vom Klagebegehren vor und werde im Gesamtzusammenhang durch die Berichterstattung der Beklagten der mit den vorsorglich gestellten Hilfsanträgen zur Unterlassung begehrte Eindruck als unabweislich erweckt, indem die Einschätzung der ETE2T2-Kandidatin, dass es sich bei der Person, die sich als ältere Dame ausgegeben hatte, um den Kläger handele, ohne jegliche Distanzierung im Zusammenhang mit weiteren Aussagen über den Kläger wiedergegeben wird. Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, dass es auf eine zwingende Eindruckserweckung auch nicht ankomme, sondern nach der Stolpe-Rechtsprechung ein Unterlassungsanspruch selbst bei Annahme einer seines Erachtens jedenfalls vorliegenden mehrdeutigen verdeckten Tatsachenbehauptung bestehe. Hinsichtlich der Klageanträge zu c) (YouTube-Video über M X) und d) (Beziehung zu U E) ist der Kläger der Meinung, dass unter dem Aspekt des Zitatschutzes ein Unterlassungsanspruch auch dann bestehe, wenn aufgrund einer verfälschten Wiedergabe bei einer Vielzahl von Rezipienten der (nicht notwendigerweise unabweisliche) Eindruck entsteht, dass sich der Zitierte in einer bestimmten Weise geäußert hat, wie dies seines Erachtens in dem Fernsehbeitrag der Beklagten in Bezug auf eine angebliche Bestätigung der Vorwürfe bzw. der Beziehung durch den Kläger der Fall ist. Im Übrigen ist die Erweckung eines unabweislichen Eindrucks hinsichtlich der Bestätigung einer Urheberschaft bzw. Beziehung nach Ansicht des Klägers aber auch zu bejahen.
80Mit seiner Anschlussberufung wendet sich der Kläger gegen die Abweisung des Klageantrags zu a). Er ist der Auffassung, dass eine identifizierende Berichterstattung wegen der damit verbundenen Stigmatisierung und Prangerwirkung, der fehlenden Einwilligung in die konkrete Berichterstattung und der Nichteinhaltung der Grundsätze der Verdachtsberichterstattung unzulässig ist, was sich auch daraus ergebe, dass das Landgericht seinem Unterlassungspetitum im einstweiligen Verfügungsverfahren stattgegeben und die vorliegende Antragstellung empfohlen hat. Hierzu behauptet der Kläger, er werde in dem Beitrag der Beklagten unzutreffend als jemand dargestellt, der andere Personen belästigt und ihnen auflauert, was durch filmische, sprachliche und akustische Mittel wie Licht- und Toneffekte noch verstärkt werde. Mit den Filmaufnahmen habe er sich nur unter der Bedingung einverstanden erklärt, dass sein Abstreiten der gegen ihn erhobenen Vorwürfe ausgestrahlt wird, was jedoch nicht geschehen sei. Eine etwaige Einwilligung rechtfertige seines Erachtens aber auch nach der Zweckübertragungslehre nicht die konkrete stigmatisierende Berichterstattung. Im Übrigen handelt es sich nach Auffassung des Klägers auch nicht um eine zulässige Verdachtsberichterstattung, weil es für die gegen ihn erhobenen (auch strafrechtlich relevanten) Vorwürfe an einem Mindestbestand an Beweistatsachen fehle und es sich mangels Wiedergabe seines Standpunktes nicht um eine ausgewogene, sondern eine bewusst einseitige und verfälschende Darstellung handele, da eine Vorverurteilung stattfinde, indem durch die Schnittführung sein Bestreiten vollständig entwertet werde.
81Der Kläger beantragt,
82unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung einer vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Letztere zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, über den Kläger identifizierend unter Nennung seines Namens und Verbreitung seines Bildnisses zu berichten,
83wie geschehen am 24.1.2013 auf dem Fernsehsender S in der Sendung „F“.
