Oberlandesgericht Köln Beschluss, 23. Mai 2016 - 10 UF 5/16
Gericht
Tenor
1.
Der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Aachen vom 17.11.2015 – 220 F 82/15 – wird aufgehoben.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
3.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
21.
3Die nach den §§ 58 ff statthafte Beschwerde der Kindesmutter gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 17.11.2015, mit dem Ergänzungspflegschaft für den Wirkungskreis der Vertretung der Kinder F, geb. 24.2.2009, und M, geb. 26.1.2007, im beim Amtsgericht Aachen anhängigen Unterhaltsverfahren betreffend Minderjährigenunterhalt angeordnet worden ist, hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des Beschlusses.
4Die Voraussetzungen für die Anordnung der Ergänzungspflegschaft zur Vertretung der Kinder im Unterhaltsverfahren nach den §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Ziffer 3, 1909 BGB liegen nicht vor. Die minderjährigen Antragsteller werden durch die Kindesmutter nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB wirksam vertreten.
5Nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge derjenige Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, dieses bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche gesetzlich vertreten. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der mithin die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes nach Pflege, Verköstigung, Kleidung und ordnende Gestaltung des Tagesablaufs vorrangig befriedigt oder sicherstellt. Leben die Eltern in verschiedenen Wohnungen und regeln sie den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes dergestalt, dass es vorwiegend in der Wohnung eines Elternteils lebt und dies durch regelmäßige Besuche in der Wohnung des anderen Elternteils unterbrochen wird (Residenzmodell), so ist die Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB dem erstgenannten Elternteil zuzuordnen (BGH, Urteile vom 21.12.2005 – XII ZR 126/03 – FamRZ 2006, 1015, 1016 und vom 28.2.2007 – XII ZR 161/04 – FamRZ 2007, 707). Nur wenn die Eltern ihr Kind in der Weise betreuen, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (Wechselmodell), lässt sich kein Schwerpunkt der Betreuung ermitteln. Das hat zur Folge, dass kein Elternteil die Obhut im Sinne von § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB innehat. Dann muss der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil muss beim Familiengericht beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (BGH, Beschluss vom 12.3.2014 – XII ZB 234/13 -, nach Juris: Rn. 16).
6Gemessen hieran liegt das Schwergewicht der Betreuung der Kinder bei der Kindesmutter. Bereits aufgrund des unstreitigen Sachvortrags halten sich die Kinder während des Schul- und Arbeitsalltags in zeitlicher Hinsicht überwiegend im Haushalt der Kindesmutter auf. Die Kinder halten sich wöchentlich donnerstags von 16:00 Uhr bis freitags 7:30 Uhr, 14tägig von donnerstags 16:00 Uhr bis montags 7:30 Uhr und jeweils am ersten Mittwoch eines jeden Monats im Haushalt des Kindesvaters auf. Selbst nach dem Sachvortrag des Antragsgegners ergibt sich bei hälftiger Teilung der Ferienzeiten hierdurch eine Betreuungszeit der Kinder bei der Kindesmutter von 58% und beim Kindesvater von 42%. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Kindeseltern bis Anfang 2012 ein Wechselmodell gelebt haben, welches jedoch unstreitig wegen einer hohen beruflichen Belastung des Antragsgegners einvernehmlich abgeändert worden ist. Ob nunmehr wieder die Voraussetzungen für ein Wechselmodell gegeben sind, vermag der Senat nicht zu beurteilen, kann jedoch auch dahingestellt bleiben. Denn bislang wurde ein solches weder zwischen den Kindeseltern einvernehmlich vereinbart noch gerichtlich angeordnet.
7Der leicht überwiegende Aufenthalt im mütterlichen Haushalt ist ausreichend, die Voraussetzungen des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB zu bejahen. Denn anknüpfend an den Normzweck der Vorschrift des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB, die Einleitung von Sorgerechtsverfahren nur mit dem Ziel einer späteren Austragung von Unterhaltskonflikten möglichst zu vermeiden, wird ein Elternteil bereits dann als Träger der Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB angesehen werden können, wenn bei diesem Elternteil – wie hier – ein eindeutig feststellbares, aber nicht notwendig großes Übergewicht bei der tatsächlichen Fürsorge für das Kind vorliegt (BGH, Beschluss vom 12.3.2014 – XII ZB 234/13 - , nach jursi: Rn. 17). Zwar ist dem Antragsgegner grundsätzlich darin zuzustimmen, dass nicht allein auf die reinen Aufenthaltszeiten abzustellen sein dürfte, sondern auch auf die innerhalb der Zeit geleistete tatsächliche Betreuung (wie z.B. Begleitung zu außerhäuslichen Terminen). Der Antragsgegner hat aber selbst nicht behauptet, dass er hier einen größeren Betreuungsanteil leistet als die Kindesmutter, wodurch die, wenn auch nur gering überwiegende Aufenthaltszeit im mütterlichen Haushalt kompensiert würde.
8Wie sich das von den Beteiligten weit über übliche Umgangskontakte hinausgehende Betreuungsmodell auf eine etwaige Barunterhaltspflicht des Antragsgegners auswirkt, ist auf der Leistungsstufe des Unterhaltsverfahrens zu klären.
92.
10Die Beschwerde des Jugendamts der Stadt T vom 10.12.2015 gegen die getroffene Auswahl des Ergänzungspflegers in dem angefochtenen Beschluss ist durch die Aufhebung der Anordnung der Ergänzungspflegschaft gegenstandlos geworden.
113.
12Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf § 45 Abs. 1 Ziffer 1 FamGKG.
moreResultsText
Annotations
(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 übertragen ist. Bei Gefahr im Verzug ist jeder Elternteil dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der andere Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.
(2) Der Vater und die Mutter können das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 ein Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Steht die elterliche Sorge für ein Kind den Eltern gemeinsam zu, so kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Das Familiengericht kann dem Vater und der Mutter nach § 1789 Absatz 2 Satz 3 und 4 die Vertretung entziehen; dies gilt nicht für die Feststellung der Vaterschaft.
(2a) Der Vater und die Mutter können das Kind in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 nicht vertreten.
(3) Sind die Eltern des Kindes miteinander verheiratet oder besteht zwischen ihnen eine Lebenspartnerschaft, so kann ein Elternteil Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen, solange
- 1.
die Eltern getrennt leben oder - 2.
eine Ehesache oder eine Lebenspartnerschaftssache im Sinne von § 269 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwischen ihnen anhängig ist.
Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.
(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 übertragen ist. Bei Gefahr im Verzug ist jeder Elternteil dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der andere Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.
(2) Der Vater und die Mutter können das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 ein Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Steht die elterliche Sorge für ein Kind den Eltern gemeinsam zu, so kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Das Familiengericht kann dem Vater und der Mutter nach § 1789 Absatz 2 Satz 3 und 4 die Vertretung entziehen; dies gilt nicht für die Feststellung der Vaterschaft.
(2a) Der Vater und die Mutter können das Kind in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 nicht vertreten.
(3) Sind die Eltern des Kindes miteinander verheiratet oder besteht zwischen ihnen eine Lebenspartnerschaft, so kann ein Elternteil Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen, solange
- 1.
die Eltern getrennt leben oder - 2.
eine Ehesache oder eine Lebenspartnerschaftssache im Sinne von § 269 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwischen ihnen anhängig ist.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.