84Die Beklagte beantragt,
85die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
86Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger aufgrund seiner nicht an Bedingungen geknüpften Einwilligung nicht generell die Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung verlangen könne. Im Übrigen werde am Ende des Beitrags auch klargestellt, dass der Kläger bestreitet, Urheber („Macher“) der Videos gewesen zu sein. Ferner meint die Beklagte, dass der Kläger durch die Art der Darstellung auch nicht stigmatisiert oder an den Pranger gestellt werde. Den bewussten Einsatz von Licht- oder Toneffekten, um den Kläger negativ darzustellen, bestreitet die Beklagte. Ebenso wenig enthält der Beitrag nach deren Auffassung eine verallgemeinernde Darstellung des Klägers als einen Mann, der „aufdringlich“ und „hartnäckig“ zu jungen Frauen sei, ihnen Angst mache, sie sich zum Ziel gemacht habe und/oder junge Mädchen belästige. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich nach Meinung der Beklagten auch nicht bei einer Anwendung der Grundsätze zur Verdachtsberichterstattung, da aufgrund der eigenen (abfälligen) Äußerungen des Klägers über ETE2T2-Kandidatinnen in seinem Blog ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorgelegen habe, keine Vorverurteilung stattfinde und Stellungnahmen des Klägers in ausreichender Weise berücksichtigt worden seien.
87Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 26.8.2014 verwiesen.
88II.
89Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers sind jeweils zulässig und teilweise begründet und führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung des angefochtenen Urteils.
90Die Anschlussberufung des Klägers ist jedenfalls nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen möglicher Versäumung der Einlegungsfrist zulässig.
91Die Klage ist ebenfalls zulässig. Zum einen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger den Rechtsstreit „aus dem Verborgenen“ führt, zumal die Beklagte dem Vorbringen des Klägers, dass er bei Klageerhebung eine aktuelle Adresse angegeben habe, nicht mehr entgegen getreten ist und auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die zuletzt genannte, aus dem Rubrum ersichtliche Anschrift des Klägers unzutreffend ist, so dass es nicht darauf ankommt, inwieweit dies ggf. Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Klage und/oder der Anschlussberufung hätte. Zum anderen begegnet auch die Zulässigkeit der einzelnen Klageanträge, insbesondere der in der Berufungsverhandlung gestellten Hilfsanträge hinsichtlich des erstinstanzlich zugesprochenen Klageantrags zu b) aa) (ältere Dame), keinen rechtlichen Bedenken (§§ 533, 529 ZPO).
92Die danach zulässigen Rechtsmittel sind insoweit begründet, als einerseits der Kläger gemäß dem Klageantrag zu a) einen Anspruch auf Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung in der konkreten Verletzungsform hat, während andererseits vor diesem Hintergrund die übrigen gegen einzelne Äußerungen gerichteten Klageanträge unbegründet sind, weil insoweit ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an einer entsprechenden Verurteilung auch unter Berücksichtigung der Erörterungen in der Berufungsverhandlung nicht erkennbar ist, so dass die Klage hinsichtlich der vom Landgericht zugesprochenen Anträge zu b) aa) (ältere Dame), c) aa) und bb) (Video über M X) und d) (Beziehung zu U E) sowohl hinsichtlich der Haupt- als auch der Hilfsanträge abzuweisen ist. Der vom Landgericht abgewiesene Klageantrag zu b) bb) ist ohnehin nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, nachdem der Kläger die Zurückweisung seines diesbezüglichen PKH-Antrags akzeptiert und seine Anschlussberufung auf den Klageantrag zu a) beschränkt hat.
931. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung wie in der Sendung „F“ vom 24.1.2013 geschehen, weil bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen den betroffenen (Grund-) Rechtspositionen das Anonymitätsinteresse des Klägers gegenüber der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit der Beklagten und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt.
94Zwar tangiert die Berichterstattung den Kläger – allenfalls - in seiner Privatsphäre, wenn nicht sogar „nur“ in seiner Sozialsphäre, weil er mit seinem Blog im Internet bewusst in die Öffentlichkeit getreten ist und das Bestehen darüber hinausgehender privater oder gar intimer Beziehungen zu den Kandidatinnen gerade in Abrede stellt. Der Kläger ist zwar keine in der Öffentlichkeit allgemein bekannte Person, aber Betreiber eines nach eigener Einschätzung „wichtigen“ Blogs im Internet, der sich mit der Sendung „E T E2 T2“ (ETE2T2) befasst und in dem der Kläger sich unter Nennung seines Namens präsentiert. Zudem nimmt er für sich einen publizistischen Ruf in Anspruch, den er durch die Berichterstattung der Beklagten als beeinträchtigt bzw. gefährdet ansieht. Insofern betrifft die Berichterstattung der Beklagten schwerpunktmäßig das öffentliche Wirken des Klägers. In diesem Bereich besteht grundsätzlich ein geringe(re)s Anonymitätsinteresse. Es ist auch ein Informationsinteresse bei den von der Fernsehsendung der Beklagten angesprochenen Zuschauern, insbesondere „Fans“ und sonstigen an der Sendung „E T E2 T2“ interessierten Personen hinsichtlich der in dem Fernsehbeitrag der Beklagten behandelten Auswirkungen einer Teilnahme an der Sendung „E T E2 T2“ anzuerkennen. Die Öffentlichkeit hat insofern ein legitimes Interesse daran zu erfahren, wie sich die Beteiligung an einem solchen Fernsehformat auf die in der Regel zuvor nicht medienerfahrenen Kandidaten/-innen auswirkt und wie das an ihrer Person geweckte Interesse der Medien, der Öffentlichkeit und/oder von Einzelpersonen von den ETE2T2-Teilnehmern selbst empfunden wird. Hierzu gehören auch die Auswirkungen einer intensiven Befassung mit den einzelnen Kandidaten, wie sie im Blog des Klägers stattfindet. Bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen diesem Informationsinteresse der Beklagten und der Öffentlichkeit auf der einen Seite und dem Anonymitätsinteresse des Klägers auf der anderen Seite überwiegt jedoch letzteres, so dass der Kläger nicht hinnehmen muss, dass in der konkreten Art und Weise identifizierend über ihn berichtet wird.
95Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Urteil vom 30.10.2012 – VI ZR 4/12, in: NJW 2013, 229 ff. m.w.N.) darf die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden. Verfehlungen - auch konkreter Personen - aufzuzeigen, gehört zu den legitimen Aufgaben der Medien. Bei Tatsachenberichten hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen.
96Letzteres ist bei dem in Rede stehenden Fernsehbeitrag der Beklagten, der am frühen Abend auf einem großen deutschen Privatsender ausgestrahlt wurde, also ein großes Fernsehpublikum, insbesondere auch (potentielle) Zuschauer des Sendeformats „E T E2 T2“, erreichen und damit eine erhebliche Breitenwirkung entfalten konnte, nach Überzeugung des Senats der Fall. Der gesamte etwa 5 Minuten lange Sendeteil befasst sich mit der (vermeintlichen) Beziehung des sowohl in Wort und Schrift als auch durch eingeblendete Film- und Fotoaufnahmen wiederholt namentlich genannten bzw. erkennbaren Klägers zu den ETE2T2-Kandidatinnen M X und U E sowie weiteren (nicht namentlich genannten) Teilnehmerinnen dieses Fernsehformats. Die etwa in der Mitte des Beitrags (Timecode 2:20) während der Einblendung eines Filmausschnitts, das den Kläger mit einem Handy in der Hand zeigt, ausdrücklich geäußerte Vermutung, dass der Kläger nicht nur schlecht über M X schreibt, sondern möglicherweise auch „in Webvideos über sie herzieht“, wird zwar nicht als feststehend, sondern nur als möglich bezeichnet, zieht sich jedoch ebenso wie die Vermutung einer Belästigung weiterer Kandidatinnen durch die gesamte Sendung. So werden bereits zu Beginn vom Kläger erstellte facebook-Nachrichten eingeblendet (Timecode 0:35). Im unmittelbaren Anschluss daran wird unter Präsentation eines Fotos und von Filmaufnahmen des als „(allzu) aufdringlicher Fan“ von M X, der intime Fragen stellt, bezeichneten Klägers erörtert, was er mit bösen Beleidigungen und Rotlichtvideos zu tun habe, bevor Szenen beim Antreffen des Klägers durch Reporter der Beklagten gezeigt werden, in denen er mehrfach mit seinem Namen angesprochen wird. Nach den anschließend wiedergegebenen Äußerungen von M X, die Gegenstand des Klageantrags zu b) aa) sind und dort zitiert wurden (Timecode 1:15), werden unter Einblendung von Filmaufnahmen des Klägers und der Mitteilung von als „klar“ bezeichneten Informationen über ihn (z.B. sein Alter und der Satz „Er sieht sich als ETE2T2-Fan.“) die Fragen aufgeworfen „Wer ist L-I U2 M2?“ und „Aber was steckt wirklich hinter seinen unzähligen hartnäckigen Versuchen, Kontakt zu ETE2T2-Kandidatinnen aufzunehmen?“ (Timecode 1:55), bevor Äußerungen von U E eingeblendet werden, die „das“ gruselig findet, „weil man nie weiß, wie weit dieser Mann geht“. Daran schließen sich die Einblendung von schriftlichen Äußerungen des Klägers über M X und die bereits erwähnte Überlegung an, dass die Vermutung naheliege, dass der Kläger möglicherweise auch in Webvideos über die ETE2T2-Kandidaten herzieht. Unmittelbar nach der Einblendung von Ausschnitten des Internetvideos, in dem M X als „Nutte“ bezeichnet wird, erfolgt eine „Nachfrage bei U2 M2“ (Timecode 3:10), indem er zu seinem Blog befragt wird und zu (anderen) YouTube-Videos Stellung nimmt, woran sich die vom Klageantrag zu c) erfassten und dort wiedergegebenen Äußerungen anschließen und festgestellt wird, er wirke „schon ein bisschen ertappt“ (Timecode 3:30). Nach der Frage „Was sagt der Mann, der Kontakt zu mindestens 14 Kandidatinnen gesucht hat, zu den Videos, die M und andere Superstar-Kandidaten verunglimpfen?“ erfolgt die Einblendung von weiteren Äußerungen des Klägers zu YouTube-Videos (Timecode 3:50), und werden ein weiterer O-Ton von M X und die vermeintliche Erwiderung des Klägers eingeblendet, er habe nur die Wahrheit geschrieben (Timecode 4:05). Im Anschluss an die Einleitung „Dabei scheint M nicht das einzige Ziel des 31-jährigen Berufsschülers aus Brandenburg zu sein.“ erfolgen die mit dem Klageantrag zu b) bb) zur Unterlassung begehrten und dort wiedergegebenen Äußerungen von U E und die mit dem Klageantrag zu d) angegriffenen Äußerungen und Texteinblendungen betreffend ein „YouTube-Filmchen“, in dem behauptet wird, dass der Kläger ebenfalls ein ETE2T2-Kandidat gewesen sei und eine Beziehung zu U E gehabt habe (Timecode 4:35), woran sich die Wiedergabe der (vermeintlichen) Stellungnahme des Klägers anschließt, er habe „alles so in den entry reingeschrieben, so wie es ist, ist es auch“ (Timecode 4:50). Nach der Einblendung weiterer Äußerungen von U E erfolgt sodann die abschließende Feststellung, der Kläger habe vieles zugegeben, die Urheberschaft hinsichtlich der Filme allerdings bestritten (Timecode 5:00). Insgesamt vermittelt der Fernsehbeitrag der Beklagten somit ein negatives Bild über den im Unterschied zu den ETE2T2-Teilnehmerinnen M X und U E auch bildlich sowohl vom äußeren Erscheinungsbild her als auch hinsichtlich der durch die Aufnahmen vermittelten („düsteren“) Stimmung in wenig vorteilhafter Weise dargestellten Kläger, der durchgängig als (zumindest) aufdringlicher Fan mehrerer ETE2T2-Kandidatinnen erscheint, der zu ihnen hartnäckig Kontakt sucht, Lügen über sie verbreitet und auf Ablehnung mit negativen Äußerungen – möglicherweise – sogar bis hin zur Erstellung und/oder Veröffentlichung von diffamierenden Videos reagiert.
97Besonders fällt ins Gewicht, dass dem Zuschauer durch die Wiedergabe von einzelnen Äußerungen des Klägers durch Einblendung von dessen Äußerungen und von schriftlichen Angaben des Klägers (z.B. in seinem Blog oder bei facebook) der Eindruck vermittelt wird, dass er die Vorwürfe (jedenfalls teilweise) eingeräumt hat, wie sich etwa aus der gezeigten Antwort auf die Frage nach erstellten YouTube-Videos sowie aus den Aussagen „Ich habe nur die Wahrheit geschrieben“ und „Ich habe alles so in den entry reingeschrieben, so wie es ist, ist es auch.“ ergibt. Dies ist jedoch selbst nach der Feststellung am Ende des Beitrags der Beklagten, der Kläger habe vieles zugegeben, aber bestritten, Urheber der Filme zu sein, obwohl er strafrechtliche Konsequenzen nicht zu befürchten habe, und auch nach dem Vorbringen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit nicht der Fall. Dass die o.g. sich auf schriftliche Angaben beziehenden Äußerungen des Klägers, die in den Sendebeitrag der Beklagten eingeflossen sind, nicht in den Kontext, in dem sie gesendet wurden, passen, weil es dort um die Urheberschaft und die Veröffentlichung von (YouTube-) Filmen geht, die vermeintlichen „Geständnisse“ des Klägers deshalb tatsächlich in einem anderen Zusammenhang gefallen sein müssen und lediglich durch ein Zusammenschneiden des Filmmaterials an die konkreten Stellen gelangt sein können, erschließt sich dem für die Beurteilung maßgeblichen Zuschauerkreis, der den Fernsehbeitrag lediglich einmalig mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit und Interesse zur Kenntnis nimmt, im Unterschied zu Personen, die wie die Verfahrensbeteiligten und die Senatsmitglieder die Gelegenheit hatten, die Sendung mehrfach in Augenschein zu nehmen und den WoSaut durch Lektüre der zur Akte gereichten Mitschrift eingehend zu analysieren, nicht. Bei einmaliger Betrachtung der Sendung kann und muss jedenfalls ein relevanter Teil des angesprochenen Publikums nicht zwangsläufig zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die „unpassenden“ Zitate des Klägers in anderem Zusammenhang gefallen sind, als sie in den Fernsehbeitrag eingeflossen sind, sondern der insofern maßgebliche Rezipientenkreis nimmt naheliegend an, dass der Kläger auf Darstellungen und Vorhalte des Reporters bzw. der ETE2T2-Teilnehmerinnen, die in der Sendung zu Wort kommen, erwidert hat, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Einblendung seiner Äußerungen standen, und damit die Vorwürfe eingeräumt hat, so dass er durch die Wiedergabe von vermeintlich in einem bestimmten Kontext erfolgter Äußerungen quasi als „Zeuge gegen sich selbst“ präsentiert wird. Dies wird durch die gesamte Art und Weise der Darstellung in Wort und Bild, insbesondere die Schnittführung sowie Licht- und Toneffekte, durch die der Kläger insgesamt als Person erscheint, die ETE2T2-Kandidaten belästigt, ihnen nachstellt und auf Ablehnung beleidigend reagiert, so dass die Betroffenen nach ihren eigenen Äußerungen vor ihm Angst haben (müssen), noch verstärkt. Auch wenn der Kläger - wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - keinen darauf Anspruch hat, von der Beklagten in einem positive(re)n Licht präsentiert zu werden, handelt es sich bei der in Rede stehenden Berichterstattung um eine ausgesprochen einseitige Darstellung zu Lasten des Klägers, bei der Dementis als vermeintliche Geständnisse präsentiert werden und dem Kläger dadurch quasi „das Wort im Munde verdreht“ wird. Eine solche Art und Weise der Darstellung wie in dem Fernsehbeitrag der Beklagten vom 24.1.2013 muss der Kläger nach Auffassung des Senats nicht hinnehmen.
98Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger sich gegenüber Reportern der Beklagten zu einem Interview bereitgefunden hat. Dass der Kläger mit der konkreten Darstellung, insbesondere der o.g. Schnittführung hinsichtlich vermeintlicher „Geständnisse“, einverstanden gewesen wäre, behauptet die Beklagte selbst nicht. Damit musste der Kläger nach Auffassung des Senats auch billigerweise nicht rechnen. Insofern stellt die freiwillige Teilnahme an dem Interview lediglich einen Aspekt dar, der bei der Abwägung der betroffenen (Grundrechts-) Positionen zu Gunsten der Meinungsäußerungsfreiheit zu berücksichtigen ist (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 11.6.2013 – VI ZR 209/12, in: NJW 2013, 3029 ff.), lässt das aus den vorstehend dargestellten Gründen vorrangige Anonymitätsinteresses des Klägers indes nach Auffassung des Senats nicht zurücktreten.
99Zur Wahrung des berechtigten Interesses des Klägers, nicht in einer solchen (stigmatisierenden) Weise wie in dem TV-Beitrag der Beklagten vom 24.1.2013 der Öffentlichkeit gezeigt zu werden, reicht es nicht aus, einzelne – etwa die mit den weiteren Klageanträgen angegriffenen – Passagen zu untersagen, sondern es ist ein Verbot der gesamten Sendung erforderlich und auch unter Berücksichtigung schutzwürdiger Belange der Beklagten angemessen, weil sich der ganze Beitrag – aus verschiedenen Blickwinkeln – mit der Person des Klägers befasst und diesen in der dargestellten Weise, insbesondere durch als vermeintliche „Geständnisse“ präsentierten, jedoch in anderem Zusammenhang gefallenen Äußerungen, durchgängig in negativer Weise darstellt.
100Die aufgrund der Erstbegehung durch die Fernsehsendung vom 24.1.2013 bestehende Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr hat die Beklagte nicht ausgeräumt, da sie insbesondere der Aufforderung des Klägers zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht nachgekommen und dem Klagebegehren auch im vorliegenden Rechtsstreit entgegen getreten ist.
1012. Angesichts des nach dem Vorstehenden zu bejahenden Erfolgs des auf Unterlassung jeglicher identifizierenden Berichterstattung in der konkreten Verletzungsform gerichteten Klageantrags zu a) besteht nach Auffassung des Senats kein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der mit den weiteren Klageanträgen zu b) aa), c) aa) und bb) sowie d) verfolgten Unterlassungsbegehren hinsichtlich bestimmter Passagen des Fernsehbeitrags der Beklagten.
102Die insoweit angegriffenen auf den Kläger bezogenen Äußerungen bzw. seines Erachtens erweckten Eindrücke, er habe sich auf der Internetplattform „Facebook“ als ältere Dame ausgegeben, um so Frau M X zu kontaktieren, und habe im Gesprächsverlauf aufgedeckt, dass er in Wirklichkeit U2 M2 sei, er habe auf der Internetplattform „YouTube“ ein Video über M X veröffentlicht, in dem diese als „Nutte" bezeichnet wird, und gegenüber der Beklagten bestätigt, derartige Videos auf der Inter
103netplattform „YouTube“ veröffentlicht zu haben, und/oder er würde bestätigen, behauptet zu haben, mit Frau U E zusammen gewesen zu sein, sind bereits aufgrund des vorstehend ausgesprochenen Verbots, über den Kläger - wie geschehen am 24.1.2013 auf dem Fernsehsender S in der Sendung „F“ - identifizierend unter Nennung seines Namens und Verbreitung seines Bildnisses zu berichten, unzulässig. Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an einem kumulativen Verbot einzelner Passagen des Fernsehbeitrags besteht nach Auffassung des Senats nicht. Die vom Kläger herangezogene Rechtsprechung u.a. des Bundesgerichtshofs und des Senats betrifft andere Fallgestaltungen, weil dort einzelne - wenn auch möglicherweise inhaltlich (teilweise) sich überschneidende bzw. „kerngleiche“ - Äußerungen untersagt wurden, während es vorliegend um ein - umfassendes - Verbot identifizierender Berichterstattung einerseits und im Zusammenhang damit erfolgter Äußerungen andererseits geht. Sollte die Beklagte derartige Äußerungen wiederholen, ohne dass der Kläger als Person erkennbar ist, würde es an dessen Betroffenheit und damit einer Rechtsverletzung fehlen, die ihm die Aktivlegitimation zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen o.ä. verleihen könnte. Inwieweit gleichwohl schutzwürdige Interessen des Klägers durch eine etwaige Wiederholung der einzelnen Äußerungen ohne für den Zuschauer - bei dem insofern anzulegenden (großzügigen) Maßstab - erkennbaren Bezug zum Kläger verletzt würden, ist auch nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung und den Ausführungen im – nicht nachgelassenen – Schriftsatz des Klägers vom 10.9.2014 nicht ersichtlich. Soweit der Kläger auf Zumutbarkeitserwägungen und eventuelle Auswirkungen auf die Kostenentscheidung abstellt, hätte er diesen Aspekten durch eine – seinem Prozessbevollmächtigten in der Berufungsverhandlung auch nahegelegte - Modifikation der Antragstellung in Form von Haupt- und Hilfsanträgen Rechnung tragen können.
104Ob die mit den weiteren Klageanträgen angegriffenen Äußerungen bei isolierter Betrachtung unzulässig wären, was der Senat in seinen Beschlüssen vom 10.10.2013 und vom 19.11.2013 (15 W 58/13) betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe für die insoweit vom Kläger begehrte Richtigstellung verneint, das Landgericht in dem vorliegend angefochtenen Urteil hinsichtlich eines Unterlassungsanspruchs indes anders beurteilt hat, bedarf danach keiner abschließenden Entscheidung. Insoweit kommt es auch auf die zum Klageantrag zu b) aa) zweitinstanzlich gestellten Hilfsanträge nicht an.
105Über die (Un-) Zulässigkeit einer anderweitigen Berichterstattung unter Verwendung des Rohmaterials, aus dem der Beitrag vom 24.1.2013 zusammengeschnitten wurde, insbesondere der mit den Klageanträgen zu b) bis d) angegriffenen Passagen, hat der Senat im vorliegenden Verfahren, das lediglich die konkrete Sendung betrifft, nicht zu entscheiden.
106III.
107Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Senat bemisst das Interesse des Klägers an der Unterlassung einer identifizierenden Berichterstattung ebenso hoch wie das Interesse an dem Unterbleiben einer Wiederholung einzelner Äußerungen, wobei nicht entscheidend ins Gewicht fällt, dass der erstinstanzliche Klageantrag zu b) bb) nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist. Schon angesichts der Vehemenz, mit der der Kläger sein kumulatives Unterlassungsbegehren hinsichtlich sämtlicher Klageanträge auch nach diesbezüglichen Hinweisen des Senats (weiter-) verfolgt, erscheint es nicht gerechtfertigt, das teilweise Unterliegen bei der Kostenentscheidung unberücksichtigt zu lassen.
108Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
109Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung beruht. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den vorliegenden Fall hinaus von Interesse sein könnten, waren auch in Bezug auf die Kostenentscheidung nicht zu entscheiden. Vielmehr handelt es sich um eine auf den besonderen Umständen des konkreten Falles beruhende Einzelfallentscheidung.
110Berufungsstreitwert: 60.000,00 €
111Die Streitwertfestsetzung entspricht der für richtig erachteten erstinstanzlichen Festsetzung, wobei die Nichtweiterverfolgung des Klageantrags zu b) bb) im Berufungsverfahren aus den zur Kostenentscheidung dargelegten Gründen nicht zu einem geringeren Streitwert führt. Umgekehrt misst der Senat auch dem zweitinstanzlichen Hilfsantrag des Klägers hinsichtlich des Klageantrags zu b) aa) abgesehen von wirtschaftlicher Identität mit dem diesbezüglichen Hauptantrag keine den Streitwert erhöhende Bedeutung zu.
moreResultsText
Annotations
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.